Über Felix A.

Übers Wochenende waren wir in einer anderen Welt. Zwar kam es uns vor, als seien wir mit einem gewöhnlichen Kraftfahrzeug unterwegs gewesen, ...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

… doch am Ende wars wohl eine Art Zeit­ma­schi­ne, die uns da als „Leih­wa­gen” ver­mie­tet wur­de. Geheim­tip, sowas! Was wir mit­brach­ten von die­sen zwei Tagen, ist ein Ur-Erleb­nis: sich selbst, hier­zu­lan­de gern in die Kate­go­rie der Erz­kon­ser­va­ti­ven ein­ge­stuft, ein­mal als pro­gres­si­ve Kraft wahr­zu­neh­men. Ein denk­wür­di­ges Erlebnis.

Sicher, wir waren schon häu­fig a) in Öster­reich und b) unter Ver­bin­dungs­stu­den­ten. Das sind Wel­ten, die wir ken­nen und über die wir urtei­len kön­nen. Aber gera­de da waren wir noch nicht: in Linz, sei­nes Zei­chens euro­päi­sche Kul­tur­haupt­stadt 2009.

Hit­ler ist in Linz auf­ge­wach­sen und woll­te es spä­ter zu einem der Pfei­ler des Reichs machen mit mega­lo­ma­nen Bau­ten, einem Adolf-Hit­ler-Hotel und der­glei­chen. Draus wur­de nichts, aber im Lin­zer Schloß­mu­se­um erin­nert man nun per Aus­stel­lung an die „Kul­tur­haupt­stadt des Füh­rers”. Hier ahn­ten wir schon, daß wir uns in einer Art zeit­ver­setz­tem Par­al­lel­uni­ver­sum befin­den. Ob es das auch im Hier & Jetzt Bun­des­deutsch­lands gibt?  Prä­sen­ta­ti­on, his­to­ri­sche Schau ohne Hys­te­rie? Daß bei­spiels­wei­se die soge­nann­te ent­ar­te­te quer durch­ein­an­der mit NS-Kunst prä­sen­tiert wird, daß erst­ge­nann­te nicht mit deut­li­chen Anfüh­rungs­zei­chen apo­stro­phiert wird und letz­te­re nicht in ihrem schmäh­li­chen Kitsch, son­dern gefäl­lig daher­kommt? So waren wir damals, die­ses bei­na­he neu­tral gehal­te­ne Bekennt­nis zieht sich durch die Aus­stel­lung, und nicht: So waren die.

Wir sind in Ander­land. Noch exo­ti­scher – auf eine bezau­bern­de Wei­se – war die Stim­mung des Abends. Kubit­schek war gela­den, die Fest­re­de anläß­lich des gro­ßen Kom­mers zu hal­ten, den die hie­si­ge Bur­schen­schaft Armi­nia Czer­no­witz ver­an­stal­te­te. Ein rie­si­ger, prunk­voll geschmück­ter Saal, fei­er­lich kos­tü­mier­te Ver­bin­dungs­män­ner, ange­reist aus allen Tei­len Ander­lands, dane­ben hono­ri­ge Gäs­te, die außer Uni­for­men gan­ze Rei­hun­gen von Titeln mit sich tru­gen, wie’s eben ander­län­di­sche Sit­te ist: Herr Land­rats­ab­ge­ord­ne­ter Magis­ter Bri­ga­dier sound­so, Herr Diplom-Inge­nieur Graf sonst­wie. Unser­eins, der­ma­ßen aus der Zeit gefal­len, trug sich etli­che höchst freund­lich vor­ge­tra­ge­ne Rügen ein: Ob man den eige­nen, feh­len­den Titel in Deutsch­land ver­ges­sen habe? Ob es sich zie­me, die Dame sich ohne Hil­fe des Man­tels ent­le­di­gen zu las­sen? Daß der Herr (aus Prin­zip) über kei­ne Kra­wat­te ver­fü­ge und (aus Zufall) über kein Jackett, wur­de genau­so zur Kennt­nis genom­men wie das – natür­lich aus Zufall – ver­ges­se­ne Dirndl der Dame. Aber, wie gesagt, alles höchst charmant.

Mei­ne Güte, war das ein Abend! Gesang, Bier und Wein, Auf­marsch der säbel­be­wehr­ten Char­gen, for­mel­haf­te Ankün­di­gun­gen, Pathos: Der­glei­chen kennt, wer je „unter Bur­schen” war. Aber Ach­tung – man ver­ges­se nicht, daß wir uns hier in ande­rer Zeit und an ande­rem Ort befan­den! Was hier fehl­te: die Steif­heit, das Auf­ge­setz­te, die offen­kun­di­ge Hohl­heit des Pathos, das gera­de­zu bewußt Reak­tio­nä­re. Über­schmink­te Damen, schwer betrun­ke­ne Her­ren, die ab Mit­ter­nacht mit loser Zun­ge gewag­te Lie­der anstim­men – Fehl­an­zei­ge in Ander­land. Wohl­an­stän­dig das alles hier, unver­knif­fen – frei­heit­lich halt. In einer obsku­ren Ver­gan­gen­heit gelan­det waren wir aber offen­sicht­lich nicht – daß wirk­lich jeder vor sich auf dem Tisch sei­nen black­ber­ry lie­gen hat­te, muß­te doch hei­ßen, daß wir nicht unter net­ten Vor­gest­ri­gen gelan­det waren. Glei­che Zeit, ande­rer Ort.

Und der Bri­ga­dier Magis­ter (mein Tisch­nach­bar) brach­te es mit einer kur­zen Bemer­kung auf den Punkt: Ihr Deut­schen, sag­te er, seid uns theo­re­tisch über­le­gen (Kubit­schek hat­te sei­nen Vor­trag gera­de been­det), aber in der Pra­xis sind wir Euch mei­len­weit voraus.

Oder – hin­ter­her, glück­li­cher­wei­se? Ach! Felix Austria!

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.