Das Juli-Gedicht: Das Eiserne Gebet

Ich habe vor einigen Tagen eine Kündigung erhalten, die mich seither beschäftigt: Die Sezession - so schrieb der Leser...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

– sei in ihrer Intel­lek­tua­li­tät aller Ehren wert, und wer sol­ches suche, fän­de es wenn, dann bei uns. Er aber suche etwas ande­res, er suche den Wil­len zur Macht. Und er habe den Ein­druck gewon­nen, daß die Sezes­sio­nis­ten die­sen Wil­len nicht aufbrächten.

Ich weiß, was der Leser meint und will gleich sagen: Ich kann sei­ne Begrün­dung nicht wider­le­gen. Die Sezes­si­on ist kein poli­ti­sches Kampf­blatt, son­dern das Organ einer Grup­pe, die welt­an­schau­lich in eini­gen Grund­kom­po­nen­ten har­mo­niert. Jeder Bei­trag, der das Lek­to­rat unse­rer Zeit­schrift durch­lau­fen hat, trägt in sich einen lei­sen Zwei­fel: Denn die Welt ist nicht genau so, wie wir sie beschrei­ben. Sie ist auch so – manch­mal zu einem erheb­li­chen Teil, aber nie aus­schließ­lich.

Zum Wil­len zur Macht gehört in unüber­sicht­li­cher Zeit eine Tumbheit, wie sie Poli­ti­kern eig­net. Man muß das immer­glei­che Hun­der­te Male so sagen kön­nen, als sei es das ers­te Mal. Man muß die Dif­fe­ren­ziert­heit der Welt her­un­ter­bre­chen kön­nen auf drei For­meln. Und man muß die­se For­meln so aus­spre­chen oder nie­der­schrei­ben oder pla­ka­tie­ren kön­nen, daß sie weder iro­nisch, noch von Zwei­feln behaf­tet, noch als Ange­bot wir­ken. Jeder aber sieht jeden Tag, daß die­se drei For­meln nicht alles sein kön­nen und daß sie auch dadurch der Wirk­lich­keit nicht näher­rü­cken, daß irgend jemand sie Hun­der­te Male wiederholt.

In über­sicht­li­cher, not­wen­di­ger, zwangs­läu­fi­ger Zeit ist das anders: Das, was getan oder gedacht wer­den muß, liegt auf der Hand, leuch­tet unmit­tel­bar ein, ist in For­meln gut auf­ge­ho­ben. Das Den­ken wird in eine Art Glau­ben über­führt, das kla­re Wort reicht aus, kei­ner muß aus der ver­ne­bel­ten, poli­ti­schen Land­schaft ein paar Raf­fi­nes­sen desti­lie­ren. Man weiß end­lich, was zu tun ist.

Ich weiß nicht, war­um mich vor eini­gen Jah­ren ein Lied der Grup­pe “Trotz der Lüge” so berührt hat. Der Text stammt von Rudolf Her­zog aus dem Jah­re 1914.  Alles Ver­wor­re­ne hat­te in jenem August ein Ende, alles war sim­pel, und so ist auch der Text: das ist Wil­le zur Macht pur, und die Musik paßt her­vor­ra­gend. Viel­leicht habe ich beim Grü­beln über der Kün­di­gung des­halb an die­ses Eiser­ne Gebet gedacht.

Hier ist der Link zum Lied auf you­tube.

Götz Kubitschek

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