Klinsmann und die Unvollendbarkeit der Welt

Wie heißt es so schön: Vor Gericht und auf hoher See ist man allein in Gottes Hand.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Ob die­se Regel bezüg­lich der hohen See noch Gel­tung hat, dar­an sind mir am letz­ten Wochen­en­de bei einem Segel­törn auf der Ost­see Zwei­fel gekom­men. Nicht nur die beein­dru­cken­de Anzahl von tech­ni­schen Hilfs­mit­teln, die es ermög­li­chen, doch recht ent­spannt zu navi­gie­ren und zu steu­ern (sei­en es GPS, Tie­fen­mes­ser oder Auto­pi­lot), son­dern auch die Tat­sa­che, daß die Ergeb­nis­se der Bun­des­li­ga uns zeit­nah zur Ver­fü­gung stan­den, ver­mit­tel­ten einem das Gefühl, die Sache in der Hand zu haben.

Nach der Heim­nie­der­la­ge der Bay­ern gegen Schal­ke herrsch­te an Bord Unei­nig­keit dar­über, ob Klins­mann jetzt ent­las­sen wird oder nicht. Eigent­lich war klar, daß er in der Bun­des­li­ga alles gewin­nen muß­te, um noch Meis­ter wer­den zu kön­nen. Ande­rer­seits hat­te Wolfs­burg auch ver­lo­ren, was an der Tabel­len­si­tua­ti­on nichts änder­te, weder posi­tiv noch nega­tiv. Eine kurz­fris­ti­ge Alter­na­ti­ve zu Klins­mann woll­te uns auch nicht ein­fal­len und die sicher­lich stol­ze Ent­schä­di­gung schien uns in Zei­ten der Kri­se schwer vermittelbar.

Aber: Klins­mann wur­de ent­las­sen (eine Nach­richt, die dann doch nie­mand für so wich­tig hielt, uns des­we­gen am Mon­tag gleich anzu­ru­fen). Wobei ich anmer­ken möch­te, daß ich der­je­ni­ge war, der genau das ver­mu­tet hat­te. Mer­ke: Der Pes­si­mist hat immer recht. Nun hat es in der Bun­des­li­ga unzäh­li­ge Trai­ner­ent­las­sun­gen gege­ben und die Freun­de der Sta­tis­tik wis­sen sicher, wel­che Num­mer Klins­mann hier bekom­men hat. Doch kaum ein Raus­wurf dürf­te so para­dig­ma­tisch gewe­sen sein.

Als durch­si­cker­te, daß Klins­mann der neue Bay­ern­trai­ner sein wür­de, hiel­ten das vie­le für eine genia­len Coup: der soli­des­te Fuß­ball­club unter Euro­pas Eli­te holt sich den “Moti­va­tor”, der das “Som­mer­mär­chen” mög­lich gemacht hat­te und also wuß­te, wie man Eupho­rie pro­du­ziert. Von Kri­se war damals noch kei­ne Rede, alles schien mög­lich, Erfolg nur eine Fra­ge der Moti­va­ti­on. Klins­mann woll­te alle und alles bes­ser machen, hol­te Fit­ness­trai­ner aus den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und Bud­dha-Sta­tu­en auf das Trainingsgelände.

Nun gibt es den schö­nen Spruch: Geld schießt kei­ne Tore – aber kein Geld schießt auch kei­ne Tore. Da die Bay­ern mit den euro­päi­schen Top­clubs finan­zi­ell nicht mit­hal­ten kön­nen (bzw. nicht wol­len, da in ihnen noch ein Fun­ken kauf­män­ni­scher Geist leben­dig ist), soll­te der Trai­ner den Erfolg sicher­stel­len. Doch des­sen Kon­zept schei­ter­te an einer anthro­po­lo­gi­schen Kon­stan­te: der Mensch kann die Welt nicht voll­enden. Und auch kei­nen Teil von ihr, nicht ein­mal den Fuß­ball. Klins­mann dach­te offen­bar, es genügt, den Spie­lern zu erzäh­len, wie toll sie sind. Doch irgend­wann tref­fen sol­che Kon­zep­te auf die Rea­li­tät, in der gan­ze ande­re Regeln herr­schen als in Motivationshandbüchern.

Offen­bar war von den Bay­ern­chefs nur Becken­bau­er gegen Klins­manns Ver­pflich­tung. War­um, weiß ich nicht. Aber ich ver­mu­te mal, daß er Zwei­fel an des­sen hand­werk­li­chen Fähig­kei­ten, sei­ner Ernst­haf­tig­keit und Eig­nung als Club­trai­ner hat­te. Kein schö­nes Wort kann man­geln­de Kennt­nis­se in Tak­tik und Trai­nigs­leh­re wett­ma­chen. Ins­be­son­de­re dann nicht, wenn es anders läuft als gedacht. In der dro­hen­de Nie­der­la­ge muß die Mann­schaft zei­gen, ob sie funk­tio­niert, not­falls eben drill­mä­ßig. Dar­an scheint sich auch Uli Hoe­neß erin­nert zu haben, da er nach Klins­mann wie­der einen Fuß­ball­eh­rer haben will.

Im übri­gen ist auch auf hoher See nicht alles vor­her­sehr­bar. Wir wur­den Zeu­gen, wie eine tech­nisch auf dem neu­es­ten Stand befind­li­che Yacht trotz Tie­fen­mes­ser und Kar­te im Hafen von Vit­te (Hid­den­see) auf Grund lief – man hielt sich für schlau­er und woll­te abkür­zen. Ohne einen ver­sier­ten Skip­per, der sei­ne Auf­ga­be ernst nimmt, läuft es auch heu­te nicht.

Bild­quel­le: www.pixelio.de / Foto­graf: Johan­nes Vortmann

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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