Schöpferischer Nihilismus. Lange lesen – oder Hegemann?

pdf der Druckfassung aus Sezession 37 / August 2010

von Frank Lisson

Der Nihilismus sei ein »Glücksgefühl«, betonte Gottfried Benn. Er konnte so empfinden, weil er den Nihilismus als unabwendbaren Zustand modernen Lebens akzeptierte, der künstlerische Freiräume schaffe. Tatsächlich hat der Nihilismus die Moderne geprägt wie kaum eine andere Geisteshaltung: er bereitete ihr den Weg, führte in die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts, und wurde danach dergestalt »integriert«, daß er heute als überwunden gilt und dementsprechend gar nicht mehr wahrgenommen wird.

Wirk­sam geblie­ben ist er trotz­dem. Am Bei­spiel der bei­den grund­ver­schie­de­nen Autoren Hart­mut Lan­ge und Hele­ne Hege­mann läßt sich ver­an­schau­li­chen, wie es heu­te um die­ses Phä­no­men bestellt ist und wel­che hem­men­de oder befrei­en­de Wir­kung von ihm ausgeht.
Nach dem Nihi­lis­mus leben heißt, kei­ne Vor­stel­lung mehr davon zu besit­zen, wie es war, vor dem Nihi­lis­mus gelebt zu haben. Doch damit ist der Nihi­lis­mus als Zustand natür­lich nicht aus der Welt. Er hat nur sei­ne Erschei­nungs­form gewechselt.
Die viel­leicht tref­fends­te Defi­ni­ti­on, was Nihi­lis­mus über­haupt sei, for­mu­lier­te Mar­tin Heid­eg­ger in den frü­hen vier­zi­ger Jah­ren: »Der »Nihi­lis­mus « ist die zur Herr­schaft kom­men­de Wahr­heit, daß alle bis­he­ri­gen Zie­le des Sei­en­den hin­fäl­lig gewor­den sind. … ›Nihi­lis­mus‹, klas­sisch gedacht, heißt viel­mehr jetzt die Befrei­ung von den bis­he­ri­gen Wer­ten als Befrei­ung zu einer Umwer­tung aller (die­ser) Wer­te. … Zu die­sem Wan­del gehört, daß nicht nur die bis­he­ri­gen Wer­te einer Ent­wer­tung anheim­fal­len, son­dern daß vor allem das Bedürf­nis nach Wer­ten der bis­he­ri­gen Art und an der bis­he­ri­gen Stel­le – näm­lich im Über­sinn­li­chen – ent­wur­zelt wird. Die Ent­wur­ze­lung der bis­he­ri­gen Bedürf­nis­se geschieht am sichers­ten durch eine Erzie­hung zur wach­sen­den Unkennt­nis der bis­he­ri­gen Wer­te, durch ein Aus­lö­schen der bis­he­ri­gen Geschich­te auf dem Weg eines Umschrei­bens ihrer Grund­zü­ge.« – Genau das pas­sier­te in den drei gro­ßen Tota­li­ta­ris­men des 20. Jahr­hun­derts: im Bol­sche­wis­mus, im Faschis­mus, in der 68er Bewegung.
Die Aus­wir­kun­gen die­ser »kul­tu­rel­len Kata­stro­phen« bestim­men bis heu­te nach­hal­tig unser Den­ken. Vie­le, die sich von der radi­ka­len Moder­ne tota­li­tä­rer Bewe­gun­gen beein­dru­cken lie­ßen, erla­gen der Ver­su­chung, den Teu­fel mit dem Beel­ze­bub aus­trei­ben zu wol­len. Prak­ti­zier­ter Nihi­lis­mus über­win­de den gefühl­ten, ver­spre­che geis­ti­ge »Erneue­rung« und »Ret­tung« aus der ver­fah­re­nen Situa­ti­on »zivi­li­sa­to­ri­scher« Ver­hält­nis­se, die vor allem als Ver­lust sämt­li­cher For­men oder als »Ent­frem­dung« wahr­ge­nom­men wurde.
Der Ver­such miß­lang gründ­lich. Eine Fol­ge davon war, daß der Nihi­lis­mus als Phä­no­men hin­ter den Ereig­nis­sen sei­ner Wir­kung ver­schwand. War den Men­schen der Nihi­lis­mus als Phä­no­men vor des­sen poli­ti­scher, also prak­ti­scher Umset­zung geis­tig vie­ler­orts gegen­wär­tig, so ist uns heu­te der Natio­nal­so­zia­lis­mus als reprä­sen­ta­tivs­te Muta­ti­on des Nihi­lis­mus noch viel gegen­wär­ti­ger. Statt über den Nihi­lis­mus reden wir heu­te über den Natio­nal­so­zia­lis­mus. Denn der ist greif­ba­rer, weni­ger abs­trakt. Indem uns das Ereig­nis des Natio­nal­so­zia­lis­mus bis in jeden Win­kel unse­res Daseins hin­ein ver­folgt, kämp­fen wir unse­ren Stell­ver­tre­ter­krieg gegen den Nihilismus.
Dabei ver­lan­gen wir nach einer »rei­ni­gen­den Hand­lung«, die ritu­ell voll­zo­gen wer­den kann und dadurch den »Fluch des ver­dräng­ten Nihi­lis­mus « zu ban­nen hilft. Weil der Natio­nal­so­zia­lis­mus so mör­de­risch wie not­wen­dig schei­tern muß­te, stif­tet der täg­lich geführ­te Kampf gegen ihn heu­te den viel­leicht letz­ten Sinn »ideel­ler« poli­ti­scher Handlungen.

Das lite­ra­ri­sche Werk Hart­mut Lan­ges, über­wie­gend Novel­len und Essays, ist von einer tie­fen Melan­cho­lie durch­zo­gen, die aus eben jenem Schei­tern des Men­schen an der Über­win­dung der Form­lo­sig­keit und »Ent­frem­dung« resul­tiert. Geis­tig fest im 20. Jahr­hun­dert ver­wur­zelt, leis­tet Lan­ge eine Art stil­ler Trau­er­ar­beit. Sein Nihi­lis­mus ist »bür­ger­lich«, lei­se, manch­mal etwas betu­lich. Und er wird bewußt reflek­tiert. Es gibt ein paar wirk­lich gran­dio­se Novel­len von Lan­ge, und das sind bezeich­nen­der­wei­se gera­de die, in denen er das oben beschrie­be­ne Trau­ma zu ver­ar­bei­ten sucht. Er hat, Jahr­gang 1937, die Tota­li­ta­ris­men und ins­be­son­de­re den Natio­nal­so­zia­lis­mus so tief ver­in­ner­licht, daß sie ihn bis heu­te in einer Art melan­cho­li­scher Gefan­gen­schaft hal­ten. Mit­te der acht­zi­ger Jah­re rang Lan­ge mehr­mals hef­tig mit den gro­ßen Äuße­run­gen prak­ti­zier­ten Nihi­lis­mus, danach beschrieb er fast nur noch Wege ihres Nach­le­bens. 1983 erschie­nen die Auf­zeich­nun­gen Deut­sche Emp­fin­dun­gen. Tage­buch eines Melan­cho­li­kers, wenig spä­ter, 1984, unter dem Titel Die Wald­stein­so­na­te, fünf Novel­len von zeit­lo­ser Kraft und Schön­heit, die bis heu­te den ein­sa­men Gip­fel­punkt in Lan­ges Schaf­fen dar­stel­len dürf­ten. 1986 leg­te er mit der Novel­le Das Kon­zert noch ein­mal nach, indem er den Stoff der Abschluß­no­vel­le Die Hei­ter­keit des Todes aus der genann­ten Samm­lung erneut auf­griff. In bei­den Tex­ten geht es um jun­ge ermor­de­te Juden, die im Ber­lin der Gegen­wart als »Gespens­ter« erschei­nen, um – und dar­in besteht die Ori­gi­na­li­tät – in Anwe­sen­heit oder sogar in Ver­bin­dung mit ihren Mör­dern fort­zu­set­zen, wor­an sie ihr frü­her Tod einst gehin­dert hat: »Da uns das Leben unglück­lich macht, gesche­hen im Tod die Zei­chen und Wun­der!« Die­se Bemü­hun­gen, die das dama­li­ge Publi­kum stark pola­ri­sier­ten, kön­nen als jene »rei­ni­gen­den Hand­lun­gen« ver­stan­den wer­den, von denen oben die Rede war. Denn das kenn­zeich­net den Nihi­lis­mus »alten Schla­ges«, der wie bei Lan­ge ein »belas­ten­der«, »bedrü­cken­der«, »gewis­sen­haf­ter« und »mora­lisch-deut­scher« Nihi­lis­mus ist, daß er nach einer sol­chen »Rei­ni­gung« verlangt.
Ganz anders Hele­ne Hege­mann, die mit Axolotl Road­kill ein weit­ge­hend unter­schätz­tes Psy­cho­gramm post­his­to­ri­schen Bewußt­seins gelie­fert hat. Ihr Nihi­lis­mus ist kein bewußt reflek­tier­ter, son­dern ein ver­in­ner­lich­ter, ein geleb­ter, der des­halb auch gar nicht mehr expli­zit aus­ge­spro­chen wer­den muß. Statt »belas­tend« wirkt er »ent­las­tend«, statt »bedrü­ckend« »ent­rü­ckend«, statt »gewis­sen­haft« »cool«, und statt »mora­lisch­deutsch « »amo­ra­lisch-welt­ver­lo­ren«. Und genau dar­in besteht das Beson­de­re, das Erfri­schen­de, das Über­ra­schen­de die­ser erst acht­zehn­jäh­ri­gen Autorin. Denn: »Es kommt näm­lich dar­auf an, was man aus sei­nem Nihi­lis­mus macht.« (Gott­fried Benn)
Bekannt­lich hat das Feuil­le­ton Hege­mann – die bereits 2009 mit ihrem gran­dio­sen Debüt­film Tor­pe­do auf­ge­fal­len war und einer ein­fluß­rei­chen Intel­lek­tu­el­len­fa­mi­lie ent­stammt – eif­rig als Wun­der­kind gefei­ert, um sich dann wochen­lang über ein paar Pla­gia­te zu echauf­fie­ren, die so gering sind, daß sie auf die Bedeu­tung des Buches wirk­lich kei­nen Ein­fluß haben. Aber jeder muß­te über sie reden, denn »Hele­ne ist ein Mäd­chen, dem Erwach­se­ne gern gefal­len wol­len. In ihrer Nähe füh­len sie sich hip. Ein Teen­ager, der klü­ger ist als die meis­ten Drei­ßig­jäh­ri­gen – ein biß­chen schräg, aber irgend­wie cool.« (Jan Simon)

Die Spiel­re­geln und Funk­ti­ons­wei­sen des Betriebs sind fest­ge­fah­ren und bekannt, jeder weiß, wie Bücher »gemacht« wer­den, wer mit wel­chen The­men oder »Pro­vo­ka­tio­nen« wo lan­det. – Und doch scheint das Sys­tem lang­sam etwas durch­läs­si­ger zu wer­den. Die oft selt­sam ober­fläch­li­chen Reak­tio­nen auf Axolotl Road­kill deu­ten jeden­falls in die­se Richtung.
»Ficken, Kot­zen, Tan­zen: So stel­len sich berufs­ju­gend­li­che ber­lin­be­sof­fe­ne Feuil­le­to­nis­ten das Jung­sein gern vor. Hege­mann gibt ihnen, was sie ver­die­nen«, urteil­te Denis Scheck. Stimmt wohl, greift aber zu kurz. Die Kon­ser­va­ti­ven sto­ßen sich am Jar­gon, an der Fäkal­spra­che, an der augen­schein­lich kaput­ten Welt, die Hege­mann als akti­ver Teil beschreibt. Und die macht­ver­wöhn­ten Lin­ken müs­sen unzu­frie­den sein, weil sie eine Gefahr dort wit­tern soll­ten, wo ihre ver­lo­ge­nen Lebens­ent­wür­fe schei­tern und sich in Form von Lite­ra­tur (zunächst!) gegen die Ver­ur­sa­cher zu rich­ten begin­nen. Sie bemer­ken, daß die aner­zo­ge­nen Refle­xe, über die gan­ze Gene­ra­tio­nen zu guten Sozi­al-Demo­kra­ten abge­rich­tet wur­den, auf Respekt­lo­sig­keit sto­ßen und an Kraft ver­lie­ren. Viel­leicht löst sich die Gene­ra­ti­on der heu­te Acht­zehn­jäh­ri­gen tat­säch­lich aus dem Bann der mora­li­schen Abhän­gig­kei­ten ihrer Eltern und Groß­el­tern, was nicht nur auf die Lite­ra­tur unge­heu­er befrei­end wir­ken dürfte.
Denn wer hät­te noch vor zehn Jah­ren – selbst wenn er die Toch­ter des ehe­ma­li­gen Chef­dra­ma­tur­gen der Ber­li­ner Volks­büh­ne, Carl Hege­mann, ist – Sät­ze schrei­ben dür­fen wie die­se, ohne dafür unge­druckt oder wenigs­tens vom Betrieb igno­riert zu blei­ben: »Und dein Vater?« »Der ist eins von die­sen lin­ken, durch­set­zungs­un­fä­hi­gen Arsch­lö­chern über­durch­schnitt­li­chen Ein­kom­mens, die unun­ter­bro­chen Kunst mit Anspruch auf Ewig­keit machen und in der August­stra­ße wohnen.«
Natür­lich hat Carl Hege­mann – direkt oder indi­rekt – an die­sem Buch kräf­tig mit­ge­wirkt (er wird in der Dank­sa­gung deut­lich her­vor­ge­ho­ben), aber sol­che Pas­sa­gen eben nicht ver­hin­dert. Gewiß: In dem Buch wird viel koket­tiert, es ent­hält viel »Volks­büh­ne«, und manch­mal hat man den Ein­druck, als sei es nicht zuletzt mit Blick auf den herr­schen­den Typus hie­si­ger Feuil­le­to­nis­ten geschrie­ben. Aber ganz gleich, wie­viel »Berech­nung« in die­sem Buch steckt: Die emo­tio­na­le wie geis­ti­ge Wohl­stands­ver­wahr­lo­sung als Fol­ge der post-acht­und­sech­zi­ger Kon­sens­kul­tur kommt dras­tisch zur Spra­che. Und damit auch Kri­tik an dem Milieu, das sich, je desas­trö­ser die Ver­hält­nis­se wer­den, umso trot­zi­ger selbst fei­ert und abschirmt, da es sich für das Bes­te hält, was die­sem Land je wider­fah­ren ist.
Zwar bedeu­tet das noch kei­ne Wen­de in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung, son­dern zunächst nur die Schwä­chung bestimm­ter antrai­nier­ter Gewohn­hei­ten durch Gleich­gül­tig­keit, aber immer­hin. Und es ist die­se Non­cha­lance, die den geis­tig homo­ge­ni­sier­ten Betrieb viel­leicht lang­sam für ande­re Men­ta­li­tä­ten, Cha­rak­te­re oder Denk­wei­sen öff­nen dürfte:
»Mitt­ler­wei­le sit­zen wir am Früh­stücks­tisch, Anni­ka spült eine hal­be Rital­in mit Mager­milch­ka­kao run­ter und teilt den Inhalt der zwei­ten Nord­see­krab­ben­pa­ckung in drei gleich gro­ße Por­tio­nen auf. Lars, Anni­ka und ich ver­ste­hen uns wun­der­bar. Anni­ka fragt: ›Was hät­tet ihr denn heu­te gehabt in der Schu­le?‹ ›Hä?‹ ›Na ja, was für Fächer? Was für Fächer ver­paßt du jetzt? Mathe? Wenn du tech­ni­sches Wer­ken ver­paßt, kriegst du eine Sechs aufs Zeug­nis!‹ ›Die fah­ren irgend­wie alle ins KZ heu­te.‹ ›Groß­ar­tig!‹«

An die Sei­te des bedrü­cken­den Nihi­lis­mus, der jahr­zehn­te­lang das bun­des­deut­sche Selbst­ver­ständ­nis bil­de­te, gesellt sich nun ein ent­rü­cken­der. Tref­fen bei­de For­men auf­ein­an­der, ent­ste­hen gro­tes­ke Situa­tio­nen, die mehr über den Grad der »deut­sche Psy­cho­se« ver­ra­ten als alle theo­re­ti­schen Ver­su­che. In Axolotl Road­kill ist Hele­ne Hege­mann die Beschrei­bung sol­cher Sze­nen unter­halt­sam gelungen:
»Vor zwei Wochen ist mir wie­der so was Komi­sches pas­siert, als ich nachts durch die Cho­ri­ner Stra­ße gelatscht bin und auf der gegen­über­lie­gen­den Stra­ßen­sei­te plötz­lich so eine mega­ag­gres­si­ve Grup­pe klei­ner Voll­prolls gese­hen habe. … ›Bleib ste­hen, du hast sowie­so kei­ne Chan­ce‹, sag­te der Häß­lichs­te von ihnen … Dann kick­te jemand von hin­ten sei­nen Fuß in mein Blick­feld, ich konn­te gera­de noch aus­wei­chen. … Der Häß­li­che dann irgend­wie so: ›Ey, has­su gera­de Nazi­gruß gemacht zu mir oder was?‹ ›Wie bit­te?‹ ›Ich hab’s gese­hen, du hast gera­de Nazi­gruß gemacht, Alter!‹ ›Nein, hab ich nicht.‹ ›Ich hab’s doch gese­hen, ey!‹ ›Spinnst du? Ich hab mei­ne Kopf­hö­rer auf­ge­setzt, ich bin sel­ber Aus­län­de­rin!‹ Die Mie­ne der Typen ver­stei­ner­te sich, und dann ver­än­der­ten sie ihre Hal­tung und waren alle ziem­lich ver­wirrt. ›Kraß, Ent­schul­di­gung, wir dach­ten, Sie wären Nazi.‹ ›Nein, Mann! Ihr könnt doch nicht durch die Cho­ri­ner Stra­ße lau­fen und Leu­te platt­ma­chen.‹ ›Na ja, wir machen das immer so, also Erhan kickt dann immer, und dann lie­gen die Leu­te auf dem Boden, und dann gehen die ande­ren noch mal drauf.‹ Erhan so: ›Ja, sor­ry, der Kick, zum Glück habe ich nicht getrof­fen.‹ ›Haben Sie eine Ziga­ret­te für uns?‹«
Ein Land, in dem sich sol­che Sze­nen abspie­len, befin­det sich im Zustand fort­ge­schrit­te­ner Dege­ne­ra­ti­on: Die »deut­sche Psy­cho­se« wird nur noch von denen bemerkt, die nicht von ihr befal­len sind. Die »Vita­len« – allen vor­an jün­ge­re Aus­län­der – haben das Macht­va­ku­um erkannt, das dar­in für sie besteht. Der täg­lich prak­ti­zier­te Opfer­kult »rei­ni­gen­der Hand­lun­gen« läßt die Prak­ti­zie­ren­den selbst zu Opfern wer­den. Eine gan­ze Gesell­schaft hat sich mora­lisch zur Hand­lungs­un­fä­hig­keit erzo­gen, indem sie ihren Stell­ver­tre­ter­krieg gegen den Nihi­lis­mus als dok­tri­nä­ren »Anti­fa­schis­mus« führt und zur Staats­rä­son erklärt. Die­ser Zustand teilt die Men­schen in »Befan­ge­ne« und »Unbe­fan­ge­ne«, in »Deut­sche« und »Aus­län­der«. Und es reicht, wie im Fal­le der Haupt­fi­gur Mif­ti, das Bekennt­nis zu den »Unbe­fan­ge­nen«, um von der Sei­te der »Opfer« auf die der »Täter« zu wechseln.
Wäh­rend der Faschis­mus für die »deka­dent Vita­len« und »mora­lisch Unbe­fan­ge­nen« nur noch als Ursa­che der gro­ßen Psy­cho­se von Inter­es­se ist, wer­den die sich wie auch immer zur »Betrof­fen­heit« Beken­nen­den von die­ser Psy­cho­se nach wie vor beherrscht. Des­halb stellt sich heu­te – gera­de für Ange­hö­ri­ge der Zwi­schen­ge­ne­ra­tio­nen – die viel­leicht größ­te Grund­satz­fra­ge unse­rer Zeit: Zu wel­cher Sei­te gehö­re ich?
Denn das ist der Unter­schied zwi­schen dem geleb­ten, »schmut­zi­gen« Ent­las­tungs­ni­hi­lis­mus einer Hege­mann, der tat­säch­lich im Sin­ne Ben­ns als schöp­fe­ri­sches »Glücks­ge­fühl« emp­fun­den wer­den kann, und dem gepfleg­ten »rei­ni­gen­den« Belas­tungs­ni­hi­lis­mus eines Hart­mut Lan­ge, des­sen jüngs­ter Novel­len­band, Der Abgrund des End­li­chen, nicht zufäl­lig mit fol­gen­den Wor­ten aus dem Mund eines reu­igen Mör­ders endet: »Hel­fen Sie mir. Ich habe Angst.« Und: »Es ist mir nicht mög­lich, ohne Süh­ne zu ster­ben.« – Wor­te, die so unge­heu­er wie unge­wollt sym­bol­träch­tig sind für die­ses kran­ke Land.

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