Natürliches Mecklenburg

von Heino Bosselmann

Impressionen beim Morgenlauf im Mega-Kreis Mecklenburgische Seenplatte, der größer ist als das Saarland.

An die tot­ge­fah­re­nen Tie­re an den neu­en Asphalt­stra­ßen muß man sich gewöh­nen. Hier kann seit dem Auf­bau Ost end­lich durch­ge­star­tet wer­den. Exzes­se des sim­pels­ten Frei­heits­ver­ständ­nis­ses, viel volks­tüm­li­cher als das, was der Bun­des­prä­si­dent der Nati­on bestän­dig erläutert.

Beson­ders häu­fig erwischt die Motor-Jagd zur Zeit Hasen, Füch­se, Dach­se und Igel. Hier und da sind Mar­der­hun­de und Wasch­bä­ren dabei. Sie wer­den platt­ge­walzt oder blei­ben erst auf­quel­lend, dann ver­we­send seit­wärts lie­gen. Eigent­lich ist man ver­blüfft über ein sol­ches Spek­trum Arten­viel­falt in der aus­ge­putz­ten Land­schaft, denn seit­dem bis zum Hori­zont Mais und Raps als „nach­wach­sen­de Roh­stof­fe“ für die Bio-Ener­gie-Pro­duk­ti­on ange­baut wer­den, wur­den längst alle öko­lo­gisch wert­vol­len und frü­her von der EU prä­mier­ten Stil­le­gungs­flä­chen wie­der in den pro­fi­ta­blen Repro­duk­ti­ons­kreis­lauf ein­ge­bun­den. Refu­gi­en gibt es außer­halb der Natio­nal­parks kaum mehr. Das ist um so pro­ble­ma­ti­scher, da Meck­len­burg-Vor­pom­mern das wald­ärms­te Bun­des­land ist und ent­ge­gen Post­kar­ten­kli­schees die so tris­te wie effi­zi­en­te Groß­flä­chen­wirt­schaft dominiert.

Die Sicht ist gut, die Stra­ßen schnur­ge­ra­de, die Böschung gemäht. Wer etwas auf den Weg ach­tet, wird kein Tier tot­fah­ren. Aber jeden Mor­gen ist die Stre­cke an den Chaus­see­rän­dern neu gelegt. Ein per­ver­ser Aus­druck des Frus­tes? Ohne daß die meis­ten hier Eile hät­ten, wird gerast und wer­den die Mit­ge­schöp­fe mit aggres­si­ons­kom­pen­sie­ren­der Sport­lich­keit nie­der­ge­macht. Läs­ti­ges Vieh­zeug über­all! Sta­tus­fe­ti­schis­mus der Land­män­ner: Rover oder Pick-ups des größ­ten For­mats. Und es wird gesof­fen. Die Stra­ßen­grä­ben lie­gen vol­ler Fla­schen, vor­zugs­wei­se Kla­rer und Kräu­ter. Für einen kur­zen Voll­rausch müß­te man sich mit Bier viel zu auf­wen­dig abschlep­pen und zuviel Flüs­sig­keit ver­stoff­wech­seln. Schnaps dröhnt schnel­ler und inten­si­ver und paßt in Innen­ta­sche der Wachs­ja­cke. Neben den Kada­vern und all dem Leer­gut die Holz­kreu­ze, alles mit­ein­an­der in direk­ter Proportion.

Auf einem erst vor kur­zem abge­ern­te­ten Feld zieht ein kräf­ti­ger Fendt-Trak­tor einen leuch­tend gel­ben Che­mie­tank über die zügig ein­ge­brach­te Neu­be­stel­lung. Aus zwei gigan­tisch aus­la­den­den Armen wird beid­seits ein Her­bi­zid in die Fur­chen gesprüht. Es han­delt sich um Roun­dup das welt­weit gän­gi­ge Breit­band­her­bi­zid des ame­ri­ka­ni­schen Agent-Oran­ge-Her­stel­lers Mons­an­to. Wer­be­slo­gan des Gift-und-Gen-Kon­zerns: We feed the world!

ROUNDUP wirkt mit toxi­schem Gly­phos­phat, das über ein eben­falls gif­ti­ges Haft­mit­tel die Phos­phat­syn­tase und so die Syn­the­se von Ami­no­säu­ren hemmt. Aber sehr prak­tisch! Näm­lich nur in der grü­nen Pflan­ze. So kann man in einem Arbeits­gang das Unkraut ver­nich­ten, also die Feld­bo­ta­nik kom­plett totsprit­zen, und gleich­zei­tig, im „Vor­auf­lauf“, schon das neue Saat­gut ein­brin­gen, das dann kon­kur­renz­frei wächst. Noch kom­for­ta­bler lie­fe es frei­lich mit den von Mons­an­to eigens gen­tech­nisch kon­stru­ier­ten Kul­tur­pflan­zen, die ROUN­DUP-resis­tent sind, soge­nann­te „Roun­du­pRe­a­dys“. Auf sol­chen Schlä­ge bräuch­te man nicht mal auf die Dosie­rung ach­ten und hät­te die Rie­se­nä­cker der­ar­tig ste­ri­li­siert, daß wirk­lich nur die gebeiz­te Tur­bo-Saat auf­geht. Ein Traum!

Lei­der gibt’s das wie­der mal nur in Ame­ri­ka, klagt der Groß­flä­chen­wirt. Man müß­te die her­bi­zid­re­sis­ten­ten Kul­tu­ren nicht mal mehr pflü­gen. Nach der Ern­te ein­fach mit ers­ter Gift-Dusche das Zwi­schen­un­kraut nie­der­sprit­zen, dann grub­bern, Saat­gut dril­len, gleich noch mal mit der Gift­sprit­ze drü­ber, fer­tig. Nur noch die über­niet­rie­ren­de Gül­le und satt Dün­ger drü­ber, damit für reich­lich Bio­mas­se gesorgt ist. Gran­dio­se Ertrags- und Ein­kom­mens­zu­wäch­se und vor allem – Arbeits- und Lohnkostenersparnisse.

Man hört, es gibt „Abstands­auf­la­gen zu Gewäs­sern und Land­schafts­ele­men­ten“. Fragt man die Trak­to­ris­ten, die ihre Her­bi­zid-Zer­stäu­ber nur wegen eines Jog­gers gar nicht erst abstel­len, dann ant­wor­ten die meck­len­bur­gisch wort­karg: Weiß nicht. Bin nicht der Chef. Bring den Scheiß hier nur aus. Lohn­be­trieb! Mit dem Acker selbst haben wir gar nichts zu tun.

Ein Stück wei­ter krat­zen drei Ein-Euro-Job­ber mit Jäte­kral­len das Unkraut aus den Pflas­ter­zwi­schen­räu­men der Bus­parkt­asche an der Stra­ße. Abge­se­hen davon, daß das nicht nötig wäre und irgend­ei­ner Beschäf­ti­gungs­phi­lo­so­phie der Ämter folgt, erscheint sol­che Tätig­keit neben einem gift­kon­ta­mi­nier­ten Acker kuri­os bis absurd. Die inten­si­ve Land­wirt­schaft braucht sol­che Män­ner nicht mehr. Also läßt man sie qua­si wie im Neo­li­thi­kum Unkraut aus den Rit­zen pulen, wäh­rend ihnen die Mann im Trak­tor sicher den Gefal­len tun wür­de, die paar Qua­drat­me­ter mal flott so zu che­mi­sie­ren, daß gera­de noch die Stei­ne blei­ben und mit dem bösen, bösen Unkraut auf lan­ge Sicht Ruhe ist.

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