Das war’s. Diesmal mit: Geilen Böcken, Afrikanern und Kriegsurenkeln

15.10. 2016 -- Mindestens eine unserer Töchter ist ein klassischer Kriegsenkel.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Das The­ma ist seit Jah­ren ein Kas­sen­schla­ger. Die auf dem deut­schen Markt ver­kauf­ten Bücher die­ses Gen­res dürf­ten in die Aber­mil­lio­nen gehen. Da fällt mir ein: Eigent­lich ist die­se Toch­ter mit zwei Groß­müt­tern des Jahr­gangs 1943 doch eher ein Kriegs­uren­kel. Das gibt es noch nicht, als Titel – wäre viel­leicht lohnend.

Die buch­ge­wor­de­nen Kriegs­kin­der, ‑enkel und nun eben auch –uren­kel zeich­nen sich cha­rak­ter­lich durch Spar­sam­keit und Vor­sor­ge­men­ta­li­tät aus. Sie kön­nen es nicht ertra­gen, daß Din­ge ver­rot­ten. Man könn­te all die Sachen noch brau­chen! Was jene Toch­ter ein­macht, lagert und sam­melt für even­tu­ell schlech­te Zei­ten, geht auf kei­ne Kuh­haut. In punk­to Tro­cken­obst, sau­er Ein­ge­leg­tem und süß Ein­ge­koch­tem, Möbeln und Kla­mot­ten ist hier bereits für jeden Ernst­fall vor­ge­sorgt, auf Jahre.

Kenn ich gut, schät­ze ich, ist ja kei­ne Untu­gend. Jetzt aber bekam sie mit, daß unse­re Sekre­tä­rin ihr schö­nes Braut­kleid ent­sor­gen woll­te. Die Kriegs­uren­ke­lin ist nun defi­ni­tiv die unro­man­tischs­te unse­rer Töch­ter. Klar, als Prag­ma­ti­ke­rin! Sie pro­bier­te das Kleid an, völ­lig anlaß­los: „Na, ist doch super! Paßt doch! Schön schlicht und doch ele­gant!“ Kichernd husch­te sie durch die Räu­me. Der Saum der Robe besorg­te ein biß­chen den immer über­fäl­li­gen Hausputz.

Ätz­te eine ande­re Toch­ter: „Merks­te was? Den Bal­last? Damit kanns­te nur noch schrei­ten, nicht mehr durch die Gegend wan­dern. Heißt: Du bist ange­bun­den. Kleid als Sym­bol!“ Die Kriegs­uren­ke­lin: „Pah! Du kennst mich nicht! Da heb ich mal den Saum, und wet­ten, ich bin auf zwei Kilo­me­ter immer noch schnel­ler als du!“ – „Haha, ja, auf zwei Kilo­me­tern, klar. Eine Ehe kann tau­sen­de Kilo­me­ter dau­ern.“ – „Na und, du hast ja kei­ne Ahnung, wie schnell und lang ich saum­tra­gend ren­nen kann!“ Saum-selig hat eigent­lich eine ande­re Bedeu­tung, oder?

– – – – –

16.10. 2016 – Eine mei­ner Lieb­lings­ka­pel­len, Dark­wood, spielt auf in Leip­zig. Gran­di­os! Denk ich an Deutsch­land… denk ich auch an Dark­wood, Fins­ter­wal­de. Die Tex­te: poe­ti­sches Rau­nen um Stand­hal­ten, Hoff­nung, Ver­zweif­lung, Mut, Blei­ben, Wag­hal­sig­keit, Dage­gen und Dafür. Zum Glück woh­nen wir hier, im Osten! Nur hier ist so etwas zu haben, zu hören. Ich ste­he in zwei­ter Rei­he, sel­te­ner Moment: Es nimmt mich mit.

Vor mir ein Pär­chen mit mar­kan­ten Zügen, eigent­lich hübsch, er etwa mein Alter, sie etwas dar­un­ter. Zusam­men­ge­zählt fin­de ich bei den bei­den etwa 15 sicht­ba­re Body­m­o­di­fi­ca­ti­ons – die Täto­wie­run­gen mal außer acht gelas­sen. Wo ich gerührt bin von Klang & Text, sind die­se bei­den gera­de­zu eksta­tisch begeis­tert, frei­lich in dem Rah­men, den die­se melan­cho­li­sche (und wenig „tanz­ba­re“) Musik läßt. Die bei­den sind kei­nes­falls Dau­er­tän­zer, es muß sich hier also spe­zi­ell etwas rüh­ren, her­vor­ge­ru­fen durch genau die­se Lieder.

Der Typ – ich kann kaum die Augen abwen­den – hat in einem Ohr gleich zwei Fleisch­tun­nel über­ein­an­der. Gro­ße, gigan­ti­sche! Heißt, das Läpp­chen hängt ihm knapp über der Schul­ter. Heißt, er muß sich eigent­lich bewe­gen wie eine Dame im Kor­sett. Wie leicht kön­nen die dün­nen Häut­chen ein­rei­ßen! Man muß kei­ne Schlä­ge­rei ima­gi­nie­ren, bereits ein der­bes Gedrän­ge wür­de Blut­zoll ein­for­dern! Das ande­re Ohr­läpp­chen ist gespal­ten, fünf Plas­tik­na­deln ver­bin­den die bei­den Tei­le. Ich sehe bzw. inter­pre­tie­re das als: Beto­nung der Ver­letz­lich­keit, als Halt – und Maß­lo­sig­keit, Spren­gung der guten Sit­ten, auch als über­gro­ße Beschäf­ti­gung mit sich selbst, also als Mode­af­fen­tum. Und doch scheint der Kerl die­se Musik zu lie­ben wie ich. Ein selt­sa­mes Gefühl.

– – – – –

18. 10. 2016 – Betre­te unse­re Biblio­thek und höre im Neben­zim­mer Kubit­schek tele­pho­nie­ren: „… nee, ich will nur noch mal deut­lich nach­fra­gen, ob der auch so ein rich­ti­ger Kerl [ver­le­ge­nes Lachen] ist, also, Sie wis­sen, was ich mei­ne. Unse­re Froll­eins sind schon, hm, naja, aus har­tem Holz, und im Zwei­fels­fall ver­ste­hen die kei­nen Spaß. …. Ja, gut. Gut, dann hat er’s ja gewis­ser­ma­ßen schon unter Beweis gestellt, hehe. …. Nee, im Ernst, im ver­gan­ge­nen Jahr hat­ten wir so einen Anwär­ter, der muß­te lei­der bei sei­nen erbärm­li­chen Anbah­nungs­ver­su­chen sein Leben las­sen, also buch­stäb­lich. … Nein, war nicht schön, glau­ben Sie mir. Unse­re Damen haben’s faust­dick hin­ter den Ohren. Nur noch eine letz­te Fra­ge: Stinkt der Kerl sehr? Ich mein, ich hab ihn dann ja für ein Stünd­chen als Mit­fah­rer, und außer­dem muß man Rück­sicht neh­men auf die Leu­te im Dorf…“

Haha­ha. Mir war in Wahr­heit rasch klar, um was und wen es geht. Natür­lich um einen Bock, der unse­re Zie­gen deckt. Die Ladies sind übri­gens Wei­ße Deut­sche Edel­zie­gen. Kann ich nichts für, ergab sich. Der Bock, den wir nach der Buch­mes­se abho­len dür­fen, ist ein Bure. Man kann sagen: aus Afri­ka. Naja, es wird ohne­hin auf cross & kill hin­aus­lau­fen. Kubit­schek erzähl­te übri­gens spä­ter: Von fünf Bock­ver­käu­fern, die er anrief, hät­ten drei betont, daß man Wert auf art­ge­rech­te Schlach­tung lege. Inwie­fern? „Naja, ein Mos­lem sind Sie a nicht, klin­gen nicht so. Wir haben schon Anfra­gen aus ande­ren Kul­tur­krei­sen gehabt, und schäch­ten laß ich mei­nen Bock nicht.” Das gan­ze auf säch­sisch. Schön!

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (52)

Brandenburger Sandstein

19. Oktober 2016 16:01

Merci! Wieder mal gelungene Unterhaltung!

Was die "Bodymodification" angeht: ein Aspekt wurde vergessen: da geht's denke ich auch oft darum, Besitz vom eigenen Körper zu ergreifen. Im Sinne von er passt mir nicht dann wird er eben platt gemacht und nach meinem Bilde wieder aufgebaut. Gibt mittlerweile mehr Frauen als Männer mit tattoos..wäre evtl mal eine Untersuchung wert. Was so Drähte Eisen und Tunnel angeht: ich finds einfach nur abstoßend! Besonders weils auch nur Mode ist, gibt ja zunehmend Leute die sie wieder rausnehmen..die Löcher bleiben als nettes Andenken an eine sehr dumme Charakterschwäche. Sieht man in Berlin häufig. Ob die (ehemaligen) Träger das auch so beurteilen?

PS: bitte auf dem laufenden halten wie der Ziegenbock sich so schlägt in der Hyänengesellschaft. Kann man ja fast Mitleid bekommen ;(

marodeur

19. Oktober 2016 16:14

Sehr hübsche Sammlung. Wobei mir bei der ersten Episode der tiefere Sinn verborgen bleibt. Die Kommentatoren helfen bestimmt.

Kositza: Ich helf Ihnen! Ach, tieferer Sinn... Mich amüsierte, daß meine Töchter sich so heiter in linksfeministischen Diskursen (Bindung als Ballast, schwerer leidersaum als Symbol für die Eheknute etc.) bewegen!

Was Darkwood und den Fleischtunnel betrifft, kenne ich das Gefühl gut. Als Rechter ist man sich jederzeit im Klaren, dass quasi das gesamte Handeln auch politisch konotiert ist. Es ist kaum vorstellbar, dass der "Wanderer auf dem schmalen Grat" mal eben einen Abstecher ins Tal macht, um sich einen Döner zu kaufen und einen Fleischtunnel setzen zu lassen. Für die meisten Menschen sind solche Widersprüche aber irrelevant. Vielleicht gefällt ihm auch auch einfach nur die Musik.

KW

19. Oktober 2016 16:16

Diese Wegschmeißgesellschaft muß irgendwie überwunden werden. In meiner Familie sind Aufheber, wie meine Tochter, die aus jedem Rest etwas neues kocht oder näht, die alles repariert und alte Sachen neu aufmöbelt. Anders ist meine Schwiegertochter. Die hebt zwar alles auf, müllt sich dabei aber zu, schmeißt dann weg und kauft neu.
Zu den Ringen in den Ohren: Ich hasse sie und denke über die Träger so wie über die Tanten, die mit Stöcken umherwandern, lahm wie die Schnecken, aber Stöcke müssen sein.Wer hat diese Unsitten nur in uns hineingetragen? Aber hineintragen ist das eine, annehmen und nachmachen das andere. In den 90ern waren es Sonnen- und Fitnessstudios, ich weiß nicht, wie ich ohne Täto, Piercing und diese Studios überleben konnte. Naja, was die Masse treibt, mache ich aus Prinzip gerade erst recht nicht.

herr k.

19. Oktober 2016 16:17

...also Darkwood kannte ich noch nicht, jetzt schon und freue mich drüber. Aber als Werkraum-Freund kann man da vlt. auch gar nicht anders.

(https://www.youtube.com/watch?v=YKCnfyVjXXs)

Naja, und der Fleischtunnel ist doch nur das A**chgeweih unserer Zeit....oder etwa nicht?

Ein gebürtiger Hesse

19. Oktober 2016 16:52

Schön zu lesen, daß Darkwood immer noch starke Gefühle wie die beschreibenen anzufachen imstande sind. Letzte Woche hörte ich mit großem Gewinn das "Notwendfeuer"-Album beim Radeln (Höhepunkt: "Roggenfelder" https://www.youtube.com/watch?v=MpOZpwDIlEA ). Nachdem Jännerwein sich durch ihre schäbige IB- und Sellner-Ächtung diskreditiert haben und ich sie nicht mehr hören mag, bin ich gerad auf der Suche nach neuen "Kapellen" (herrliches Wort; um wieviel lauer ist "Band"?), die mir Wucht, Tiefe und Melancholie in die Seele zaubern können. Darkwood vermögen das. Schade, daß ich sie in Leipzig verpaßt habe.

M.L.: Probier's mal mit Forseti oder Rome!

la vie est belle

19. Oktober 2016 17:12

habe grad diesen famosen Film gefunden:

https://www.youtube.com/watch?v=EU7345XW5YM

...da könnten auch Ihre Edelziegen etwas dazu sagen...;)

...und nicht nur die.

Arminius Arndt

19. Oktober 2016 17:16

War auch in Leipzig bei diesem Konzert (habe mich aber nicht vorgestellt, da ich nicht den Fanboy geben wollte, der den privaten Kunstgenuss durch Anquatschen von der Seite stört - ich denke, Frau Kositza und G.K. haben sicher kaum noch die Möglichkeit, unerkannt irgendwo aufzutauchen. So bekannt, wie sie mittlerweile sind, da sollte man ihnen ein Stück Privates im Öffentlichen auch lassen). Leider war die sehr schöne Halle akustisch eine Katastrophe, was den Konzertgenuss arg beeinträchtigt hat (es war traurig, Bands, die man noch bei anderen Örtlichkeiten in den Jahren zuvor kraftvoll und frisch erlebte, jetzt so zu hören).

Ich muss bei dieser Szene von Konzertbesuchern, die sich da regelmäßig einfindet (bin selber seit über 25 Jahren regelmäßiger Gast auf solchen Veranstaltungen) immer wieder an Adolf Loos denken (Ornament und Verbrechen) und bei den Uniform-Fans an den Film "Der Nachtportier" (beides zeugt jetzt nicht gerade von großer Vorstellungskraft, da naheliegend, ich geb´s ja zu ...).

Das schöne an der schwarzen und Neofolk-Szene war aber schon immer, dass die Leute z.T. ziemlich unterschiedlich sind, aber alle eint die Zuneigung zu dieser Art von Musik. Das solche Konzerte nur noch im "Osten" stattfinden, liegt meiner Meinung nach daran, dass es dort noch mehr Anhänger für diese Tonkunst gibt (die Szene wird ja immer älter und in Mitteldeutschland ist man treu) und auch noch Veranstalter, die Konzerte wagen und wegen der Besucher auch finanziell wagen können. Leipzig hat ja bekanntermaßen noch ganz andere Bevölkerungsschichten und ich war froh, dass diese nicht von interessierten Kreisen entsprechend aufgewiegelt wurden.

Ach ja:
Tattoo-Entfernung via Laser ist mittlerweile die zweite Einnahmequelle von Tattoo-Studios geworden. Irgendwann legt sich offenbar alles.

Heinz Obst

19. Oktober 2016 17:35

@Brandenburger Sandstein
@Marodeur
@KW

Metall im Gesicht, Fleischtunnel, Drähte, Tattoos ...

Möglicherweise entspringt diese Mode dem Drang nach Individualität.

Dadurch, daß es aber viele sind, die meinen der jeweiligen Mode folgen zu müssen, ist's am Ende doch wieder nur 'uniform' und keineswegs Ausweis besonderer Individualität.

Mitunter will es einem auch erscheinen, als ob man alles daran setzt, sich selber einfach nur maximal zu verunstalten.

Peter Merbitz

19. Oktober 2016 18:41

Das ist nicht schön, Frau Kositza. Da will man zur zweiten Seite klicken und es gibt keine zweite Seite. So bekomme ich meine regelmäßigen "Das-Wars"-Entzugserscheinungen nicht in den Griff. Bessern Sie sich!

Heinz Obst

19. Oktober 2016 18:57

@ "... Kubitschek erzählte übrigens später: Von fünf Bockverkäufern, die er anrief, hätten drei betont, daß man Wert auf artgerechte Schlachtung lege. Inwiefern? „Naja, ein Moslem sind Sie a nicht, klingen nicht so. Wir haben schon Anfragen aus anderen Kulturkreisen gehabt, und schächten laß ich meinen Bock nicht.“"

------------------------------------------------

Wer's ertragen kann, der findet hier eine Bilderstrecke zum Thema Schächten.

Chris Ball

19. Oktober 2016 19:05

War es Botho Strauss, der schrieb, dass zunächst einmal Graffiti im Grunde Kritzeleien in der Gefängniszelle sind? Gleiches lässt sich sicher auch über Tätowierungen, Bodymodfications etc. sagen.

t.gygax

19. Oktober 2016 19:24

@Heinz Obst / Bilderstrecke zum Schächten
Danke für die Warnung! Ich halte das n i c h t mehr aus, ich bekomme Zustände...Aber da läuft etwas schief, was ich überhaupt nicht mehr einordnen kann.
Vor exakt 37 Jahren besuchte ich einen Öko-Hof in Frankreich. das war ein gutes Projekt, ich war mit Jugendlichen dort. Die Betreiber konvertierten später zum orthodoxen Judentum, warum weiss ich nicht. Irgendwie hat diese Gesetzesreligion sie fasziniert...und dann wurde mir mit Hinweis aufs Alte Testament lang und ausführlich erklärt, dass Schächten die beste Schlachtmethode für ein Tier sei. Die Leute waren hier wie fixiert, konnten meine vorsichtigen Anfragen nicht einmal ertragen.
Wie gesagt, ich komme da nicht mehr mit...und außerdem kann man auch als Vegetarier gut leben, Grünkernküchle sind genial, und Pellkartofeln mit Salz und Salat reichen für mich als kulinarischer Genuß......

Der_Jürgen

19. Oktober 2016 20:49

@La vie est belle

Ich kenne diese beiden genialen Videos seit langem, sehe sie mir aber gerne wieder einmal an. Lutz Meyer hatte recht: Mit Humor und Sarkasmus macht man den Feind lächerlich.

"Satan mag es nicht, wenn man sich über ihn lustig macht."

Von wem das ist, weiss ich leider nicht mehr. Leider nicht von mir, ich wäre stolz auf diesen Ausspruch...

Monika

19. Oktober 2016 21:37

Danke Frau Kositza für die "Spinnstubengeschichten" ( leider nur eine Seite)

@Brandenburger Sandstein

Gunnar

19. Oktober 2016 21:48

"Er sah an mir herunter und verzog den rechten Mundwinkel, bis das berühmte Christopher-Grübchen zu sehen war.
"Mußt Du die Sandalen unebedingt tragen? Sie sehen zum Schämen aus", sagte er.
"Sandalen zu tragen, dear, ist, der Bourgeoisie einen Fußtritt ins Gesicht zu geben." C.K. -1979

Möglicherweise empfand ich bei diesen Zeilen einen Brückenschlag zu den besagten "Fleischtunneln" und Tätowierungen aller Art.
Halten wir uns erst einmal vor Augen, daß jene "Fleischtunnel" die deutschen Lande bereits vor ca. 15 Jahren ereilten (zumindest solange trage ich bereits voller Fußtritt-Verteil-Laune den meinen). Nun kann jeder einmal für sich die Zeitreise wagen und sich vielleicht gar daran erinnern, daß es Zeiten fern der besagten "Trends" gab.

Wer bei Tätowierungen nur an Arschgeweihe, Ronnys und Sandys auf dem Unterarm und allerlei weitere Fehltritte denkt, dem sei seine Aversion durchaus verziehen. Denn jenen empfehle ich zum Beispiel einen Blick auf die Arbeiten von "Lus Lips" zu werfen.

Monika

19. Oktober 2016 21:48

Danke für die "Spinnstubengeschichten " ( Leider nur 1Seite)

@Brandenburger Sandstein

Die krasseren Formen der Bodymodification, etwa diese:
https://www.welt.de/vermischtes/article136958706/Gesichter-wie-aus-der-Hoelle.html
bedürfen sicher einer tiefergehenden philosophisch/ theologischen Betrachtung, etwa dort :
https://www.dijg.de/gender-mainstreaming/fliessende-identitaet-gender/

Dieser Irrsinn überfordert mich und ich flüchte in die älteren Folkbands, irische oder aber Elster Silberflug.
Ich vermute , die Kriegsurenkelin ist nicht identisch mit der Wassernixe, der dieses Lied gewidmet sei:
https://m.youtube.com/watch?v=bIIyzeK4kWM

Stil-Blüte

19. Oktober 2016 21:56

Der absolute Höhepunkt der erotischen Ausstrahlung am französischen Hofe zu Zeiten des Absolutismus war, abgesehen von Perücken in stattlicher Höhe (oben),Reifröcken (unten) u. a. Kostümierungen das Tattoo eines aufgemahlten kleinen Leberfleckes.

@ Liebe Frau Kositza
wie halten Sie es mit der Tattoo-Religion an Ihrem rechter Oberarm? Ich mußte schmunzeln. Die Seife gegen schmutzige Wörter, wann stellen Sie Mittel gegen unliebsam gewordene Tattoos vor?

Kositza: Ha, ich hab noch viel mehr (tätowierte und nicht tätowierte) Jugendsünden!(Ich tät gern zu meinen Verunzierungen die Daten der Taten hinzufügen: 1990, 1991 und 1993, das war es wenigstens noch nicht "in"!) Als Katholikin dachte ich, die seien irgendwie getilgt, also unsichtbar geworden? Komisch.

Heinz Obst

19. Oktober 2016 22:11

@ t.gygax
Mittwoch, 19. Oktober 2016, 07:24 PM

Während Sie diese (schwer erträglichen) Bilder betrachteten, fielen Ihnen gewiß auch die Psychiognomien der jeweils mit abgebildeten Personen auf?

Auch anhand dieser Bilder kann man, wie Michael Klonovsky zum 18. Oktober 2016 notierte, "ermessen, dass uns selbst die Pisa-Studien nur ansatzweise offenbaren, mit welchem Menschenschlag wir es künftig zunehmend zu tun bekommen."

Gladiatorenkämpfe gibt's nicht mehr. - Möglicherweise dient die von Juden und Moslems praktizierte Schächterei, ähnlich wie der im überwiegend katholischen Spanien bis heute gepflegte Stierkampf lediglich als Bemäntelung, um ungestört einem Blutrausch zu frönen?

Im Facebook - hier absichtlich nicht verlinkt - gibt's eine Seite, wo gezeigt wird, wie man in Nepal, anläßlich eines obskuren Feiertages, im Blut watend, von einer johlenden Menschenmenge angefeuert, lebende Haustiere in Stücke zerhackt.
Wie paßt sowas mit der angeblichen Friedfertigkeit von Buddhisten zusammen?

Coriolan

19. Oktober 2016 22:19

Da hier schon einmal von deutschsprachiger Folkmusik die Rede ist, möchte ich nicht versäumen, auf Reifrock hinzuweisen, eine deutsche Prog- und Folk-Rockband der späten siebziger und frühen 80er Jahre.

Wiegenlied
(über Christian von Braunschweig, den Welfenprinzen, [lutherischen] Administrator des Bistums Halberstadt und draufgängerischen Condottiere des 30jährigen Krieges, der unter dem Namen "der tolle Christian" in die Geschichte einging)

Der rechte Barbier (nach einem Gedicht Adalbert v. Chamissos)

Brandenburger Sandstein

19. Oktober 2016 23:25

@ Monika

Vielen lieben Dank für den Lesehinweis! Habe es eben nur überflogen werde den Text aber gleich vollständig lesen.

Zu dem Link mit den "Körpern":
Die Vampirfratzen und Beulenköpfe sind ultimativ ..hässlich. Ich bin Ästhet und das was man da zu sehen bekommt grenzt an Deformation alles Reinen und Schönen. Einfach nur abstoßend...soll jemand so aussehen aber dann kann er auch in einer Höhle wohnen. Ist am Ende ja nichts weiter als ein riesiges "fuck you all" auf der Stirn.

Wolf Silius

20. Oktober 2016 03:40

@ Heinz Obst
Möglicherweise dient die von Juden und Moslems praktizierte Schächterei, ähnlich wie der im überwiegend katholischen Spanien bis heute gepflegte Stierkampf lediglich als Bemäntelung, um ungestört einem Blutrausch zu frönen?

Möglich – jedoch bezüglich des Stierkampfes allenfalls auch, nicht "lediglich". Den Stierkampf verbinde ich mit Stil, dem Matador unterstelle ich Kühnheit. Beides verbietet die Gleichsetzung mit dem Schächten.

t.gygax

20. Oktober 2016 06:07

@ monika @ coriolan
Vielen Dank für die Hinweise auf diese schöne Musik (Elster Silberflug/Reifrock) !
Sehr anhörenswert auch Novalis "Wunderschätze".
Man bekommt richtig Lust auf eine Zeitreise in die 70er.......

Westpreuße

20. Oktober 2016 07:46

Frau Kositza,

Ihre launigen Kriegsurenkel-Anmerkungen sind ja nur das Wellen-Geplätscher an der Oberfläche: Ich verstehe Sie schon; es mag ja etwas dran sein an der Vorsorgementalität der Kriegsgeborenen und ihrer Nachkommen. Ach, wenn es doch nur das wäre. Damit kann man ja leben. Sie selbst machen auf mich ja auch den Eindruck "sowohl - als auch". Sowohl vorsorgend an die gar nicht so kleine Familie denkend, einerseits; andererseits das interessant-intellektuelle Weib, Kompliment...; DAS muß man erst einmal unter einen Hut kriegen...

Nun zur anderen Seite der Kriegsgeborenen, ihrer Kinder und Enkel:
Eines der verkanntesten Themen in der Nachkriegsgesellschaft der beiden deutschen Wirklichkeiten BRD und DDR...:

https://www.kriegskind.de/
Die kurze schriftliche Definition beim Öffnen sagt alles.
Viele Querverweise, Hinweise, eine Therapeutenliste, die sich spezialisiert haben. Unter ihnen z.B. auch Frau Gabriele Baring, die Frau von Arnulf Baring. Kerniger alter Mann inzwischen, es ist ruhiger um ihn geworden...

Kriegskinder haben bis heute das Gefühl der Heimatlosigkeit, Unbehaustheit (kein Ort, nirgends...), des sich nicht zu Hause fühlen in der Welt, innerer Ruhelosigkeit; verborgene Ängste, die überlagert und kompensiert wurden von durch Fleiß geprägten Aufbauleistungen, "Bestandsaufnahme" der Familie: Wer ist denn überhaupt noch da...und wo...? Man hatte nach dem Kriege gar nicht die Zeit, um im emotionalem Elend zu versacken...

Und nun sind sie alt, haben sich schon lange eingewöhnt im neuen Zuhause, manchen ist es ja auch eine neue Heimat geworden. Man könnte also sagen: Es hat sich alles gefügt. Man hat sich traulich eingewöhnt (Hermann Hesse) und ist zufrieden...

Aber unter dem Wellengeplätscher der Oberfläche (siehe oben) ist ALLES noch vorhanden. Ob die von ihnen etwas süffisant genannte Kriegsgeborenen-Literatur etwas bewirkt hat? Schwer zu beurteilen. Millionenauflage? Weiß ich nicht. Ich habe allerdings auch drei, vier dieser Art von Bewältigungsbücher. Es kam alles zu spät: Die Literatur, die Erlebnisberichte, die psychologische Aufarbeitung, ja überhaupt die Kenntnisnahme des Problems: Waren ja nur Millionen Deutsche: Selber schuld. Halt zur falschen Zeit am falschen Ort gelebt. Und überhaupt: Waren das denn nicht alles Nazis...? Nicht zu vergessen die Langzeituntersuchungen verschiedener Universitätsinstitute zu dem Thema und die aktuellen ganz praktischen Hilfsangebote. Löblich, aber weitgehend unbekannt. Die sind aber fast alle ausgelaufen. Ist ja kaum noch einer da...

Aus meiner früheren beruflichen Tätigkeit kann ich sagen: Ja, wird alles weitergegeben. Ja, die Enkel und Urenkel tragen dran, ob sie es wissen oder nicht. Ja, es gibt eine unbewußte Tradierung und Weitergabe des fehlenden Urvertrauens. Das zeigt sich ganz diffizil im Alltag und Beziehungsleben. Ich benutze mit Absicht nicht das sinn-lose Füllwort "Traumata"...Das sagt nämlich alles und nichts: Kriegt das Kind nicht seine Cola und die Pommes mit dem rot-weißen Fettgeschmadder drauf: Schon ist es heutzutage traumatisiert...

Wo hat man denn in diesen Tagen gelesen vom Richtfest der "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" im ehemaligen DEUTSCHLANDHAUS in BERLIN? Frau Steinbach, ohne die das alles nicht gelungen wäre, war auch anwesend. Eine der meistgehaßten politisch wirkenden Frauen. Sie hat es durchgedrückt mit der Drohung, ansonsten das "Zentrum gegen Vertreibungen", irgendwie privat..., zu bauen. Die Stiftung ist ein äußerster verwässerter Kompromiß. Mehr ging nicht. Es bestand die Gefahr, daß nichts Sichtbares mehr geblieben wäre. Überhaupt: Die historische Bedeutung des deutschen Ostens, also Ost-Ostdeutschland sozusagen, wird bestimmt und geprägt von den polnischen Historikern. Ein Trauerspiel. In den diversen Gremien wird alles von den deutschen Junghistorikern, politisch entmannt, abgenickt. Und eine historisch-kritische deutsche (!) Deutung der Ostsiedlung z.B. gibt es schon lange nicht mehr....

Und hier? Zu einem der vorherigen Thema Ereiferungen zu Heinrich Himmler und seinen Posener Mord-Reden. Wer indirekt Heinrich Himmler verteidigt, diesen Menschenschlächter, hinzu noch fahnenflüchtiger Deserteur zum Kriegsende hin, der kann sich natürlich nicht auf das verlorene Eigene konzentrieren...

Liebe, geschätzte Frau Kositza, alles etwas lang geraten. Aber Sie sind "schuld"; Ihre Gedanken zu den Folgen der ollen, geliebten, verlorenen Heimat im Staate Polen...Ich hoffe, es geht durch...
: Patriotische Grüße von der Weichsel

Westpreuße

20. Oktober 2016 08:07

Nachtrag, Präzisierung (7:46 Uhr, heute)

Ich meinte es so...:
...wer die Historizität Heinrich Himmlers Posener Mord - Reden anzweifelt...

Frau Kositza, zum Brautkleid:
https://www.schauspiel-stuttgart.de/content-images/schauspielgalerie/23524/140913effibriest44.jpg
Stuttgarter Schauspielhaus, Thedor Fontane: Effi Briest

Ein Brautkleid samt Trägerin ist immer ein Versprechen. Ob dieses sich in der Wirklichkeit des Lebens auch einlöst, steht auf einem anderen Blatt...
: Grüße von der Weichsel

Arminius Arndt

20. Oktober 2016 08:25

Man bekommt richtig Lust auf eine Zeitreise in die 70er…….

und frühe 80er ... würde ich mal hinzufügen.
Aber Achtung: Ich hab die ganze Folk-Kiste als ziemlich Hippie, Öko-Links-Alternativ und Kräutertee- Landkommunenmäßig in Erinnerung ... es brauchte in den 80ern dann schon nen guten Schuss Anglo-Amerikanisches Inputs in Form der Uniformfetischisten Douglas Pearce und Boyd Rice (letzterer ist sicher kein Folk), um die Sache punkig gegen den links-alternativen Mainstream zu schalten.

Der frühe deutsche Folk-Kram versandete meiner Meinung irgendwann im Grün- Alternativen Esoterik- Bereich, wobei man beim Esoterik-Bereich mittlerweile das Grün gerne streichen darf. Eine späte, massive Restzuckung gab und gibt es in der "Mittelalter"-Szene (kommerziell sicher tausendmal bedeutender, als die derzeitige "Neofolk"-Szene. In diesem Mittelalter-Bereich tummeln sich auch viele Körperverunstalter).

Die Wiedervereinigung machte die Folk- Sache dann wieder deutscher ... (für mich waren Forseti die Retter der ganzen Sache - leider gibt es die nicht mehr).

A.H.

20. Oktober 2016 08:25

Ist doch süß, wie ihre Tochter ihre Weiblichkeit durch so ein Kleid angeschubst findet, dann doch nicht verleugnen muß. ;-)
Habe ich mit meinen Freundinnen als Kind auch gemacht. Ihre Mutter, die aus Berlin in das Brandenburgische Dörfchen gezogen war, hatte einen erheblich mondäneren Kleidungsstil als meine Mutter und wir zogen diese Ballkleider an und schwebten damit einen Moment lang in der erträumten Erwachsenenwelt.

Zu all den Körperverändernden Krücken fällt mir jedesmal nur ein Gedanke ein.
Drang zur Individualität , die dann doch wieder in Uniformität mündet.

Jeder möchte sich abheben, zeigen, etwas darstellen. Und weil der Nachbar / Freund dann das Selbe hat, muß man noch einen drauf setzen. Das ist eindeutig eine psychische Störung.
Menschen , die ihre wahre Schönheit, ihre göttliche Existenz nicht erkennen können und durch ihre Erziehung leider nicht gelernt haben zu sehen.
Ich werde immer ganz traurig, wenn ich Kleinkinder oder sogar Babys sehe, die von ihren Eltern Ohrringe aufgezwungen bekommen. Als wäre so ein Baby nicht das Schönste auf der Welt. Unfassbar, Körperverletzung.
Und zeigt nur wieder das Nicht-Heil- Sein der Eltern.

Ich habe ja nichts dagegen, wenn Menschen sich hübsch anziehen. Sie geben ihrem Körper oder dem Anlaß eine Wertschätzung.
Mache ich auch und verleugne damit nicht, wie gut man sich dabei fühlt.

Ästhetische Kriterien sind heute andere als früher. Bequem und Praktisch haben durchaus ihre Berechtigung.
Und jeder kennt das schöne Gefühl sich aus einem aufgezwungenen Dresscode zu schälen und wieder das Eigene zu tragen.
Man unterstreicht, aber diese Art der Veränderungen sind Körpervernichtend, krank.
Sie wollen, sollen das Innere schöner machen. Da das aber nicht gelingt, setzt eine Art Teufelskreis ein und diese Menschen glauben mit dem nächsten Tattoo, mit der nächsten Steigerung werden sie sich besser fühlen. Akzeptierter. Hoffentlich , endlich ganz.
Ich habe neulich so ein Gespräch geführt, wo Betreffende mir genau das Offenbarte. Sie fand sich nie hübsch und nun mit jedem Tatoo , wie ein Puzzle, ganzer.
Diese Menschen sind im Außen fixiert und kommen nicht an die Ursache ihres Problems.

Monika

20. Oktober 2016 08:48

Liebe Stil-Blüte,
Sie sind eine feine Beobachterin. Das mag ich.

Natürlich war in den 1920ern eine freie Schulter ein Aufreger. Aber das ist heute anders.

Dr. Maximilian Krah in dem Lifestyleblog Cathwalk über "Mode und Moral". Dort schreibt er auch über die Häresie der Hässlichkeit" :
https://thecathwalk.net/2015/10/01/haeresie-der-haesslichkeit-katholische-aesthetik-und-ihr-feind/

Natürlich ist die freie rechte Schulter von Ellen Kositza ein kleiner "Aufreger":
https://m.youtube.com/watch?v=L1OHOVTpIzc
Da ist nichts getilgt, Frau Kositza....komisch
Wir Frauen nehmen die Feinheiten war....in den Spinnstuben.
.Dresden revisited...

Marjellchen

20. Oktober 2016 09:54

Die Kriegsenkel wühlen im eigenen Sein und spüren den Auswirkungen des Krieges auf ihre Erziehung und dem oft kalten Verhältnis zu den Eltern nach. Wir Kriegsurenkel können zuhören, was die Großeltern und andere Alte über den Krieg zu berichten wissen. Wir tun das unbefangener.

Bei den Vertriebenen frage ich mich, wie wir jene nennen wollen, die nach der Erlebnis- und der Bekenntnisgeneration kommen?

Das Horten, Wiederverwenden und Weitergeben sowie die Sparsamkeit waren auch in der DDR gefragt. Ein kreativer Geist und handwerkliches Geschick waren wertvoll. Als Kriegsurenkel und DDR-Kind bin ich in meiner Familie vom maßlosen Konsum verschont geblieben und bin dankbar dafür.

Stil-Blüte

20. Oktober 2016 10:48

@ Ellen Kositza

...Jugendsünden...

-

Das habe ich mir beinahe gedacht. Meine sind unsichtbar und daher noch einen Zahn schärfer. Sie haben es als Katholikin gut. Da protestantisch, rumort das Gewissen zeitweise ganz mächtig. Von der Saula zur Paula sollte auch für Frauen gelten. Dann würden sie sich, wie Sie, Frau Kositza w i r k l i c h befreien. Gab es bei Ihnen einen ungewöhnlichen Weckruf oder war alles, wie gewöhnlich, fließend?

@ Monika
Ja, unsere Textur ist feiner. Ich bezeichne die 'Spinnstuben' gern als 'aus dem Nähkästchen plaudern'. In einem muß ich Ihnen widersprechen'. Dem da ist nichts getilgt, Frau Kositza' würde ich ein 'Doch' entgegenhalten, meint sie doch das rein Geistige/Geistliche. Und das ist bis in alle Ewigkeit unsichtbar.

Hühnerbaron

20. Oktober 2016 11:16

Heute sind mehr Sekundarstufe Schülerinnen tätowiert als nichttätowiert. Die Antwort ist hier enthalten: https://www.youtube.com/watch?v=MEhSk71gUCQ
Irgendjemand der als "cool" gilt und individuell sein will, fängt damit an und los geht es. Der Trend schwappt dann hinein bis zu den total uncoolen Leuten in der Unterschicht und es geht mit einem anderen Fetisch von vorne los.
Die Fleischtunnel sind allerdings ein noch interessanteres Experiment, da nützt der Laser ja nicht viel. Ich gehe daher davon aus, dass wir in ein paar Jahren vielen 50-60 jährige mit gänzlich amputierten Ohrläppchen sehen werden.

nimandundnix

20. Oktober 2016 11:55

@ westpreusse

Als Kriegsenkel kann ich Ihnen nur zustimmen. Die Heimatlosigkeit bleibt eine Konstante im Leben . Ich habe (ohne es zu Wissen) in den Staaten den alten Dialekt gehört und er sprach mehr als nur mein Herz an. Er ging mir in die Seele.

An dem Tage an dem Königsberg wieder deutsch wird, bekomme ich meine nie gesehene Heimat zurück. Dafür bin ich bereit zu kämpfen. Ich will nichts aufarbeiten, meine Heimat und die Eigenart der Menschen bleiben behütet in meinem Herzen. Ich werde nicht vergessen, und meine Kinder hoffentlich auch nicht.

Mit Gruß

Heinz Obst

20. Oktober 2016 13:15

@ Hühnerbaron
Donnerstag, 20. Oktober 2016, 11:16 AM

...

Die Fleischtunnel sind allerdings ein noch interessanteres Experiment, da nützt der Laser ja nicht viel. Ich gehe daher davon aus, dass wir in ein paar Jahren vielen 50-60 jährige mit gänzlich amputierten Ohrläppchen sehen werden.

---------------------------------------------------

Genauso wird es kommen.

Die Einen werden mit zerstörten Ohren in der Gegend herumschlappen.

Andererseits eröffnet sich dadurch auch wieder ein neues Geschäftsfeld.

Die Anderen, die es sich leisten können werden sich, je nachdem, wieviel unbeschädigte Substanz überhaupt noch vorhanden ist, beim Spezialchirugen ihre mehr oder weniger gespaltenen Ohren aus der Restsubstanz wieder herstellen lassen.

Bereits während der 1960er Jahre war in Reiseberichten zum Thema Ostafrika erwähnt, daß man, bevor eine "Karriere" in der Stadt erfolgversprechend beginnen könne, zum Arzt ginge, um sich die maßlos gedehnten Ohrläppchen abschneiden und vernähen zu lassen.

Anschauungsmaterial dazu gibt's hier:

# Bild 1 - aufgenommen in Äthiopien

# Bild 2

# Bild 3

Heinz Obst

20. Oktober 2016 13:21

@ nimandundnix
Donnerstag, 20. Oktober 2016, 11:55 AM

... Dafür bin ich bereit zu kämpfen. Ich will nichts aufarbeiten ...

-----------------------------------------

Aufarbeiten kann man ein altes Sofa.

In Verbindung mit der Vergangenheit gebraucht, ist das Verb 'aufarbeiten' nichts weiter als verschleierndes, lupenreines BRD-Sprech.

Siehe auch DIE SPRACHE DER BRD von Manfred Kleine-Hartlage.

Monika

20. Oktober 2016 13:31

Lieber Westpreuße,
Ihre Gedanken zu Heimatverlust, speziell Ihre Gedanken " zu den Folgen der ollen, geliebten, verlorenen Heimat im Staate Polen" berühren mich immer sehr. Danke.
Obwohl meine Vorfahren keine Vertriebenen waren, haben mich die Deutschen hinter der ' Demarkationslinie' immer interessiert.
Und jetzt habe ich doch meine alten Tagebücher ausgekramt.

1987 war ich mit dem Evangelischen Jugenddienst für Ost-West-Begegnung ( EJD) in Polen. Genauer: in Pommern, im Dorf Sieciemin/Zitzmin.
Wir lebten bei einer deutschen Familie.
In meinem Tagebuch lese ich:
Wir wohnen in einem über 100 Jahre alten Bauernhof, dessen vergangenes Leben noch spricht, bei einem alten Ehepaar, Ulli und Lisbeth P. in Zitzmin, in der Woj.Koszalin (ehemals Köslin). Die alten Leute hatten es nicht gewagt, nach dem Krieg ihre Heimat zu verlassen. Die Kinder waren zu klein, und sie hatten von der gefährlichlichen Flucht mit den Trecks gehört. Also, blieb man, vielleicht würden die Deutschen ja auch zurückkehren. Das war die Hoffnung. Nun war es viel zu spät. Man wollte in der Heimaterde begraben sein....Der Sohn, der den Hof übernehmen sollte, war vor 6 Jahren nach Braunschweig gegangen. ........die wirtschaftlichen Verhältnisse hatten es unmöglich gemacht zu bleiben.
Vom Bauernhof war nicht viel geblieben, das Land wurde von Polen aufgeteilt. ...Die Einfahrt zum Hof wurde von zwei großen Linden eingerahmt, durch die einst ein stolzes Pferdegespann geritten kam, zwei schwarze Pferde, ein Paar, von gleicher Höhe. Und es hatte die Bäuerin mit Stokz erfüllt, die schönen Tiere zu betrachten....Nun waren die Stallungen leer, ein Säufer aus dem Dorf nahm dort manchmal sein Quartier.......
In der guten Stube hängen die Bilder der Eltern und Großeltern des alten Mannes, ein stolzes Geschlecht, oder nicht ? Die Tochter des alten Paares ähnelt stark der Mutter väterlicherseits, die so erhaben vom Foto blickt.
Aber diese Tochter hat so gar nichts edles in ihrem Wesen. Sie ist raffgierig, geschäftstüchtig und schon am ersten Abend, als wir übermüdet auf dem Hof eintrafen, brachte sie hektisch Bernsteinketten an, die sie für Westgeld verkaufen wollte. Ständig fragt sie nach dem materiellen Wohlergehen der "Westler" und jammert, was ihr alles fehlt.....Aufdringlich wacht sie über den Besuch der Mutter. Diese Tochter läßt an der Idylle vom stolzen Geschlecht zweifeln..Vielleicht befindet sich ja ein wonniger Enkel in der Sippe, der Lieblingsenkel der Oma....
In der guten Stube nehmen wir das Sonntagsessen ein: Schweinebraten. Kartoffeln, Bohnen, Gurkensalat in Sahne, Vanillepudding mit dicker Haut und Erdbeersoße. Es gibt Kirschkompott statt Wein...
Nach dem Essen spülen die " Evas" , wie Opa die Mädchen unserer Gruppe liebevoll nennt. Wer käme da noch auf die Idee, daß auch die Jungens mithelfen könnten. Opa muß einmal ein prachtvoller Mann gewesen sein und wir erfüllen nur zu gern sein Frauenbild.........etc.etc.
...Oma weinte beim Abschied, sie schenkte mir einen Schutzengel aus Porzellan - für alle Fälle....

Lieber Westpreuße,
wir waren auch in Deutschkrone. Wir gingen dort zum Bahnhof und auf den Bahngleisen entdeckte ich den Namen "Krupp " in das Metall eingehämmert....Wir besuchten noch eine Deutsche in Schneidemühl. Wir hielten in Flatow und besuchten dort den Friedhof. Die deutsche Abteilung dieses Friedhofes bot ein erschreckendes Bild und wir waren schockiert. Gräber waren aufgebrochen, ein Zinksarg stand herum, Schnapsflaschen lagen im Efeu. Einige deutsche Namen waren noch knapp zu entziffern. Das jüngste Grab stammte von 1937.....
Da wurde mein Katholizismus doch stark von meinem Patriotismus überlagert.....

Heimatverlust empfindet jeder anders, aber Heimatverlust verbindet auch Menschen über Grenzen hinweg.
Wer seine eigene Heimat verleugnet, wird sich auch nie für die Herkunft eines anderen Menschen interessieren....
Entschuldigung, werde nie mehr so lang schreiben...

t.gygax

20. Oktober 2016 15:09

@monika
Schreiben Sie ruhig so viel, diese persönlichen Erfahrungen sind wertvoller als die unzähligen Theoriediskurse. Beim Lesen kam einiges bei mir hoch...ich habe mich mein Leben lang über die "Unbehaustheit" meines Vaters ( Heimatvertriebener) gewundert, erst später erkannte ich, dass dieser Verlust von Heimat etwas Elementares ist, das nie mehr kompensiert werden kann.
Er war-nach heutigen Begriffen- ein erfolgreicher Mann, aber er blieb immer " der Fremde". Und das-obwohl rational nicht erklärbar - hat sich auch auf seine Kinder übertragen.....ob es die Enkel auch noch betrifft, weiss ich nicht. Es ist ein Geheimnis.

Urwinkel

20. Oktober 2016 15:27

Genauso wird es kommen.

Die Einen werden mit zerstörten Ohren in der Gegend herumschlappen.

Andererseits eröffnet sich dadurch auch wieder ein neues Geschäftsfeld.

Das "Geschäftsfeld" ist bereits bestellt. In trendigen -und schnell auswechselbaren Farben sind immer wieder diese Fake-Tunnel zu sehen. Weder Fisch noch Fleisch. So richtig glücklich wirken die Kerle, die damit rumlaufen nicht. Eher desorientiert und mutlos.

Und so ein Ohrlappenschaden können die wenigen Betroffen doch aufrecht und aus dem Konsumterror hervorgehend als Kriegsverletzung tragen. Also keine Kosmetik. Soetwas machen nur Wahninnige. Wahnsinn wohin er gehört, und Schluss.

Durch aufgeschichtete Ringe um den Hals ließe sich präventiv verhindern, daß Ohrlappen " später bis auf die Schulter" sinken.

Noch eine gendergerechte Marktlücke.

Dieter Rose

20. Oktober 2016 18:09

@ Monika
kann gar nicht lang genug sein...

erinnert mich an einen Friedhof in Hirschberg/Schlesien vor etwa 8 Jahren:
die Gräber/Grüfte gefüllt mit Unrat und Plasikflschen -
meine positiven Gefühl sind jäh umgeschlagen.

damals habe ich das "gute" Gerede der Polen dort
als unaufrichtig empfunden

Westpreuße

20. Oktober 2016 18:16

@ Heinz Obst

Sie wenden sich an @ nimandundnix (11:55 heute). Forsch und selbstgewiß belehren Sie ihn. Sie kennen den Unterschied zwischen Gesagtem und Gemeintem...?

Gestatten Sie mir bitte, daß ich zu Ihrer Abqualifikation Stellung nehme. Er sprach mich ja an. Zunächst einmal: Packen Sie Ihr lupenreines BRD-Sprech-Buch bitte zur Seite. Ich kenne es; es ist auch nicht uninteressant...

Bitte graben Sie mit mir etwas tiefer. Ich berufe mich folgend auf Jacob und Wilhelm GRIMMS Deutsches Wörterbuch, das umfassendste, größte und bedeutendste Wörterbuch der deutschen Sprache, ab 1838 ff. erschienen, 1961 beendet...Wir sind uns einig über die Bedeutung "des GRIMM", ja...?!
Ich benutze die Ausgabe der Universität Trier...

"aufarbeiten bis aufbauchen (Bd. 1, Sp. 617 bis 618)
ARBEITEN, conficere, fertig arbeiten: bis ich aufgearbeitet hatte.Luther 5, 528 b. dann für aufbrauchen: der hungrige ruhte nicht, eh er den ganzen vorrat von speise aufgearbeitet; ich habe nun alles papier, alle sammlungen aufgearbeitet. renovare: alte kleider, alte sessel aufarbeiten,
(...) sich aufarbeiten, sich aufraffen: der Mann schien verloren und arbeitete sich doch wieder auf."

@ Herr Obst, Jacob und Wilhelm Grimm schrieben aber noch kein verschleierndes und lupenreines BRD-Deutsch. Und mit etwas gutem Willen wäre es für Sie sehr leicht gewesen, das von @ nimandundnix Geschriebene als das zu erkennen, was es ist: Eine Liebeserklärung, eine Sehnsuchtserklärung, eine Treueerklärung an das Land seiner Vorfahren...

"Aufarbeiten" habe ich nach flüchtigem Durchblick in etwa einem Dutzend Wörterbücher, Lexika/Lexikas AUCH im Sinne von@ nimandundnix gefunden...

@ Nimandundnix: ich danke Ihnen für Ihre Worte. ich weiß nicht, ob Sie schon einmal in Königsberg / Preußen (Oblast Kaliningrad) waren. Das alte Königsberg gibt es leider nicht mehr. Es ist radikal sowjetisiert worden...
Aber es gilt: "Die Erinnerung ist das einzige Paradies, woraus wir nicht vertrieben werden können." (Jean Paul)

@ Monika, liebe...:
Ihr Bericht ist so anschaulich und bewegend. Ich kenne die Landschaft, das von Ihnen Geschilderte teilweise. Da muß ich noch eine Nacht drüber schlafen...Ich danke Ihnen und grüße Sie ganz herzlich!
: Grüße von der Weichsel

Frieda Helbig

20. Oktober 2016 19:17

Lieber tätowiert als links.

Und da es heute wahre Künstler gibt, sind es auch keine Sünden mehr.

Vielleicht auch nur eine Art Kriegsbemalung? Dann würde es ja wieder passen zur heutigen Situation.

Gustav

21. Oktober 2016 08:06

Das nachfolgende Gedicht von Erich Kästner betrifft heute wohl Männchen wie Weibchen:

Sind sie nicht pfuiteuflisch anzuschauen?
Plötzlich färben sich die Klassefrauen,
weil es Mode ist, die Nägel rot!
Wenn es Mode wird, sie abzukauen
oder mit dem Hammer blauzuhauen,
tun sie’s auch. Und freuen sich halbtot.

Wenn es Mode wird, die Brust zu färben,
oder falls man die nicht hat, den Bauch …
Wenn es Mode wird, als Kind zu sterben
oder sich die Hände gelbzugerben,
bis sie Handschuh’n ähneln, tun sie’s auch.

Wenn es Mode wird, sich schwarzzuschmieren …
Wenn verrückte Gänse in Paris
sich die Haut wie Chinakrepp plissieren …
Wenn es Mode wird, auf allen Vieren
durch die Stadt zu kriechen, machen sie’s.

Wenn es gälte, Volapük zu lernen
und die Nasenlöcher zuzunähn
und die Schädeldecke zu entfernen
und das Bein zu heben an Laternen, –
morgen könnten wir’s bei ihnen sehn.

Denn sie fliegen wie mit Engelsflügeln
immer auf den ersten besten Mist.
Selbst das Schienbein würden sie sich bügeln!
Und sie sind auf keine Art zu zügeln,
wenn sie hören, daß was Mode ist.

Wenn’s doch Mode würde, zu verblöden!
Denn in dieser Hinsicht sind sie groß.
Wenn’s doch Mode würde, diesen Kröten
jede Öffnung einzeln zuzulöten!
Denn dann wären wir sie endlich los.

Karl Eduard

21. Oktober 2016 09:50

Danke. Das hat mich, an diesem trüben Tag, zu einem langen Schmunzeln gebracht.

Meier Pirmin

21. Oktober 2016 10:39

@Westpreusse/Monika. "Jede Einzelnheit ist wissenswerth" schrieb Jacob Grimm. Dies gilt besonders für diejenigen "Einzelnheiten", die auf Erfahrung und Beobachtung beruhen.

Ernst-Fr. Siebert

21. Oktober 2016 15:47

Da habe ich aber ein bisschen gegrinst, als die Sprache auf Tattoos kam.
Ich habe eines auf der Schulter einer uns allen (hier im Forum) bekannten Frau gefunden und war überrascht.
Um Mißverständnisse zu vermeiden: Nicht auf der leibhaftigen Schulter, sondern nur im Bild ... äh, Video.

Feuerturm

21. Oktober 2016 16:49

@ein gebürtiger Hesse

Wucht, Tiefe und Melancholie vermittelt zum Beispiel
eine Kapelle, der ich seit einigen Tagen lausche:

Falkenstein (Album: „Die große Göttin“)

Sie bringt wunderschöne Vertonungen deutscher Gedichte (Fitger: Wilde Jagd, Uhland: Des Sängers Fluch usw.), hat aber auch Stücke mit eigenen Texten.

Die Stimmung atmet bunte Herbstlichkeit. Angenehm,
wenn es draußen braust und stürmt.

Franz Rheinberger

23. Oktober 2016 08:20

Ich trage Körperschmuck und sehe - diesen feinsinnigen - Beitrag als das obligatorische schelten, was auch "Tristessese Droite. Die Abende von Schnellroda" und "Gelassen in den Widerstand" zu entnehmen war. Mag es für einen nicht zur schönen, eleganten usw. Neuen Rechten passen, so finde ich gerade durch das Themenangobt, welche die Rechte mir bietet, diese viel interessanter und durch die Besetzung der Begriffe von rechts (Antiimperialismus von Kaiser) holt man eventuell auch wieder jene Teile des Volkes ab, die durch ihr Aussehen bei manchem hier ein seltsames Gefühl zurücklassen (wenn es nur das ist...).

Meier Pirmin

23. Oktober 2016 21:13

@Rheinberger. Habe ausser dem von Ihnen genannten Buch nun auch "Die Einzelfalle" von @Ellen Kositza erhalten und zeige mich beeindruckt vom eschatologischen Ausgangspunkt beim Poeten T.S. Eliot, dessen Übersetzerin ins Deutsche E.H. ich noch vor 30 Jahren kennenlernen durfte. Der Schwerpunkt der Feminismuskrititik liegt meines Erachtens etwas stark auf dem schizoiden Verhalten vieler zum Thema "Köln". Aber eines wird klar: Es ist konsistenter, überzeugender, besser geschrieben als blosse Artikel sowohl hier bei SiN als auch sogar im gedruckten Heft Sezession. Solche Publikationen müssten im Prinzip vor Artikeln und gelegentlichem polemischen gegenseitigem Blog-Austausch den Vorrang der Aufmerksamkeit haben. Das Buch ist eine Vorstudie zu einer noch breiteren und umfassenderen und nach dem Abgang bedeutender Vorläuferinnen zu vertiefender Feminismus-Kritik, die letztlich von Männern nicht geleistet werden kann. Am besten gefielen mir die Partien mit Kritik an deutschen Männern, von denen, das Zitat kommt nicht vor, Caesar abschätzig gesagt hätte, dass sie "ad effeminandos animos" disponiert seien: in Richtung Verweiblichung des Gemüts.

Bei "Tristesse droite" fielen mir die Rätselbilder S. 39 zuerst ins Auge, zum Beispiel das mit dem Stichwort "Ritter" und einem Kleinporträt, der zweite oben links: Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn, den ich schon lesen und kennenlernen durfte, bevor die meisten der Gesprächsteilnehmer von Schnellroda auf der Welt waren. In meinem Arbeitszimmer prangt ein karikaturistisches Porträt eines jungen Mannes mit Spitzbart, das Kuehnelt-Leddihn von mir, einem damaligen Jungrechten, anfertigte, um dann in russischen Buchstaben "Lev Davidovitsch Trotzkj" darunter zu schreiben. Legen Sie mir das nicht als Selbstbespiegelung aus. Ich hätte 1969 gewiss besser in die Runde von Schnellroda gepasst als dies heute der Fall wäre. Gleichzeitig mit Kuehnelt-Leddihn lernte ich in Graubünden noch Thomas Molnar kennen, Verfasser von "Sartre, Ideologe unserer Zeit" und Ernst Kux, "Karl Marx, die revolutionäre Konfession". Ich sehe Frau Kositza, zwei Monate jünger als meine Tochter mit dem Namen der 1794 hingerichteten Königin von Frankreich, jetzt mit anderen Augen als zuvor.

der Gehenkte

24. Oktober 2016 00:01

@t.gygax

Wie es manchmal so ist: Sie schreiben über Ihren Vater:

aber er blieb immer “ der Fremde“. Und das-obwohl rational nicht erklärbar – hat sich auch auf seine Kinder übertragen…..ob es die Enkel auch noch betrifft, weiss ich nicht. Es ist ein Geheimnis.

Darüber hatte ich gerade mit meiner Frau gesprochen ...

Ein allzu großes Geheimnis ist es wohl nicht. Beschäftige mich gerade ein wenig mit den Donauschwaben. Für die letzten Überlebenden ist die Vertreibung oder der Arbeitsdienst im Osten ein ganz existentielles Erlebnis, ganz gleich ob sie noch in Ungarn leben oder heimatvertrieben waren. Die Kinder dieser Generation, die das oft noch in jungen Jahren erlebt haben, halten das in Erinnerung und pflegen die Tradition. Die Enkel machen z.T. noch mit - die Aktivisten unter ihnen unterhalten Zeitschriften oder bauen "Ulmer Schachteln" etc.

Sogar die vierte Generation, die zumindest in Ungarn kaum noch Deutsch spricht, geht noch zum Trachtenverein. Aber es ist meist nur Götzendienst, soziales Event, das solange funktioniert, so lange es noch eine Art Anerkennung dafür gibt. Die Seele ist weg. Und wenn die Alten sterben, dann ist es vorbei ....

Eveline

24. Oktober 2016 08:58

Vor ein paar Jahren machte ich eine 5 tägige Kräuterwanderung im und durchs Niedersächsischen mit.
Zufällig kamen wir an einem alten Friedhof vorbei, wo die Ahnen des vormaligen und heutigen Adelsgeschlechtes ruhten.
Ich dachte damals noch, das nur Hunde die Physiognomie des Herrchens annehmen können, aber das Lärche, Efeu, Hasel und Buxbaum auch die Geschichte dieses Ortes/ der alten Familie erzählen, war mir neu.

So wie die Pflanzen "hingen" und die Last der Flüche aus dem Dorf gegen die Verstorbenen tragen mußten, kamen wir nicht umhin, uns einen Strauß mitzunehmen, um ihn des Abends zu veraschen, Gebete für den Frieden der Ortschaft zu sprechen.

Zwei Tage später besuchten wir wieder den Friedhof, es war deutlich zu spüren, das jetzt ein anderer Geist wehte.

Wir brauchen unsere Ahnen, alle, egal wo sie ihre Heimat ist.

Mein Vater war auch ein Heimatvertriebener und auch so rastlos und unruhig in seinem Leben gewesen.

Meier Pirmin

24. Oktober 2016 10:10

PS. Männer, "ad effeminandos animos", das ist im ersten Buch des "Gallischen Krieges" von Caius Julius Caesar seine Umschreibung für "Memmen". Solche gab es 58 v. Chr. zumindest in Belgien nicht. vgl. noch Asterix und Obelix. Gemäss dem Buch von @Ellen Kositza fehlt bei den über 400 Anzeigen der Kölner Silvesternacht die Anzeige gegen einen deutschen Mann, der einem der Grabscher das Nasenbein gebrochen hätte. Die Anzeige erfolgte deswegen nicht, weil der Befund nicht vorkam. Auch das ist Männergeschichte oder meinetwegen "Gender 2015/16".

Heinrich Brück

24. Oktober 2016 22:12

@ Pirmin Meier
Und warum nicht? "Die Tapfersten all dieser sind die Belger, und zwar deswegen, weil sie von der menschlichen Zivilisation der [römischen] Provinz am weitesten entfernt sind, sehr selten Kaufleute zu ihnen kommen und das einführen, was zur Verweichlichung der Gemüter führt, und weil sie den Germanen, die jenseits des Rheines leben und mit denen sie ständig Krieg führen, sehr nahe sind.
Aus diesem Grund übertreffen auch die Helvetier die übrigen Gallier an Tapferkeit, weil sie sich in fast täglichen Gefechten mit den Germanen messen, wobei sie diese entweder von ihrem Gebiet fernhalten oder selbst in deren Gebiet kämpfen." Caesar
Und dieser Befund Caesars sagt uns noch ganz andere Dinge. Oder haben die Kaufleute etwa gewonnen?

Meier Pirmin

25. Oktober 2016 09:46

@Eveline. Was Sie von der quasi physiognomischen Wirkung der Bäume schreiben, schildert Deutschlands mit Abstand tiefsinnigste Dichterin, Annette von Droste Hülshoff, maximal eindrucksvoll in der "Judenbuche". Auch Adalbert Stifter zeigt nicht nur im "Nachsommer" Sinn für Baumphysiognomik.

@Brück. Was Sie aus Ihrer Übersetzung "Verweichlichung der Gemüter" nennen ist bei Caesar wörtlich die "Verweiblichung der Gemüter" (ad effeminandos animos). Ich bleibe, wie bei der Bibel, nach Möglichkeit beim Original. Natürlich meint es Caesar so wie es bei Ihnen rüberkommt, womit er die Tapferkeit nicht weniger antiker Frauen, nicht bloss diejenige der Elektra, kleinschreibt.

Eveline

26. Oktober 2016 17:26

@ Pirmin Meier

Dankeschön fürs Teilen.

Gerade sah ich die Buchvorstellung "Die Einzelfalle" und mir wurde klar, eigentlich hätte das Buch andersherum heißen müssen.

Zuerst warum der Feminismus ständig die Strassenseite wechselt und daraus
2. folgt die Einzelfalle.

Von oben geschaut schlägt das Pendel mal nach rechts dann nach links oder anders geschrieben mal Opfer mal Täter.

Daraus folgt zwingend die Einzelfalle.

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