Kaiser

pdf der Druckfassung aus Sezession 31 / August 2009

Langsam, aber unaufhaltsam senkt sich die Waagschale zugunsten Wilhelms II. auch in rein quantitativer Hinsicht. Wenn man auf die Bücher von Straub und Clark (Sezession 27) noch das von Pintschovius legt, wiegen sie den Röhl zwar noch nicht auf. Dafür ist das Übergewicht der Revisionen aus qualitativer Sicht schon jetzt erdrückend. Pintschovius steht dabei seinen Mitstreitern in nichts nach.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Das Buch ist gut geschrie­ben und läßt es an ein­deu­ti­gen Urtei­len nicht feh­len. Ein­lei­tend weist er auf die Dis­kre­panz zwi­schen der NSWelt­an­schau­ung und dem, wofür der Kai­ser steht, hin, so daß die in die­sem Bereich übli­chen Gleich­set­zun­gen gleich als absurd ent­larvt sind.
Der Leser weiß also, was ihn erwar­tet, wenn Pint­scho­vi­us das Leben des Kai­sers bis zur Abdan­kung detail­liert nach­zeich­net. Ein beson­de­res Ver­dienst sind die Schil­de­run­gen der Umstän­de, in denen der Kai­ser regier­te. Wenn Röhl bei­spiels­wei­se genüß­lich den Eulen­berg-Skan­dal aus­brei­tet, in dem es um Homo­se­xua­li­tät und Patro­na­ge ging, weist Pint­scho­vi­us auf zwei Tat­sa­chen die­ses Fal­les hin, die gern ver­ges­sen wer­den: das Aus­maß der Pres­se­frei­heit und die Unab­hän­gig­keit der Jus­tiz: »Ein­fluß­nah­men oder auf die Berück­sich­ti­gung einer gebo­te­nen Staats­rai­son drän­gen­de minis­te­ri­el­le Beein­flus­sung der Staats­an­walt­schaft waren, durch­aus im Unter­schied zu heu­ti­gen Gege­ben­hei­ten, undenk­bar.« Die Frie­dens­lie­be des Kai­sers wird durch sei­ne preu­ßi­sche Erzie­hung ver­deut­licht: Bereit­schaft zum Krieg for­dern, ohne die­sen zu suchen. Die­se Hal­tung, und das könn­te man als die Tra­gik Wil­helms bezeich­nen, ent­frem­de­te ihn erst von den neu­en Eli­ten und schließ­lich vom eige­nen Volk.

(Jos­ka Pint­scho­vi­us: Der Bür­ger-Kai­ser. Wil­helm II. Ber­lin: Osburg 2008. 534 S., 26.90 €)

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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