Staat! Nein! Doch!

pdf der Druckfassung aus Sezession 27/Dezember 2008

sez_nr_273Gespräch mit André Lichtschlag

SEZESSION: Herr Lichtschlag, Sie sind radikalkapitalistisch und libertär und wünschen den Staat in Wirtschafts- und Finanzfragen zum Teufel. Haben Sie in den letzten zwei Monaten Ihre Ansicht geändert?

LICHTSCHLAG: Ich habe durchaus ein konservatives Menschenbild. Ich glaube, daß Menschen für sich selbst weitsichtiger, wirtschaftlicher und besonnener handeln als Gutmenschen-Bürokraten das für andere tun. Warum sollte ich ausgerechnet dann meine Ansicht ändern, wenn durch die Finanzkrise das ganze Desaster politischer Steuerung und vor allem staatlicher Geldpolitik offenbar wird? Kaum ein Bereich ist dermaßen monopolisiert und reguliert wie die Finanzbranche. Wir haben jahrelang in unserer Zeitschrift diese Finanzkrise vorhergesagt. Wir haben die durch Politik verursachte amerikanische Hypothekenkrise als Ausgangspunkt einer dann weltweiten starken Rezession vorhergesagt, als die US-Häuserpreise noch stiegen. Sie können das alles in vielen Ausgaben meines Magazins nachlesen oder etwa auch in den Büchern unseres Kolumnisten Vogt oder unserer Redaktionsbeiräte Baader, Hülsmann oder Hoppe. Überrascht hat das Desaster nur staatsgläubige, ahnungslose Träumer ohne Interesse an ökonomischen Zusammenhängen.

SEZESSION: Es mag wohl so sein, daß Men­schen für sich selbst weit­sich­tig, wirt­schaft­lich und beson­nen han­deln, und genau dar­in sehe ich die gefähr­li­che Schwä­che Ihrer Über­zeu­gung: Was für den Ein­zel­nen her­vor­ra­gend sein mag, kann für die Gemein­schaft eine Kata­stro­phe bedeu­ten. Oder den­ken Sie nicht auch, daß eini­ge tau­send Finanz­jon­gleu­re aufs Gan­ze gese­hen kata­stro­phal gewirt­schaf­tet haben – für sich selbst und ihre Kin­des­kin­der aller­dings ein für alle Mal genug Geld ver­dient haben?

LICHTSCHLAG: Wenn Men­schen auf dem Markt, also selbst­ver­ant­wort­lich mit ihrem Eigen­tum und frei­wil­lig, han­deln, tun sie dies, weil sie sich einen Vor­teil davon ver­spre­chen. Das ist das „öko­no­mi­sche Mit­tel”, wie es Franz Oppen­hei­mer nann­te. Kei­ner kommt dabei zu Scha­den, von einer „Kata­stro­phe für die Gemein­schaft” ganz zu schwei­gen. Zu die­ser kommt es in unschö­ner Regel­mä­ßig­keit beim Ein­satz des „poli­ti­schen Mit­tels”, also durch umver­tei­len­de Staats­po­li­tik. Im Fal­le der Finanz­kri­se wur­de und wird vom poli­ti­schen Mit­tel reich­hal­tig Gebrauch gemacht. Wenn der Staat aus­gie­big Frei­bier – Geld ohne Deckung – ver­teilt, darf er sich nicht wun­dern, wenn Ein­zel­ne kom­men und trin­ken. Kon­ser­va­ti­ve mit einem rea­lis­ti­schen Men­schen­bild wis­sen das. Schau­en Sie sich die Poli­tik an, die nun in letz­ter Kon­se­quenz zu einer Hyper­in­fla­ti­on füh­ren wird – alles schon dage­we­sen! Poli­tik lernt offen­bar nicht ein­mal aus den Feh­lern der Ver­gan­gen­heit. Kein Wun­der, denn Poli­ti­ker han­deln nicht auf eige­ne Rech­nung, son­dern auf Kos­ten der Steu­er­zah­ler und Infla­ti­ons­op­fer. Damit kommt die Poli­tik immer wie­der durch, weil der Wahn­sinn des zutiefst unso­zia­len poli­ti­schen Mit­tels immer wie­der mit einer nebu­lö­sen Gemein­schafts­ideo­lo­gie oder Demo­kra­tie­du­se­lei bei oft feh­len­der öko­no­mi­scher Klar­sicht ver­schlei­ert wird.
Anders gesagt: Wenn es Sie nur stört, daß eini­ge viel Geld ver­dient haben, dann greift das zu kurz. Davon, daß eini­ge viel Geld ver­die­nen, haben ande­re nicht weni­ger Geld, im Gegen­teil, sofern sie pro­duk­tiv für ande­re tätig sind. Das waren die Finanz­jon­gleu­re, wie Sie sie nen­nen, aber eben nicht, weil sie sich nicht des öko­no­mi­schen Mit­tels auf dem Markt bedient haben, son­dern als Werk­zeu­ge des poli­ti­schen Mit­tels geld­schöp­fe­risch fun­gier­ten. Sie haben auch nicht auf eige­ne Rech­nung und eige­nes Risi­ko gehan­delt, son­dern spä­tes­tens mit den abseh­ba­ren Mil­li­ar­den-Ret­tungs­pa­ke­ten voll auf Kos­ten der Steu­er­zah­ler und – man­gels Deckung der Poli­ti­ker­ver­spre­chen – zukünf­ti­gen Infla­ti­ons­op­fer. Natür­lich las­sen die Poli­ti­ker ihre Hand­lan­ger im Finanz­we­sen – sie kön­nen es ger­ne auch umge­kehrt sehen – nicht hän­gen. Schau­en Sie sich mal an, wer alles im Auf­sichts­rat der KfW sitzt.

SEZESSION: Sie mei­nen also im Ernst, daß es so etwas wie die mas­sen­haf­te Ver­ga­be unge­deck­ter Kre­di­te oder das Akku­mu­lie­ren von Kapi­tal in Ren­ten­fonds und das anschlie­ßen­de „Hedgen” von Unter­neh­men ohne den Staat und staats­po­li­ti­sche Rege­lun­gen nicht gege­ben hätte?

LICHTSCHLAG: Fan­gen wir hin­ten an: Das Hedgen hat mit der Finanz­kri­se wenig zu tun. Die Ren­ten­fonds sind Ergeb­nis direk­ter und indi­rek­ter staat­li­cher Poli­tik, von der Fami­li­en- über Gesell­schafts­rechts- bis zur Geld­po­li­tik. Es gab Zei­ten, da hat man für das Alter anders vor­ge­sorgt. Und die unge­deck­ten Kre­di­te etwa im Immo­bi­li­en­be­reich in den USA wur­den von den zwei halb­staat­li­chen Insti­tu­ten Fan­nie Mae und Fred­die Mac ver­ge­ben, nach­dem sie die poli­ti­schen Vor­ga­ben durch eine gan­zen Rei­he von „Fair Lending”-Gesetzen erhal­ten haben. Die bei­den Insti­tu­te wur­den poli­tisch dahin gelenkt, Dar­le­hen für den Eigen­heim­kauf unbe­dingt an – wie sagt man heu­te so schön? – „sozi­al Schwa­che” zu ver­ge­ben. Das ist so ähn­lich wie sozia­lis­ti­sche Schul­po­li­tik nach dem Mot­to „Abitur für alle”. Am Ende ist es wie immer: Poli­ti­ker kön­nen nicht zau­bern. Der Schwin­del fliegt uns um die Ohren.

SEZESSION: Ich glau­be, wir reden immer noch anein­an­der vor­bei. Der Punkt, auf den ich zie­le, ist Ihr durch nichts gerecht­fer­tig­tes Ver­trau­en in die Ver­nunft einer völ­lig von der staat­li­chen Lei­ne gelas­se­nen Wirt­schaft. Es hat aber noch nie eine Öko­no­mie ohne außer­öko­no­mi­sche Bedin­gun­gen gege­ben. Sie kon­stru­ie­ren ein „Ich”, das markt­fä­hig mit ande­ren umgeht. Der Mensch ist aber viel mehr – zum Glück, will ich meinen.

LICHTSCHLAG: Glau­ben Sie, daß Sie mit ihrem Bild von „einer völ­lig von der staat­li­chen Lei­ne gelas­se­nen Wirt­schaft” vor einem mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­mer bestehen? Er, der heu­te wie nie zuvor durch Regle­men­tie­rung und Aus­beu­tung belas­tet ist, wird Sie ver­mut­lich nicht ver­ste­hen. Natür­lich hat es noch nie eine Öko­no­mie ohne außer­öko­no­mi­sche Bedin­gun­gen gege­ben. Schau­en Sie: Wir haben heu­te einen Staats­an­teil an der Wirt­schaft von 60 bis 70 Pro­zent. In den Dau­er­kri­sen­be­rei­chen Geld, Bil­dung und Gesund­heit liegt der Anteil höher. In der DDR betrug der Staats­an­teil 80 bis 90 Pro­zent. Der Rest an Markt – schwarz, grau und manch­mal auch weiß lizen­siert – hat dafür gesorgt, daß die Men­schen nicht ver­hun­gert sind wie in Nord­ko­rea mit sei­nen fast 100 Pro­zent Kom­man­do­wirt­schaft. Natür­lich ist der Mensch mehr als ein Wirt­schafts­sub­jekt! Etwas ande­res haben auch Markt­wirt­schaft­ler nie behaup­tet – von Adam Smith über Fried­rich August von Hay­ek bis Hans Her­mann Hop­pe haben wir es immer auch mit aus­ge­wie­se­nen Moral­phi­lo­so­phen zu tun, denen es in ihrer Ana­ly­se auch und gera­de um den Men­schen als gan­zes ging. Ich ver­mu­te, daß Ihr und mein Men­schen­bild gar nicht all­zu­weit aus­ein­an­der­lie­gen. Wäh­rend Ihr all­ge­mei­nes Men­schen­bild also im Unter­schied zu dem der lin­ken Träu­mer rea­lis­tisch ist, scheint Ihr Ver­trau­en in staat­li­che Regu­lie­rung selbst im Fall der offen­sicht­li­chen Kata­stro­phe noch gera­de­zu schwär­me­risch zu sein. Ich lade Sie ein: Beschäf­ti­gen Sie sich mehr mit Öko­no­mie und stu­die­ren Sie das Staats­ver­sa­gen! Poli­ti­ker und Büro­kra­ten sind auch nur Men­schen. Nur wie sagt man so schön: Gele­gen­heit macht Die­be! Und wie Men­schen ganz all­ge­mein mit Staats- oder Gemein­ei­gen­tum umge­hen, das kön­nen Sie sehr schön auf öffent­li­chen Toi­let­ten beob­ach­ten. So ähn­lich ist das auch mit der Geld­po­li­tik gelaufen.

SEZESSION: Wir bei­de haben uns bereits im 3. Heft der Sezes­si­on (und par­al­lel in Ihrer Zeit­schrift, eigen­tüm­lich frei) dar­über gestrit­ten, ob der Mensch als blo­ßer Markt­teil­neh­mer aus sich her­aus ver­nünf­tig und för­der­lich und mit Blick auch auf die Lang­fris­tig­keit sei­nes Tuns zu han­deln ver­mag – oder ob nicht doch etwas Vor­öko­no­mi­sches not­wen­dig ist, damit er als Markt­teil­neh­mer nicht zum „Schwein­chen Schlau” mutiert, das nur noch sich kennt. Um Ihr Toi­let­ten-Bild auf­zu­grei­fen: Gut erzo­ge­ne Men­schen gehen mit öffent­li­chen Klos um wie mit ihrem eige­nen. Allein öko­no­misch auf­ge­faß­te Indi­vi­du­en rech­nen rasch durch, ob es sich lohnt, sau­ber zu sein. Die Regle­men­tie­rungs­wut des Staats rührt daher, daß alle stän­dig alles durch­rech­nen. Erzo­ge­ne Men­schen hin­ge­gen brau­chen kaum Regeln.

LICHTSCHLAG: Die DDR sah nicht so grau und abge­wrackt aus, weil die Men­schen dort zu viel her­um­ge­rech­net haben oder weil sie so uner­zo­gen waren. Ihr Öko­no­mie-Ersatz klingt daher ein biß­chen wie eine Mischung aus kom­mu­nis­ti­schem Traum und Pipi Lang­strumpf. Neh­men wir die Men­schen lie­ber so wie sie sind. Aber war­um nur strei­ten – am Ende kom­men wir viel­leicht doch an einer Stel­le zusam­men: Feh­len­des Pri­vat­ei­gen­tum und feh­len­de Ver­ant­wor­tung füh­ren auf län­ge­re Sicht auch zu mora­li­scher und mensch­li­cher Ver­wahr­lo­sung. Übri­gens unten – bei Hartz IV – genau­so wie oben bei abge­ho­be­nen Mana­gern von Welt­kon­zer­nen, die eben auch nicht mehr per­sön­lich mit ihrem Eigen­tum in der Ver­ant­wor­tung ste­hen. Sie ähneln viel­mehr unse­rer demo­kra­ti­schen Poli­ti­ker­kas­te – und sind ihnen ja auch sym­bio­tisch ver­bun­den. Bei den Mana­gern zählt der kurz­fris­tig Share­hol­der Value, bei den demo­kra­ti­schen Poli­ti­kern nur die nächs­te Wahl. Bei­de haf­ten nicht selbst. In die­sem Sin­ne: Pri­vat­ei­gen­tum und Kul­tur – nen­nen Sie Letz­te­res mei­net­we­gen auch „Vor­öko­no­mie” oder „Erzie­hung” – bedin­gen und begüns­ti­gen einander.
                                                             Das Gespräch führ­te Götz Kubitschek

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