Norwegian Psycho

Wie zu erwarten war, hat im Gefolge von Oslo/Utøya eine fröhliche und billige Hetze auf alles, was nicht Links ist, eingesetzt.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Brei­viks über wei­te Stre­cken gegut­ten­berg­tes “Mani­fest”, ein Welt­an­schau­un­gen ver­schlu­cken­des schwar­zes Loch, ist volu­mi­nös und eklek­ti­zis­tisch voll­ge­packt genug, daß jeder­mann dar­in etwas für sei­ne Zwe­cke fin­den wird. Wohl bekomm’s. Mei­ne Lust, eine mit Halb­wis­sen und Unter­stel­lun­gen gespick­te Dif­fa­mie­rung wie jene von Vol­ker Weiß im Spie­gel auch noch zu wider­le­gen, ist jeden­falls rela­tiv gering.

Sie ist so vor­her­seh­bar, daß ich sie sel­ber hät­te schrei­ben kön­nen. Außer­dem bringt es erfah­rungs­ge­mäß nichts, mit Lin­ken und Libe­ra­len end­lo­se “Ich sehe etwas, was Du nicht siehst”-Spielchen zu spie­len. Statt­des­sen will ich mich im fol­gen­den auf eine gründ­li­che Ana­ly­se des Fal­les Brei­vik kon­zen­trie­ren. (Update: auf Bit­te der JF habe ich nun doch eine Ant­wort auf Herrn Weiß geschrieben.)

I.

Der Ter­ro­ris­mus bedarf des Reso­nanz­kör­pers und der Kom­pli­zen­schaft der Mas­sen­me­di­en, um an sein Ziel zu kom­men. Ihre Struk­tur bedingt, daß sie nicht gar nicht anders kön­nen, als so zu reagie­ren, wie es der Ter­ro­rist wünscht. Der Ter­ro­rist kann mit mathe­ma­ti­scher Sicher­heit dar­auf bau­en, daß die­ser tau­send­köp­fi­ge Behe­mo­th anbei­ßen wird, denn er hat einen unwi­der­steh­li­chen Köder anzu­bie­ten. Durch die media­le Ver­viel­fäl­ti­gung wer­den der Schre­cken und die Angst, die er zu erzeu­gen beab­sich­tigt,  in jedes Wohn­zim­mer, jeden Bild­schirm, jedes Mobil­te­le­fon und jeden Kopf hin­ein­trans­por­tiert. Die Flut­wel­len der Angst bekom­men dadurch eine glo­ba­le Reich­wei­te, wie es sie nie zuvor gab. Inso­fern ist das Kal­kül des Anders Brei­vik präch­tig aufgegangen.

Sein Eigen­mar­ke­ting war von lan­ger Hand geplant, so gründ­lich, daß er bereits im Vor­feld sei­ne offi­zi­el­len PR-Fotos selbst kon­zi­piert hat, über die er wahr­ge­nom­men wer­den woll­te.  Über­all tau­chen sie nun auf, die Iko­nen, die er von sich her­stel­len ließ, im pro­fes­sio­nel­len Stu­dio-Look, als metro­se­xu­ell ange­hauch­tes männ­li­ches Model, das auf dem vir­tu­el­len Cat­walk sei­ne selbst­er­fun­de­ne Recon­quis­ta-Mode zur Schau stellt, als woll­te er einen Online-Shop auf­ma­chen, in selbst­ver­lieb­ten Posen als Frei­mau­rer, “Marxisten”-Terminator und Kreuz­rit­ter eines Fan­ta­sie­or­dens, des­sen ein­zi­ges Mit­glied er (offen­bar) ist.

Ein augen­schein­lich patho­lo­gi­scher Nar­ziß mit sorg­fäl­tig polier­ter Ober­flä­che, wie einem Roman von Bret Eas­ton Ellis ent­sprun­gen, eine rechts­ra­di­ka­le Vari­an­te des “Ame­ri­can Psycho”, des­sen Film­va­ri­an­te er sogar optisch ähnelt. Ob Brei­vik den Film gekannt hat? Von ihm selbst wis­sen wir, daß er sich mit gro­ßem Ver­gnü­gen die popu­lä­re Fern­seh­se­rie “Dex­ter” ange­guckt hat.  Die­se ermög­licht der uralten Fas­zi­na­ti­on des Publi­kums für Seri­en­mör­der ganz neue Genu­ß­er­fah­run­gen, indem sie als “Hel­den” einen lie­bens­wür­di­gen Psy­cho­pa­then prä­sen­tiert, der dar­auf kon­di­tio­niert ist, nur böse Men­schen, die es nicht anders ver­dient haben, zu töten und ihre Lei­chen zu ver­stüm­meln. Der­lei Fan­ta­sien schei­nen über­aus weit ver­brei­tet zu sein, und von Taran­ti­no bis zum Ego-Shoo­ter-Spiel fin­den sich immer wie­der Wege, das gute Gewis­sen für den Spaß an der Gewalt mitzuliefern.

Die auto­bio­gra­phi­schen Tei­le von Brei­viks Mani­fests ent­hal­ten Pas­sa­gen wie die­se, über eine Pha­se, als ihn Angst und Zwei­fel an sei­nem Vor­ha­ben überkamen:

Mei­ne Beden­ken und mei­ne Angst in Bezug auf die­se Pha­se beein­träch­tig­ten mei­ne Moti­va­ti­on, bis zu einem Punkt, an dem ich beson­de­ren Gegen­maß­nah­men ergrei­fen muß­te, um dem Ver­lust von Moral und Moti­va­ti­on ent­ge­gen­zu­wir­ken. Ich beschloß, sie über einen wei­te­ren Diana­bol-Ste­ro­ide-Zyklus und gestei­ger­tes Kraft­trai­ning wie­der­her­zu­stel­len.  Ich habe auch eini­ge Zeit damit ver­bracht, neue inspi­rie­ren­de Musik zu ent­de­cken und her­un­ter­zu­la­den. Vie­le neue Vocal-Trance-Num­mern und inspi­rie­ren­de Musik von Hele­ne Bøks­le. Zusätz­lich beschloß ich, daß ich mir gestat­ten wür­de, das neu her­aus­ge­be­ne Spiel “World of War­craft – Cata­clysm” zu spie­len. Die Kom­bi­na­ti­on die­ser drei Gegen­maß­nah­men, inklu­si­ve mei­ner drei­mal pro Woche durch­ge­führ­ten Indok­tri­na­ti­ons­/­Me­di­ta­ti­ons-Wan­de­run­gen , führ­ten dazu, daß mei­ne Moral und Moti­va­ti­on erneut auf den Gip­fel­punkt stiegen.

Alles, was Brei­vik tut, “beschließt” er durch­zu­füh­ren, nach­dem er ratio­nal kal­ku­liert hat, daß es ihn ans Ziel brin­gen wird. Er prä­sen­tiert sich in voll­stän­di­ger Kon­trol­le über sein Ich und sei­ne Hand­lun­gen. Lang­sam ver­wan­delt er sich einen Ava­tar aus einem sei­ner exzes­siv betrie­be­nen Kriegs- und Fan­ta­sy­spie­le.  Voll­ge­pumpt mit Ste­ro­iden, meint er auf ihnen wie auf einem Tiger zu rei­ten, wäh­rend ver­mut­lich bereits das genaue Gegen­teil der Fall ist. All das liest sich ein biß­chen wie ein Stück ame­ri­ka­ni­scher “Selbsthilfe”-Literatur, ist prak­tisch iden­tisch mit dem, was Mana­ger und Men’s Health-Leser tun, um erfolg­reich, moti­viert, fit und sexu­ell attrak­tiv zu wer­den. Brei­vik hät­te das Talent, ein sol­ches Buch zu schrei­ben, als Moti­va­ti­ons­fi­bel für künf­ti­ge Ter­ro­ris­ten, inklu­si­ve NLP-Anlei­tun­gen, Medi­ta­ti­ons­tech­ni­ken, Well­ness-Tips, Body­buil­ding-Trai­nings­plä­nen und last.fm-Playlisten für einen swin­gen­den Armageddon.

Die taz brach­te am 26. Juli eine nicht sehr lus­ti­ge, aber das Rich­ti­ge tref­fen­de Kari­ka­tur: Brei­vik hin­ter Git­tern, bewacht von zwei Poli­zis­ten, mit mani­schem Gesichts­aus­druck, sei­ne Show und ihre Beset­zung genie­ßend: “Mas­sen­mord: Ich! Buch: Ich! Regie: Ich! Haupt­dar­stel­ler: Ich! Sound: Ich! You­tube­de­mo: Ich!”

Wer etwas stän­dig betont, tut das nicht, weil er es hat, son­dern weil er es nötig hat. Ego-Infla­tio­nen und Grö­ßen­phan­ta­sien durch­flu­ten die Psy­che immer dann als ver­zwei­fel­te “ulti­ma ratio”, wenn das Ich mas­siv von sei­nem Zer­fall bedroht ist; im äußers­ten Fall ver­sucht es sich über die Zer­stö­rung des Ande­ren zu rekon­sti­tu­ie­ren. Sogar der Akt der Selbst­zer­stö­rung kann hier zu einem letz­ten ver­zwei­fel­ten Ver­such der Selbst­an­eig­nung wer­den, ein letz­ter Ver­such, selbst eine “Ent­schei­dung” zu tref­fen oder sich die aller­letz­te Illu­si­on einer “Ent­schei­dung” zu ver­schaf­fen; der Mensch ist ein tran­szen­den­tes Tier, das oft die Ver­nich­tung dem Nichts vorzieht.

In mei­ner ers­ten Betrach­tung des Fal­les habe ich die Tat von Utøya pri­mär als Amok­lauf im Stil von Colum­bi­ne, Win­nen­den oder Vir­gi­nia Tech ein­ge­schätzt. Die­ses Bild muß nun um eini­ge gra­vie­rend abwei­chen­de Momen­te kor­ri­giert wer­den. Den­noch lohnt es sich, eine Wei­le bei der Psy­cho­lo­gie des Amok­läu­fers zu ver­wei­len, wie sie der lin­ke, kapi­ta­lis­mus­kri­ti­sche Gefäng­nis­psy­cho­lo­ge Götz Eisen­berg in sei­nem Buch “Amok – Kin­der der Käl­te” (2000) und ande­ren Publi­ka­tio­nen beschrie­ben hat.

Für Eisen­berg ensteht der Amok­lauf auf der “Innen­sei­te der Glo­ba­li­sie­rung”, wo die “Wur­zeln von Angst und Haß” zu fin­den seien.

Der im Zei­chen der “Glo­ba­li­sie­rung” real gewor­de­ne Welt­markt zer­stört gewach­se­ne Kul­tu­ren, ent­wur­zelt und pau­pe­ri­siert gan­ze Völker.

“With Usu­ra is no clear demar­ca­ti­on”, schrieb Ezra Pound im Can­to XLV: Wo der Wuche­rer herrscht, gibt es kei­ne kla­re Trenn­li­nie mehr. Der äuße­ren Ent­gren­zung von halt­ge­ben­den Struk­tu­ren und der Total­herr­schaft der Märk­te ent­spricht eine inne­re, psy­chi­sche Ent­gren­zung deren „sozi­al­psy­cho­lo­gi­sche Struk­tur“ das „Bor­der­line-Syn­drom“ sei, eine schwe­re Per­sön­lich­keits- und Iden­ti­täts­stö­rung. Im Zustand des „Bor­der­line“ sind die Ich-Gren­zen desta­bi­li­siert, das Inne­re zeigt sich als

… eine Welt zer­ris­se­ner Emo­tio­nen, böser, ver­fol­gen­der Par­ti­al­ob­jek­te, ver­schlin­gen­der Abgrün­de, eine Höl­le der Des­in­te­gra­ti­on und der Frag­men­tie­rung, lau­ter gestauch­te Tei­le eines psy­chi­schen Puz­zles, die sich zu kei­ner Iden­ti­tät mehr zusam­men­fü­gen las­sen. Um die­ser Höl­le zu ent­ge­hen, ver­wan­delt der in einer unauf­halt­sam schei­nen­den Regres­si­on begrif­fe­ne Mensch sei­ne Angst, die ihn kör­per­lich und psy­chisch zu ver­schlin­gen droht, in Wut, die er nach außen wen­det und dort ande­ren die Höl­le berei­tet. Der inne­re Haß wird in die Welt pro­ji­ziert und ver­wan­delt sich im Extrem­fall des Amoks in die Mas­se der Umzubringenden.

Eisen­berg kon­sta­tier­te einen Über­gang “von der vater­lo­sen zur eltern­lo­sen Gesell­schaft”, die zu einer “Liqui­da­ti­on des Ichs” füh­re.  Die­ses aber reagie­re auf die­sen Auf­lö­sungs­pro­zeß mit Angst, Haß und Gewalt.

Ich habe auf die­se Ana­ly­se bereits vor eini­gen Mona­ten hin­ge­wie­sen, als ein ande­res “Mani­fest” die Run­de durch die Feuil­le­tons mach­te, das eben­falls zu Gewalt und Zer­stö­rung eines Sys­tems auf­rief, das nicht mehr refor­mier­bar sei. Dar­in fan­den sich Sät­ze wie diese:

Aus wel­cher Sicht man sie auch betrach­tet, die Gegen­wart ist ohne Aus­weg. Das ist nicht die gerings­te ihrer Tugen­den. Den­je­ni­gen, die unbe­dingt hof­fen möch­ten, raubt sie jeden Halt. Die­je­ni­gen, die vor­ge­ben Lösun­gen zu haben, wer­den sofort ent­kräf­tet. Es ist bekannt, dass alles nur noch schlim­mer wer­den kann. »Die Zukunft hat kei­ne Zukunft mehr« ist die Weis­heit jener Epo­che, die unter dem Anschein einer extre­men Nor­ma­li­tät auf der Bewusst­seins­ebe­ne der ers­ten Punks ange­langt ist.

Es gibt kei­nen Grund mehr zu war­ten – auf eine Auf­hei­te­rung, die Revo­lu­ti­on,  die  ato­ma­re Apo­ka­lyp­se  oder  eine  sozia­le  Bewe­gung.  Noch zu war­ten ist Wahn­sinn. Die Kata­stro­phe ist nicht, was kommt, son­dern was da ist. Wir ver­or­ten uns bereits jetzt in der Bewe­gung des Zusam­men­bruchs einer Zivi­li­sa­ti­on. Dort ist es, wo man Par­tei ergrei­fen muss.

Die anony­men, ver­mut­lich aus links­extre­men Krei­sen stam­men­den Ver­fas­ser des Mani­fests vom “kom­men­den Auf­stand” gaben sich den Namen “unsicht­ba­res Kom­mi­tee”. Und sie zei­gen sich mäch­tig ange­ekelt von dem “Ich”, das ihnen die Kon­sum­ge­sell­schaft auf­zwingt, ohne Raum für Alter­na­ti­ven zuzulassen.

 Es macht schwin­de­lig, das »I AM WHAT I AM« von Ree­bok an einem Wol­ken­krat­zer von Schang­hai thro­nen zu sehen. (…)

»I AM WHAT I AM«, also, kei­ne blo­ße Lüge, kei­ne blo­ße Wer­be­kam­pa­gne, son­dern ein Feld­zug, ein Kriegs­schrei, gerich­tet gegen alles, was es zwi­schen den Wesen gibt, gegen alles, was unun­ter­scheid­bar zir­ku­liert, alles, was sie unsicht­bar mit­ein­an­der ver­bin­det, alles, was die per­fek­te Ver­wüs­tung hin­dert, gegen alles, was bewirkt, dass wir exis­tie­ren und dass die Welt nicht über­all wie eine Auto­bahn aus­sieht, wie ein Ver­gnü­gungs­park  oder  eine  Tra­ban­ten­stadt: pure Lan­ge­wei­le, ohne Lei­den­schaft und wohl geord­net, lee­rer Raum, eis­kalt, nur noch durch­quert von regis­trier­ten Kör­pern, auto­mo­bi­len Mole­kü­len und idea­len Waren.

(…)

Es ist nicht das Ich, was bei uns in der Kri­se ist, son­dern die Form, die  man uns auf­zu­zwin­gen ver­sucht. Es sol­len wohl abge­grenz­te, wohl  getrenn­te Ichs aus uns gemacht wer­den, zuor­den­bar und zähl­bar nach Qua­li­tä­ten, kurz: kon­trol­lier­bar; wäh­rend wir Krea­tu­ren unter Krea­tu­ren sind, Ein­zig­ar­tig­kei­ten unter unse­res­glei­chen, leben­di­ges  Fleisch, wel­ches das Gewe­be der Welt bildet.

Nun beginnt das Bild all­mäh­lich voll­stän­dig zu wer­den, und wir ahnen den Nähr­bo­den, der Gewalt, Amok­lauf und poli­ti­schen Extre­mis­mus erzeugt. Wir begin­nen einen “kau­sa­len Nexus” zu ahnen, mit sei­nen Aktio­nen, Reak­tio­nen und Überreaktionen.

II.
“Iden­ti­tät ist eine Fra­ge auf Leben und Tod”, schrieb Hans-Diet­rich San­der in “Der natio­na­le Impe­ra­tiv” (1980). Die­sen lapi­da­ren Satz muß man in sei­nem vol­len, buch­stäb­li­chen Ernst begrei­fen. In einem Auf­satz für die Druck­aus­ga­be der Sezes­si­on habe ich geschrieben:

Alle ent­schei­den­den poli­ti­schen Fra­gen heu­te las­sen sich auf Iden­ti­täts­fra­gen zurück­füh­ren. Auf kon­ser­va­ti­ver Sei­te der Front lau­ten die Feind­be­stim­mun­gen »Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung«, »Mas­sen­ein­wan­de­rung« und »Gen­der Main­strea­ming«, auf der ande­ren, im wei­tes­ten Sin­ne lin­ken Sei­te »Faschis­mus, Ras­sis­mus, Sexis­mus«. Dem­ge­gen­über sind Streit­punk­te wie der Sozi­al­staat, Kin­der­er­zie­hung, Fami­li­en­po­li­tik, Mei­nungs­frei­heit oder selbst die demo­gra­phi­sche Fra­ge nur Unterabteilungen.

Man mache bit­te den Test, und man wird sehen, daß die­se Fest­stel­lung unab­weis­bar ist.  Anders Brei­vik hat eine extre­me, pri­va­te Front in die­sem Iden­ti­täts­krieg eröff­net, die impli­zit von der Lin­ken aner­kannt wird, wenn sie etwa auf­fäl­lig oft her­vor­hebt, daß der Täter “blond und blau­äu­gig” gewe­sen sein soll, und “christ­lich”, “kon­ser­va­tiv” oder “natio­na­lis­tisch”,  was indes­sen nur zum Teil zutrifft.

Typisch für die Ant­wort der Libe­ra­len auf Oslo ist etwa der Kom­men­tar Gerd Appen­zel­lers im Tages­spie­gel unter dem Titel “Was bewahrt wer­den muß”:

Die Anders Beh­ring Brei­viks die­ser Welt wol­len das Gegen­teil von Freiheit. (…)

Der Mann ist jung, blond und hat blaue Augen. Er liebt klas­si­sche Musik und Lite­ra­tur. Er bezeich­net sich als Chris­ten. Und er will Euro­pa vor Mar­xis­mus, Isla­mi­sie­rung, Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus und Über­frem­dung retten.

Das ist eine Selbst­be­schrei­bung, die ver­mut­lich auf zehn­tau­sen­de jun­ger Euro­pä­er, vor allem Män­ner, zutrifft, die sich in rechts­extre­men Par­tei­en und Grup­pen orga­ni­sie­ren oder mit ihnen sympathisieren.

(…)

Und nun, da die Glo­ba­li­sie­rung in jenes Euro­pa zurück­kehrt, das selbst die Welt gestal­te­te, wer­den vie­le Men­schen damit nicht fer­tig und füh­len sich in ihren Iden­ti­tä­ten ver­ra­ten. Sie machen dafür eine Poli­tik ver­ant­wort­lich, die ihnen den Schutz vor dem Frem­den und die Bewah­rung des Alt­her­ge­brach­ten zu ver­wei­gern scheint. Sie möch­ten, dass sich ihre Natio­nen vor dem Wan­del ver­schlie­ßen, dass sie das ver­meint­lich Üble abwei­sen und, wenn es nicht anders geht, eben ver­nich­ten, all das Mul­ti­kul­tu­rel­le, das Mar­xis­ti­sche, Isla­mi­sche, alles, was fremd ist.

Die mas­si­ven Kol­la­te­ral­schä­den die­ses Pro­zes­ses blei­ben hier unge­nannt.  In der Tat wer­den mehr und mehr Men­schen “damit nicht fer­tig”, “füh­len sich in ihren Iden­ti­tä­ten ver­ra­ten”, wäh­rend libe­ra­le Jour­na­lis­ten auf ihren Schreib­tisch­ses­seln stän­dig her­aus­hän­gen las­sen, daß sie nicht nur blen­dend “damit fer­tig” wer­den, son­dern daß dies auch noch Aus­weis ihrer eige­nen Schnit­tig­keit und geis­ti­gen Über­le­gen­heit sei.

Um so zu den­ken, muß man schon einer bestimm­ten Schicht ange­hö­ren, die nicht aus­ba­den muß, was sie täg­lich pro­pa­giert,  man muß aber belei­be nicht zur Schicht “zehn­tau­sen­der jun­ger Euro­pä­er, die sich in rechts­extre­men Par­tei­en und Grup­pen orga­ni­sie­ren oder mit ihnen sym­pa­thi­sie­ren” zäh­len, um all­mäh­lich das dump­fe Gefühl zu bekom­men,  daß “die Poli­tik”, also: der Staat, den Men­schen “den Schutz vor dem Frem­den und die Bewah­rung des Alt­her­ge­brach­ten” verweigert.

Dafür gibt es inzwi­schen nicht nur ange­sichts der Unfä­hig­keit des Staa­tes, der Aus­län­der­ge­walt gegen das eige­ne Volk Herr zu wer­den, tag­täg­li­che Evi­denz.  “Die Poli­tik” ist nicht nur etwa pas­siv oder auf dem Rück­zug, son­dern führt über wei­te Stre­cken einen akti­ven Krieg führt gegen das Eige­ne und die “Bewah­rung des Alt­her­ge­brach­ten”, auf sym­bol­po­li­ti­scher, insti­tui­tio­nel­ler, media­ler, aka­de­mi­scher und pro­pa­gan­dis­ti­scher Ebe­ne. Es geht schon längst nicht mehr ein­fach dar­um, sich einem angeb­lich unauf­halt­sa­men “Wan­del” zu ver­schlie­ßen. Der ist ja nicht vom Him­mel gefal­len wie ein Natur­ge­setz, son­dern ist Teil einer aktiv durch­ge­führ­ten poli­ti­schen Stra­te­gie, wobei alle, die sich wider­set­zen, aggres­siv ange­grif­fen wer­den.  Um den Glo­ba­lis­mus durch­zu­set­zen, wie ihn sich der pars pro toto zitier­te Kom­men­ta­tor des Tages­spie­gels vor­stellt, muß ein psy­cho­lo­gi­scher Krieg gegen die Iden­ti­tät der Auto­chtho­nen und ihre Defen­siv­me­cha­nis­men geführt werden.

Die­ser ist nicht nur in Deutsch­land, son­dern auch in den skan­di­na­vi­schen Län­dern in einem erheb­li­chen Aus­maß fort­ge­schrit­ten. Hier wird von offi­zi­el­len Regie­rungs­stel­len unter dem Ban­ner der “Gleich­stel­lung” eine Poli­tik pro­pa­giert, die die eige­nen Natio­nen rela­ti­vie­ren und in Frag­men­te auf­lö­sen soll. Eine schwe­di­sche Bot­schaft in Deutsch­land prä­sen­tier­te sich auf Merk­blät­tern,  deren ers­ter Absatz lautete:

Die schwe­di­sche Gesell­schaft schließt meh­re­re Kul­tu­ren ein. Fast ein Fünf­tel der Bevöl­ke­rung hat aus­län­di­sche Wur­zeln. Auch wenn sie Her­aus­for­de­run­gen wie Segre­ga­ti­on mit sich bringt, hat die Zuwan­de­rung Schwe­den zu einem beson­ders offe­nen, inter­na­tio­na­len und mul­ti­kul­tu­rel­len Land gemacht.

Die ideo­lo­gi­schen Absich­ten sol­cher Tex­te lie­gen offen zuta­ge: das recht dünn besie­del­te Schwe­den war noch vor 20 Jah­ren ein äußerst homo­ge­nes Land, und das ist es über­wie­gend bis heu­te. Von “meh­re­ren Kul­tu­ren” zu spre­chen, scheint bes­ten­falls eine kras­se Über­trei­bung zu sein. Es geht hier aber in Wirk­lich­keit um einen Soll-Zustand.  Die ins Land gehol­ten Min­der­hei­ten wer­den hier offen­siv als Instru­ment vor­ge­bracht, von dem aus die Mehr­heit dekon­stru­iert und rela­ti­viert wer­den soll. Weil es Aus­nah­men gibt, soll es kei­ne Regeln mehr geben.

Das ist nur ein klei­nes Bei­spiel unter vie­len. Der von Brei­vik aus­gie­big zitier­te nor­we­gi­sche Blog­ger Fjord­man berich­tet seit 2005 über die­sen Kul­tur­kampf, stets sach­lich ana­ly­sie­rend und fak­ten­ge­sät­tigt. Auf dem Weg in die­se “mul­ti­kul­tu­ra­li­sier­te” Gesell­schaft wer­den dabei ent­ste­hen­de Unru­hen, Gewalt und die Bil­dung von Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten als Kol­la­te­ral­schä­den in Kauf genom­men. Vor ein paar Wochen berich­te­te die nor­we­gi­sche Pres­se, daß seit 2005 72 von 111 Ver­ge­wal­ti­gun­gen in Oslo von Ein­wan­de­rern ver­übt wur­den. In 80% der Fäl­le waren die Opfer nor­we­gi­sche Frau­en. Oslo selbst hat inzwi­schen einen Ein­wan­der­an­teil von 27 %, die Haupt­tä­ter­grup­pe (ver­mut­lich Mos­lems) stellt davon 14 %.  Die Ver­ge­wal­ti­gungs­ra­te in der Stadt ist seit 1999 um 40 % angestiegen.

Iden­ti­sche Ent­wick­lun­gen kann man in Schwe­den beob­ach­ten. Zur glei­chen Zeit pro­du­ziert das schwe­di­sche Fern­se­hen idio­ti­sche Video­clips wie die­sen, wo ein paar Retar­dier­te dem (ach so) “ras­sis­ti­schen Schwe­den” fol­gen­de Lösung der “Inte­gra­ti­ons­pro­ble­me” emp­feh­len: “Für mei­ne Schwes­tern mit blon­dem Haar, nehmt einen schwar­zen Mann zwi­schen die Bei­ne, und uh, ver­mischt es!”  (Soll mir neben­bei noch einer erzäh­len, die Mul­ti­kul­tu­ra­lis­ten wären nicht sel­ber gera­de­zu beses­sen von “Ras­sen”.)

Nun, bei­des zusam­men genom­men: was für Gefüh­le soll und wird das bei sei­nem Publi­kum aus­lö­sen? Wird man die­se Din­ge ewig lächelnd hin­neh­men, aus Panik, sei­ne eige­ne Libe­ra­li­tät preis­zu­ge­ben? Es gibt in den west­li­chen Län­dern ein Selbst­haß-Syn­drom, das Fjord­man als “Kau­kas­opho­bie“bezeich­net, ein “Ras­sis­mus gegen Wei­ße”, der von Wei­ßen selbst maß­geb­lich getra­gen wird.
III.

Wer Skan­di­na­vi­er kennt, weiß, daß sie in der Regel freund­li­che, höf­li­che, libe­ra­le, fried­fer­ti­ge, häus­li­che und etwas kon­flikt­scheue Men­schen sind, ins­be­son­de­re die Schwe­den.  Sie sind min­des­tens so gut­gläu­big, und man ver­zei­he die Poin­te, “blau­äu­gig” wie die Deut­schen, was ihr Ver­trau­en in “libe­ra­le” und “gut­mensch­li­che” Wer­te betrifft. Nun mer­ken auch sie lang­sam, daß sie die Wöl­fe in ihr Land gelas­sen haben, und sie sind kaum fähig, der stei­gen­den Span­nun­gen und der Gewalt, der Frag­men­tie­rung der Gesell­schaft und der aggres­siv und unver­schämt ihre “Rech­te” ein­for­dern­den Ein­wan­de­rer Herr zu werden.

Fjord­man ist über­zeugt, daß das schwe­di­sche Wohl­fahrts­sys­tem die Span­nun­gen nicht mehr lan­ge tra­gen kann und kurz vor dem Kol­laps steht:

… die schwe­di­sche Gesell­schaft fällt aus­ein­an­der und ist in Gefahr zu kol­la­bie­ren, zumin­dest in bestimm­ten Berei­chen und Regio­nen. Das Land, das uns Berg­man, ABBA und den Vol­vo schenk­te, könn­te zum Bos­ni­en Nord­eu­ro­pas wer­den.  Das “schwe­di­sche” Modell wird nicht län­ger einen sta­bi­len und fried­li­chen Staat mit einer fort­ge­schrit­te­nen Wirt­schaft bedeu­ten, son­dern eine eura­bi­sche Hor­ror­ge­schich­te aus uto­pi­schem Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus, schlech­ter sozia­lis­ti­scher Ver­wal­tung und zügel­lo­ser Ein­wan­de­rung. Eini­ge dach­ten, ich wür­de über­trei­ben, und daß mein Gere­de von einem mög­li­chen zukünf­ti­gen Bür­ger­krieg in Schwe­den rei­ne Para­noia sei. War es das?

Eine neue soziol­gi­sche Stu­die mit dem Titel “Vi kri­gar mot svens­kar­na” (“Wir füh­ren Krieg gegen die Schwe­den”), wur­den jun­ge Ein­wan­de­rer in der pro­ble­ma­ti­schen Innen­stadt von Mal­mö befragt, war­um sie an Ver­bre­chen betei­ligt sind. Obwohl es nicht zuge­ge­ben wird, sind die meis­ten aus­län­di­schen Täter Mos­lems. In einem der sel­te­nen Momen­te, in dem die schwe­di­schen Medi­en die Wahr­heit sag­ten, berich­te­te Afton­bla­det vor eini­gen Jah­ren, daß 9 von 10 der am meis­ten kri­mi­nel­len eth­ni­schen Grup­pen in Schwe­den aus mos­le­mi­schen Län­dern kämen. Das soll­te man im Auge behal­ten, wenn man fol­gen­den Arti­kel liest:

“Eine Wel­le von Raub­über­fäl­len in Mal­mö aus dem ver­gan­gen Jahr ist Teil eines “Krie­ges gegen die Schwe­den”. Das ist die Erklä­rung, die jun­ge Räu­ber mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund abga­ben, als sie befragt wur­de, war­um sie nur gebür­ti­ge Schwe­den ausraubten…

Fast 90% der Raub­über­fäl­le, die der Poli­zei gemel­det wur­den, wur­den von Ban­den began­gen, nicht von Ein­zel­tä­tern. “Wenn wir in der Stadt auf Raub­zug gehen, dann füh­ren wir einen Krieg, einen Krieg gegen die Schwe­den.” Die­se Behaup­tung wur­de mehr­fach wie­der­holt. “Macht bedeu­tet für mich, daß die Schwe­den mich anse­hen sol­len, sich auf den Boden wer­fen und mei­ne Füs­se küs­sen.” … “Es ist so ein­fach, Schwe­den aus­zu­rau­ben, so ein­fach.”

Es ist genau das, was auch auf die­ser Sei­te mehr­fach als “Vor­bür­ger­krieg” beschrie­ben wur­de. Es ist ein rea­ler Vor­gang, der sich inzwi­schen in allen Groß­städ­ten West­eu­ro­pas zeigt.

All dies wäre nun nicht voll­stän­dig ohne den Hin­weis, daß die skan­di­na­vi­schen Län­der sich in der­sel­ben demo­gra­phi­schen Lage befin­den, wie der Rest West­eu­ro­pas auch: sie wer­den in ein paar Jahr­zehn­ten zu Min­der­hei­ten im eige­nen Land geschrumpft sein. Wem kann man allen Erns­tes abver­lan­gen, einer sol­chen Ent­wick­lung mit Gelas­sen­heit oder gar “Welt­of­fen­heit” ent­ge­gen­zu­bli­cken, zumal bereits die ers­ten Etap­pen des Pro­zes­ses zu einer mas­si­ven Desta­bi­li­sie­rung, Ver­ro­hung und Ver­ängs­ti­gung der Gesell­schaft führen?

Dazu wie­der Fjordman:

Ist es nicht per Defi­ni­ti­on ein Ein­griff in die Rech­te der ein­hei­mi­schen Bevöl­ke­rung, wenn sie gezwun­gen sind, ihre eige­ne kul­tu­rel­le Iden­ti­tät zu unter­drü­cken, um Men­schen zu Gefal­len zu sein, die aus eige­nem frei­en Wil­len ins Land gekom­men sind? In Nor­we­gen schei­nen unse­re Behör­den das Dilem­ma dadurch lösen zu wol­len, dass sie ein­fach behaup­ten, es wäre eine Ter­ra nul­li­us – lee­res Land – ein Land ohne Volk oder zumin­dest ein Land ohne Kul­tur. Die Rech­te des nor­we­gi­schen Vol­kes zäh­len nicht, weil es ein nor­we­gi­sches Volk ein­fach nicht gibt.

Wir soll­ten die Mas­sen­ein­wan­de­rung nicht so sehr idea­li­sie­ren. Wenn eine Grup­pe von Men­schen in ein Gebiet zieht, in dem bereits eine ande­re Grup­pe von Men­schen lebt, dann hat das durch die gan­ze mensch­li­che Geschich­te hin­durch stets in Krieg geen­det. Ent­we­der wer­den die Neu­an­kömm­lin­ge ver­trie­ben oder sie unter­drü­cken die ursprüng­li­chen Ein­woh­ner und rot­ten sie aus, oder die Grup­pen tei­len das Land unter sich auf.

Ich sehe wenig Grund, anzu­neh­men, dass das anders enden wird, nur weil die ursprüng­li­che Bevöl­ke­rung weiß ist. In der Tat ist es sogar noch wahr­schein­li­cher, wenn man bedenkt, dass wir zu der ras­si­schen Grup­pie­rung gehö­ren, die über Jahr­hun­der­te hin­weg den Lauf der Welt domi­niert hat und eini­ge Nicht-Wei­ße uns des­we­gen has­sen. Wenn man zusätz­lich in Betracht zieht, dass ein gro­ßer Teil der Ein­wan­de­rer Mos­lems sind, die nor­ma­ler­wei­se Nicht­mos­lems auch unab­hän­gig von der Ras­se ver­fol­gen, wird – wenn die Ein­wan­de­rung so wei­ter­geht wie bis­her – mit größ­ter Wahr­schein­lich­keit die Zukunft mei­ner Kin­der und Enkel so aus­se­hen, dass sie vor der Wahl ste­hen, ent­we­der um ihr Leben zu kämp­fen, oder das, was ein­mal ihr Land war, als Flücht­lin­ge hin­ter sich zu lassen.

Ein belie­bi­ger Blick in die Geschich­te, auch die jün­ge­re, muß leh­ren, daß die­se Angst kei­ne Wahn­vor­stel­lung ist, son­dern nur all­zu real. Es ist zutiefst unver­ant­wort­lich und fahr­läs­sig, hier die Augen zu ver­schlie­ßen, weil es nicht das uto­pi­sche Bild hin­einpaßt. Es ist nie­der­träch­tig, jene zu dif­fa­mie­ren, die davor warnen.

Nun tritt mit sei­nem Nähr­bo­den auch die Gestalt des Täters von Oslo und Utøya deut­li­cher her­vor: ein Mör­der und ver­mut­lich ein Psy­cho­path vol­ler Angst und Haß, aber auch einer unheim­li­chen Ent­schlos­sen­heit und Selbst­be­herr­schung, ein zwang­haf­ter Nar­ziß, der sich mit Ver­satz­stü­cken aus den Laby­rin­then des Inter­nets eine aus­ufernd eklek­ti­zis­ti­sche Iden­ti­tät erfun­den, sich aus dem post­mo­der­nen Cha­os ein schil­lern­des Welt­an­schau­ungs­set zusam­men­ge­bas­telt hat.

Im “Zeit­al­ter der Liqui­da­ti­on des Ichs” klam­mern sich die entor­te­ten Exis­ten­zen an Face­book, Myspace, Twit­ter, You­tube, Blogs, Chat­rooms, Online­spie­le und Dis­kus­si­ons­fo­ren, um in die pas­sen­de Bären­haut zu schlüp­fen. Das kann fatal enden, wenn das, was aus den vir­tu­el­len Wel­ten auf­ge­so­gen wird, nicht geer­det und geor­tet wird.  Eben dar­um ver­fiel Brei­vik wie auch die Autoren des “Kom­men­den Auf­stands” dem Tyler-Dur­den-Syn­drom: da prä­sen­tiert sich als Heil­mit­tel, was nur Sym­ptom der Krank­heit ist.  Am Ende die­ses Höl­len­trips, der auch immer ein Ego-Trip ist, ste­hen Nihi­lis­mus und Zer­stö­rung, am Ende scheint nur mehr die Kugel in den eige­nen oder den Kopf eines ande­ren aus der Sack­gas­se füh­ren kön­nen. Brei­vik hat sich vom Sog des Nihi­lis­mus ver­schlin­gen lassen.

Nichts und nie­mand kann Brei­vik die Ver­ant­wor­tung und Schuld für sei­ne Taten abneh­men. Das ändert nichts dar­an, daß auch sein Auf­tre­ten, wie jenes von Dschi­ha­dis­ten und Amok­läu­fern, ein “Kol­la­te­ral­scha­den” der Glo­ba­li­sie­rung und des mit ihr untrenn­bar ver­knüpf­ten Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus ist. Brei­vik ist das Pro­dukt eines per­ma­nen­ten und uner­bitt­li­chen psy­cho­lo­gi­schen Krie­ges gegen die Iden­ti­tät der west­lich-euro­päi­schen Men­schen, eines Krie­ges, in dem die “Ichs” mas­sen­haft liqui­diert wer­den sol­len, eines Krie­ges, der im Namen einer uner­füll­ba­ren Uto­pie geführt wird, und der dar­auf abzielt, zuerst unse­re geis­tig-see­li­sche, dann unse­re bio­lo­gi­sche Exis­tenz, also: das nack­te Leben und Fort­le­ben zu vernichten.

Götz Eisen­berg ver­wies in “Amok – Kin­der der Käl­te” auf den “enorm hohen” Anteil “aus­län­di­scher Jugend­li­cher und Aus­sied­ler­kin­der an der Jugend­kri­mi­na­li­tät”, und führ­te dies auf ihre gespal­te­ne, insta­bi­le Iden­ti­tät infol­ge “extre­mer Ent­wur­ze­lung und Des­ori­en­tie­rung” zurück: weder sei­en sie in der Welt ihrer Eltern zuhau­se, noch in der “Kul­tur des Immi­gra­ti­ons­lan­des.”  Das ist eine ein­leuch­ten­de Deu­tung.  Der lau­fen­de Pro­zeß der Mul­ti­kul­tu­ra­li­sie­rung wird womög­lich  dahin­ge­hend “erfolg­reich” sein, daß er sowohl Indi­ge­ne als auch Ein­wan­de­rer zu ent­wur­zel­ten, insta­bi­len und des­ori­en­tier­ten Exis­ten­zen machen wird.

Insta­bi­li­tät durch Iden­ti­täts­ab­schlei­fung und­Frag­men­tie­rung erzeugt aber lei­der kei­ne “Welt­of­fen­heit” und fröh­lich vor sich hin fluk­tu­ie­ren­den, fle­xi­blen Exis­ten­zen, son­dern berei­tet höchs­tens den Nähr­bo­den für noch mehr Radi­ka­lis­mus, Fana­tis­mus und Extre­mis­mus. Die­se von der links­li­be­ra­len Ideo­lo­gie und nie­mand ande­rem gepflanz­te Dra­chen­saat wird auf­ge­hen, und reich­li­che Ern­te ein­brin­gen, sobald der Ernst­fall da ist, an den man heu­te nicht den­ken will. Um ein wei­te­res Mal an Eisen­berg anzu­knüp­fen: wir selbst, die Deut­schen, sind genau­so wie die Skan­di­na­vi­er Opfer eines “Glo­ba­lis­mus”, der die Kul­tu­ren zer­stört, wir selbst sind Völ­ker, die lau­fend, unter einer lächeln­den eutha­na­si­schen Mas­ke und natür­lich nur mit den bes­ten Absich­ten, “ent­wur­zelt und pau­pe­ri­siert” werden.
IV.

Der Kom­men­ta­tor des Tages­spie­gels, behau­pet, die  “Anders Beh­ring Brei­viks die­ser Welt” wünsch­ten sich einen “Rück­zug in eine ver­meint­lich hei­le Welt, die es in die­ser Roman­ti­sie­rung nie gege­ben hat und die es im ent­grenz­ten 21. Jahr­hun­dert auch nicht geben kann.”  Da ist sie wie­der, die pseu­do­schnei­di­ge Pose jener, die angeb­lich alles Ris­kan­te und “Ent­grenz­te” so sehr lie­ben, die auf “Roman­ti­sie­run­gen” und “hei­le Wel­ten” her­ab­bli­cken,  und dabei einer viel nai­ve­ren Form von Roman­tik aufsitzen.

Der Kom­men­ta­tor meint wohl , daß genug Lie­be und Tole­ranz die Welt schon hei­len wer­den, und for­dert als Heil­mit­tel noch mehr “kos­mo­po­li­ti­sches Den­ken oder Mit­füh­len” im Gegen­satz zu “Abkop­pe­lung und Iso­la­ti­on”, was wohl noch mehr Ein­wan­de­rung und noch mehr Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus bedeu­ten soll. In den Wor­ten des nor­we­gi­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Stol­ten­berg: “Noch mehr Demo­kra­tie, noch mehr Offen­heit”, sei die Ant­wort, aber das alles natür­lich nicht “naiv”, das heißt also im Mar­cu­se-Sin­ne, inklu­si­ve “repres­si­ver Tole­ranz” gegen die  “Fein­de” der soge­nann­ten “offe­nen Gesell­schaft”, dem­nächst also gegen alle “Fein­de der Tole­ranz”, gegen alles, was nicht links ist, gegen alle Kon­ser­va­ti­ven, Islam­kri­ti­ker, Ein­wan­de­rungs­kri­ti­ker, Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus­geg­ner, Patrio­ten , Rech­ten und irgend­wann ver­mut­lich auch gegen alle blon­den, blau­äu­gi­gen, hete­ro­se­xu­el­len Män­ner, die sich am schwe­di­schen “Mischungs­vi­deo” nicht erfreu­en und lie­ber “klas­si­sche Musik” hören.

Die kurz­sich­ti­ge Rhe­to­rik von der jetzt erst recht gebo­te­nen Ver­tei­di­gung der “offe­nen Gesell­schaft” hört man nun über­all aus dem Mun­de der übli­chen Ver­däch­ti­gen, die es etwa für eine “star­ke Mei­nung” hal­ten, daß die Kon­se­quenz von Oslo sein müs­se, end­lich die Kar­le Schmitt und Pop­per kurz­zu­schlie­ßen, und “sich klar für die offe­ne Gesell­schaft und gegen ihre Fein­de zu positionieren”.

All das sind jedoch Gelän­de­kar­ten von Vor­vor­ges­tern, auf die nur mehr die Unbe­lehr­ba­ren hin­ein­fal­len.  Gestal­ten, die von “Rückzugs”-Romantik reden, und dabei offen­bar die Welt­ge­schich­te seit Anno Fuku­ya­ma ver­paßt haben. Da es sich offen­bar noch nicht her­um­ge­spro­chen hat:  Die “Coun­ter­ji­ha­dis­ten” sind alle­samt als Ver­tei­di­ger der “offe­nen Gesell­schaft” ange­tre­ten, als ihnen die Gefahr des poli­ti­schen Islams in Euro­pa bewußt wur­de.  Män­ner wie Geert Wil­ders sind kei­ne “Kon­ser­va­ti­ven”, son­dern authen­ti­sche und über­zeug­te Libe­ra­le, die im Gegen­satz zu ihren ver­blen­de­ten, ideo­lo­gie­be­sof­fe­nen Genos­sen eben nicht die letz­te Kon­se­quenz des Libe­ra­lis­mus zu zie­hen geden­ken, näm­lich “den Mör­dern die Tür auf­zu­schlie­ßen”, wie Ernst Jün­ger sagen wür­de.  Wer aber wirk­lich gründ­lich über die­se Din­ge nach­denkt, wird unwei­ger­lich zu dem Schluß kom­men, daß die­se “offe­nen Gesell­schaf­ten” gera­de auf dem bes­ten Wege sind, sich selbst zu ver­nich­ten und abzu­schaf­fen, und alles ande­re mit sich zu reißen.

Götz Eisen­berg pro­phe­zei­te im Jahr 2000:

Die drei­fa­che Potenz von Glo­ba­li­sie­rung, Ratio­na­li­sie­rung und Fle­xi­bi­li­sie­rung zieht eine poli­ti­sche, gesell­schaft­li­che und psy­chi­sche Des­in­te­gra­ti­on nach sich, die uns eine Invo­lu­ti­on der Zivi­li­sa­ti­on und ein Anwach­sen der Bar­ba­rei besche­ren wird.

Die­se “drei­fa­che Potenz” ist untrenn­bar mit dem ver­bun­den, was man heu­te die “offe­ne Gesell­schaft” nennt.  Wer in sei­ner Ana­ly­se so weit kommt wie Eisen­berg, wird auch irgend­wann erken­nen müs­sen, daß die Ideo­lo­gie des Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus (die ohne die Idee der Schwä­chung der Indi­ge­nen durch Zuwan­de­rung und Stär­kung der Frem­den nicht denk­bar ist) nichts ande­res als die stärks­te Waf­fe der Glo­ba­li­sie­rung und “Fle­xi­bi­li­sie­rung”, der Ato­mi­sie­rung der Indi­vi­du­en ist.

Laut Tages­spie­gel hat der Täter von Oslo und Utøya  “sein Land vor dem Islam und dem Mar­xis­mus ver­tei­di­gen und der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Arbei­ter­par­tei größt­mög­li­chen Scha­den zufü­gen wol­len.” De fac­to hat er statt­des­sen der ein­wan­de­rungs- und islam­kri­ti­schen Sache den “größt­mög­li­chen Scha­den” zuge­fügt und der Gegen­sei­te eine mas­si­ve Pro­pa­gan­da­waf­fe in die Hand gege­ben. Sei­ne Tat war eine H‑Bombe auf die skan­di­na­vi­sche und ver­mut­lich auch gesamt­eu­ro­päi­sche Rech­te, die sich gera­de im Auf­stieg befand.  Bis­lang hielt ich ihn für einen Wahn­sin­ni­gen, der nicht imstan­de war, abzu­schät­zen, daß eine Tat wie die­se unwei­ger­lich nach hin­ten los­ge­hen muß.

Inzwi­schen den­ke ich, daß Brei­vik noch tie­fer ins Herz der Fins­ter­nis hin­ab­ge­taucht ist, als sich die meis­ten über­haupt vor­stel­len kön­nen. Das also ist mei­ne Spe­ku­la­ti­on, die ich nach gründ­li­cher Kennt­nis von “apo­kal­py­ti­scher” Lite­ra­tur von den poli­ti­schen Rän­dern für wahr­schein­lich hal­te:  Brei­vik ist intel­li­gent genug, daß er ver­mut­lich ganz genau weiß, daß das nor­we­gi­sche Volk nach einem bru­ta­len Mas­sen­mord an Min­der­jäh­ri­gen nicht hin­ter ihm und sei­ner Sache ste­hen wird – ganz im Gegen­teil.  Er ist kei­nes­wegs so ver­blen­det, er wuß­te ganz genau, daß die­ser Effekt unwei­ger­lich ein­tre­ten wür­de. Gleich den Autoren des “Kom­men­den Auf­stands”, war sei­ne apo­kal­py­tisch durch­tränk­te Fan­ta­sie nicht mehr imstan­de, sich einen Weg jen­seits eines gro­ßen, blu­ti­gen  “Katak­lys­mus” vor­zu­stel­len (wie das Com­pu­ter­spiel hieß, mit dem er sei­ne Moti­va­ti­on pushte).

Dies ist die Logik: es kann nichts mehr gut wer­den, das Sys­tem ist unre­for­mier­bar und im Kern ver­rot­tet, dar­um ist es umso bes­ser, und umso mehr zu begrü­ßen, je schlim­mer die Lage wird. Worse is bet­ter. Es wird kei­ne Ret­tung für Euro­pa geben, geschwei­ge denn durch ein Blut­bad und einen Ent­schei­dungs­kampf.  Was fällt, soll man auch noch stos­sen, sag­te Nietz­sches Zara­thus­tra – dar­um ist es logisch, den Crash noch zu beschleu­ni­gen, die Kräf­te der Zer­set­zung noch zu för­dern. Wozu noch war­ten? Ein paar zähe Wahl­durch­gän­ge, ein paar bra­ve “Schwe­den­de­mo­kra­ten” und ein paar “wah­re Fin­nen” im 10 % Bereich, ein biß­chen mehr Mei­nungs­frei­heit und Ein­wan­de­rungs­re­förm­chen wer­den das Ruder nicht her­um­rei­ßen und den Kurs ändern. Sie wer­den den lang­sa­men Sui­zid und die Ago­nie des Wes­ten nur ver­län­gern und ver­schlep­pen. Wenn die letz­ten Geg­ner von Glo­ba­lis­mus und Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus end­gül­tig aus dem Weg geräumt sind, dann ist die Bahn frei, dann kann die Gesell­schaft lem­ming­sar­tig in ihren Unter­gang mar­schie­ren, dann wer­den die schwär­zes­ten Pro­phe­zei­un­gen Fjord­mans wahr, und nur dann gibt es viel­leicht noch eine Chan­ce auf eine “euro­päi­sche Wiedergeburt”.

Die Lin­ke, die Pres­se, die Mul­ti­kul­tu­ra­lis­ten, die Libe­ra­len, die Welt­of­fe­nen, die Glo­ba­lis­ten, die “Demo­kra­ten”, die “Tole­ran­ten” – sie tan­zen nun alle nach Brei­viks Pfei­fe, und wis­sen es nicht ein­mal.  Er aber lächelt kalt und selbst­ge­fäl­lig wei­ter, und da ist kaum mehr ein Mensch oder eine Per­son übrig unter der Mas­ke, die er sich selbst auf­ge­setzt hat.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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