Das war’s. Diesmal mit schwarzen Köpfchen, Ziegenmilcheis und neuem Adel

22.Mai 2016 -- Das Eigene und das Fremde: Wir sind ja bestenfalls Möchtegernselbstversorger.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Wir bes­sern uns. Die (meis­ten) Kin­der waren heil­froh, als im März der letz­te Kür­bis über den Tisch gegan­gen war. Die Kar­tof­fel- und Rote Bee­te-Vor­rä­te hin­ge­gen waren für alle Geschmä­cker zu früh erschöpft.

Heu­te vor­jäh­ri­ge Schwarz­wur­zeln geer­net, Blät­ter erge­ben einen guten Salat. Äpfel, unser Lieb­lings­nah­rungs­mit­tel (allein in Form von Apfel­chips sind die­sen Win­ter Ton­nen ver­tilgt wor­den), sind eben gera­de zur Nei­ge gegan­gen, sieht man von Apfel­saft und ‑wein ab. Der letz­te Kirsch­ku­chen aus eige­nen Kir­schen wur­de im Café Schnell­ro­da vertilgt.

Die Zie­gen sind gera­de hoch­pro­duk­tiv, kein Gericht ohne in Mol­ke gekoch­tem Gemü­se, ohne Über­ba­cke­nes, selbst But­ter muß seit Wochen nicht mehr ein­ge­kauft wer­den. Nun Zie­gen­milch­eis. Hat kein Haut­gout, die Tie­re ste­hen sehr sau­ber. Die Bren­nes­sel­schwem­me hab ich lan­ge (nach ers­ten, mäßig schme­cken­den Ver­su­chen vor zig Jah­ren) igno­riert. Ein Leser (Gram­bau­er) hat uns nun einen ein­zig­ar­ti­gen Zer­klei­ne­rer geschenkt: Nun kommt die Bren­nes­sel täg­lich auf den Tisch. Dau­men hoch, sogar nah­rungs­in­dus­tri­ell ver­wöhn­te Gäs­te sind begeistert.

Dann aber doch immer wie­der die Lust auf das Exo­ti­sche. Kiwi, Man­go, Pfir­sich, selbst an son­nigs­ten Stel­len: Ver­su­che abge­bro­chen. Zweck­los hier auf der Quer­fur­ter Plat­te, wo es stets zwei Grad weni­ger hat als im nahen Umland. Alles hat sei­nen Platz. Und jeder! Die Arti­scho­cken vom Vor­jahr hin­ge­gen schau­en ganz gut aus. Auch der Fei­gen­baum ent­wi­ckelt sich erfreu­lich. Logisch ist: Wenn es über­haupt was wird, wer­den es klei­ne Frücht­chen sein, unter­ent­wi­ckelt, Mit­leids­ern­ten. Zeig­te sich schon bei der Papri­ka, seit Jah­ren. Es gibt schlicht­weg einen Ort, Wur­zeln zu schla­gen, und einen Nicht-Ort. Man nennt letz­te­ren: Uto­pie. Mal abwar­ten. Wir sind kei­ne völ­ki­schen Gärt­ner. Die Empi­rie zählt.

– – – – –

23. Mai 2016 – Ach ja, der gute alte Kul­tur­pes­si­mis­mus ist unschlag­bar. Nichts wird bes­ser. Mein ers­ter Eltern­abend liegt 14 Jah­re zurück. Damals dach­te ich vor der Ver­an­stal­tung, ich wür­de sicher die jüngs­te Mut­ter im Raum sein. Ich war damals erst ein paar Tage in Sach­sen-Anhalt. In mei­nen hei­mat­li­chen Krei­sen in Offen­bach gab es nie­man­den, der mit 22 ein Kind bekom­men hät­te. Hier nun war es völ­lig nor­mal. 14 Jah­re spä­ter bin ich logisch eine der Ältes­ten. (Dies nur als Randbeobachtung.)

Vor vier­zehn Jah­ren gab es noch Hei­mat­kun­de (damals schon ein merk­wür­dig alter­tüm­li­cher Begriff), längst heißt es SaU, Sach­un­ter­richt. Zudem ein ganz groß­ar­ti­ges Fach namens „Geschick­te Hän­de“ mit Hand­ar­beits­tä­tig­kei­ten. Tem­pi passati.

Über­haupt hat sich alles ver­än­dert, und nichts zum Guten. Mir fällt es sehr schwer, den hoch­eu­pho­ri­schen Über­schwang der die aktu­el­len Sach­la­gen anprei­sen­den Leh­re­rin­nen zu tei­len. Ganz indi­vi­du­ell… jedes Kind da abho­len, wo es steht … Team­work, Net­wor­king… neu­es­te wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se usw. usf. Begeis­tert wird erklärt, war­um in den ers­ten bei­den Jah­ren auf Noten („die­sen Wahn­sinn“) ganz ver­zich­tet wird und war­um an deren Stel­le nun ein viel­sei­ti­ges Kom­pe­tenz­port­fo­lio getre­ten ist.

Bei­spiel: In wel­chem Maße das super­in­di­vi­du­el­le Kind gezeigt habe, daß es eige­ne „Recht­schreib­stra­te­gien“ ent­wi­ckelt habe, wer­de nun mit­tels eines Krei­ses ange­zeigt. Ist er ganz schwarz (Leh­re­rin: „der aus­ge­füll­te Kreis bedeu­tet, das Köpf­chen ist voll!“), dann ist das Kind ein Spit­zen­stra­te­ge in Sachen Recht­schrei­bung. Ist Kreis/“Köpfchen“ drei­vier­tel­voll, dann ist es ein guter Stra­te­ge. Ist es nur zu einem vier­tel voll/schwarz, dann brau­che es noch ein biß­chen sei­ne Zeit. Klar.

Über­reicht wird fer­ner eine pral­le Map­pe vol­ler nütz­li­cher Infor­ma­tio­nen. Wie man sich rich­tig, sinn­voll und hygie­nisch die Hän­de wäscht. Und wann: N a c h dem Toi­let­ten­gang, v o r dem Essen. Und ein Blätt­chen zu siche­rer Klei­dung. Ich hat­te nicht gewußt, daß sich bereits seit 15 Jah­ren Her­stel­ler und Händ­ler von Kin­der­klei­dung „dar­auf geei­nigt“ haben, auf Kor­deln in Kin­der­klei­dung zu ver­zich­ten, weil man sich dar­an erhän­gen könnte.

Daß es mir lebens­prak­tisch nicht auf­ge­fal­len ist, liegt sicher an unse­rer Vor­lie­be fürs soge­nann­te Auf­tra­gen. (Es ist mir eine schwer zu ver­mit­teln­de Genug­tu­ung, ein- und die­sel­be Latz­ho­se seit andert­halb Jahr­zehn­ten zum Anzie­hen her­aus­zu­le­gen!) Nun lese ich, daß man als Second-hand-Lieb­ha­ber mit Kor­deln so ver­fah­ren soll: „Sor­gen Sie für eine Soll­reiß­stel­le. Ent­fer­nen Sie hier­für die Kor­del aus dem Klei­dungs­stück und schnei­den sie die­se in der Mit­te durch. Dann nähen Sie das Band mit ein bis zwei Sti­chen wider zusam­men. So kann die Kor­del unter Belas­tung an die­ser Stel­le durch­rei­ßen.“ Lieb gemeint, aber: Den Teu­fel wer­de ich tun. Schnür­sen­kel sind auch pas­sé. „Klett­ver­schlüs­se sind die bes­se­re Alternative.“

– – – – –

24. Mai 2016 – Unser Lokal­ko­lo­rit will, daß die Arzt­hel­fe­rin nicht sagt: „Heben Sie mal den Arm“, son­dern: „Jetzt hebt sie bit­te mal den Arm. “ Oder der Amts­wal­ter: „Hat sie auch ein Paß­pho­to?“ Find ich schön. Sit­ze bei offe­nem Fens­ter am Schreib­tisch. Drau­ßen ist die Haus­wand ein­ge­rüs­tet. Unser Lieb­lings­hand­wer­ker hat wie so oft zum Hel­fen sei­ne Frau mit­ge­bracht. Schon das hat für mich Begeis­te­rungs­po­ten­ti­al, wie die schö­ne Blon­de auf dem Gerüst turnt, Stei­ne schleppt und anpackt wie ein Mann. Typisch Osten, daß dahin­ter kei­ne Gen­der­of­fen­si­ve steht. Man tut, was halt zu tun ist. Frau auch.

Ich ste­he auf, um das Fens­ter zu schlie­ßen, weil es gleich sehr stau­big wer­den wird. Letz­ter gehör­ter Wort­fet­zen (Mann will was hoch­rei­chen, Frau braucht noch ein paar Sekun­den, um zur Stel­le zu sein): „War­te er, war­te er nur kurz noch!“
Neu­en adel den ihr suchet// führt nicht her von schild und krone…

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (41)

Carsten

24. Mai 2016 09:25

Der neue Adel in Deutschland sind die Linken: Sie produzieren nichts, leben vom arbeitenden Volk über das sie dünkelhaft die Nase rümpfen und setzen sich nach Belieben über die Gesetze hinweg. Und lassen sich von Hofberichterstattern huldigen.

Tipp für Eltern von Grundschulkindern: Auf keinen Fall der Lehrmethode "Schreiben nach Gehör" mit der sog. "Anlauttabelle" vertrauen!! Unbedingt gegen den ausdrücklichen Rat der Lehrer ständig zuhause üben und Fehler konsequent korrigieren! Ganz wichtig, ansonsten ist Ihr Kind am Ende der 4. Klasse Legastheniker!

Gonzague de Reynold

24. Mai 2016 11:20

Liebe Frau Kositza

Ich bin ja so oder so bekennender Anhänger Ihrer Kolumne. Aber hier muss ich jetzt doch mal explizit ein Extrakränzchen winden: selten sowas Aufbauendes und gleichzeitig derart Widerständiges gelesen. Allein das beschriebene Erzen treibt mir ja fast schon die Tränen in die Augen ...

Und dazu:

Lieb gemeint, aber: Den Teufel werde ich tun. Schnürsenkel sind auch passé. „Klettverschlüsse sind die bessere Alternative.“

Am liebsten möchte man dem Schreyberling ja ein gepflegtes "me ne frego" entgegenrufen, belässt es dann aber doch beim (s. auch -> helvetisches Lokalkolorit) ; "am Arsch isch Finschter" ...

Ein Fremder aus Elea

24. Mai 2016 11:27

Versuchen Sie's mal mit Kiwibeeren (Aktinidien) anstelle von Kiwis; sollte problemlos klappen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Actinidia_kolomikta
(Amurregion)

https://de.wikipedia.org/wiki/Scharfz%C3%A4hniger_Strahlengriffel
(Japan)

Ich werde mir demnächst noch Pfirsiche und Aprikosen zulegen, gibt durchaus Sorten, die auch -26°C aushalten, wie's hier immer wieder mal vorkommt.

Ich habe bisher Eiben für Eibenbeeren, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kriechen, Süßkirschen, Sauerkirschen, Walnüsse, Butternüsse, Kornelkirschen, Kulturebereschen (granatnaja), Haselnüsse, Aktinidien (kolomikta), Blaue Heckenkirschen, Zirben für Zirbelnüsse und noch dies und das.

Arminius Arndt

24. Mai 2016 12:21

Ja, Kiwibeeren müssten klappen. Unser Busch in Garten ist jedenfalls durch nichts tot zu kriegen (fast schon Unkraut) und hängt jeden Herbst übervoll. Der Geschmack ist aber doch schon anders, als bei den großen Kiwis und intensiver/strenger (geht auch mehr in Richtung Stachelbeere). Man mag es, oder nicht. Nicht zu früh ernten, sondern sehr lange hängen lassen, damit sie gut ausreifen können (seltsamerweise habe ich da noch nie einen Vogel oder ähnliches daran naschen sehen - es gibt so gut wie keine Verluste dadurch).

Rosenkranz

24. Mai 2016 12:49

Herrlich, Ihr Artikel Frau Kositza.

Pfirsich sollte bei Ihnen eigentlich auch wachsen und tragen. Mein Cousin wohnt nähe Delitzsch und hat gute Ergebnisse.

Sepp Holzer baut die Kiwi sogar auf der Höhe an. Er hat glaube ich eine Sibirische Kiwi. Es hilft immer die wärmebedürftigen Bäume in der Nähe zu einer Wand oder von großen Felsbrocken zu positionieren. Stein ist ein Wärmespeicher und das mag die Pflanze gern.

Mein kleiner Pfirsichbaum steht in einem Folientunnel der Firma Poppen. Daneben 4 Indianerbananen eines Mitgärtners, die nun zum ersten Mal Früchte entwickeln. Unterstützt werden die Bäumchen von einer Sibirischen Erbse als Stickstoffspender.

Mein persönlicher Knaller ist aber die Physalis oder auch Andenbeere genannt. Im Januar muß man leider schon damit beginnen, sie im Hause auszusäen, aber die Ernte entschädigt. Im Freiland hatte ich dann schon gute Ergebnisse, aber im Folientunnel war die Ernte extrem gut. Die Samen kamen von Dreschflegel. Pflanze verträgt keinen Frost. Der Geschmack - herrlich, viel besser als gekauft.

Stefanie

24. Mai 2016 14:15

Ein kleiner Ratschlag zur Paprika:
Falls Sie im Freiland gärtnern, empfehle ich Ihnen, sich an die ungarischen Sorten zu halten; auch Peperoni sind weniger Wärmebedürftig. Im Foliezelt sollten sie auch bei anderen Sorten gute Ergebnisse erzielen (sagt Ihnen eine Vogtländerin). Bei Paprika sollte man die allerertse Blüte (Königsblüte) herausbrechen, da die erste Frucht sonst dem vegetativen Wachstum zuviel Kraft raubt. Auch die ersten zwei, drei Früchte sollten noch sehr jung und grün geerntet werden. Falls sie die Pflanzen selberziehen: nicht zu früh aussäen (Anfang März reicht) und dafür wärmer kultivieren - die Pflanzen sind dann "weicher" - wüchsiger. Und sparen Sie nicht am Ziegenmist: schöne dunkelgrüne Pflanzen (Stickstoff) kriegen weniger Blattläuse. Die Ratschläge stammen von einem alten Donauschwaben, der hier an einen Südhang sogar Wein anbaute (den er aber reichlich aufzuckerte).
Beim Obst könnten sie eventuell Spaliere an eine Hauswand oder Mauer probieren.
Das mit dem Erhängen an Kordeln oder Schnürsenkeln; da ist doch hoffentlich aus Versehen gemeint - oder sind die Zustände inzwischen schon so schlimm?

Ein gebürtiger Hesse

24. Mai 2016 14:56

Ein "neuer Adel", der klammheimlich zwischen den Zeilen zum Ausdruck kommt, und sei es in einer Anrede, die noch nicht als unmodern empfunden und entsprechend selbstzensiert wird - das ist ein Stück Strandgut des Alltags, ein Kleinod, das das Leben lebenswert macht. Schön, daß EK den Blick - ihren und unseren - darauf richtet.

In der Zukunft wird sich allerdings vielleicht vermehrt die Frage stellen, inwiefern gewisse Fomen "neuen Adels" bewußt von unserer Seite gestaltet und dynamisiert werden können. Ich denke da etwa an die neue Wertschätzung des Siezens bei Jean Raspail (in dessen Aufsatz "Die Tyrannei des Duzens" im kaplaken-Band "Der letzte Franzose"). Dergleichen bräuchte es noch mehr - Anweisungen für "weltverschönerndes Verhalten", klug ausgeführt und zur Anwendung empfohlen. Ja, vielleicht ist es irgendwann Zeit für einen "Neurechten Knigge" ...

jacky

24. Mai 2016 15:32

Es ist zum neidisch werden. Aber meine grenzenlose Bewunderung ist Ihnen, liebe Frau Kositza, sicher.
Warum habe ich in meinem Garten Bäume, nur unzählige, gegenwärtig wunderschön blühende, vier Meter hohe Rhododendren, Wasserlilien, Akelei, tränendes Herz und derlei Gewächse und kein Gemüse.
Keine wunderbaren weissen Ziegen, nur einen Teich mit überflüssigen Goldfischen.
Aber alles nur mit Hornspänen gedüngt, und so hunderte von Vögeln, sogar ein Grünspecht, der minutenlang auf dem Gänseblümchen- und Löwenzahnüberzogenen Gras Löcher in den Boden pickt.
Für einen Nutzgarten bin ich ein grauenvoller Laie.
Man lernt ja niemals aus, vielleicht kommt es ja noch, genährt von meinem Ärger, dass man aus keiner Hybridpflanze Samen gewinnen kann.

niekisch

24. Mai 2016 15:49

"Neuen adel den ihr suchet// führt nicht her von schild und krone!"

..Aller stufen halter tragen
Gleich den feilen blick der sinne
Gleich den rohen blick der spähe..
Stammlos wachsen im gewühle
Seltne sprossen eignen ranges
Und ihr kennt die mitgeburten
An der augen wahrer glut.

(nicht jedoch des listigen Glänzens)

Monika

24. Mai 2016 16:17

LIebe Frau Kositza,

das mit den Kordeln hat schon seine Bewandtnis. Als meine Kinder klein waren, geschah dieser traurige Fall:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/nach-justins-tod-kapuzen-mit-kordeln-fliegen-aus-dem-sortiment/226080.html

Ich habe damals die Kordeln aus den Jacken meiner Kinder gezogen.
Kositza: Ja, klar, ist schon recht! Wir selbst sind da wohl eher barbarisch, unsere Kinder radeln sogar ohne Helm. Und Impfschlamper sind wir eh.

Gustav Grambauer

24. Mai 2016 16:51

Eigentlich wäre bei uns wie in jedem Jahr eine Frühlingskur dran gewesen, aber wir haben über den Winter unsere Ernährung auf erz-rassistischer Basis umgestellt: leben jetzt weitgehend ohne Tropisierung, was vor allem die Kartoffel und die Tomate einschließt, Mais sowieso, ebenso tropische Gewürze und selbstverständlich Kaffee, Schwarztee und Kakao. (Naja, meine Frau hat gerade bei Letzteren, neudeutsch ausgedrückt, "noch Potential" ...)

Selbst Reis empfinden wir inzwischen als hierzulande unstimmig, abgesehen davon daß er unserer Gerste gegenübersteht wie Sand den Diamanten. Die Sonnenkräfte sind in unserer Nahrung in der Erde metamorphosiert, deshalb gibt es vermehrt Irdisches wie Sellerie, Randen (Rote Bete) und Rettich. Der Jahreskreislauf wird berücksichtigt, und wir staunen über dessen diskrete ernährungsphysiologische Weisheit weit jenseits der Massenverdummung mit "wissenschaftlichen Studien". Auch staunen wir, daß die elementare Qualität der Nahrung noch die übelste Gewinnung und Zubereitungsart kompensiert - haben lange gebraucht, um uns dessen in der Wirkung sicher zu sein: immer noch besser UHT-Milch von durchgeimpften, hormongetrimmten Kühen als selbstgemachte Soja-Getränke von "glücklichen Soja-Bohnen".

Nie vorher, nicht mal nach ausgiebigen Fastenkuren, hatte ich einen so angenehm-warm durchglühten Kopf mit fast heißen Ohren, ein solches Gefühl der geistigen Klarheit und einen so guten Schlaf. Über 2-Liter-Trinker, Kalorienzähler, Vitaminjäger, Omega-Fettsäuren-Pfiffikusse, Schokoladen-Tryptophan-Erklärer, Rapsöl-Gourmands

https://www.thausing-naturkost.at/data/download/download_1/14_Rapsoelkampane.pdf

, Rohkost-Päpste, Säure-Basen-Experten und Darmspüler mit ihren jeweils kurzlebigen Theorien lache ich nur noch: es sind für mich - falls nicht sogar Gauner - nur noch Mechaniker, die sich nicht über eine Vorstellungsart in den Kategorien eines LEGO-Kinderbaukastens hinaus hin zu einem organischen Denken aufschwingen wollen.

- G. G.
Kositza: Njaa..., ich kenne diese Anwandlungen durchaus. Meinen ersten Säugling hatte ich mit pürierten Brennesseln und Melde etc. traktiert, Hauptsache heimisch und aus dem allerngsten Umkreis. Oder: nach einem Japan-Aufenthalt war ich geradezu süchtig nach Algen. Ich nahm heimische. Mittlerweile bin ich (Achtung: Orthorexie!) deutlich entspannter.

Andreas Walter

24. Mai 2016 17:12

"Es gibt schlichtweg einen Ort, Wurzeln zu schlagen, und einen Nicht-Ort. Man nennt letzteren: Utopie."

Für eine Paprika mag das so gelten und für das Himmelreich auf Erden auch.

Wurzeln haben, Wurzeln schlagen, ja, schlagen wollen, notfalls, manche aber auch mit Lust und List, warum denn nicht, auch mit Gewalt. Der territoriale Anspruch, den, den hat doch darum selbst der Baum. Terri-torial, vormals auch Erdenkreis genannt, und ist zu Lebzeit jeder Mensch damit verband.

"Dieser Erdenkreis gewährt noch Raum zu großen Taten." So soll es sein.

Exportnation, keine Energie, keine Rohstoffe, nur darum wird doch alles importiert und dann veredelt. Edel und auch gross darum der deutsche Geist. Wenn er denn einen hat, und nicht auf ewig bleibt verkümmert Lichtgestalt.

Befreien kann jedoch nur jeder selbst sich aus der Dunkelheit, sich seiner Scham entledigen und der Befangenheit, auch nur ein Mensch zu sein mit all dem Tor und Leid, zum Glück vergänglich und schon darum nicht auf Ewigkeit.

Martino Taverniere

24. Mai 2016 18:08

Liebe Ellen Kositza,

darf ich erfahren, worum es sich bei dem Brennesselzerkleinerer handelt? Ist das ein speziell für Brennessel konzipiertes Gerät?

Beste Grüße!

MT
Kositza: Jedenfalls heißt das Ding bzw. der Hersteller Lurch. Und ist halt um einiges größer als die Dinger, die man normalerweise für den kleinen Haushalt zu kaufen kriegt.

Axel

24. Mai 2016 20:02

Liebe Frau Kositza,
schöner Beitrag. Ja, im "Osten" gibt es vielleicht noch mehr Bodenständigkeit. Kürzlich ging bei einer Schaffnerin in einem Brandenburger Regionalzug die Fahrkartenausgabemaschine nicht. Ihr Kommentar: "Damit Ihr nicht denkt, die Olle hat keine Lust, ich komme trotzdem mal rum nach dem Rechten sehen.
Beste Grüße aus Bremen!

Urwinkel

24. Mai 2016 20:42

Hier gibts nur Junkfood (Schnelllessen). Aus Büchsen und PVC-Verpackungen. Klingt traurig, ist aber so. Wie sagte Kosi letztens zu den "Alten Negern"? Genau: Sie hätte keinen "grünen Daumen". Das glaube ich ihr sogar. Das mit der Mangoldpizza wurde hier nachgebacken, geht auch mit Spinat oder Brennesseln. Schmeckt genauso und hat fast Null Nährert. Gartenarbeit ist für mich so etwas wie "Ausarbeiten". In Form bleiben. Es gibt immer was zu tun. Hektik und Hysterie sind dabei vorogrammiert. Was springt raus dabei? Kartoffeln, Tomaten, Gewürze, für einen Ein-Mann Haushalt.

Magnus Göller

24. Mai 2016 21:51

Ich hatte einige Obst- und Gemüsegärten im etwas wärmeren Süddeutschland. Da habe ich auch eifrig experimentiert.
Mit einer guten Standortwahl - ein paar Meter Mikroklima können die Welt bedeuten - kann man zweifellos viel erreichen. Im Laufe der Jahre kam ich aber immer mehr davon ab, z.B. auch noch Freilandpaprika und -auberginen ziehen zu wollen, allzuoft wird das nichts.
Pfirsich und Aprikose sind außer in den deutlich wärmeren Gegenden Deutschlands immer grenzwertig; mag sein, dass es inzwischen besonders frostharte Sorten gibt. Das heißt aber nur, dass die Bäume überleben und einigermaßen wachsen, was einen anständigen Ertrag anlangt, habe ich so meine Zweifel.
Apfel, Birne, Kirsche, Zwetschge, die gehen praktisch überall, wo der Boden dafür taugt; sorgt man für wirklich geeignete Sorten vom guten Gärtner, so hat man damit fast jedes Jahr nicht nur die Arbeit; auch die mögen den Ziegenmist gern; die Jungbäume im Ziegengehege wuchsen wie der Teufel.
Sowieso ist der Ziegenmist ein idealer Mist. Beim Pflanzen setzen (natürlich bei Magerliebhabern entsprechend niedriger dosiert, Ziegenmist mit Sand und Stroh und dem vorgefundenen Mutterboden mischen, an den sich die Pflanze so schon gewöhnt, mächtig andrücken (mit den Stiefeln mittendrein) und angießen, so braucht man kein Substrat, und das Rundherumaustrocknen im Sommer kommt nicht vor, das Wurzelwerk wächst dann gerne in den Mutterboden. In den ersten zwei bis drei Jahren noch aufpassen, dann nur noch schneiden und ernten. (Aufpassen aber mit den Ziegen, schnell fressen die einen Jungbaum ab, reißen ganze Äste herunter, bis dass der Baum ein schwerer Krüppel.)
Für Tomaten kenne ich - gerade für kühlere Gebiete - eine Spezialmethode, die zwei Jahre fantastisch funktionierte. Einfach ein feines Maschendrahtgitter im Kreis aufgestellt, bis vielleicht 150 cm Höhe, 60 cm bis einen Meter Durchmesser, drumherum die Pflanzlöcher zur rechten Zeit (15 bis 20 Zentimeter Abstand reichen), und dann kommt in die Mitte einfach immer geeigneter Grünabfall aus der Küche und von sonstwo, und man gießt bei Trockenheit einfach täglich ein paar Kannen in die Mitte, kann die Pflanzen praktischerweise rundherum anbinden, das steht bald wie ein grüner und dann auch viel roter Fels, die Pflanzen ziehen sich konsequent ihre Nährstoffe, prall und praller die Tomaten, mit phantastischem Geschmack, eine Menge davon bei wenig Aufwand. (Ja, ausgeizen muss man auch.)
Noch etwas zu den Pflanzlöchern. Die Leute machen oft viel zu große Pflanzlöcher, meinen, das täte dem Anwachsen gut. Dann auch noch mit Masse Substrat (der Gärtner will ja auch was verkaufen), so dass die Pflanze später, nur durch dieses lockere Reich gewachsen (wenn nicht schon die oben erwähnte Rundumtrocknis die Folge war), am Übergang zum (schweren) Mutterboden scheitert oder wenigstens zwei bis drei Jahre zurückfällt. Immer, bei allen Bäumen und Sträuchern, vom Mutterboden gleich mit ins Loch. Immer.
Johannis- und Jostabeere sind auch sehr unproblematisch. Wie auch die Stachelbeere. Bei den Bäumen darf man auch ruhig wieder an die Mirabelle und die Reneklode denken.
Generell kann man auch heute noch sagen, dass in unseren Breiten Sortenwunder nach dem Motto ganz arg früh und dann auch noch viel eher nicht halten, was sie versprechen. Lieber vier Wochen länger auf Apfel und Birne warten, dann halten die köstlichen Boskoop oder Cox auch über den Winter, und der Birnenmost aus vollreifen gelben Mostbirnen wird zur Köstlichkeit geraten.
Aber, man kann ja frühe und späte Sorten haben, wenn der Platz reicht, der Standort geeignet.
Noch, abschließend, zur Ziegenmilch. Einen Tag lang riecht die praktisch gar nicht nach Bock. Dann fängt es langsam an. Eis also frisch bereiten.
Außer unserem Käse war das köstlichste Ziegenmilchprodukt der Knoblauch-Olivenöl-Joghurt (vulgo: Original Tsatziki), denkbar einfach herzustellen.
Einfach das Weckglas mit frischer Milch (im Hochsommer, dort etwa 18 Grad) vor den Keller, einen Löffel normalen Kuhjoghurt da rein, und etwa 36 Stunden später ist DER Joghurt fertig, zu gegrilltem Fleisch und Gemüse durch nichts zu übertreffen.

Fredy

24. Mai 2016 22:06

Fehlen noch Berichte der Kommentierenden, wie man sich den Kittel aus den Fellen der eigens gehaltenen Karnickel selbst zusammenflickt, die Strümpfe selbst strickt, sich selbst vor den Pflug spannt oder mit dem Faustkeil auf Jagd geht und große Beute macht. Sicher, etwas weniger von allem kann mehr sein, und das regionale sollte mehr Bedeutung haben als das Ferne. Aber zu dogmatisch oder mit missionarischem Eifer sollte man nicht rangehen. Es gibt immer jemand, der es noch "richtiger" macht, und sicher weiß, dass er sich gerade jetzt und nur so am besten fühlt. Sicher doch. So gehts jedem religiösen Menschen.

Leben und Vielfalt macht Freude, gerade bei Lebensmitteln. Muß aber nicht alles zu jeder Zeit und nicht im Übermaß sein.

Übrigens: Gerade Deutsche haben schon in jedem Winkel dieser Welt Wurzeln geschlagen. Und Frucht hinterlassen. Seltsam.

Brandenburger

24. Mai 2016 22:26

Liebe Frau Kositza,

die Anrede "er" bzw. "sie" bereitet mir seit Jahren Kopfzerbrechen.
Auch bei uns im Brandenburgischen findet sich noch der ein oder andere, der diese Anrede pflegt, allerdings meist aus einem Unbehagen heraus, das "Sie" oder das "Du" zu nutzen; das eine wird als zu förmlich und das andere als unangebracht betrachtet. Nun schreibt aber Joachim Fernau ("Sprechen wir über Preussen", Taschenbuchausgabe Ullstein, Seite 111): "Der König antwortete ebenfalls mit einem Brief. Er redete den Sohn mit "er" an, wie man es damals mit der niedrigsten Schicht des Volkes tat."
Bei mir klingt daher jedes Mal, wenn diese Anrede verwendet wird, dieses kleine Glöcklein im Hintergrund und gibt dem Gespräch sofort eine besondere Note, die ich allerdings nicht als schön bezeichnen würde. Ich bevorzuge das "Sie".

Mit herzlichen Grüßen
B

Unke

25. Mai 2016 00:20

Bitte nicht die Ossi vs. Wessi- Karte ausspielen. "Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich", der Wessi ist ja auch nur Teil des Räderwerks.
Heute übrigens in einem Büro gesessen mit Blick auf die A661 (aufgeständert über den Kaiserlei), Oberrad und den (Frankfurter) Stadtwald bis hinüber zum Goetheturm (der kann übrigens endlich wieder bestiegen werden!).
Geile Aussicht.
Die Mitinsassen im Büro: 1 Schweizer (Deutschschweiz), 1 Schweizer (aus Lausanne, Freundin in Paris), 1 Schotte, 1 Pole (wohnhaft in der Schweiz; achtet peinlich genau darauf, dass er sich weniger als 180 Tage in D aufhält), und 1 Belgier (Wallone).
Durchaus lustige Truppe. Über unser Steuer- und Abgabenregime... naja, wie ich immer sage: "bei uns in Deutschland sind Steuern und Abgaben vergleichsweise hoch. Dafür sind die Löhne niedrig!"

Raskolnikow

25. Mai 2016 07:37

Ohne,

die ertragreiche Landlust-Stimmung hier im völkischen Eden stören zu wollen, muß ich Euch die Entdeckung gestehen, daß mir der Produktionsschleim aus den Wurstverpackungen (z.B. "Eberswalder") außerordentlich mundet. Müsst Ihr mal probieren! Ich selbst bin darob am meisten entsetzt. Allein, was soll's? Und ...

Wer keine Umweltgifte, gespritzte Früchte oder Ersatznahrungsmittel (herrlich: "käseähnliches Produkt") verträgt, soll beiseite treten. Der Weg nach Arkadien führt über Discountertrümmer und durch rauchende Metropolen ...

Und mein Feldzug gegen die Kleingärtner ist auch noch nicht abgeblasen. Wenn ich meine Räuberbande zusammen habe, geht es los. Fühlt Euch nicht zu sicher in Euren Hollywood-Schaukeln!

Ich lasse meinen Garten derweil verwildern.

Kommt also in den totgesagten Garten und kostet, was uns am besten schmeckt: EPA, Hartkeks, Kaffeepulver ...

In Liebe,

R.

Baermann

25. Mai 2016 08:14

@Brandenburger

Auf der Höflichkeitsskala vom Du zum Er zum Ihr zum Sie haben es die Deutschen immerhin geschafft sich in der Mehrzahl (Sie) anzureden, während zum Beispiel der Engländer bei Ihr (you) stehengeblieben ist.
Für Du kann man jemanden bekanntlich wegen Beleidigung verklagen (wird nur bei Beamten staatlich verfolgt). Inwiefern Er strafrechtlich relevant ist, ist mir nicht bekannt.

Rumpelstilzchen

25. Mai 2016 09:10

@Fredy

Huhu, heute hat mir Euer Beitrag am besten gefallen. Ich mußte laut lachen.
Ging mir schon als Kind so.
Immer wenn es in der Kirche am feierlichsten wurde und ich zu den Mädels neben mir blickte, mußten wir laut losprusten.
Mir fehlt der nötige Ernst für das Thema Selbstversorger außerhalb von Notzeiten.
Und der "Agrar-Rebell" Sepp Holzer soll ein autoritäer, ziemlich humorloser Zeitgenosse sein.
Hat mir mein veganer Neffe erzählt, der es mit der Permakultur hat.
Der hat mir von der Saatgutbörse einer linsgrünen WG in Tübingen mal ukrainisches Tomatensaatgut mitgebracht: rasse-, äh artenrein.
Nix Hybrid. Die dickste Tomate wog 640 Gramm. Da wurde es mir etwas unheimlich. Ob das noch was mit Tschernobyl zu tun hat ?

Brennessel-Smoothie mag ich überhaupt nicht. Ich esse die Brennessel lieber als Blatt oder als Brennesselsorbet. Garniert mit dem Hauch eines Blattes blauer Eisenhut ( Vorsicht !!!)
Nimm er sich in acht vor blauem Eisenhut:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/ein-bestimmbuch-heimischer-giftpflanzen-14211900/wenige-milligramm-seines-gifts-14214403.html

Und Ziegenmilcheis ? Dann lieber ein Brennesselsorbet !

Schopi

25. Mai 2016 09:38

E. Kositza: ...Wir selbst sind da wohl eher barbarisch, unsere Kinder radeln sogar ohne Helm. Und Impfschlamper sind wir eh....

Nun, da muß ich einmal dagegenhalten.

Kositza: Nein, müssen Sie gar nicht! Sie machen das alles sehr klug & vernünftig. Habe gar kein Problem mit Leuten ohne Kordeln, mit Helm & Impfung, im Ernst nicht.

Als Rennradfahrer, zwar weniger ängstlich bezogen auf die Nagrungsaufnahme als gewisse Biofanatiker, dafür aber fast nie ohne Helm. Fahren Sie einmal mit ihrem Rad, falls Sie eins haben, mit 65-70 km/h bergab und Sie werden intuitiv erahnen, wozu so ein lächerlicher Helm gut sein kann.

Die Nichtgeimpften sind die größten Nutznießer von Masssenimpfungen, die gefährliche Infektionskrankheiten in Schach halten.

Hartwig aus LG8

25. Mai 2016 11:05

Raskolnikow, Sie retten mir den Tag. Ich war schon wegen der vielen Bekenntnisse zur Brennnesselverwerterei von ansonsten hochgeschätzen Kommentatoren (Beispiel Grambauer) ganz am Boden. Fühlte mich schon elend ob meines morgendlichen Fruchtquarkerzeugnisses aus dem Plastikbecher und meines soeben verzehrten wurm- und fleckfreien EU-Standard-Apfels. Und mein Steak "vom deutschen Jungbullen" am heutigen Abend war mir ebenfalls vergällt - die Imagination von Ziegeneis auf der Zunge.

Falk K.

25. Mai 2016 13:18

Herrlich!

Da muss ich mich auch als Gärtner outen, als sogenannter urban gardener in Töpfen und Kübeln hoch oben auf Flachdach & Terrasse. Herr R. und seine Räuberbande werden daran vorbeistürmen, ohne den Garten überhaupt zu bemerken. Auch leite ich gerne junge, unbedarfte Städter dazu an, gerade heute 20 Physalis-Pflänzchen an Kollegen verteilt. Die, die sich darauf einlassen, finden früher oder später die gleiche Befriedigung dabei wie ich.

Gärtnern erdet einen, im wahrsten Sinn des Wortes, es entschleunigt und schafft Abstand zu Stress und Boshaftigkeit des Lebens. Wenn ich meine Tomaten ausgeize ist das ZEN! Und zur Erntezeit kommt immer genug dabei rum, dass man es sogar im Geldbeutel spürt. Ohne wäre ich unglücklich.

Tomaten, Paprika, Chilis, Physalis, Rote Bete, Kartoffeln, Süßkartoffeln, geht alles – auf dem Dach.

@Rumpelstilzchen: Tomaten mit 600g liefert die selbst in Frankreich entwendete couer de bouef-Saat immer wieder, aus dem Blumentopf, wohlbemerkt.

Der grüne Daumen wünscht einen besinnlichen Feiertag!

Stil-Blüte

25. Mai 2016 13:59

Danke, Ellen Kositza, daß Sie uns so beeindruckende Einnblicke in Ihr nächstes und liebstes Um-Feld gewähren.

Mit den Pflanzungen bzw. Züchtungen halte ich es am liebsten so, daß mir die lebenslänglichen Begleiter die buchstäblich ertragreichsten, dankbarsten sind. Man kann an ihnen so schön Geburt - Er-Ziehen - Ernten, Hegen & Pflegen bis hin zum Altwerden und Absterben miterleben. Am besten eignen sich dafür die einheimischen, relativ anspruchslosen Beerensträucher, da bevorzugt gelbe, rote, schwarze Johannisbeere. Ein jedes Ihrer Kinder könnte dann die Patenschaft (mit Namensgebung) eines Strauches übernehmen - mit allem, was dazu gehört bis zum Zubereiten und Auftischen besonderer Nachtische. Und die schwarze Johannisbeere gebärdet sich gerne wildromantisch (schon dieser herbe Geruch der Blätter!) und gebiert neue Sprößlinge. Wie sie allerdings Ihre Ziegen und Zicklein vom Abknabbern abhalten, vermag ich nicht zu sagen.
Eine Brombeere ist sehr gut als Schutz am hintersten Ende des Grundstückes geeignet, gebär(de) sich aber ziemlich räuberisch, dorthin wo man sie nicht haben möchte. Haben Sie Haselnußsträucher? Magisch-urgermanisch und Notration für Mensch und Tier.

'Heimatkunde' Kenne ich auch noch. In den ersten Jahren hießen die Fächer das, was sie wirklich waren: Schreiben, Lesen, Rechnen, Singen, Handarbeit (Mädchen) Werken (Jungen), Turnen. Apropos 'Turnen': Sagt heute niemand mehr. Die meisten Frauen gehen zu 'Pilates'. Dachte ich erst an Pilatus, später an eine Methode, habe ich jetzt herausbekommen, daß Pilates eigentlich so ein Turnvater Jahn war, der nach Amerika emigriert ist und dort eigentlich solche hand(und bein)festen Übungen gemacht hat, wie ich sie noch aus Zeiten kenne, als das sich body-buildingnoch Körperkultur und Sport (auch Körperertüchtigung) kenne: Gymnastik, Übungen auf der Bodenmatte, an der Sprossenwand, eigesprungene Waage, Kerze, Rad, Rolle rückwärts/vorwärts, Kniebeugen usw. Unter youtube kann man den Turnvater Pilates im Original bewundern. Er weder Schüler, noch hat er Ratgeber hinterlassen. Durch seine asiatische Frau, eine Tänzerin, sind ein paar andersartige Übungen hinzugekommen, aber immer noch waren die Übungen recht traditionell, energisch, kernig, um nicht zu sagen stramm, im raschen Wechsel. Heutzutage kann ein Jeder ohne Prüfung weichgespülte Pilates anbieten - eine Mixtur aus Yoga, Atemtechnik, Esoterik, Aerobic. Ein bezeichnender Wandel typisch deutscher Elementarteilchen zum internationalen Sammelsurium!

@ Ein gebürtiger Hesse

Ja, vielleicht ist es irgendwann einmal Zeit für einen 'rechten Knigge'

Eine ver-lockende Idee! Bitte schön, was hindert Sie, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen. Sie bekämen garantiert im wahrsten Sinne des Wortes Zu-Spruch. Einen habe ich schon mal parat:

'Kaffe to go': Wo und wann auch immer im Gehen hastig zu essen oder zu trinken, ist für Magen, Beine, Augen, Mund und die lieben Mitmenschen eine Zumutung.

(Hier könnte ich mir auch @ Raskolnikow als einfallsreichen spöttischen Spiritus rector - schön Sie hier wieder 'in Liebe' begrüßen zu dürfen - vorstellen.)

Thomas Wawerka

25. Mai 2016 14:38

Raskolnikow: Und mein Feldzug gegen die Kleingärtner ist auch noch nicht abgeblasen.

Den haben Sie doch schon vor 3 Jahren angedroht, Wertester. Und erschrecken wollten Sie mich bei dieser Gelegenheit, dabei bin ich gar kein Kleingärtner und dachte schon, ich hätte mich in die Kommentarspalte von "Mein schöner Garten" verirrt ... :-)

Kositza: „Warte er, warte er nur kurz noch!“

Ich hab in meinem Landstrich eine Sonderform des Ihrzens kennengelernt, der vor allem von Älteren gegenüber Jüngeren verwendet wird, bei denen sich aber - wie bei mir - das ungefragte "du" verbietet. Zum Siezen möchte man sich offensichtlich auch nicht durchringen, also verwendet man die 3. Person pluralis, aber weniger aus Respektsbekundung, mehr im Sinne einer Verlegenheitslösung: so, als wären mit mir noch weitere, zufällig bloß gerade nicht anwesende Personen mitgemeint, möglicherweise eine Familie (von deren Nichtanwesenheit die Leute aber mittlerweile ja auch wissen), oder Kollegen (die aber mit den besprochenen Sachen gar nichts zu tun haben). Anfangs musste ich immer überlegen, wer außer mir bei einem Satz wie "Wenn ihr das nächste Mal kommt, könnt ihr das Formular dann ja mitbringen" noch gemeint sein könnte; nach einiger Zeit verstand ich, dass es eine Umgangsform ist.
Eine andere Sprach-Eigentümlichkeit ist die Anhängung eines "n" bei der Nennung eines Namens im Dativ, wie das, meine ich, im älteren Deutsch allgemein gebräuchlich war: "Wenn ich morgen zu Elfrieden gehe, richte ich es ihr aus."
Letzte Reste lebendiger Sprach-Vielfalt ...

Stil-Blüte

25. Mai 2016 15:17

@ Falk K.

Wenn ich meine Tomaten ausgeize, ist das ZEN

Alle Achtung!

Wenn ich Tomaten ausgeize, widmen sich meine Hände Schritt für Schritt von Blattansatz zu Blattansatz ganz praktisch einer Tomatenpflanze. Dann kommt die nächste dran. Dann tut mir der Rücken weh. Mit Anschauung oder Vertiefung ist es bei meinen Tomatenpflanzen nichts getan. Bei allen übrigen Bücktätigkeiten auch nicht. Meine Genugtuung beruht darin, daß ich danach froh bin, was Sinnvolles für die Pflanzen getan habe und nun die Arbeit auch erst mal zu Ende ist.

Arminius Arndt

25. Mai 2016 15:31

Physalis ist ein ziemlicher Wasserfresser. Und die Kartoffel machte Preußen und Deutschland erst zu dem, was es einmal war. Nicht umsonst sind wir für die Migranten die Kartoffeln. Auf sie möchte ich nicht verzichten, zumal es da unzählige Sorten davon gibt. Ein echter Gewinn für Europa.

In diesem Punkt also Einspruch, Herr Grambauer, auch wenn Sie - ganz ernsthaft gemeint - mal einen eigenen blog starten oder eigene Bücher veröffentlichen sollten. Immer wieder hoch interessant, was Sie schreiben.

Ganz grundsätzlich ist die Gärtnerei eben etwas sehr nahes down to earth, wie man hippstermäßig sagen würde - zumal wir alle nicht mehr ernsthaft davon abhängen, ob die Ernte jetzt gelingt oder nicht, dass macht es noch einmal entspannter.

ene

25. Mai 2016 19:19

Thomas Wawerka

Eine andere Sprach-Eigentümlichkeit ist die Anhängung eines „n“ bei der Nennung eines Namens im Dativ, wie das, meine ich, im älteren Deutsch allgemein gebräuchlich war: „Wenn ich morgen zu Elfrieden gehe, richte ich es ihr aus.

Eine weitere Sprach-Eigentümlichkeit, die man noch hören konnte vor einigen Jahrzehnten: die Bezeichnung und Anrede einer älteren Frau als "Mutter". "Mutter Wolffen" (= Frau Wolff) in Hauptmanns "Biberpelz".

In Berlin konnte (kann?) man so etwas hören - nicht sehr schmeichelhaft:
"Da geht ja die (olle) Müllern!"

Kaliyuga

25. Mai 2016 20:20

„Isch me au do?“

So ungefähr die Frage einer Frau, als sie, es ist wohl gar im Schiff der Dorfkirche, unvermutet einen Herrn trifft, der, Sohn eines Küfers und Mesners, dort Jahrzehnte früher die Glocken geläutet hatte, zwischenzeitlich aber mit einer Rückfahrkarte Freiburg – Marburg zu einem heimlichen König der Metaphysik avanciert ist.

Die einfache Frau ist verlegen, wie sollte sie den berühmt gewordenen, einstigen Läuterbuben, auf den Namen Martin hört er, beim unvermuteten Treffen im Meßkircher Gestühl denn auch ansprechen? Sie weicht, im badischen Idiom, trefflich auf das unbestimmte Fürwort aus.

Man muß nicht Heidegger heißen, daß sich bei der Rückkehr (hier aus dem südeuropäischen Ausland ins heimatliche, der Alpenstadt zugehörige Dorf) solche Verlegenheit einstellte. Sie gilt zudem ja auch umgekehrt. Unter Männern löst sich die Verlegenheit leicht. Ohne daß es eigens eines Wortes bedürfte, ist ganz unmittelbar klar, daß der Heimgekehrte, der draußen seinen Weg sich erobert hat, als ihresgleichen zählt, als einer, dem das „Du“ gebührt, seien sie auch Dorfobere gewesen und Herren über mehrere Dutzend Kühe und auch einen furchterregend schabenden Stier und viele Tagwerk an Grund. Abraham hat noch 2000 Jahre nach der Geburt des Verheißenen gelebt. Ein herbes Lächeln, das über vom Wetter langhin gegerbte Gesichter spielt, manchmal nur ein fast unmerkliches Nicken, immer aber ein kräftiger Handschlag, und auch darin ein sich wohlwollendes Messen aneinander. Männerwesen, heilvoll unter sich.

Bei den alten Frauen, weniger den Judiths (sie wählten damals ungebührlich den Kreisky wie sie heute mit überschwänglicher Mehrheit van der Bellen wählen; und selbst von einem zum andern Sozialisten herrscht noch abschüssige Piste) als vielmehr den Sarahs, die man damals noch im „Sie“ verlassen hat, regiert mehr Scheu, alle haben sie ja, in Röcken statt in Latzhosen auf dem Feld helfend, den einstigen Spielkameraden ins Leben verholfen und ihnen die Mäuler gefüllt, als Bursche durfte man sonntags auch einmal ein ganzes Blech an Zwetschgendatschi allein verspeisen. Wie soll man nicht versucht sein, solch holdes Wesen ehrend wie einst schon als Kind so auch jetzt als Erwachsener mit "Sie" zu grüßen?

Jeder rasse Bauernbub weiß, was er an seiner Mutter hat, und manchmal ist es der Patriarch höchstselbst, der hier, ein knapper Satz genügt ob natürlicher Autorität, unter Bauern wird auch nicht geschwafelt, zur Erkenntnis nachhilft. Man folgt und beugt sich, selbst wenn beide, Vater und Mutter, wieviel Leid hat das gekostet, Sozialisten sind. Würd' ihnen aus Dankbarkeit mein „Sie“, sie schüttelten den Kopf. Sie freilich dürften’s, selbst im Nicht-erkennen ihres lebendsspendenden Adels.

Westpreuße

25. Mai 2016 21:16

Frau Kositza,

welch anschaulicher, schöner Bericht...!

"Vom Heimatkreis zur weiten Welt", so hieß in den 1950-er Jahren ein Heftchen in Schreibschrift (!); in den westlichen Bundesländern, in der Volksschule; der "HEIMATKUNDEUNTERRICHT" (@ Stil-Blüte). Diesen Heftchen verdanke ich alles, bzw. "viel"...
Ein Stein wurde in den See geworfen, in konzentrischen Kreisen erweiterte sich das Bewußtsein, anschaulich:
Flecken, Dorf, Stadt, Kreis, Bundesland, das Vaterland, ja das Vaterland(!) und so weiter. Alles sehr einleuchtend und prägend, zum Glück...

Die eigenen Kinder später lernten dann "übergreifend" Tundra in Nordeuropa, Tundra in Alaska, Tundra in Feuerland, Tundra im fernen Asien:
Nuscht blieb haften, alles Bruchstücke ohne inneren Zusammenhang.
Alles war denen "Tundra"...

Ich weiß leider wenig von der Natur, auch nichts vom Gärtnern. Mein Vater hätte es mir beibringen können. Er tat es nicht. Vielleicht war ich auch nur zu uninteressiert; vielleicht auch nur schlicht und ergreifend irgendwie doof...Ich entsinne mich aber, daß ich im kleinen Pachtgärtchen immer Unkraut jäten mußte: Das sogenannte "Franzosenkraut", so wurde es genannt. Das hat mich sehr unwirsch gegen die Franzosen gemacht; später kam dann noch das Versailler Diktat nebst "Elsaß-Lothringen" hinzu.... Na ja, alte Geschichten. Ich mag meine Vor-urteile; sie ermöglichen später dann Revison oder Bestätigung...

Wunderschöne Kommentare, jeder auf seine Art. DANKE für alle. DAS muß aber, sofern möglich, alles weitergegeben werden. Es darf nicht verloren gehen...

Herr @ Grambauer, erschrecken Sie nicht:
In Anlehnung und kleiner Veränderung an ein viel gelesenes Wort in
diesen Tagen:
Warum "hassen" Sie...nein, nicht doch...ich meine die KARTOFFEL?
Dieser Segen, der so manche Hungersnot erträglich machte.
Nach dem letzten großen Krieg bei uns, also nach 1945, durften wir "Flichtlinge", auch Polacken mitunter genannt, die Kartoffelfelder nachsammeln. Mancher Bauer war großherzig und ließ es zu, mancher Bauer wollte davon noch die Hälfte haben. So war es; erinnere mich noch genau...

Mehrmals in meinem Leben, zuerst nur für mich, danach die Kinder, danach Bekannte und Freunde, habe ich Friedrich II. den Großen in Potsdam (Sanssouci) besucht. Häufig sah seine Grablege so oder ähnlich aus:

https://www.drb-nrw.de/bezirksgruppen/duisburg/images/Berlin/frdgrosse_grablege.jpg

Zuerst war ich erstaunt, später erfreut. Einmal allerdings war sie überladen wie auf einem dörflichen Wochenmarkt mit Kartoffeln...
Aber so wie auf dem Foto gefällt es mir.

Ich selbst, so erinnere ich mich, habe ein Stückchen Bernstein, mal einen Tannenzapfen aus den Ostprovinzen, mal einen versilberten Ring hingelegt. Eine Rose, meine ich, auch einmal, dergleichen also...
Allen Lesern hier zur Freude und Erbauung, Herrn @ Grambauer freundlichst zugeneigt ins Gewissen redend...
Sie verstehen es aber alles richtig, nicht wahr...?! Nichts für ungut...
: Patriotische Grüße von der Weichsel

Kaliyuga

25. Mai 2016 21:50

„Wir leben nur noch von unserer Inkonsequenz, davon, daß wir nicht wirklich alle Tradition zum Schweigen gebracht haben.“ (Gerhard Krüger, 1948)

Zu den letzten auf George sich beziehenden Zeilen der Frau Kositza:

Der bloß „neue“ Adel ist alt, eh man ihn noch ins Wort gebracht hat.

Eigentliche Krone, die nach oben schaut und von dort her sich versteht, verbürgt.

Was wissen die, die heute fahl nur wesen, je von dem Grund, aus dem sie wachsen und dem sie sich verdanken?

Der „Augen wahre Glut“ flammt im wahren Regenten, der um seinen Ursprung weiß.

Stefanie

25. Mai 2016 22:05

@Schopi: Gerade habe ich im Geiste Ihrer vernünftigen Haltung zugesprochen, da fiel mir Michael Schumachers Schicksal ein. Ein Helm mag den Unterschied zwischen einer leichten Gehirnerschütterung und einem Schädelbasisbruch machen, doch eben auch den zwischen einem schnellen Tod und einigen Jahren Wachkoma. Wenn der liebe Gott es eben so will, dann läßt er sich nicht in die Suppe spucken.
Auch das Schicksal des Jungen mit den Schnürbändern ist tragisch, aber erinnern Sie sich vielleicht noch, wie es Ihnen gelang Ihre erste Schleife zu machen? Auch Schnürsenkelbinden ist eine Kulturtechnik.

Zu den "ausländischen" Gemüsen: Paprika ist "typisch ungarisch", aber eben dort nicht heimisch und das trockene Kontinentalklima wird es auch verhindern, dass er dort je wirklich endemisch wird, verwildert. Doch man hat ihn eben in Zucht genommen, die am besten angepassten Exemplare ausgelesen und so über die Generationen taugliche Sorten geschaffen; ihn eingebürgert. Selbst Weizen musste hierzulande erst heimisch werden, genauso wie die "deutsche Kartoffel". Leider holt man sich mit neuen Kulturpflanzen oft auch neues Unkraut mit herein. Bei Hafer ist es sogar gelungen aus dem Unkraut eine Kulturpflanze zu machen, auch mit Melde und Brennnesseln mag noch etwas anzufangen sein - doch am vernünftigsten ist es, es sich gar nicht erst ausbreiten zu lassen. "Wenn du das Unkraut läßt ein Jahr stehn, kannst sieben Jahre jäten gehn." Am Ende hilft nur noch Roundup - und irgendwann selbst das nicht mehr.

Caroline

25. Mai 2016 22:14

Schreiben, Lesen, Rechnen, Singen, Handarbeit (Mädchen) Werken (Jungen), Turnen.

Geht noch, gibt's noch - Waldorfschule sei dank (allerdings beide handwerklichen Fächer koedukativ seit 1919).

Gärtnern ist etwas Politisches, musste ich erfahren. Spielplatzhasserin von Grund auf, suchte ich nach einem Ort mit ein bissl mehr Natur in der Stadt (Stadtbrachen, hier "Gstettn" genannt, liebe ich sehr, sie sind aber ihrer Natur nach rar, je weiter weg man von den 50er Jahren ins Heute kommt). Nun, mir wurde bei einem Treffen einer Bürgerbeteiligungsinitiative (Bürger muss man an die Hand nehmen) nahegelegt, ob ich nicht den Hundepissplatz im nächsten Beserlpark in einen "urban garden" umbauen wollen würde. Wollte ich! Das war 2011. Einige Jahre, an die hundert milieureine Bobo-Mitgärtner, etliche Diskussionsrunden und Erntediebe, massenhaft Rucola und Erbsen und "essbare Blüten" und zauberhafte Dreckpfoten des Kleinsten, der selig war inmitten von mehreren reizvollen Exemplaren der in der Stadt seltenen Gattung "Werkzeug-Mann", später, die Ernüchterung.
Denn: urban gardening wird politisch so was von indienstgenommen, alle Parteien liebten mich. Zwischen "Ernährungssouveränität" (links von grün) und "Mein Beitrag zum Klimabezirk" (ÖVP) spannten die Interessen mich ein. Ich bin rechtzeitig geflohen. Jetzt habe ich einen Garten im Wald gemietet, gerade noch öffentlich erreichbar, ganz für uns allein.
Denn: in der Stadt breiten sich in den urban gardens neuerdings organisierte "Picknicke der neuen Nachbarschaft" aus. Klar, wer da im Garten willkommen geheißen werden muss. Und statt städtisches Massenschwimmbad mit Piktogrammen und Minoritäten suche ich diesen Sommer Kühlung in einem winzigen Bächlein, das meinen egoistischen Garten mit Gießwasser versorgt, und weiter unten einen größeren Bach (freuen sich die Buben jetzt schon drauf, da hinein zu steigen). Jetzt hör ich auf zum Schreiben, denn:
Cela est bien dit, mais il faut cultiver le jardin.

Stil-Blüte

26. Mai 2016 11:05

@ Westpreuße

DAS muß aber, sofern möglich, alles weitergegeben werden...

Jawohl (statt o. k., dieser Austausch gehörte auch in m/einen 'rechten Knigge' hinein, s. vorherigen Beitrag), da bedürfte es der, nebenbei gesagt, sehr deutschen, Sammelleidenschaft eines Arno Schmidt (Zettels Traum). Weiß Er einen? Ist Er selber gar einer?

Ein-leuchtend ist das, was Er über die Parallelen von Unterrichten/Erziehen und den kreisförmigen Wellenschlag eines Steines sagt. Hat Er denn auch eine Quelle, wo man dieses Heftchen für den 'Heimatkundeunterricht' in Schreibschrift erwerben und natürlich verbreiten könnte?
(Ich habe übrigens begonnen, schöne Gedanken in meinem Tagebuch in Schönschrift festzuhalten. Das ist ein bißchen Kindheit und Kalligrafie.

@ Caroline
urban gardening Ist mir auch suspekt. Warum sagt man nicht Stadtgärtnern? Wie alles, was aus dem main-stream stammt, kurzlebig, ideologisch aufgeladen, chaotisch, gegen Tradition und Örtlichkeit.

Gustav Grambauer

26. Mai 2016 11:54

Arminius, Westpreuße

Die Kartoffel ist ein Nachtschattengewächs, nebenbei gesagt auch eine aggressive Giftpflanze, von deren Gift die Knolle nicht frei ist. Hinzu kommt: die Kartoffelstärke ist Kleister für das Blut. Jeder kann ja mal das Experiment machen, eine zeitlang ohne Solanaceae zu leben und dann die Wirkung, vor allem auf das schöpferische Denken, selbst beurteilen. Das trifft erst recht auf die sich sogar aufdrängende tropische Hitze in Nahrungsmitteln zu.

Noch etwas: Nahrung ist DER Integrastionsfaktor. Gib einem fremdelnden Kind einen Bissen zu essen und es nimmt die Lage hin. Warum bieten Sekten so gern Kochkurse an. Die Willkommenskultur hat ihre Wurzel in der Küche. Dahinter steht nicht weniger als die Alchemie der Opferspeise, und sie wirkt bei den Deutschen bestens. Das war in den "Freßmeilen" in Berlin-Kreuzberg, in denen es teilweise drei "Inder" nebeneinander gibt, schon vor Jahrzehnten zu studieren.

Rudolf Steiner hat Friedrich Zwo eine "Gewaltnatur" genannt, ich füge hinzu: im Wappensaal des Köpenicker Schlosses war er dazu 1730 von seinem Vater gemacht worden.

Raskolnikow, ich habe nicht die Absicht, eine Gewaltnatur zu werden.

Bin ja in der "Streusandbüchse Europas" aufgewachsen und mußte, aus dem thüringischen Schiefer kommend, bereits in der Kindheit sehr aufpassen, dabei nicht meinerseits zum Preußen zu werden, zu "versanden". Inmitten des kulturmarxistischen Miefs der 80er Jahre in Ostberlin war der Sog hin zur preußischen Tradition für mich als Kind und Jugendlichen selbstverständlich groß, andererseits hatte ich die abstoßenden Beispiele tagtäglich vor Augen: (a) des rudimentären Berliner "Bürgertums" und Kleinadels, die gern ihre Verkommenheit mit ihrem Preußen-Fimmel überdecken (heute das Kernpublikum des JF und die "Pilgerer" zu Sarrazin-Lesungen) und (b) die "Roten Preußen", deren Prototyp Willi Stoph war (den ich mir allerdings als Zuchtmeister des "Bundeskabinetts"

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/kabinettsklausur-in-meseberg-merkels-regierung-verbreitet-gute-stimmung-a-1094115.html

doch manchmal zurückwünsche).

Als ich etwa zwölf war, ist mir aufgefallen, daß Rilke in Berlin nicht einmal dem Namen nach gekannt wird. Das war der Moment, in dem ich mir meines Bruchs mit Preußen sicher war, auch wenn ich noch bis zum Ende in der Zwingburg blieb.

Cortés, der ja Gesandter der Bourbonen bei den Hohenzollern war, sah in Preußen nur "eine Macht, die von den ersten Tagen ihres Daseins an dem Satan geweiht war". Na, das wird jetzt bei einer kleinen Fahrt mit der Berliner S-Bahn klar ...

Die meisten ahnen gar nicht, wie amerikanisch das Genmaterial Preußens ist. Dafür ist die Kartoffel nur ein Symbol. Neulich habe ich auf einen Aufsatz von Frau Zepp-LaRouche verwiesen: in deren Bewegung (der BüSo) lebt der preußische Amerikanismus fort, die Traditionslinie Hamilton-Liszt-Bismarck-Bohlen/Halbach, das Amerikanische System der Politischen Ökonomie, in das sich der protestantische Adel hineinamalgamiert hat.

Auch wenn dieses System immer noch um Dimensionen besser ist als das liberalbolschewistische, was ja Thomas Hoof mit äußerster Schärfer herausgearbeitet hat, so sollte zugleich die geistige Tiefentektonik angeschaut werden. Wer nicht alles lesen will, lese ab Seite 165 oder zumindest die Charakterisierung Friedrichs II. auf Seiten 170f. und conclusio ab Seiten 175f.:

"Betrachten wir das, dessen Ausgangspunkt wir suchen dürfen ungefähr um das Jahr 1200 herum, und stellen wir ihm gegenüber das luziferische Element der Fürstentümer, der Territorialfürsten, dann werden wir begreifen, was es für ein besonderes Zusammenwirken ergab, als das ahrimanische Element des modernen Industrialismus mit der Technik und dem Ka­pitalismus heraufkam und in der letzten Phase des nun seinem Ver­röcheln entgegengehenden Mitteleuropa der furchtbar ahrimanisch­-luziferische Zusammenhang zustande kam; namentlich im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts jenes Zusammenwirken zustande kam zwischen dem In­dustrialismus und dem alten Territorialfürstentum, dem alten Junker­tum und den alten Anhängern der in den Verfall geratenen Nibelun­genwildheit. Das ist es, was Mitteleuropa seinen Untergang gebracht hat: die Ehe zwischen dem Industrialismus und dem Territorialfürsten­tum, den politischen Verwaltern Mitteleuropas. Das ist es, was die in meinem Aufrufe geforderte Entfaltung einer wirklichen mitteleuro­päischen und deutschen Mission nicht zustande kommen ließ: Die ahri­manisch-luziferische Ehe zwischen dem heraufkommenden Industria­lismus, der andere Gegenden der Welt anders ergriffen hat als die Ge­gend, in der die alte Nibelungenwildheit im Territorialfürstentum in Mitteleuropa herrschend war. Und wenn einmal frank und frei wird geschildert werden sollen, welche furchtbaren Symptome eines welt-historischen, tragischen Niederganges vorhanden waren vom Jahre 1914 bis 1919, weiter hinaus vorhanden sein werden gerade in Mitteleuropa, dann wird man zu schildern haben das für dieses Mitteleuropa grau­sam-fürchterliche Zusammenwirken des alten verkommenen Nibelun­genadels mit dem heraufkommenden, seine welthistorische Stellung durch keine inneren seelischen Ansprüche rechtfertigenden industriel­len Menschentum Mitteleuropas. Die Typen, welche sich in Mitteleu­ropa in diesen Jahren gezeigt haben aus diesen beiderlei Kreisen her­aus, das waren die Menschen, die in unendlichem Hochmut aus einer eingebildeten Praxis heraus durch Jahre hindurch alles niedergetreten haben, was irgendwie hat hinwirken wollen auf ein Wiederbemerken dessen, was mit Walther von der Vogelweide zu singen begonnen hat, und was mit dem Goetheanismus seinen Abschluß gefunden hat. Daß die äußere Welt sich das Schlagwort des 'Militarismus' erfunden hat, um diese viel tiefere Erscheinung unzutreffend-zutreffend, zutreffend-unzutreffend zu bezeichnen, das ist ja nicht weiter zu verwundern, denn furchtbar viel tiefsinniger als die mitteleuropäische Welt ist die außermitteleuropäische Welt auch nicht, wahrhaftig nicht."

https://www.fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=article&id=2082:zehnter-vortrag-dornach-12-april-1919&catid=131:ga-190-vergangenheits-und-zukunftsimpulse-im-sozi&Itemid=4

- G. G.

Arminius Arndt

26. Mai 2016 13:33

Hm,
die Kartoffel also als Grundlage für erfolgreiches Bevölkerungswachstum auf kleinem Staatsgebiet, welches wiederum die Grundlage für mehr Soldaten und mehr Arbeiter ist und damit dem Imperialismus und dem industriellen Fortschritt gleichermaßen dient.

Der alte Friedrich war schon ziemlich durchtrieben ...

Westpreuße

26. Mai 2016 15:17

@ Stil - Blüte

Ich habe noch einige Heftchen.
Aber ich kann im Moment nicht auf sie zugreifen.
Aus der Erinnerung: Format DIN A 5, je Heft etwa 40 - 50 Seiten;
Heft mit Klammern. Schreibschrift, ja ""Schönschrift...
Es gab in HEIMATKUNDE die Hefte für jede deutsche Landschaft. Und außerdem auf allen möglichen Gebieten, die damals in den 50-er Jahren an der einfachen Volksschule (im Westen) unterrichtet wurden.
Dümmler - Verlag, das weiß ich noch ganz genau. Etwa 1953, vorher und nachher. Geschrieben bzw. Herausgeber ein Walter Mann, Hans Mann...(?)

Geben Sie doch bitte den Verlag im Internet unter: kaufen. antiquarisch... ein. Sie werden dann fündig. Hat man erst einmal den Anfang, geht es ja von alleine weiter...
"Vom Heimatkreis zur weiten Welt". ...
Ich habe mir "damals" einige besonders schöne Hefte, Heimatkunde und GESCHICHTE , aufbewahrt, finde sie alle Jahre, setze mich still hin, lese und erfreue mich...

Herr @ Grambauer
Ich bin seit jeher ein schwermütiger Mensch.
Zugleich heiter - gelassen. Das widerspricht sich nicht...
Danke für die Erwiderung. Ich akzeptiere natürlich Ihre Sichtweise, auch wenn es nicht meine ist. Eigentlich hätte ich mir eine Antwort mit etwas Humor gewünscht...
P.S.
Viele Leser hier beschreiben ja einen sehr persönlichen Lebensgang durch die Zeit. Es ist ja so: Unser Leben besteht aus Erinnerungen, vergessenen. Aber manchmal tauchen sie wieder auf: Erinnern und ermahnen uns; weisen auch den möglichen Weg...
: Grüße von der Weichsel

Waldgänger aus Schwaben

26. Mai 2016 17:16

Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten; vielleicht, daß
Dort ein Liebendes spielt oder ein einsamer Mann
Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die Brunnen,
Immerquillend und frisch rauschen an duftendem Beet.

(Hölderlin , Brot und Wein)

Mein schöner Garten
ist ein gutes Tagwerk Land, umgeben von einer Weißdornhecke. Vermutlich hat es mein Urgroßvater gekauft, oder schon dessen Vater. Ich habe es geerbt.

Auf einer kleinen Fläche baue ich Kartoffel, Bohnen und Zwiebel an. Von anderem bin ich abgekommen. Entweder ungünstige Witterung, Schnecken oder andere Schädlinge vernichten die Ernte, oder, schlimmer noch, die werte Familie lehnt sie ab. Rote Beete mühevoll gezogen, geerntet und eingekocht, wurde mit dem Kommentar bedacht:" Die von Aldi schmeckt besser." Aldis Rote Beete für 89 Cent das Glas!

Den Rest des Gartens lasse ich verwildern.

"Niemands Knecht, niemands Herr!"

Die anarchistische Veranlagung schlägt auch beim Gärtern durch. Nicht einmal Herr im Garten will sein. Es ist interessant über die Jahre hinweg zu beobachten, wie die Eiche, die deutsche Eiche, sich durchsetzt. Zwischen Brennesseln und allerlei Gestrüpp kämpfen sich nun nach Jahren unaufhaltsam Eichen nach oben.

Vor Jahren versiegte der vom Vater noch geschlagene Brunnen und ich grub mit Mühe und nicht ganz ungefährdet einen Schachtbrunnen, der nun drei Meter tief ist, davon 80 - 40 cm im Wasser. Auf Brunnenringe verzichtete ich, sondern schalte mit Holz aus und mauerte dann mit alten Backsteinen hoch. Das Fundament im Wasser bilden lose gelegte Betonsteine.
Neben dem Brunnen vor dem Tore wollte ich immer noch eine Linde pflanzen, aber inzwischen ist dort schon eine Eiche empor geschossen.
Nun denn soll es halt eine Eiche sein.

Aber bevor ich den Garten weitergebe, werde ich am Brunnen noch ein duftendes Beet anlegen, auch wenn das vermutlich keiner, der nach mir kommt, verstehen wird.

Harald de Azania

26. Mai 2016 20:19

Paedagogische ExpertInnen , offenbat das Schauderbarste was man sich vorstellen kann..

Was ist da in diesen Bereich und in diese Leute gefahren ????

Pseudo-Akademisches - super/ueber/drueber/theoretisches Wissen/Jargon/Phrase ersetzt gesunden Menschenverstand !

Klar dasz dann die hoeher (ver) bildeten Gruen waehlen!!

HdeA

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