Hitler sagen verboten

Geschichtspolitik ist kein akademisches Metier. Sie wird „auf der Straße" verhandelt und eingepflanzt.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Nein, ein­pflan­zen ist falsch: Spre­chen wir bes­ser vom Umtop­fen. „Stra­ße” heißt kon­kret und heu­te: Grund­schu­le und Supermarkt.

Grund­schu­le: Mei­ne acht­jäh­ri­ge Toch­ter, drit­te Klas­se, besucht das Wahl­fach “Chro­nik”. Als heu­te das Stich­wort DDR auf­kam, hol­te die Leh­re­rin wei­ter aus und erzähl­te kurz von Hit­ler, um dann auf die Auf­tei­lung Deutsch­lands durch die Sie­ger­mäch­te zu kom­men. Bei der zwei­ten Erwäh­nung des Unaus­sprech­li­chen wur­de der Bank­nach­bar mei­ner Toch­ter zitt­rig, mel­de­te sich und warf ein: „Aber Frau G., das darf man nicht sagen!” Die Leh­re­rin, red­lich bemüht, einen für Grund­schul­kin­der kom­pli­zier­ten Sach­ver­halt aufs Ver­ständ­li­che run­ter­zu­bre­chen, frag­te irri­tiert nach – was denn? Der Schü­ler, ganz lei­se und vor­ge­beugt: „Na, wen sie eben gesagt haben!”. Und noch lei­ser, als sei ein Arka­num berührt: „Hit­ler! Das ist doch verboten!”

Michel Fried­man hat­te vor Jah­ren in einem TV-Gespräch mit Hans-Olaf Hen­kel mal die For­de­rung auf­ge­stellt, daß Holo­caust-Wis­sen spä­tes­tens im Kin­der­gar­ten unter­rich­tet wer­den müs­se. Man hat ihn nicht gehört. Aber immer­hin: Hit­ler­sa­gen gilt als strafbar.

Super­markt: 2000 Jah­re Armi­ni­us, 60 Jah­re Grund­ge­setz, 20 Jah­re Mau­er­fall – bei sol­chem Jubi­lä­en-Wust bli­cken Mann und Frau der Stra­ße kaum mehr durch. Vor allen Din­gen ist der Bezugs­punkt irgend­wie aus den Augen gera­ten. War Armi­ni­us nun der ers­te Deut­sche? Aber ist Deutsch­land nicht grad 60 gewor­den? Wel­ches Deutsch­land noch mal?

Der Dis­coun­ter Net­to brennt die­se Woche ein gewal­ti­ges Pro­duk­te-Feu­er­werk ab, das sich even­tu­ell aufs Grund­ge­setz-Jubi­lä­um bezie­hen dürf­te. Am Ende der Kon­sum­ket­te ist der Ver­fas­sungs­pa­trio­tis­mus nun an sein Ziel gekom­men, Hurra!

Im Ange­bot ist unter vie­lem ande­ren ein Deutsch­land-Senf „mit­tel­scharf”, eine Reis(!)mischung schwarz-rot-gold sowie Tagi­latel­le(!) in den glei­chen patrio­ti­schen Far­ben, aber auch Kon­ser­ven­do­sen mit gutem deut­schem Kar­tof­fel­ein­topf von der Fir­ma Buss, die treu­deutsch ver­spricht, die Vit­ami­ne “ein­zu­schlie­ßen wie in einem Tre­sor”. Auf den dicken Büch­sen unter Fähn­chen und Qua­dri­ga: 60 Jah­re Deutschland!

Dies: Zwei klei­ne Geschicht­chen über unse­re klei­ne Geschich­te. Unse­re Klei­nen wer­den auch ohne Holo­caust­les­sons hübsch belehrt – auf daß sie hübsch klein blei­ben mögen.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.