Hans Joachim Arndt zum 90. Geburtstag

übernommen aus dem Band Vordenker des Staatspolitischen Handbuchs, Schnellroda 2012

von Karlheinz Weißmann

Obwohl es von Hans-Joachim Arndt (1923-2004) nur eine einzige Buchveröffentlichung mit eindeutig politischer Tendenz gibt,...

wird man ihn zu den wich­ti­gen Anre­gern der kon­ser­va­ti­ven Sze­ne in den acht­zi­ger und neun­zi­ger Jah­ren rech­nen müs­sen. Eine publi­zis­ti­sche Kar­rie­re hat­te er ursprüng­lich so wenig ange­strebt wie eine wis­sen­schaft­li­che. Zu den prä­gen­den Erfah­run­gen sei­ner frü­hen Jah­re gehör­ten das NS-Regime und dann vor allem die Kriegs­zeit. Arndt dien­te in der Mari­ne als Offi­zier, geriet in Gefan­gen­schaft und sah sich nach der Nie­der­la­ge gezwun­gen, die Lauf­bahn eines Berufs­sol­da­ten auf­zu­ge­ben. Er begann ein Stu­di­um der Sozio­lo­gie und gehör­te sogar zu jenen Nach­wuchs­aka­de­mi­kern, die von den USA gezielt für einen Auf­ent­halt in den Staa­ten ein­ge­la­den wur­den; 1952 war er für eini­ge Zeit in Har­vard. Vor­her hat­te er im Som­mer­se­mes­ter 1950 und im Win­ter­se­mes­ter 1951/52 in Hei­del­berg stu­diert, wo er mit einer Arbeit „Über die Ursa­chen der Geschichts­ver­ges­sen­heit der ame­ri­ka­ni­schen Sozio­lo­gie“ (1952) bei Alfred Weber pro­mo­viert wor­den war. In des­sen Umfeld hat­te sich zu dem Zeit­punkt ein „Carl-Schmitt-Fan-Club“ (Dirk van Laak) gebil­det, zu dem Arndt über Rein­hart Koselleck und Han­no Kes­t­ing Kon­takt fand, die ihn dann in Ver­bin­dung zu Schmitt wie Armin Moh­ler brachten.

Arndt enga­gier­te sich in der nord­rhein-west­fä­li­schen FDP, die mit ihrem Kurs der „natio­na­len Samm­lung“ eine gewis­se Anzie­hungs­kraft auf die jun­ge rech­te Intel­li­genz der frü­hen Bun­des­re­pu­blik aus­üb­te. Dar­über hin­aus gab er sich aber nicht poli­tisch zu erken­nen. Er hat zur Begrün­dung immer ange­ge­ben, daß die tota­le Nie­der­la­ge von 1945 eine kla­re Unter­schei­dung zwi­schen résis­tance und col­la­bo­ra­ti­on unmög­lich gemacht habe. Eine gewis­se „Zwei­schich­tig­keit“ des Den­kens und Redens sei unum­gäng­lich. Bis zum Beginn der sieb­zi­ger Jah­re mied Arndt jeden­falls kla­re Posi­ti­ons­be­stim­mun­gen und ver­öf­fent­lich­te vor allem zu Manage­ment­fra­gen; auch die Uni­ver­si­täts­kar­rie­re trat er erst rela­tiv spät an: Im Zuge der Bil­dungs­expan­si­on erhielt er 1968 einen neu­ge­schaf­fe­nen Lehr­stuhl für Poli­tik­wis­sen­schaft an der Uni­ver­si­tät Heidelberg.

Die ent­schei­den­de Ände­rung trat erst ein, als Arndt zehn Jah­re spä­ter eine Mono­gra­phie unter dem Titel Die Besieg­ten von 1945. Ver­such einer Poli­to­lo­gie für Deut­sche (1978) vor­leg­te, in der er von einer an Schmitt geschul­ten „kon­kre­ten Lage­ana­ly­se“ aus­ging. Im Kern han­del­te es sich sei­ner Mei­nung nach dar­um, daß die Poli­to­lo­gie, wie sie nach dem Ende des Zwei­ten Welt­kriegs in der Bun­des­re­pu­blik als „Demo­kra­tie­wis­sen­schaft“ instal­liert wor­den war, kei­nen Anspruch auf Wis­sen­schaft­lich­keit erhe­ben kön­ne, da sie von einer vor­ge­ge­be­nen Dog­ma­tik aus­ge­hen müs­se und wei­ter den ehe­ma­li­gen Sie­ger­mäch­ten als Kon­zept die­ne, ihre Umer­zie­hungs­maß­nah­men auf Dau­er fort­zu­set­zen. Eine Poli­tik­wis­sen­schaft für Deut­sche kön­ne sich damit aber nicht abfin­den, son­dern müs­se ihren Aus­gangs­punkt bei der Tat­sa­che des Besiegt-Seins neh­men. Der Zusam­men­bruch von 1945 bestim­me nach wie vor die „Grund-Lage“, von der aus­zu­ge­hen sei, wenn man über­haupt wie­der zu so etwas wie einer deut­schen Poli­tik­ana­ly­se kom­men wolle.

Das Buch Die Besieg­ten von 1945 sorg­te zwar in der Zunft für einen gewis­sen Unmut, aber eine ech­te Reso­nanz fand es nicht. Arndt hat das mit einer Erbit­te­rung zur Kennt­nis genom­men und spä­ter nur noch mit Genug­tu­ung quit­tiert, daß Pana­jo­tis Kon­dy­lis – den er als sei­nen Schü­ler betrach­te­te – den Faden auf­nahm und „die illu­si­ons­lo­ses­te poli­ti­sche Grund­la­gen­phi­lo­so­phie“, schrieb, „die nach dem zwei­ten Welt­krieg in deut­scher Zun­ge ver­öf­fent­licht wurde“.

 

Schrif­ten: Die Besieg­ten von 1945. Ver­such einer Poli­to­lo­gie für Deut­sche samt Wür­di­gung der Poli­tik­wis­sen­schaft in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, Ber­lin (West) 1978; Der Ver­bleib des Deutsch­land-Bewußt­seins in der Bun­des­re­pu­blik, in: Infe­rio­ri­tät als Staats­rä­son. Sechs Auf­sät­ze zur Legi­ti­mi­tät der BRD, edi­ti­on d, Bd. 9, Kre­feld 1985.

Lite­ra­tur: Vol­ker Beis­mann und Mar­kus Josef Klein (Hrsg.): Poli­ti­sche Lage­ana­ly­se. Fest­schrift für Hans-Joa­chim Arndt zum 70. Geburts­tag am 15. Janu­ar 1993, Bruch­sal 1993.

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