Dreimal Stanley Kubrick (3) – Full Metal Jacket

"Full Metal Jacket" (USA/GB 1987) war einer von vielen amerikanischen Filmen, die seit Ende der Siebziger Jahre das Trauma des Vietnamkriegs verarbeiteten: "Apocalypse Now", "The Deer Hunter" oder "Platoon". Dennoch ähnelt er keinem von ihnen. Warum das so ist, ist allerdings nicht leicht festzumachen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Es ist vor allem die ers­te Hälf­te von “Full Metal Jacket”, an die sich jeder erin­nert: nie zuvor oder danach wur­de die Aus­bil­dung zum Sol­da­ten und zum “Kil­ler”, wie es im Film heißt, so hand­greif­lich und ein­dring­lich gezeigt.

Der “iko­ni­sche” Cha­rak­ter des Films, der wie der Bord­com­pu­ter HAL oder Alex DeL­ar­ge zum All­ge­mein­gut der Popu­lär­kul­tur gewor­den ist,  ist natür­lich der “drill ins­truc­tor” Gun­nery Ser­geant Hart­man, der bru­ta­le Aus­bil­der des Mari­ne Corps, der einen Dau­er­ha­gel von wüs­ten Beschimp­fun­gen auf sei­ne Rekru­ten her­ab­pras­seln läßt. Dabei zeigt er eine ver­blüf­fen­de Krea­ti­vi­tät im Erfin­den von gro­tesk über­dreh­ten Obs­zö­ni­tä­ten, die in der deut­schen Syn­chron­fas­sung (die Kubrick wie immer selbst über­wacht hat) noch wahn­wit­zi­ger als im Ori­gi­nal klingen.

Als ich mei­nen Wehr­dienst beim (eher kaba­rett­ar­ti­gen) öster­rei­chi­schen Bun­des­heer leis­te­te, gab es kaum einen Aus­bil­der, der die­se Sprü­che nicht aus­wen­dig kann­te, aus­gie­big benutz­te und sel­ber ger­ne eine so kolos­sal har­te Sau wie das Vor­bild aus dem Film gewe­sen wäre. Einer ließ uns beim Lau­fen im Gleich­schritt sogar die Marsch­lie­der aus dem Film skan­die­ren: “Ho Chi Minh ist ein Huren­sohn…”  Ser­geant Hart­man war offen­bar nicht nur furcht­erre­gend und sadis­tisch, son­dern auf eine merk­wür­di­ge Wei­se anzie­hend. Kubrick besetz­te die Rol­le mit einem authen­ti­schen ehe­ma­li­gen Mari­ne-Aus­bil­der, der anschlie­ßend Kar­rie­re mit ein­schlä­gi­gen Rol­len als Schlei­fer, Sol­dat und fie­ser Bul­le machte.

Hart­mans Aus­bil­dungs­me­tho­den wir­ken wie ein qua­si-dar­wi­nis­ti­scher Dresch­fle­gel, um “alle Schlapp­schwän­ze aus­zu­son­dern, die nicht kräf­tig genug sind”. Die Per­sön­lich­kei­ten der Rekru­ten wer­den zuerst ernied­rigt und gebro­chen, damit sie her­nach als stäh­ler­ne Kampf­ma­schi­nen des Mari­ne Corps wie­der­auf­er­ste­hen – “born again hard”.

Der Erzie­hungs- und Kon­di­tio­nie­rungs­pro­zeß in “Full Metal Jacket” ist der “Ludo­vico-The­ra­pie” aus “A Clock­work Oran­ge” genau ent­ge­gen­ge­setzt: die­se soll­te die “Kil­ler­instink­te” bekämp­fen und abtrai­nie­ren, jene sie auf­sta­cheln und anhei­zen, sie dabei aber kana­li­sie­ren und zum Ein­satz ver­füg­bar machen. Die­ses Aus­bil­dungs­ziel wird völ­lig unver­hoh­len ausgesprochen.

Das Mari­ne Corps will kei­ne Robo­ter. Das Mari­ne Corps will Kil­ler. Das Mari­ne Corps will Män­ner bau­en, die unzer­stör­bar sind. Män­ner die kei­ne Furcht kennen.

Das bleibt im End­ef­fekt die pri­mä­re Auf­ga­be einer jeg­li­chen mili­tä­ri­schen Aus­bil­dung, auch wenn sie, wie heu­te üblich, in eine libe­ra­le Schaum­spra­che ein­ge­packt wird. Die Welt ist durch “poli­ti­sche Kor­rekt­heit” nicht bes­ser gewor­den; es ist ledig­lich das Aus­maß der Heu­che­lei gewachsen.

Die Fra­ge nach der Moral stellt sich den Aus­bil­dern wie Rekru­ten in “Full Metal Jacket” gar nicht erst. Alles was zählt, ist die per­fek­te Beherr­schung des Hand­werks des Tötens. So preist Hart­man in einer Sze­ne gar die Schieß­küns­te des Mas­sen­mör­ders Charles Whit­man und des Ken­ne­dy-Atten­tä­ters Lee Har­vey Oswald, die dank ihrer Mari­ne-Aus­bil­dung meis­ter­haf­te Schüt­zen waren, fähig, auf wei­te Distan­zen hin­weg beweg­li­che Zie­le zu tref­fen. Hart­man prä­sen­tiert sie sei­nen Rekru­ten als glän­zen­de Vor­bil­der, auf die das Mari­ne Corps stolz sein kann. Die­se Sze­ne erhält im letz­ten Drit­tel des Films eine iro­ni­sche Anwort, als ein unsicht­ba­rer viet­na­me­si­scher sniper einen Zug US-Mari­nes nach der Rei­he dezimiert.

Das Dau­er­feu­er aus Belei­di­gun­gen wirkt wie ein her­ab­set­zen­der “Sta­chel” (wie Eli­as Canet­ti die nar­ziß­ti­sche Krän­kung des “Befehls” nann­te), der Aggres­sio­nen schürt und nach geziel­ter Wei­ter­ga­be drängt.

Wenn ihr Ladies mei­ne Insel ver­laßt, wenn ihr mei­ne Aus­bil­dung über­le­ben soll­tet, seid ihr eine Waf­fe, seid ihr Pries­ter des Krie­ges und betet um Krieg. Aber bis zu die­sem Tag seid ihr Dreck, seid ihr die nied­rigs­te Lebens­form auf Erden, seid ihr noch nicht mal annä­hernd so etwas wie Men­schen, seid ihr nichts ande­res als ein unor­ga­ni­sier­ter Hau­fen von amphi­bi­scher Urscheiße!

“O daß wir unse­re Urur­ah­nen wären, ein Klümp­chen Schleim im war­men Moor…” dich­te­te Gott­fried Benn. Aus die­sem Schleim­klum­pen soll nun etwas wer­den, das so hart und unmensch­lich wie der Mono­lith aus “2001:Odyssee im Welt­raum” ist. Das bedeu­tet inten­si­ve kör­per­li­che Ertüch­ti­gung eben­so wie kör­per­li­che Aske­se: “Von jetzt an ist das Gewehr eure ein­zi­ge Möse”, wie Hart­man es dras­tisch aus­drückt. Meta­phern, die Sexua­li­tät und Krieg ver­bin­den, tau­chen in “Full Metal Jacket” mehr­fach auf.

Aus­ge­trie­ben wer­den soll aus den Rekru­ten alles, was weich und form­los, was wei­bisch, infan­til oder regres­siv ist. Der Aus­bil­der beschimpft sie unun­ter­bro­chen als “Maden”, “Schlei­mer”, “Saft­sä­cke” und “Schwuch­teln”, redet sie, ihren Sta­tus als “rich­ti­ge Män­ner” angrei­fend, als “Ladies”, “Süße” und “Schätz­chen” an, im schrei­en­den Kon­trast zu sei­nem rohen Ton­fall. Klaus The­we­leit ist damals wohl kalt­schweiß­ge­ba­det aus dem Kino getorkelt.

Die­se Moti­ve spit­zen sich in der Figur des Rekru­ten “Pri­va­te Pau­la” zu, der exem­pla­risch all die Eigen­schaf­ten ver­kör­pert, die es nun aus­zu­mer­zen gilt. Er ist über­ge­wich­tig, hat einen wei­chen, schwab­be­li­gen, form­lo­sen Kör­per, wäh­rend Hart­man aus­sieht, als bestün­de er nur aus zähen, geform­ten, har­ten Mus­keln. “Pau­la” (im Ori­gi­nal “Gomer Pyle” nach einer komi­schen Figur aus einer Fern­seh­se­rie) hat eine hohe Stim­me und einen pein­lich infan­ti­len Habi­tus. Er wirkt geis­tig labil und etwas zurückgeblieben.

Die Ernied­ri­gun­gen, die Hart­man ihm ange­dei­hen läßt, zie­len dar­auf ab, die Ver­ächt­lich­keit aller kind­li­chen Regres­si­on, aller Milch­bär­te und Mut­ter­söhn­chen anzu­pran­gern:  Pau­la muß dau­men­lut­schend und mit her­un­ter­ge­las­se­nen Hosen dane­ben­ste­hen, wäh­rend sei­ne Kame­ra­den Straf­ex­er­zi­ti­en wegen sei­ner Ver­feh­lun­gen erdul­den müs­sen. Sei­ne Kame­ra­den müs­sen ihm gedul­dig erklä­ren, wie man Bet­ten macht oder gar, wie man sich das Hemd rich­tig zuknöpft.

Als Hart­man ent­deckt, daß “Pau­la” einen Krap­fen in sei­nem Spind ver­steckt hat, befiehlt er ihm, die­sen auf­zum­amp­fen, und dabei zuzu­se­hen, wie der Rest der Trup­pe wegen die­ser Dis­zi­plin­lo­sig­keit Lie­ge­stüt­ze pum­pen muß. Damit ist das Maß voll: nachts rächen sich die Kame­ra­den, indem sie ihn mit in Hand­tü­cher ein­ge­wi­ckel­ten Sei­fe­stü­cken verprügeln.

Die­se Maß­nah­men schei­nen zu funk­tione­ren, denn nun beginnt der end­gül­tig gebro­che­ne Pri­va­te Pau­la einen obses­si­ven Ehr­geiz an den Tag zu legen. Nach und nach zeigt Kubrick, wie die zusam­men­ge­wür­fel­te Trup­pe am Exer­zier­platz eine mono­li­thi­sche Form bekommt, wie sie sich in eine gut geöl­te, prä­zi­se funk­tio­nie­ren­de Maschi­ne ver­wan­delt. Pau­la macht nicht nur kei­ne Feh­ler mehr, son­dern wird einer von jenen, die ihr Soll über­erfül­len. Vor allem ent­wi­ckelt er eine wah­re Meis­ter­schaft im Scharf­schüt­zen­tum. Umso stär­ker wirkt nun die Aner­ken­nung, die ihm Hart­man all­mäh­lich zu zol­len beginnt.

Zugleich beginnt Pau­la jedoch, patho­lo­gi­sche Ver­hal­tens­wei­sen zu ent­wi­ckeln. Er fängt an, zu sei­nem Gewehr zu spre­chen, zieht sich in sein Inne­res zurück, wäh­rend sein Blick immer dämm­ri­ger und lee­rer wird.  In der letz­ten Nacht auf der Ausbildungs-“Insel” fin­det ihn sein Wache schie­ben­der Kame­rad “Joker” auf der Toi­let­te sit­zend, lang­sam schar­fe Muni­ti­on in sei­ne Waf­fe schiebend.

Joker: Wenn Hart­man rein­kommt und uns hier erwischt, ste­cken wir bei­de voll in der Scheiße.

Pau­la: Ich lebe… in einer Welt… voll Scheiße!

Er springt vom Toi­let­ten­sitz auf, und beginnt laut brül­lend eine gespens­ti­sche, auto­ma­ten­haf­te Demons­tra­ti­on der Ges­ten, Kom­man­dos und Paro­len, die er gelernt hat:

Links schul­tert, ho! Rechts schul­tert, ho! Sichern und Laden! Still­ge­stan­den, ho! “Das ist mein Gewehr! Es gibt vie­le Geweh­re, aber das ist mei­nes! Das Gewehr ist mein bes­ter Freund. Das Gewehr ist mein Leben…”

Als Hart­man erscheint, erschießt Pau­la ihn. Dabei jauchzt er mit gera­de­zu orgas­mi­scher Befrie­di­gung auf, grinst über das gan­ze Gesicht. Dann schießt er sich selbst eine Kugel in den Kopf.

Die­se scho­ckie­ren­den Sze­nen ver­ar­bei­ten auf den ers­ten Blick ein klas­si­sches Motiv des “Anti­kriegs­films”, wie man es etwa seit “Im Wes­ten nichts Neu­es” (1930) kennt: die Unmensch­lich­keit und Men­schen­ver­ach­tung der mili­tä­ri­schen Aus­bil­dung wird vor­ge­führt, um die Unmensch­lich­keit von Krieg und Mili­ta­ris­mus über­haupt anzu­pran­gern. Auf den ers­ten Blick scheint das auch die Aus­sa­ge der “Pri­va­te Paula”-Episode zu sein.

Wie bei einem Kubrick-Film zu erwar­ten, lie­gen die Din­ge in “Full Metal Jacket” jedoch um eini­ges kom­pli­zier­ter. Tat­säch­lich äußer­te Co-Dreh­buch­au­tor Micha­el Herr, daß Kubrick expli­zit vor­hat­te, kei­nen “Anti­kriegs­film” zu dre­hen, son­dern den Krieg mög­lichst rea­lis­tisch so zu zei­gen, wie er eben ist.

Das US Mari­ne Corps ist so etwas wie die “Waf­fen-SS” der US Army, eine Eli­te­trup­pe, deren Ruf sich eng an ihre beson­ders har­te Aus­bil­dung und stren­ge Dis­zi­plin knüpft. Die Rekru­ten sind in der Regel Frei­wil­li­ge, so auch der kör­per­lich und geis­tig so unge­eig­ne­te Pri­va­te Pau­la. Er ist in der Tat der ein­zi­ge unter den gezeig­ten Rekru­ten, den die Här­ten der Aus­bil­dung in den Zusam­men­bruch trei­ben – und das offen­bar, weil er bereits zuvor ein unsta­bi­ler Genos­se war. Dage­gen zeigt Kubrick, daß die ande­ren Cha­rak­te­re des Films sich kei­nes­wegs in Psy­cho­wracks,  hirn­to­te Robo­ter oder fühl­lo­se Kil­ler­ma­schi­nen mit aus­ge­lösch­ter Per­sön­lich­keit verwandeln.

Ganz im Gegen­teil: beson­ders die Haupt­fi­gur Pri­va­te “Joker”, so genannt wegen sei­ner sar­kas­ti­schen Sprü­che, bewahrt sich bis zum Schluß einen aus­ge­präg­ten und  irri­tie­ren­den Eigen­sinn. Als er es in einer Sze­ne beharr­lich wagt, Hart­man die Stirn zu bie­ten, der ver­sucht, ihn mit einem dum­men Witz zu ernied­ri­gen (“Sie gott­ver­damm­ter, kom­mu­nis­ti­scher Hei­de, sagen Sie mir auf der Stel­le, daß Sie Jung­frau Maria lie­ben!”) , ver­dient er sich des­sen Respekt und wird umge­hend zum Grup­pen­füh­rer des aus­zu­bil­den­den Trupps ernannt.

Joker ist annä­hernd die sym­pa­thischs­te Figur in einem Film, in dem es nur Grau­zo­nen gibt und man nach wirk­li­chen Sym­pa­thie­trä­gern eher ver­geb­lich sucht. Joker ist jung, intel­li­gent und meis­tens gut gelaunt, aber er scheint dem Krieg nicht gera­de “kri­tisch” gegen­über­zu­ste­hen. Er gibt sogar offen zu, daß er sich zum Mari­ne Corps gemel­det hat, um “zu töten”. Er küm­mert sich zwar gedul­dig um Pau­la, betei­ligt sich aber nach einem kur­zen Zögern am Straf­kom­man­do gegen ihn, schlägt sogar noch beson­ders bru­tal zu.

Die zwei­te Hälf­te des Films scheint zunächst eigen­ar­tig unver­bun­den neben der ers­ten zu ste­hen. Die nun fol­gen­den Sze­nen haben einen eher losen Zusam­men­halt, ganz im Gegen­satz zu dem streng auf einen Ort und einen Zeit­raum kon­zen­trier­ten ers­ten Teil. Cow­boy, Joker (der als Kriegs­be­richt­erstat­ter abkom­man­diert wur­de) und ande­re, bis­her noch nicht auf­ge­tre­te­ne Män­ner wer­den nun bei ihrem Ein­satz im Viet­nam gezeigt. Zwar haben eini­ge Sol­da­ten von ihren Front­er­fah­run­gen offen­sicht­lich einen psy­chi­schen Scha­den abge­kom­men; über­wie­gend erschei­nen sie jedoch als “ganz nor­ma­le” Män­ner, weder beson­ders gut, noch beson­ders schlecht, weder beson­ders für noch beson­ders gegen den Krieg engagiert.

Hier läßt Kubrick den Zuschau­er, der es gewöhnt ist, aus Kriegs­fil­men “Bot­schaf­ten” zu emp­fan­gen, im Stich. Das wird beson­ders deut­lich, wenn man “Full Metal Jacket” mit Bri­an de Pal­mas “Casu­al­ties of War” (Die Ver­damm­ten des Krie­ges, 1989) ver­gleicht. In letz­te­rem wird ein “guter” gegen einen “bösen” US-Sol­da­ten aus­ge­spielt. Sean Penn spielt einen zyni­schen und skru­pel­lo­sen Typen, wie er etwa für das Mas­sa­ker von My Lai ver­ant­wort­lich war, wäh­rend Micha­el J. Fox den ver­ant­wor­tungs­be­wuß­ten Sol­da­ten ver­kör­pert, der sei­nen mora­li­schen Kompaß auch im Krieg nicht ver­lo­ren hat, zur Erleich­te­rung des Zuschau­ers Pro­test gegen die Schand­ta­ten sei­ner Kame­ra­den erhebt und am Ende gar mit einem schlech­ten Gewis­sen für sie büßt.

Kei­ne Spur jedoch von sol­chen Hal­te­grif­fen in “Full Metal Jacket”. Der Zuschau­er muß allein ertra­gen, was er sieht. Nie­mand nimmt ihm das mora­li­sche Urteil ab. Krieg ist zwar “die Höl­le”, den­noch zeigt Kubrick, daß die Sol­da­ten auch in einen gewis­sen Rausch und in eine Freu­de des Tötens und Über­le­bens gera­ten kön­nen, daß sie sich mit ihrer Rol­le als Krie­ger iden­ti­fi­zie­ren, ansons­ten aber nicht ein­mal bean­spru­chen, einen all­zu gro­ßen Über­blick über das Gesche­hen haben. Als sie von einem Fern­seh­team inter­viewt wer­den, haben sie wenig zu sagen, das über ihre unmit­tel­ba­ren Erfah­run­gen hinausgeht:

Wie wir in Hue ein­rück­ten, ist das wie Krieg gewe­sen, ver­ste­hen Sie? So wie, wie ich gedacht habe, daß ein Krieg ist, wie ich gedacht habe, daß ein Krieg aus­sieht. Ver­ste­hen Sie, wie das aus­se­hen müß­te? Da ist der Feind – knall ihn ab.

Also, das steht über­haupt nicht zur Debat­te, ich mei­ne, wir sind die Besten.

Ob ich den­ke, Ame­ri­ka gehört nach Viet­nam? Äh, ich weiß nicht… ich gehö­re nach Viet­nam, das kann ich Ihnen sagen.

Per­sön­lich den­ke ich, die wol­len hier eigent­lich nichts mit dem Krieg zu tun haben. Ich meine…uns haben sie die Frei­heit genom­men, und haben sie den Schlitz­au­gen gege­ben. Aber die wol­len sie nicht. Die sind lie­ber am Leben als frei, den­ke ich. Die armen Bastarde!

Also gegen die hier, gegen die ich wirk­lich bin, das sind ziem­lich üble Bur­schen. Ich kann’s nicht aus­ste­hen, daß… vie­le von die­sen Kna­ben eigent­lich auf unse­rer Sei­te sein soll­ten. Und ich treff sie, und sie kämp­fen in die Gegenrichtung.

Wir las­sen uns töten für die­se Leu­te hier, die wis­sen das nicht mal zu schätzen.

Also, wenn sie mich fra­gen, wir schie­ßen auf die fal­schen Schlitz­au­gen… Was ich davon hal­te, daß sich Ame­ri­ka in die­sem Krieg enga­giert hat? Ich fin­de, wir soll­ten gewinnen.

Joker steht den Schre­cken des Krie­ges zwar kei­nes­wegs gleich­gül­tig gegen­über, er nimmt sie jedoch pas­siv hin, betei­ligt sich schließ­lich sogar an ihnen. Dem Fern­seh­team prä­sen­tiert er sich mit sub­ver­si­vem Humor und brei­tem Grinsen:

Ich woll­te das exo­ti­sche Viet­nam sehen, das Klein­od von Süd­ost­asi­en. Ich hab mir gedacht, ich tref­fe inter­es­san­te, anre­gen­de Men­schen aus einer alten Kul­tur, und – kill sie. Ich woll­te unbe­dingt der ers­te in mei­nem Block sein, der einen amt­li­chen Kill vor­wei­sen kann.

Von einer schwar­zen Komik ist auch Jokers Dia­log mit einem Oberst, der sich von sei­ner Auf­ma­chung irri­tiert zeigt:

Colo­nel: Was ist das auf Ihrer Weste?

Joker: Ein Frie­dens­sym­bol, Sir!

Colo­nel: Wo haben Sie das her?

Joker: Ich weiß nicht mehr, Sir.

Colo­nel: Und was haben Sie da oben auf Ihren Helm geschrieben?

Joker: “Born to Kill”, Sir!

Colo­nel: Sie schrei­ben “Born to Kill“auf Ihren Helm und tra­gen ein Frie­dens­ab­zei­chen? Hal­ten Sie das etwa für witzig?

Joker: Nein, Sir!

Colo­nel: Was soll es also dann bedeuten?

Joker: Ich weiß nicht, Sir.

Colo­nel: Neh­men Sie mal schleu­nigst den Kopf aus dem Arsch, sonst wer­de ich Ihnen gewal­tig vor den Kof­fer schei­ßen. Sie ant­wor­ten auf mei­ne Fra­ge, oder es gibt ein Militärgerichtsverfahren.

Joker: Ich glau­be, ich woll­te damit etwas über die Dua­li­tät des Men­schen sagen, Sir.

Colo­nel: Die was-??

Joker: Die Dua­li­tät des Men­schen, das Ding von Jung, Sir.

Colo­nel (nach einem kur­zen, ver­ständ­nis­lo­sen Stut­zer):  Auf wel­cher Sei­te ste­hen Sie, Sohn?

Joker: Auf unse­rer Sei­te, Sir.

Colo­nel: Lie­ben Sie Ihr Vaterland?

Joker: Jawohl, Sir!

Colo­nel: Dann hal­ten Sie sich auch ans Pro­gramm. War­um packen Sie nicht mit an und machen mit bis zu unse­rem Endsieg?

Hier ist es erneut, das The­ma von “2001” und “A Clock­work Oran­ge”: die unbe­greif­li­che “Dua­li­tät” des Menschen.

Ein wei­te­rer bemer­kens­wer­ter Satz fällt in dem oben zitier­ten Dia­log. Wie fast alle Viet­nam-Fil­me ist auch “Full Metal Jacket” aus­ge­spro­chen kri­tisch gegen­über der ame­ri­ka­ni­schen Außen­po­li­tik. Der Oberst erklärt Joker sei­ne “Mis­si­on” in die­sem Krieg so:

Wir sind hier, um die­sen Viet­na­me­sen zu hel­fen, weil in jedem die­ser Schlitz­au­gen steckt ein Ame­ri­ka­ner, der aus ihm raus will.

25 Jah­re nach Ent­ste­hung des Films und bei­na­he 50 Jah­re nach dem Aus­bruch des Viet­nam­kriegs, schei­tern die Ame­ri­ka­ner immer wie­der von Neu­em an die­ser Atti­tü­de. Unter­des­sen gibt es immer noch zahl­rei­che Re-Edu­ca­ti­on-Deut­sche, die sie ver­in­ner­licht haben, und als Mus­ter­schü­ler ihrer Befrei­er und Erlö­ser von Ges­tern am liebs­ten auf die gesam­te isla­mi­sche Welt aus­deh­nen würden.

Im letz­ten Drit­tel von “Full Metal Jacket” läßt Kubrick sei­ne Mari­nes eine unheim­li­che Demü­ti­gung wider­fah­ren. Sie ent­de­cken, daß der ver­bor­ge­ne viet­na­me­si­sche Scharf­schüt­ze, der sie in Angst und Schre­cken ver­setzt hat, eine jun­ge Frau ist (Klaus The­we­leit ist wohl aber­mals in sei­nem Kino­ses­sel aus­ge­flippt). Der Moment, als sie den sich hin­ter ihrem Rücken anschlei­chen­den Joker ent­deckt und das Feu­er eröff­net, gehört zu den furcht­bars­ten des Films: in ihrem Gesicht spie­geln sich Todes­angst, wil­der Haß und der atem­lo­se Wil­le zum Töten und Über­le­ben. Sie weiß bereits, daß sie ver­lo­ren hat. Sie wirkt fra­gil und ver­wund­bar und zugleich wie eine rächen­de Furie aus der Unterwelt.

Sie wird nie­der­ge­schos­sen, stirbt aber nicht sofort. Nun folgt eine schier uner­träg­li­che Sze­ne. Quä­lend lan­ge ste­hen die Mari­nes um die wim­mern­de, ver­en­den­de Frau und betrach­ten sie mit einem kal­ten, mit­leid­lo­sen Blick. Sie beginnt, keu­chend um ihren Tod zu bet­teln. Joker gibt ihr schließ­lich den Gna­den­schuß. In dem Moment, als er die Waf­fe abfeu­ert, dreht sich sein Kör­per leicht zur Sei­te, sodaß das Frie­dens­sym­bol auf sei­ner Jacke nicht mehr zu sehen ist. Nun hat er end­gül­tig die Gren­ze zum “Herz der Fins­ter­nis” überschritten.

“Full Metal Jacket” endet mit einer letz­ten Irri­ta­ti­on. Ein Zug Sol­da­ten zieht durch die Rui­nen einer bren­nen­den Stadt. Mit grim­mi­gem Gal­gen­hu­mor sin­gen sie im Chor den Titel­song der in den Sech­zi­ger Jah­ren popu­lä­ren Kin­der­show “Mickey-Mou­se-Club”.

Who’s the lea­der of the Club that’s made for you and me? M‑I-C-K-E‑Y, M‑O-U-S‑E!)

Mit­ten in die­sem Aber­witz ist auch Joker, der grin­send mit­singt. Aus dem Off hört man sei­ne Stimme:

Ich träu­me den Traum vom gro­ßen Heim­kehr­fick. Ich bin so glück­lich, am Leben zu sein. Ganz geblie­ben und bald fer­tig hier. Ich bin in einer Welt voll Schei­ße. Stimmt. Aber ich bin am Leben. Und ich hab kei­ne Angst.

Abblen­de, Abspann: “Direc­ted and pro­du­ced by Stan­ley Kubrick”. Die Rol­ling Stones sin­gen dazu: “Paint it Black”.

 

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (30)

Stevanovic

3. September 2013 09:49

Dieser Film passt in kein politisches Schema – der ist Nihilismus pur. Männer werden bewegt, geschliffen, gemacht und es bleibt im Grunde doch egal. Es ist nicht mal schlimm, es ist halt so.

Mein Lieblingssatz im Film:
Ob ich denke, Amerika gehört nach Vietnam? Äh, ich weiß nicht… ich gehöre nach Vietnam, das kann ich Ihnen sagen.

Die Frage „warum“ erscheint geradezu dümmlich in dieser Welt.

Herr Lichtmesz, vielen Dank für die Beiträge. Ich werde mir die Filme jetzt nochmal anschauen, Sie haben meine Neugierde neu entfacht. Ihr Hinweis auf Oswald Spengler in der Odyssee war mir so nicht bekannt – ich werde Oswald Spengler nun lesen, für einen Kubrick lohnt sich das alle male.

Aus irgendeinem Grund habe ich „Barry Lyndon“ nie auf dem Radar gehabt, ich habe ihn vor Jahren eher beiläufig gesehen. Was macht ihn, im Vergleich zu den von Ihnen besprochenen Naturgewalten, zu ihrem Lieblings- Kubrick?

M.L.: Das ist mehr eine persönliche Neigung, sein bedeutendster Film ist es sicher nicht, obwohl er den anderen in der formalen Meisterschaft nicht nachsteht. Ich liebe vor allem das Zeitalter, das er porträtiert, und die Intensität und betörende visuelle Extravaganz, mit der Kubrick es zum Leben erweckt, als würde man eine Zeitreise machen und wäre wirklich dort. Wenn dann die drei Stunden vorbei sind (mir gehen sie immer schnell vorüber) ist man wie aus einem Traum erwacht. Dann: Den kühlen Sarkasmus, die Eleganz der Form, die traumwandlerisch vollkommene Musikalität der Inszenierung. Die emotionale Glut unter den strengen sozialen Konventionen. Die farbige Sprache der Dialoge. Die Duell-Szenen sind unvergeßlich. Kubrick wollte ja ursprünglich einen Film über Napoleon machen, der leider nie zustande kam. Davon kann man nur träumen, wie von Leni Riefenstahls "Penthesilea" und Sergio Leones "Leningrad". "Barry Lyndon" ist jedoch alles andere als ein Kostümfilm-Idyll und hat ebenso seine anthropologischen Abgründe, die allerdings nicht so offensichtlich und so grell hervortreten, wie in den bekannteren Filmen. Das Ende ist äußerst pessimistisch. Ich bin sogar ein großer Fan von seinem letzten Film "Eyes Wide Shut", der sträflich unterschätzt wird.

Ein Fremder aus Elea

3. September 2013 10:47

Ja, Full Metal Jacket scheint zum allgemeinen Kulturgut aller westlichen Armeen zu gehören, ich habe jedenfalls ähnliche Erfahrungen während meiner Grundausbildung gemacht.

Und ich sehe es auch so, daß der Film versucht, möglichst objektiv zu bleiben, in der Hinsicht "In Stahlgewittern" ähnlich, nur daß der Stoff, Ausbildung und Vietnameinsatz, weniger interessant ist als der Erste Weltkrieg. Natürlich wird "In Stahlgewittern" nicht mehr verfilmt, aber immerhin haben es einige besonders eindringliche Szenen aus "In Stahlgewittern" (ich paraphrasiere: "Der Regen hatte die Erde so aufgeweicht, daß der Boden die Granaten verschluckte und die Explosionen Karaffen gleich aufstiegen.") in Jeunets "Eine sehr lange Verlobung" geschafft, welcher aufgrund dieses Einflusses, welcher ebenso auch Ausssagen betrifft, mein Lieblingskriegsfilm ist.

Freilich, meine liebste Stelle aus "In Stahlgewittern", jene, in welcher sich das Kriegsgeschehen genau wiederholt, also als die Neuseeländer diese Stellung jubelnd einnehmen, welche Jünger und Co. zuvor jubelnd einnahmen, ist so noch in keinem Kriegsfilm gekommen, was ich selbstverständlich schade finde, denn sie beschreibt den Kern der Sache, daß das, was ganz neu scheint, in Wirklichkeit uralt ist, auf's Vortrefflichste.

Naja... von den vier Kubrick Filmen, welche ich gesehen habe, steht Full Metal Jacket wohl an zweiter Stelle (vielleicht auch an dritter, bin nicht ganz sicher):

1. The Shining
2. Full Metal Jacket
3. Dr. Strangelove
4. 2001

Rumpelstilzchen

3. September 2013 11:39

he, Ihr Weicheier von Sezession, Ihr gottverdammten Schwuchteln,
jetzt darf Ellen Kositza aber auch mal drei Frauenfilme besprechen und vorstellen.
Sonst ende ich noch im Genderwahn, ladies !

Inselbauer

3. September 2013 11:54

Die amerikanische Filmindustrie stand und steht ja vor dem Problem, Bilder finden zu müssen, mit denen eine unsichtbare Niederlage gestaltet werden kann. Die traditionellen Bilder der Niederlage standen ja nicht zur Verfügung, in den USA wurde nicht gehungert, der Präsident war nicht verjagt worden etc. Die schönste und realistischste Lösung hat, finde ich, der Broccoli gefunden mit "Magnum": Beziehungsunfähigkeit, ausufernde, die materielle Existenz gefährdende Sentimentalität, zerbrochene Familien und trockene Alkoholiker, die Jugendarbeit machen, der Gaunerjunge, der nur noch bei seinem alten Gönner von der Mafia ein bisschen Wärme bekommt.
Auch in "Full Metal Jacket" sind solche verschlüsselten Zeichen einer Niederlage zu finden. Die Scharfschützin, die man abmurksen aber nicht besiegen kann; das Friedenszeichen an den Uniform; der Soldat, der die Parolen der Kriegshetzer nicht mehr in seinen Kopf hineinbekommt.

M.L.: Broccoli?

Inselbauer

3. September 2013 12:04

War es nicht Albert Broccoli, der die Idee zur Serie hatte? Ausgeführt ist das dann freilich von den Knight-Rider-Schwuchteln Larson und Bellisario worden.

Stevanovic

3. September 2013 13:03

Persönlich glaube ich nicht, dass er in der Kategorie Niederlage oder Abstieg dachte. Ob Historie, Gegenwart oder Science Fiction – das, was wir als Abstieg empfinden, wäre für ihn eine unzulässige Idealisierung der Vergangenheit. Sein Nihilismus ist zeitlos und gilt überall dort, wo Menschen sind. Sein Thema war nicht eine Epoche, sondern der Mensch als unedler Barbar ohne Lernfähigkeit – da erscheinen Auf und Abstiege von Zivilisationen als unbedeutende Launen eines zynischen Weltgeistes. Das macht ihn für die Rechte ja auch schwer verdaubar. Es gibt keinen Ausweg, den hat es nie gegeben.

Bilder einer Niederlage finden Sie nicht mehr im Kino. „Breaking Bad“ ist eine Serie, nicht nur spannend, sondern auch die Bebilderung des Abstiegs bis in die letzte Ritze. Auf keinen Fall auch nur in Sichtweite eines Kubrick, aber an der Figur des Walter White hätte er sicher seine Freude gehabt.

Raskolnikow

3. September 2013 13:16

"Klein unser Häuflein,
wild unser Blut..."

Liebe Männer!

Vorausgeschickt sei die Kunde, dass ich niemals je einen der hier besprochenen Filme gesehen habe. Seit den Betrachtungen der beiden Schocker "Golem" von/mit Paul Wegener und "Orlacs Hände" fürcht´ ich mich im Dunkeln ... Mein Hirn ist wohl nicht fähig, bewegte Leinwandbilder zu verdauen! Das Vergnügen an Lichtmeszens Texten trotzt allerdings diesem widerstreblichen Umstande, so dass ich den ganzen Cineasten-Quatsch wirklich ganz gern verschlang. Vielleicht schaue ich sogar mal einen der Filme an; allerdings müsste mir dabei jemand von Euch die Hände halten!

M.L.: Wir tasten uns langsam an Kubrick heran, als nächstes kommen "Cabinet des Caligari" und "Nosferatu" dran...

Trotzdem ist mir was aufgefallen: Bemerkenswert herausgehoben scheint mir in den beiden letzteren Filmen der Umstand der fehlenden Sinnhaftigkeit beinahe allen Tuns. Eine der hervorstechendsten Eigenschaften unserer Zeit. Dieses Fehlen, diese Abwesenheit eines Motivs wirkt natürlich bei drastischen Tätigkeiten (Töten var. Getötetwerden) besonders frappierend. Das von Stevanovic angeführte Zitat spitzt diesen Unsinn irgendwie beiläufig zu.

Die vollkommen offensichtliche Sinnlosigkeit wird ertragen, weil Krieg als eine Sportart betrieben wird. Der Sinn kommt aus dem Tun selbst! Das Spielist Zweck und Motiv in sich. Nur Luschen wollen nicht da sein, wo es weh tut ...

Viele Jahrhunderte redeten sich die Menschen ein, sie agierten nur für ein höheres Gut, zweckdienlich motiviert, brutal. Die verstörende Erklärung des Bösen im Menschen aus den Kapiteln der Genesis wurde lapidar weggewischt. Schon lange wissen die sensorisch Begabten, wo das Böse sitzt ... im Spiegel!

Erlauben Sie mir, lieber Lichtmesz, Sie schließlich noch von einem Bären zu befreien, den Sie sich von Hollywood haben aufbinden lassen:

"Das US Marine Corps ist so etwas wie die „Waffen-SS“ der US Army, eine Elitetruppe, deren Ruf sich eng an ihre besonders harte Ausbildung und strenge Disziplin knüpft."

Die Marines sind, vor allem seit dem Weltkrieg, im großen und ganzen eher der Abfall als die Elite, aber sie sind verschiffbar und schnell in alle Welt zu verlegen. Meist sind sie die ersten konventionellen Einheiten nach den Spezialkräften in der "Box". Dann werden sie aber vor allem für Objektsicherung und andere minderwertige Aufträge eingesetzt.

Sie sind die Lieblinge Hollywoods und haben nie Nachwuchsprobleme. Bei den Marines tummeln sich Frauen, Redneck-Hohlköpfe und die meisten schwarzen Getthokinder der gesamten US-Armee. Die anderen Einheiten nennen die auch "worlds largest streetgang", mehr muss man wohl nicht sagen ...

M.L.: Nehmen wir mal an, daß die Marines in den Sechziger Jahren noch nicht so heruntergekommen waren...

Die drei elitefähigen Rekruten pro Jahr landen ganz schnell bei MarSOC und diese Einheiten sind ebenfalls "nur" Tier 2 (also 2. Garde). Die tatsächliche Elite der Amerikaner ist unter SOCOM organisiert! Und das Beste, das die zu bieten haben (Tier 1), findet man im JSOC! Früher mag der Linieninfanterist elitär gewesen sein, denn er trug die Hauptlast auf dem Gefechtsfeld. Heute ist es der SOF-Operator.

Wer was auf sich hält, versucht die strengen Aufnahmetests bei Seals oder SF zu bestehen. Und die ganz Harten schaffen es bis zu Delta oder DevGru!

Woher ich das weiß? Nun, selbst zu gewichtsbedingter Inaktivität verdammt, muss ich mich wenigstens theoretisch informieren, was Männer so tun. Für mich kommt das ja alles nicht in Frage. Mir ist aufgrund zahlreicher geistverrückender Ankränkelungen jeder Gang ein Canossa-Ereignis, jedes öffentliche Verkehrsmittel ein Kessel von Stalingrad und die Fleischerei an der Ecke ein südafghanisches Wadi. Bitte entschuldigt das! Aber der nette Freund meiner Cousine liest viele Militärbücher.

Salaam,

R.

Joseph von Sternberg

3. September 2013 13:17

Da wir jetzt bei Vietnam sind folgendes:

Ich liebte schon immer Apocalypse Now – der Film brachte mich mit 14 Jahren zu den Doors – was leider erst sehr spät geendet hat – erst vor ein paar Jahren ist es mir gelungen den König der Eidechsen unter den Pairs der Idiotie einzuordnen.

M.L.: Ach, was die Doors waren, sind und bleiben spitze... Jim war halt "dionysisch", da muß man andere Maßstäbe anlegen. ;)

Trotzdem ist mir der Film geblieben – und er hatte damals auch diesen Kubrick´schen doppelten Boden.

Nun ist das mit doppelten Böden so eine Sache: Brechts „Volk auflösen – ein neues wählen“ hatte ja nichts damit zu tun, daß der Mann gegen die Niederschlagung des 17.Junis war – wahrscheinlich wollte er der Nachwelt nicht als parteihöriger Idiot ohne Wahrnehmung überliefert werden – ich hätte an seiner Stelle auch diese Denke entwickelt…

Tingel Tangel Bob als Paraphrase: „Im übrigen bin ich mir der Ironie bewusst meine Drohung gegen das Fernsehen über das Fernsehen zu verbreiten … Macht Euch nur lustig…“

Nun ist es so das zur Jahrtausendwende eine Neufassung kam – die eine dreiviertel Stunde länger war – der doppelte Boden blieb – neigte sich aber mehr zur rechten Seite: das französische Kolonialgut im Dschungel… macht zwar einen irren Eindruck, der Vortrag des Familienoberhaupts wirkt aber auf mich als irrem Rechten beliebig anwendbar auf den Untergang jeder europäischen Kolonie … und jetzt auch des Mutterlands.
Es geht um Subversion und Infiltration – auf allen Kanälen der Heimatfront: es geht um Sartre, Mai 68, Gainsbourg, der die 17 jährige France Gall (kann ein Name französischer sein?) vom Schwänze (Sucettes = Lutscher) lutschen singen lässt, während die Vertreibung mehrerer Millionen Kolonialfranzosen ins Mutterland in der selben Dekade am Laufen war, denen (wie wir heute wissen) ihre Mörder hinterherfolgten:

„Wenn wir eine Handgranate warfen - dann funktionierte sie nicht – wenn in Paris gegen uns Flugblätter verteilt wurden – die funktionierten…“ o.s.ä.

Man kann das einfach abhaken unter der Rubrik: Coppola lässt Rechte mit ihrem Gedankengut zu Wort kommen.
Dafür kann man anführen, das Coppola zu diesem New Hollywood Establishment gehört – oft auch mit George Lucas koproduziert.

Allerdings sind da auch Filme wie Mishima darunter, oder Kagemusha – die man zwar unter das Mem sortieren kann: Faschismus ist nicht böse, wenn er von Japanern stammt.

M.L.: Siehe auch "The Last Samurai" mit Tom Cruise.

Allerdings gibt es auch eine Mircea Eliade Verfilmung von Coppola. Und dessen Engagement in den 30ern hat sich für dessen Werk inzwischen zu einem Ähnlichen Caveat ausgewachsen wie für Ernst Jünger.

Andererseits weißt die Stoffwahl auch auf eine Belesenheit des Regisseurs hin, die ich für erstaunlich halte (Nota bene – ich war sehr überrascht über die Parallelen von Spengler und 2001)… Leute wie Spielberg halte ich übrigens für Illiterat (o.k. ein bisschen Freudomarxismus mit einem Schuß Holocaustjudentum sei ihm zugestanden).

Soviel zu Coppola – daß andere Ding, daß mir erst vor ein paar Tagen aufgegangen ist: der Drehbuchautor von Apocalypse Now stammt von John Milius – jener John Milius ist auch der Drehbuchautor von Dirty Harry – und Regisseur von Conan der Barbar mit Arnie
(ein Film, der bis heute zu den am meist unterschätzten der Filmgeschichte gehört – finde ich, weil der dümmste Kritiker der Filmkritiker ist – der dazu noch in 95 % der Fälle linksliberal ist … zusätzlich ist der schlimmste Kneipen-Intellekt-Schwadroneur, derjenige der seinen Intellekt mit Filmen ernährt…)

Weiterhin stammt von Milius Red Dawn – der in den 80ern in Deutschland nicht gezeigt werden konnte, weil das frühgrüne Milieu die Kinos stürmte. Der Film ging um eine Landung der Russen in den USA – Milius sagte vor Kurzem er würde heute die Sowjets durch Mexikaner ersetzen.

Privat ist Milius ein Waffennarr und NRA Mitglied – und sein Aussehen lässt kein Zweifel daran, daß Walter in The Big Lebowski eine Parodie oder Hommage an Milius sein muß.

lange Rede kurzer Sinn – Milius könnte ein paläokonservativer bzw. weiß-nationalistischer Schläfer in Hollywood sein – und Apocalypse Now in eigenartiger Weise weniger doppelbödiger als gedacht.

Deshalb Vorhang auf für den Original-Walter:
https://www.youtube.com/watch?v=oLuPXfsCkWg

p.s. das Milius zu uns gehören könnte wird durch die Tatsache, daß er Jude ist wahrscheinlicher – denn so schützen ihn die ethnischen Netzwerke, die einem Goj wie Gibson das Leben schwer machen…

p.p.s. früher dachte ich Leone wäre von Evola beeinflusst… „Zwei glorreiche Halunken“ wäre hermetisch zu deuten. Eastwood ein uomo differenziato. Ich las Fraylings Bio… leider kam nichts dabei heraus…

p.p.p.s. in AN streiten sich die Franzosen bei Tisch auf französisch – da ich nicht gut genug bin, kann ich nicht ganz verstehen worüber… Geht es um PC auch bei denen, die um das nackte Überleben kämpfen? Es gibt ein Buch mit Namen Lost White Tribes – bei Counter Currents schrieb der Rezensent, daß egal ob der Autor bei den holländischen Burgern in Ceylon sei, oder bei den Jamaica Deutschen: We´re not racist… ist der Refrain mit denen man von diesen Minderheiten begrüßt wird, trotz der Bedrängnis und Gefährdung in der sich diese Gruppen befinden, soll ja auch in Südafrika so sein…

Hatte Milius bei dem Tischgespräch in Apocalypse Now auch dieses Thema im Auge – das Weiße immer verrückter werden – je mehr sie sich ihrer Vernichtung nähern?

M.L.: Nicht zu vergessen, daß in "Apocalpyse Now" (auch einer meiner Evergreens) ausgiebig T. S. Eliot zitiert wird und der Film auf einem Roman des polnisch-aristokratischen Abenteurers Joseph Conrad beruht, der heute auch schon wieder als "racist" und "antidemocratic" gilt. Die in der alten Kinofassung fehlende Episode mit den französischen Kolonialisten ist in der Tat faszinierend. Sie sind allerdings ziemlich deutlich als Gespenster gezeichnet, die die Zeit überholt hat. Zu dem Thema sind übrigens die Filme des Franzosen Pierre Schoendorffer sehr interessant, die ziemlich kolonial- und militärfreundlich sind. Insgesamt finde es eher müßig, die "linken" und "rechten" Fäden auseinanderzuklauben. Wenn ein Film oder ein Roman wirklich gelungen ist, dann sind seine Berührungsflächen und Bedeutungsebenen universal und stehen über solchen Schubladen. Das ist dann das Gütesiegel des echten Kunstwerks. Es gibt sicher einige wichtige Regisseure, die "rechte" Themen und Motive aufgegriffen haben: Scorsese, Coppola, Peckinpah, Schrader, Eastwood, sogar David Lynch. Aber es wäre natürlich Unsinn, sie darauf zu reduzieren. Milius' "Conan", "Red Dawn" oder "Big Wednesday" finde ich ausgezeichnet. Von der Welt Kubricks ist das natürlich meilenweit entfernt. Im Vergleich mit "Conan" ist auch Boormans "Excalibur" grandios.

ingres

3. September 2013 13:46

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man die Ausbildung bei der Bundeswehr durch die eigene Persönlichkeit beeinflussen kann. Man ist kein willenloses Objekt. Natürlich hätte mich nie jemand beleidigt. Hat auch niemand gewagt.
Aber die USA mögen ein anderes Pflaster sein. Als feststand, dass ich auch den Kriegsdienst verweigerte (direkt nach der Kleiderausgabe), wurde ich überkorrekt behandelt. Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben. Aber es war schon eine kuriose Situation. Man hatte sämtliche KDV-er in einer Gruppe zusammengefaßt (Stärke 8, KDV-er 3, die beiden anderen waren auch noch Einser-Abiturienten.) Und der Clou die KDV-Gruppe hatte ständig Sonderurlaub wegen der besten Leistungen. Zu verdanken hatten wir das allerdings den Einser Verweigerern (ich hielt nur durch meine Physis mit, an der Technik zeigte ich völliges Desinteresse, bis uaf das nötigste) und einem weiteren Einser, der einsame Spitze war, allerdings erst nach der Bundeswehrzeit verweigerte. Beim Nachtmarsch haben wir deshalb die zweite Gruppe gleich um mehrere Stunden abgehängt. Das war schon irre und würde wie gesagt ein Buch ergeben
Aber wie gesagt beleidigt hätte mich niemand, auch Hartmann nicht. Man kann Soldaten also u. U. auch anders ausbilden. Es hängt vom Soldaten ab.

Tronjer

3. September 2013 15:07

Vortreffliche Runde hier ! Kubrick sowieso aber dann noch "In Stahlgewittern, Apokalypse Now, die Doors, Big Lebowski und sogar Conan" !!! Ich fühl mich wie Daheim...
Aber ich wollte noch kurz auf "Wege zum Ruhm" von Kubrick hinweisen, ist zwar nicht so offensichtlich subversiv und ikonenhaft, aber die Szene in der Kirk Douglas kurz vorm Losstürmen durch den Graben marschiert, gehört meiner Meinung nach mit zum Eindringlichsten, was je auf Film gebannt wurde !

M.L.: Diesen in der Tat hypnotischen "tracking shot" hat Kubrick dann ja in der ersten Szene von "Full Metal Jacket" wiederholt, vielleicht sogar bewußt zitiert.

Vielen Dank M.L. und auch an die Kommentatoren und ich hoffe mal auf mehr Filmkritiken hier in Zukunft !?

Carsten

3. September 2013 15:21

Gunnery Sergeant R. Lee Ermey (der Ausbilder) hat eine eigene Fernsehshow, in der er auf seine unnachahmliche Weise Waffenhistorie präsentiert. Die Serie heißt "Lock n' Load" und ist schön unfreiwillig lustig:
https://www.youtube.com/watch?NR=1&list=PLA1CF44D2B7F917BA&v=9tJneuYlP4E&feature=endscreen

M.L.: Sowas nennt man, glaube ich, "Gun Porn".

Martin Lichtmesz

3. September 2013 15:28

Angeregt von "Joseph von Sternbergs" Kommentar ein kleines Gedankenspiel.

Leni Riefenstahl gilt ja bekanntlich wegen ihr beiden Parteitags-Filme als eher "rechts" oder "faschistoid". Nun hat es die linke Regisseurin Helma Sanders-Brahm fertiggebracht, Riefenstahls "Tiefland" als eine Parabel gegen Hitler zu deuten.

Da müßte man sich einmal den Spaß machen, Riefenstahls prä-1933er Film "Das blaue Licht" als komplett linkes Stück zu interpretieren. Die Heldin ist eine zigeunernde Fremde, der von der bigotten, intoleranten, feindseligen und auch sonst eher unsympathisch gezeichneten Dorfvolksgemeinschaft diskriminiert, ausgegrenzt und verfolgt wird. Außerdem ist der Film feministisch, denn er zeigt, wie Juntas weibliche Autonomie, versinnbildlicht in der Kristallgrotte, von männlichen Herrschaftsansprüchen zunichte gemacht wird. Auch psycholanalytische Deutungen bieten sich an. Er stellt traditionelle "Genderrollen" in Frage, denn die einzige, die den Kristallberg besteigen kann, ist Junta, die außerdem kinder-, mann- und familienlos ist. Schließlich ist "Das blaue Licht" ein "grüner" Film, der im letzten Teil, als die Grotte geplündert und die Kristalle verscherbelt werden, eine Anklage gegen die Ausbeutung der Natur und den Kapitalismus enthält. Dazu kommt noch, daß am Drehbuch der jüdische Marxist Béla Bálázs maßgeblich mitgeschrieben und wahrscheinlich sogar Teile des Films inszeniert hat.

Dann kann wieder ein boshafter Mensch kommen und sagen, daß es kein Zufall ist, daß Schickelgruber ein Fan des Films war, daß sein "Feminismus" "differentialistisch" statt progressiv "egalitär" sei und die Frau in eine Opferrolle dränge, daß das Bergfilmgenre per se faschistoid ist, wie Siegfried Kracauer und andere urbane Kaffeehaushocker schon seit den 20er Jahren behaupten, und daß er als Plädoyer gegen die "Entzauberung der Welt" gelesen werden muß, mithin also irrationalistisch und aufklärungsfeindlich und fortschrittskeptisch sei, was eindeutig reaktionäres Fahrwasser ist.

Rinks und Lechts kann man einfach nicht velwechsern!

Martin Lichtmesz

3. September 2013 15:44

Hier die berühmte Szene aus "Paths of Glory":

https://www.youtube.com/watch?v=gPtVNDvwGMo

Stil-Blüte

3. September 2013 15:46

Canetti: Befehl = 'Stachel', der danach verlangt, gewalttätig weitergegeben zu werden. Und welchen Stachel gibt Kubrick weiter? War er als Regisseur nicht eine Art 'Hartmann'? Und welchen Stachel gibt der geduldige Rezensent M.L. weiter? Und, um Himmels willen, an wen soll ich nun nach dieser Lektüre den Stachel weitergeben, da ich doch Herrn Lichtmesz viel mehr schätze als Kubrick?
Plötzlich erscheinen mir alle Beiträge auf dieser Seite infiziert vom Stachel des Bösen. Ist d a s vielleicht die Absicht von Kubrick? Aber warum? Da erscheint mir der zitierte Spengler, der die Tragödien des Stachels kannte wie kein anderer Historiker/Philosoph/Künstler - ausgenommen Gottfried Benn - ein- und erleuchtender.

Diese Kubrick-Serie führt mir auch wieder einmal vor Augen, wie unterbelichtet geblieben wir Ostdeutschen waren, sind (und behandelt werden). Die ganze Filmgeschichte, die M.L. so präsent ist, haben wir uns nur sehr schwerlich anzueignen gewusst. Und wenn, dann war es eine Waffe gegen das eigene Regime. Der Sieger war ja die siegreiche Sowjetarmee.Was ja auch wirklich stimmte! Wir vergessen das nur allzuleicht. Und der Film von Sergej Bontarschuk 'Krieg und Frieden' war gewiss diametral zu Kubricks Verworfensein/-heit. Bei Kubrick gibt es keine Sehnsucht nach 'Friede sei mit Euch!'. Bei Bontarschuk gibt es noch den Eigensinn der Verteidigung des russischen Volkes.

Film ist für mich wie Märchen. Viele, viele Prüfungen, Drachen, Monster, Könige, Narren; Volk. Aber am Ende war alles nur Film. Man darf getrost nach Hause gehen. Herr Lichtmesz, lieben Sie die kalte Trostlosigkeit? Wenn nicht, merken Sie nicht, daß die Abschreckung vor dem Bösen bei Kubrick das Böse erst hervorlockt?

M.L.: Ruhig Blut! Für mich war Kubrick einer der absolutest "Guten", und alles, was der Erkenntnis des Bösen dient, dient auch dem Guten. Und "kalte Trostlosigkeit" ist das Allerletzte, was ich empfinde, wenn ich mal wieder einen Kubrick-Film gesehen habe. In der Welt da draußen passieren ununterbrochen zigmal schlimmere und furchtbarere Dinge als in irgendeinem Film. Künstler wie Kubrick geben uns die Intelligenz und die Kraft, all dies nicht nur zu sehen, sondern auch in den Griff zu kriegen.

P.S. Nachschlag: Hitler wollte 'seine' Soldaten nicht als Soldaten, sondern als Arbeiter sehen, die nüchtern, konzentriert, sachlich eine Maschine, den Panzer, die Kanone usw. bedienen. Überhaupt - Wo bleibt bei Kubrick die nicht mehr nötige Killermentalität der 'Knöpfchendrücker' von Bomben und bis in die Gegenwart von Raketen und Drohnen...

M.L.: Das hat Kubrick alles in schon in "Dr. Strangelove" behandelt, Jahrzehnte, bevor überhaupt von Drohnen etc. die Rede war.

Inzwischen sind wir ja alle Knöpfchendrücker geworden, siehe Internet. Ein Klick - und schon haben wir die falsche Wahl getroffen!

Joseph von Sternberg

3. September 2013 16:01

@ Carsten:

Gunnery Sgt. Hartman ruft auch bei der Bundeswehr an:
https://www.youtube.com/watch?v=lei-w1Wmzlc

Thomas Bargatzky

3. September 2013 17:16

An alle Freunde des Alemannischen: Mein Favorit ist die Version der ersten fünf Minuten auf Badisch - leider nicht immer auf youtube zu sehen. Kann meiner Ansicht nach nicht übertroffen werden. Auch die Bayerische Fassung verblasst daneben.

derherold

3. September 2013 17:27

"Als ich meinen Wehrdienst beim (eher kabarettartigen) österreichischen Bundesheer leistete, gab es kaum einen Ausbilder, der diese Sprüche nicht auswendig kannte, ausgiebig benutzte und selber gerne eine so kolossal harte Sau wie das Vorbild aus dem Film gewesen wäre."

Tja, daß kann ich ein bißchen anders erzählen: Ich war bei den westdt. Fallschirmjägern und da waren diese Sprüche verpönt ... wie überhaupt "anfassen" oder "attackieren" von Soldaten/Wehrpflichtigen. Mir sind zudem mehrere "harte Säue" über den Weg gelaufen, die problemlos mithalten konnten.

Barry Lyndon ? Wahrscheinlich wg. der Ansbach-Dragoner. ;-)

@ingres, ich will Ihnen nicht zu nahe treten aber man sollte da sehr vorsichtig sein. Es gibt da so etwas wie Eigen- oder Gruppendynamik, der man sich auch als "Dissident" nicht entziehen kann.
Ich unterstelle, daß man in anderen Zeiten und anderen Armeen nahezu jeden "beleidigen" kann.

Irrlicht

3. September 2013 17:57

@Stil-Blüte
Die Erklärung liegt weniger in der DDR-Sozialisierung als in MLs Präferenzen. Er ist österreichisch sozialisiert und offenbar ausgesprochen anglophil. Die einzigen Kubrick-Filme, die ich gesehen habe, sind die hier besprochenen, und von keinem war ich sonderlich beindruckt, wobei "Full Metal Jacket" der schwächste der drei ist. Den Konnex zu Spengler bei 2001 halte ich für konstruiert. Die einzige explizite Bezugnahme ist Rousseau, und amerikanische Regisseure genießen allgemein den zweifelhaften Ruf, illiterat zu sein. Eine zeitlang hat das (europäische) Autorenkino ästhetisch ansprechende Filme produziert, und in diese Kategorie läßt sich mit Woody Allen auch einer der wenigen interessanten amerikanischen Filmemacher einordnen.

M.L.: Ich verstehe nicht, was "österreichische Sozialisation" mit Anglophilie zu tun haben soll, und was überhaupt die "Anglophilie" hier für eine Rolle spielen soll, etwa dabei, daß mir "die Filmgeschichte präsent ist". Die Verwandtschaft zu Spenglers Gedanken und den Motiven von Auge und Hand ist so evident, daß man da nicht viel zu "konstruieren" braucht. Das heißt nicht, daß Kubrick "Mensch und Technik" gekannt haben muß - was auch völlig egal ist. Die Motive sind da, das reicht. Offenbar haben Sie auch nicht einmal die von mir gebrachten Zitate von Kubrick gelesen, denn Rousseau ist beileibe nicht die "einzig explizite Bezugnahme". Die entscheidende, ausgiebig von Kubrick in diesem Kontext zitierte Bezugnahme ist der Anthropologe Robert Ardrey. Und nun lesen Sie einmal Ardrey neben Spenglers "Mensch und Technik" und wundern Sie sich über die inhaltlichen Parallelen. Daß nun ausgerechnet Kubrick "iliterat" gewesen sein soll, ist ja wohl ein schlechter Witz. Und gerade dieser war besonders vom europäischen (und japanischen) Autorenfilm beeinflußt. Das gilt für fast alle Regisseure des "New Hollywood", die ihren Bergman, Antonioni, Fellini etc. etc. in sich aufgesogen hatten und ihrerseits alles andere als "iliterat", ja geradezu Intellektuelle waren: etwa Scorsese, Coppola, Schrader, Altman, Malick. Sogar George Lucas war ein extrem belesener Regisseur. Nun möchte ich aber auch nur einen einzigen Film von Woody Allen genannt bekommen, der es technisch oder thematisch mit den Hauptwerken von Kubrick aufnehmen kann. Wenn die aber derart spurlos an Ihnen vorbeigerauscht sind, dann sind vermutlich eh ein paar Antennen ausgefallen.

Th.R.

3. September 2013 18:17

Die Gelegenheit möchte ich nutzen, um einmal auf das kongeniale DDR-Hörspiel "Herhören - Hier spricht Georg Richard Hackenberger", verfaßt von einem gewissen W. K. Schweigert, hinzuweisen.

Erzählt wir die Geschichte des ehemaligen Wehrmachtsausbilders G.R. Hackenberger, der wegen seines Geisteszustandes in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wurde. Der Grund seiner Einweisung ist nicht etwa ein Kriegstraumata infolge schrecklicher Erfahrungen an der Front, sondern, wie sich im Laufe des Hörspiels zusehends herausstellt, psychopatischer Größenwahn.

Aber dem nicht genug. Das Besondere und Einzigartige bringt hier der DDR-Schauspieler Willi A. Kleinau ein, der diesen Monolog mit einer Ausdrucksstärke und einem Charisma in der Stimme herüberbringt, wie man das so selten gehört hat (Herr Lichtmesz, das ist was für Sie, versprochen!).

Ich kann nur jedem empfehlen, sich die Zeit zu nehmen und sich dieses Stück Kunst anzuhören! In den Sessel gelehnt, ein Glas Rotwein dazu.
(Es fängt gemächlich an, steigert sich dann Schritt für Schritt aber zu beissenden Sarkasmus.)

So, hier der Link:

https://www.youtube.com/watch?v=F2T4iXnbkws

(Das schrieb seinerzeit die DDR-Presse über dieses Hörspiel:
https://www.ddr-hoerspiele.net/lp/herhoeren-hier-spricht-georg-richard-hackenberger.html)

(Mein Vater hat das Hörspiel seinerzeit als Abschiedsgeschenk für seine Grundwehrdienstzeit bei der NVA erhalten. War schon als kleines Kind von der Stimmkraft dieses Typen in den Bann geschlagen.)

Viel Vergüngen.

Rumpelstilzchen

3. September 2013 18:18

Es gibt nur einen guten Kriegsfilm, und das ist der
Krieg der Knöpfe in der Originalfassung.
Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht mitgegangen.
Da braucht Raskolnikow auch nicht die Hand gehalten bekommen.

https://m.youtube.com/watch?v=XwgiJw9pUGI&desktop_uri=%2Fwatch%3Fv%3DXwgiJw9pUGI

Inselbauer

3. September 2013 18:23

Riefenstahl ist so links wie der Adolf selbst, sogar Luis Trenker hat ihr später nachgesagt, sie sei eine Tausendprozentige gewesen.
Gut ist die Beobachtung, dass der ganze Schwarzer-Expressionismus-Kram und vor-1933-Erzählkitsch-Kino-Symbolkram eine unerschöpfliche Fundgrube für Genderfanatiker ist. Man sollte allerdings die Kollateralschäden nicht unterschätzen: Neulich ist die Ehe eines alten Freundes gescheitert, der mit einer Bachofenanalytikerin verheiratet war.

M.L.: Der Luis Trenker hat halt leider auch die Chance nicht verpaßt, sich an ihr abzuputzen.

Couperinist

3. September 2013 18:25

Dieser Film hat wohl ganzen Generationen von Uffzen und Feldwebeln als Sprüche-Reservoir gedient. Ätzend.

Irrlicht

3. September 2013 19:52

@ML
Genau die Zitate meine ich. Spenglers Zitat ist Teil einer Zivilisations -und Technikkritik, zivilisatorische Merkmale stehen in Konflikt mit der animalischen Herkunft des Menschen, ohne moralische Wertung. Bei Kubrick ist der Mensch "irrational, brutal, schwach, dumm", und staatliche Institutionen sind nicht der Lage, diese angebliche Natur des Menschen ohne gravierende Nebenwirkungen zu ändern. Keine Kulturkritik, sondern amerikanischer Manichäismus, wenn der Mensch nicht von Natur aus "gut" ist, ist er von Natur aus "böse". Spenglers Raubtier, das zur Beherrschung der Welt ansetzt, wird zum "bewaffneten Killer", ein Erbe, das für Massenmorde, Raketen, Kriege, etc. verantwortlich ist. Und nur die Symphonien retten uns. Ein verdrehtes Gutmenschentum.

M.L.: Pardon, aber einen solch ahnungslosen, nicht einmal in sich selber logischen Blödsinn habe ich hier schon lange nicht mehr gelesen. Kommen Sie wieder, wenn Sie die "Vordenker" (siehe das Handbuch des IfS) studiert und das sinnentnehmende Lesen geübt haben.

Zum Thema "illiterat": Während das Feuilleton bei einigen europäischen Autorenfilmen nicht genug bekommen konnte, vermeintliche (literarische) Zitate aufzustöbern, ist die Romanvorlage von 2001 ein Stück eher trivialer Science-Fiction-Literatur.

M.L.: Bei "2001" kam der Roman mit diesem Titel erst n a c h dem Film, vorher gab es nur eine Kurzgeschichte von Clarke als Basis. "2001" basiert zu 90% auf einem Originaldrehbuch. Aber ihr Einwand ist auch so völlig irrelevant: Es gibt hunderte großer Filme, die auf "eher trivialen" Vorlagen beruhen oder diese als Ausgangspunkt nehmen. Die Vorstellung, daß ein Film nur dann hochwertig ist, wenn er auch auf literarisch hochwertigen Vorlagen beruht, verwechselt Film mit Literatur und ist ungefähr seit den Zwanziger Jahren widerlegt und aus der Mode gekommen. Auch hier zeigen Sie sich völlig ahnungslos. Vielleicht sollten Sie sich lieber zu anderen Themen äußern.

Der Verweis auf die österreichische Sozialisierung und Anglophilie war eher spekulativ angesichts der gezeigten Begeisterung, in Deutschland schlugen die Filme nicht so hohe Wellen.

M.L.: Vielleicht haben Sie auch bloß die Weltgeschichte verschlafen oder waren noch nicht geboren oder wissen ein weiteres Mal nicht, wovon Sie eigentlich reden. Um Sgt. Hartman zu paraphrasieren: Ich wußte gar nicht, daß man Quatsch so hoch stapeln kann.

Inselbauer

3. September 2013 20:06

@ Joe Sternberg

Nach etwa einer Minute des Anrufs von Hartmann bei der Bundeswehr fragt der Angerufene (Feldwebel) plötzlich unterwürfig und ohne Ärger nach: Sind Sie von der US-Basis?
So traurig war ich schon lange nicht mehr. Das ist deprminierender als 400 Seiten Elsässer über das Besatzungsregime. Man könnte sich glatt aufhängen als Deutscher nach so etwas.

ene

3. September 2013 20:58

@ Stil-Blüte

Es sind grundsätzliche Fragen der Ästhetik, die Sie berühren: was darf Kunst? Kann man ihr "von außen" vorschreiben, wie sie den Menschen darzustellen hat? Wie sie wirken darf? Ich glaube nicht.
Ein Regisseur , der mir wesentlich mehr liegt als Kubrick, Tarkowskij, hat einmal geäußert, er sei nicht für das Wohlbefinden seiner Zuschauer verantwortlich. Da ging es um kaum erträgliche Szenen aus Andreij Rubljow, gegen deren Entfernung durch die Zensur er sich wehrte.

Im Grunde argumentiert ML (15.46) Ihnen gegenüber im Sinne der Katharsis, der "Läuterung". Das haben schon die Griechen gekannt. - Die Frage: was wollen wir uns zumuten lassen? betrifft ja auch die anderen Künste. Wenn Sie so wollen, auch z.B. den Isenheimer Altar. Es ist ja keineswegs erfreulich, was man da zu sehen bekommt.

Der Mensch wird nicht "besser", wenn wir vor seiner Natur die Augen verschliessen. Wir müssen also etwas aushalten, zumindest in dieser transformierten Wirklichkeit, welche den Kunst-Raum bildet.

Kint

3. September 2013 21:26

Zur Abrundung vllt Peckinpah? Wer warf ihm damals nicht alles sinnlose Gewaltverherrlichung vor... P.s Erwiderung: Wenn die Menschen die sinnlose - oder böse - Gewalt "einfach" nicht erkennen wollten, dann führe er sie eben in Zeitlupe vor.
Was die Augen alltäglich sehen, sieht der Mensch noch lange nicht.

Kubrick greift hier zur Erniedrigung, zur Entmenschlichung des Nochnichteinmal-Menschen. "... seid ihr eine Waffe, seid ihr Priester des Krieges und betet um Krieg. Aber bis zu diesem Tag seid ihr Dreck, seid ihr die niedrigste Lebensform auf Erden, seid ihr noch nicht mal annähernd so etwas wie Menschen, seid ihr nichts anderes als ein unorganisierter Haufen von amphibischer Urscheiße!"
Klingt ja fast wie (kolportierter) O-Ton Kissinger, nur poetischer. :-)

Nicht mal Private Joker, das nicht ganz blöde, nicht ganz unsympathische, so seltsam angenehm durchschnittlich empfundene "Ich", begreift, was ihn so irritiert. Der abgedruckte Dialog macht´s auf´s Schönste deutlich: Töten, keine Ahnung, warum, Frieden ist auch cool, könnte alles was mit der Dualität des Menschen zu tun haben, leider keine Ahnung, was das ist. Gar nicht so weit vor´m Ziel... aber leider doch zu kurz gesprungen. Ein kleines Schrittchen, Joker, hätt doch bloß gefehlt... Aber man hat ihm das Denken eben nicht erhalten, sondern ausgetrieben. Joker, der so viel hat von jedem von uns, kennt sich nicht.

Wer war General Smedley Butler? Kaum ein anderer als der Gunnery Sergeant hier, bloß ein paar Ränge höher und mit noch einem Unterschied: Er sprach irgendwann aus, wessen stupide Waffe er - bzw. die Armee - gewesen war. "I spent 33 years and four months in active military service and during that period I spent most of my time as a high class muscle man for Big Business, for Wall Street and the bankers. In short, I was a racketeer, a gangster for capitalism."

Ist damit zum politischen Kalkül, oder Hintergrund, genug gesgt?
Kubricks Frage an den Zuschauer nach dem Warum des Grauens, das ohne Motive, Gründe doch ganz irrsinnig wäre, springt diesen fömlich an. Der aber wendet sich ab, verzweifelt über die Schlechtigkeit des Menschen. Sieht er, dass die Menschen, die da Böses tun, das gar nicht realisieren, also gar nciht willentlich böse sind? Gehirngewaschen, nciht mehr in der Lage, Gut und Böse zu erkennen? Per (Aus-)Bildung den Grundlagen des Menschseins beraubt. Das Böse lehrt eben ncht Aristoteles, sondern Gehorsam. Der Gunnery Sergeant als Kubricks Appell an den Verstand? Im realen Leben heißt´s "alternativlos" oder "geht ja gar nicht".

Das Ganze funktioniert, solange der "unorganisierte Haufen" nicht weiß, warum er sich und anderen ins Knie schießt. Sondern es tut, wenn´s ihm gesagt wird.
Soldaten sind Mörder? Dem hätte Gen. Butler nicht widersprochen, er kannte viele. Die Pläne geschmiedet, Profite eingestrichen haben wenige.
Butler hat sich übrigens später Putschplänen widersetzt.
US-Soldaten widersetzen sich derzeit einem Syrienkrieg. Trotz Gehirnwäsche. Nicht nur wegen Kubrick. :-)

M.L.: Peckinpah war auch von Robert Ardrey beeinflußt. Kubrick mit "ce-ka".

FFlecken

4. September 2013 02:44

Interessant, welche Diskussion sich um die aufgegriffenen Filme entspannt hat. Kenne die meisten der Kubrick-Filme, wenn auch nicht in der Intensität wie dies bei den meisten Diskutanten der Fall ist. Die eingehende Beschäftigung mit dem Film sollte, wie schon oben angemerkt, weitergeführt werden. Es zeigt doch wieder einmal, welche thematische (Vorsicht Zauberwort) Vielfalt das rechtsintellektuelle Lager aufzuweisen hat.

@ Joseph von Sternberg

Ja, die Assoziation zu Evola hatte ich bei dem ein oder anderen Leone-Film auch. Gerade Eastwood als ,,uomo differenziato``ist eine originelle These. Zwar hat Leone ja einen linken Hintergrund, aber einen tendenziell marxistischen - und damit ernst zu nehmenden. Ob er die Schriften Evola`s kannte ist schwer zu beurteilen. Am ehesten wohl noch ,,Cavalcare la Tigre``, ein Werk, welches ja auch unter den linken 68ern in Italien zirkulierte. Ein direkter Bezug zu Evola ist wohl eher unwahrscheinlich, aber bei Leone war vieles an relevantem unter der Oberfläche verborgen. Wer weiß. Aber wie man bei Visconti sehen konnte, ist ja der Weg zu zahlreichen reaktionären und rechten Einsprengseln bei desillusionierten und realistischen Marxisten oft kürzer als bei jenen aus der wohltemperierten Sphäre.

Stil-Blüte

4. September 2013 02:45

@Irrlicht
'illiterat' der Amerikaner - wie oft mir das schon aufgefallen ist! Und - für Kubrick muss das ja nicht von Nachteil sein. Ein Regisseur ist ein Augenmensch per se (siehe auch Spengler 'Untergang des Abendlandes'), ebenso ein Maler, ein Bildhaue. Anders der Dichter, Denker, Philosph, Schriftgelehrte.
@ene
Danke für die Ausformulierung dessen, was ich zu sagen nicht imstande war.
Das ist der feine kleine, aber entscheidende Unterschied:Vor dem Isenheimer Altar, wenngleich er heutzutage im 'falschen Kino' hängt und somit fehl am Platze ist - gehört er als Altar doch in ein Gotteshaus - Erschütterung Nicht anders ergeht es a l l e n , Mann und Frau, Kind und Kegel, Christ oder Atheist, wenn sie Bachs 'Matthäus-Passion', in der Leiden des Menschen sogar b e s u n g e n wird, in der Kirche (viel weniger im Konzertsaal) hören, Erschütterung u n d Erhebung , also Verwandlung zugleich. während bei Kubrick, der Vergleich sei mir gestattet, automatisch Verstörung ('Stasi-Sprache: 'Zersetzung') einsetzt, wobei man eine Absicht spürt, die auf Zerstörung aus ist, Zerrtretener Wurm. Angesichts der Seelennot, auch noch so verbrecherischer Kreaturen, ist das einfach gemein. Höhnisch und gemein. Es zieht hinab. Kein Bedauern darüber, daß der Mensch gemein ist, gemacht werden kann. Ich höre: Hohngelächter. Ich sehe Lästerung, Frevel. Ich sehe den bösen Blick (Kubricks Gesicht, in dieser Rubrik zum Schluss im Dreier-Pack. Wie wäre es wenn Sie, M. L. die 3-Einigkeit noch einmal in einem Kaplaken-Bändchen zu These - Antithese - Synthese aufbauen? Will sagen; )
Kubricks Exhibitionismus bedient auf unbeteiligt die aufdringliche Forderung der 68er zum Vor-Exerzieren des Grauens. Die Schweigespirale unserer (Groß-)Väter, die in den Krieg ziehen mussten - haben dem Grauen standgehalten. Facit: Die Schweigespirale führt zum vorgeschriebenen Schuld-Komplex, also zur Pathologie (statt zur Läuterung und zur Genesung). Giibt es aus diesem Grunde so viele rein maskuline (ehemals) juvenile - ja wohl, hier scheiden sich die Geschlechter und Generationen - Cineasten-Jünger, Freaks, Fans, die der Perfektion der Ästhetik verfallen? Ist das Amerikanische so populär, weil die Ästhetik des Faschismus aus guten Gründen obsolet war? Obwohl mir Heinrich Mann nicht so sehr zusagt, die Ironie im 'Untertan' entspricht sie nicht doch mehr unserer Mentalität, unserer langen Geschichte, von der Marx genialisch sagt, daß das letzte Kapitel die Komödie ist?
Frage: Haben sich echte Krieger-Künstler, wie z. B. Jünger, Benn, zu dieser Kunstform geäußert?
PS Isenheimer Altar, Bachs Mathäus-Passion, Brahms' Requiem, Mahlers 'Kindertotenlieder' - universell. Kubrick ist durch und durch amerikanisch, möchte aber universelle symbolische, mythische, religiöse Impulse zu entwickeln. Vermag er das?

M.L.: Bei mir funktioniert die Katharsis jedenfalls. Ich finde Kubrick keineswegs "herabziehend", ganz im Gegenteil, wenige Filme sind so dauerhaft und immer wieder von Neuem stimulierend. Ich sehe auch ihn als Humanisten, um das abgegriffene Wort zu benutzen. Wie universal sein Werk ist, zeigt doch, daß es auf der ganzen Welt verstanden und bewundert wird. Ich empfinde ihn auch keineswegs als "durch und durch amerikanisch". Ich glaube, niemand, der etwa "Barry Lyndon" gesehen hat, wird das ernsthaft behaupten wollen. Er war im Gegenteil einer der "europäischten" Regisseure der USA, und es ist kein Zufall, daß er vierzig Jahre in England gelebt hat.

Rumpelstilzchen

4. September 2013 08:30

Liebe Männer,
Es erschließt sich mir nicht, was Männer an Gewalt- und Kriegsfilmen fasziniert. An Ballereien, hypnotischen "tracking shots", an "path of glory".
Selbst die zartbesaitesten unter ihnen weisen eine erstaunliche Kenntnis des amerikanischen Militärs auf.
Zugegeben, es hat schon eine gewisse Ästhetik und manchmal auch Komik.
Der wie ein kleiner Junge vom Maschinengewehr begeisterte Ami ist eigentlich der Inbegriff der Lächerlichkeit.
Wenn das Gerät nicht so verheerende Folgen hätte, es wäre zum Totlachen.
In meinen Haushalt befanden sich zu Hoch Zeiten vier männliche Wesen, eigentlich ganz harmlose, die immer wieder diesen Filmen und Ballereispielchen erlagen. Manchmal ganz liebenswert.
Deshalb mache ich mir auch keine allzugroßen Sorgen.
Die Realität ist in der Tat viel grausamer und schrecklicher.
Nur zum Schluß: ich plädiere dafür, dass der Paragraph 218 wieder eingeführt wird, und zwar für Männer:
Denn auch das Kind im Manne ist schützenswert.

Martin Lichtmesz

4. September 2013 10:52

Badeschluß, Ladies!

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