Nils und sein Sohn verkleiden sich

Eigentlich habe ich eine Grundsympathie für Leute, die sich auch im Umgang mit ihren Kindern (nennen wir´s Erziehung) nicht allzu sehr drum scheren, was „man“ grad so macht. Ist doch klar, daß die schönsten Blüten nicht mitten im Hauptstrom wachsen, sondern an den Rändern, dort, wo frische Luft rankommt! Heikel wird die Sache, wo in äußersten Randzonen noch was Ansehnliches gedeihen soll.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Alle Welt empör­te sich damals über die­se Juris­tin, die ihr bocken­des Töch­ter­lein kur­zer­hand nackt (bei nur 11 Grad) auf den Fahr­rad­sitz setz­te und so von der Poli­zei auf­ge­grif­fen wur­de, die ihr gleich ein Ver­hör bei der Kri­po und eine Anzei­ge wegen Miß­hand­lung Schutz­be­foh­le­ner ein­brock­te. Mei­ne Güte, dach­te ich da, viel­leicht hat die Frau ’nen Hau weg, viel­leicht war sie auch nur kurz selbst bockig – aber wel­che Hand­ha­be gibt es eigent­lich gegen Eltern, die ihre Schutz­be­foh­le­nen vor der Glot­ze ver­gam­meln lassen?

Oder man den­ke an den Auf­schrei, den ver­gan­ge­nen Win­ter jener New Yor­ker Chi­ne­se aus­lös­te, der sei­nen Sohn durch den Schnee jog­gen ließ und ihn (wegen “Ent­wick­lungs­schwie­rig­kei­ten”) dort­selbst Lie­ge­stüt­ze machen ließ? Das pas­sen­de Video wur­de mil­lio­nen­fach ange­klickt, die öffent­li­che Empö­rung wog­te, als hät­te einer ein Mas­sa­ker began­gen. Ich fand die Maß­nah­me plau­si­bel und pro­bier­te sie höchst erfolg­reich aus, ohne Kame­ra freilich.

Jeden­falls: „Anders­er­zie­hen­de“ soll­ten weit­ge­hen­de Nar­ren­frei­heit genie­ßen. Pro­ble­ma­tisch wirds , wenn das Kind zum Vehi­kel für die eige­ne Macke benutzt wird. Die Gren­zen sind fließend.

Nils ist mit sei­nen Kin­dern aus dem coo­len Ber­lin Kreuz­berg in ein rück­stän­di­ges, „sehr tra­di­tio­nel­les, sehr reli­giö­ses“ süd­deut­sches Städt­chen gezo­gen, er nennt das krass reak­tio­nä­re Gebiet „Mut­ti­land“ und meint das kri­tisch. Dort macht er sich jetzt „zum Affen. Aus Über­zeu­gung.“ Auch Affen haben Kin­der. Die wer­den unter Umstän­den nach­ge­äfft, gehän­selt, heu­te sagt man: gemobbt.

Nils sagt, sein Sohn tra­ge so gern Klei­der und Röcke. Der Sohn sei fünf, auf dem Pho­to sieht er ganz deut­lich jün­ger aus. Da blieb dem nach eige­nem Bekennt­nis vom Gleich­be­rech­ti­gungs­ge­dan­ken fröh­lich beflü­gel­ten Vati

„nach reif­li­cher Über­le­gung nur eine Mög­lich­keit: Die Schul­tern für mei­nen klei­nen Kerl breit zu machen und mir selbst einen Rock anzu­zie­hen. Schließ­lich kann ich ja von einem Kind im Vor­schul­al­ter nicht das glei­che Durch­set­zungs­ver­mö­gen erwar­ten wie von einem Erwach­se­nen. So ganz ohne Vor­bild. Das Vor­bild bin jetzt also ich.“

Weil der Papa mit den brei­ten Schul­tern (Nils betont sei­ne mar­kan­ten Schul­tern wie­der­holt, es scheint da eine inne­re Not­wen­dig­keit zu geben) ver­säumt hat, den „Erzie­he­rin­nen in der Kita“ zu befeh­len, daß der unge­wöhn­lich geklei­de­te Sohn kei­nes­falls aus­ge­lacht wer­den dürf­te, pas­sier­te das Uner­wünsch­te: Der kleid­tra­gen­de Sohn vom breit­schult­ri­gen Papa wur­de aus­ge­lacht. Und woll­te kei­ne Klei­der mehr anzie­hen. Doch wer lacht zuletzt? Na klar, der ver­klei­de­te Bub im tum­ben Mut­ti­land. Denn es gab da einen Befreiungsschlag:

Ich bin die­ser Frau, die in der Fuß­gän­ger­zo­ne hin­ter uns her­starr­te, bis sie gegen einen Later­nen­pfahl prall­te, bis heu­te dank­bar. Mein Sohn hat gebrüllt vor Lachen. Und sich am nächs­ten Tag wie­der ein Kleid aus dem Schrank gean­gelt. Erst­mal nur zum Wochen­en­de. Spä­ter dann auch für die Kita. Und was macht der Kerl inzwi­schen? Er lackiert sich die Fin­ger­nä­gel. Er fin­det, das sieht auch an mei­nen Fin­gern hübsch aus. Er schmun­zelt dar­über, wenn ande­re Jun­gen (es sind bei­na­he immer Jun­gen) ihn lächer­lich machen wol­len und sagt: „Ihr traut euch doch nur nicht, Röcke und Klei­der zu tra­gen, weil eure Väter sich auch nicht trau­en.“ So brei­te Schul­tern hat er jetzt selbst bekom­men. Und alles Dank Papa im Rock.

Tja! Dann sind ja alle zufrie­den, außer der ver­un­fall­ten Frau, die so blöd glot­zen muß­te. Got­tes Tier­park ist groß. Und natür­lich ist es die EMMA, die die­sen vor­letz­ten Käfig grell aus­leuch­tet und als künf­ti­gen Mit­tel­punkt des Zoos abfeiert.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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