Stalins Tod und das historische Gedächtnis

Zum sechzigsten Todestag von Josef Stalin und der darauf folgenden allmählichen Auflösung des Gulag-Systems...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

erschien in der taz ein recht inter­es­san­ter Arti­kel, der unter ande­rem die Fra­ge nach den Bedin­gun­gen und dem Sinn des kol­lek­ti­ven his­to­ri­schen Gedächt­nis­ses aufwirft.

Das Gewalt­sys­tem, in dem seit 1930 Mil­lio­nen mas­sa­kriert, erschla­gen, durch Hun­ger ver­nich­tet und erschos­sen wor­den waren, kam fast zum Still­stand. Kin­der, Klein­kri­mi­nel­le, Behin­der­te, Leu­te, die will­kür­lich auf der Stra­ße ver­haf­tet wur­den, Gene­rä­le, Bol­sche­wis­ten, Bau­ern und auch Hen­ker und deren Auf­trag­ge­ber selbst waren die­sem Sys­tem zum Opfer gefal­len. Noch nie hat­te ein Regime die eige­ne Gesell­schaft mit einem sol­chen ent­fes­sel­ten, unkal­ku­lier­ba­ren Ter­ror über­zo­gen. Die­ses Sys­tem ging am 5. März 1953 unter.

Der Autor hebt jedoch her­vor, daß die “Ent­sta­li­ni­sie­rung” zumin­dest auf der Sym­bo­le­be­ne auf hal­bem Wege ste­cken­ge­blie­ben ist: wäh­rend eini­ge Hen­ker wie der berüch­tig­te Beri­ja selbst gerich­tet wur­den, kam der Groß­teil der Täter unge­scho­ren davon. Vie­le Opfer wur­den nie­mals reha­bi­li­tiert, und wenn es nach der Regie­rung der Sowjet­uni­on gegan­gen wäre, wäre der Tod von Mil­lio­nen Men­schen als blo­ßer Kol­la­te­ral­scha­den der Geschich­te in die Ecke des Ver­ges­sens abge­scho­ben worden.

Beson­ders bemer­kens­wert ist das Schluß­wort des Autors:

Der Gulag ist nicht Teil des uni­ver­sel­len Gedächt­nis­ses gewor­den, so wie das NS-Sys­tem. Es gibt kei­nen mit Spiel­bergs „Schind­lers Lis­te“ ver­gleich­ba­ren Film über den nie­der­ge­schla­ge­nen Auf­stand in Worku­ta im Som­mer 1953. Es gibt kei­nen mit Clau­de Lanz­manns „Shoa“ ver­gleich­ba­ren Ver­such, das Sicht­ba­re und das Unsicht­ba­re des Ver­bre­chens zu zei­gen. Es gibt kein dem Tage­buch der Anne Frank ver­gleich­ba­res Zeug­nis, das zum Erin­ne­rungs­re­per­toire des 20. Jahr­hun­dert gehört.

Die Ver­bre­chen des Sta­li­nis­mus sind weit­ge­hend gesichts- und namen­los geblie­ben, ohne Reli­ef­ab­druck im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis, ohne Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gu­ren, ohne ästhe­ti­sche Debat­ten, wie das Unaus­sprech­li­che zu for­mu­lie­ren ist.

Man mag die­se nar­ra­ti­ve Lee­re als letz­ten Erfolg des sta­li­nis­ti­schen Ver­suchs sehen, die Opfer auszuradieren.

Wie die Kom­men­tar­spal­ten zei­gen, haben Sät­ze wie die­se neben vie­len posi­ti­ven Stim­men unter eini­gen Lesern der taz erheb­li­che Irri­ta­ti­on her­vor­ge­ru­fen, die dar­in natür­lich, wie die Phra­se lau­tet, eine “Rela­ti­vie­rung des Holo­caust” und ähn­li­ches wit­tern.  Bei man­chen Kom­men­ta­ren fragt man sich aller­dings, ob sich hier wirk­lich Alte-Schu­le-Kom­mu­nis­ten zu Wort gemel­det haben, oder ob sie eher par­odis­tisch gemeint sind.

Eine wahr­lich aber­wit­zi­ge Debat­te. Für über 90 Pro­zent der Sowjet­bür­ger war die Zeit Sta­lins ein Auf­stieg in sozia­ler, kul­tu­rel­ler und poli­ti­scher Hin­sicht. Die Umer­zie­hung und der rote Ter­ror war durch die Mas­sen gewollt. War­um soll­ten sie den Gulag mit kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­ren Ein­rich­tun­gen wie den deut­schen Kzs gleich­set­zen? Selt­sa­me Vorstellung.

Den Man­gel an Bil­dern und Erzäh­lun­gen über den sta­li­nis­ti­schen Ter­ror und sei­ne Fol­gen für die his­to­ri­sche Bewußt­seins­bil­dung habe ich in mei­nem Kapla­ken-Band “Besetz­tes Gelän­de” (2010) the­ma­ti­siert. Die ent­spre­chen­de Pas­sa­ge in mei­nem Buch ist der zitier­ten des taz-Autors Ste­fan Rei­ne­cke so ähn­lich, daß es sich dabei viel­leicht um kei­nen Zufall handelt:

Josef Sta­lin wird der Satz zuge­schrie­ben, daß der Tod eines ein­zel­nen Men­schen eine Tra­gö­die, der von Mil­lio­nen aber bloß eine Sta­tis­tik sei. Dem Regimes Mao Tse-Tungs wird eine astro­no­mi­sche Zahl von fünf­zig bis sieb­zig Mil­lio­nen Opfern zur Last gelegt, mehr als dop­pelt so vie­le, wie den ungleich berüch­tig­te­ren Jahr­hun­dert­schur­ken Hit­ler und Sta­lin zusam­men zuge­schrie­ben wird. Eine unge­heu­er­li­che Sum­me, die uns jedoch kalt und unbe­tei­ligt läßt. Wir haben kei­ne kon­kre­ten Vor­stel­lun­gen über das War­um und Wie und Wo des Schick­sals die­ser zahl­lo­sen anony­men Men­schen zur Ver­fü­gung. Bei dem Schlag­wort „Ausch­witz“ dage­gen tau­chen auf der Stel­le abruf­ba­re, zum Teil zum visu­el­len Kli­schee gewor­de­ne, schreck­li­che Bil­der auf.

Um vie­les blas­ser, aber bereits erheb­lich faß­ba­rer als die fer­nen chi­ne­si­schen Greu­el sind die Bil­der, die auf­tau­chen, wenn wir Namen wie Worku­ta oder Norilsk hören, die nur weni­gen Men­schen ein Begriff sind. Der GULag-Kom­plex ist in unse­rem Kopf mit kei­ner Iko­no­gra­phie ver­knüpft, die jener der NS-Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ver­gleich­bar wäre. Vor allem aber haben die Zah­len, Sta­tis­ti­ken und Fak­ten, die wir bei Sté­pha­ne Cour­teois und ande­ren Autoren nach­schla­gen kön­nen, kein mensch­li­ches Gesicht. Wir sehen allen­falls das Tol­stoi-Haupt Sol­sche­ni­zyns vor uns, aber die Opfer sind eben­so anonym wie die Täter: kei­ne zu Iko­nen erhöh­te unschul­di­ge Kin­der wie Anne Frank oder der klei­ne Jun­ge mit erho­be­nen Hän­den aus dem War­schau­er Ghet­to, kein Oskar Schind­ler und kein Amon Goeth, kei­ne Bil­der von Hen­kern wie Jago­da, Kaga­no­witsch oder Beria.

Ein zum Bewäl­ti­gungs-Kli­schee gewor­de­ner Satz aus der jüdi­schen Über­lie­fe­rung lau­tet: “Das Geheim­nis der Erlö­sung heißt Erin­ne­rung.“ Aber wes­sen Erin­ne­rung ist damit gemeint? Streng genom­men kann es so etwas wie ein authen­ti­sches Erin­nern außer­halb des eige­nen sub­jek­ti­ven Erle­bens nicht geben, und das Gedächt­nis des Ein­zel­nen ist fra­gil, ver­än­der­lich, dem Schwund und Schwin­del der Zeit unter­wor­fen. Außer­halb des­sen muß man sich auf die Erin­ne­run­gen derer stüt­zen, die Doku­men­te und Berich­te hin­ter­las­sen haben, die man mit Sze­nen aus dem Kopf­ki­no füllt, wie beim Lesen eines Romans.

His­to­ri­sche Erin­ne­rung bedeu­tet im Grun­de nichts wei­ter als die Erin­ne­rung an Fak­ten, die man in der Schu­le gelernt hat, an Über­res­te, die man gese­hen, an Men­schen, die man gekannt hat, vor allem aber die Erin­ne­rung an über Bücher und Fil­me ver­mit­tel­te Bil­der, die dann am stärks­ten haf­ten blei­ben, wenn mit ihnen ein emo­tio­na­les Erleb­nis ver­bun­den ist. Gemünzt auf das Bild, das Goeb­bels’ Kame­ra­leu­te vom Drit­ten Reich pro­du­zier­ten, schrieb Anton Kaes: „Was nicht gefilmt wur­de, hat es auch nicht gegeben,“also etwa Ver­bre­chen, Lei­den und Wider­stand.  Man könn­te ergän­zen: auch das, was spä­ter nicht fil­misch rekon­stru­iert wur­de, hat es nicht gege­ben, zumin­dest nicht im kol­lek­ti­ven Bewußt­sein der Nachwelt.

Ein wesent­li­cher Punkt mei­nes Buches ist die Erkennt­nis, daß es soet­was wie ein “neu­tra­les” und rest­los “objek­ti­ves” his­to­ri­sches Nar­ra­tiv eigent­lich nicht gibt, und daß jedes Nar­ra­tiv “etwas will” von sei­nem Publikum:

Selbst der nüch­terns­te His­to­ri­ker muß etwas von einem Dich­ter im Blut haben, um sei­ne Fund­stü­cke zu einer über­zeu­gen­den Erzäh­lung zu bün­deln. Vom Geschichts­wis­sen­schaft­ler zum Geschich­ten­er­zäh­ler ist es oft nur ein klei­ner Sprung. Der Pro­pa­gan­dist bewegt sich am äußers­ten Rand die­ses Gelän­des: er hat die Auf­ga­be, die Bil­der und Geschich­ten zu fin­den, die auf­put­schen, erschüt­tern und über­re­den sol­len, wobei er die Über­trei­bung, die Ver­zer­rung oder gar die Lüge in Kauf nimmt.

Wo aber gänz­lich dar­auf ver­zich­tet wird, die Geschich­te auch über „Geschich­ten“ zu erzäh­len, hört sie auf, eine mora­li­sche, mobi­li­sie­ren­de oder iden­ti­täts­stif­ten­de, also: poli­ti­sche Wir­kung zu ent­fal­ten. Inso­fern ist der zumeist an eine poli­ti­sche Adres­se gerich­te­te Vor­wurf einer „Instru­men­ta­li­sie­rung“ der Geschich­te zu kurz gegrif­fen. Gemeint ist in der Regel näm­lich vor allem eine sub­jek­tiv „fal­sche“ Instru­men­ta­li­sie­rung, die eben den poli­ti­schen Wün­schen des­je­ni­gen, der den Vor­wurf macht, nicht entspricht.

Schö­ner und auch radi­ka­ler hat dies Egon Frie­dell in sei­ner “Kul­tur­ge­schich­te der Neu­zeit” (1928–31) beschrie­ben:

Vie­le Geschichts­for­scher haben daher ihre Ansprü­che noch mehr her­ab­ge­setzt und vom His­to­ri­ker bloß ver­langt, daß er den jewei­li­gen Stand unse­rer Geschichts­kennt­nis­se völ­lig objek­tiv wider­spieg­le, indem er sich zwar der all­ge­mei­nen his­to­ri­schen Wert­maß­stä­be not­ge­drun­gen bedie­nen, aber aller per­sön­li­chen Urtei­le ent­hal­ten sol­le. Aber selbst die­se nied­ri­ge For­de­rung ist uner­füll­bar. Denn es stellt sich lei­der her­aus, daß der Mensch ein unheil­bar urtei­len­des Wesen ist. Er ist nicht bloß genö­tigt, sich gewis­ser »all­ge­mei­ner« Maß­stä­be zu bedie­nen, die gleich schlech­ten Zoll­stö­cken sich bei jeder Ver­än­de­rung der öffent­li­chen Tem­pe­ra­tur ver­grö­ßern oder ver­klei­nern, son­dern er fühlt außer­dem den Drang in sich, alle Tat­sa­chen, die in sei­nen Gesichts­kreis tre­ten, zu inter­pre­tie­ren, zu beschö­ni­gen, zu ver­leum­den, kurz, durch sein ganz indi­vi­du­el­les Urteil zu fäl­schen und umzu­lü­gen, wobei er sich aller­dings in der exkul­pie­ren­den Lage des unwi­der­steh­li­chen Zwan­ges befindet.

Nur durch sol­che ganz per­sön­li­che ein­sei­ti­ge gefärb­te Urtei­le näm­lich ist er imstan­de, sich in der mora­li­schen Welt, und das ist die Welt der Geschich­te, zurecht­zu­fin­den. Nur sein ganz sub­jek­ti­ver »Stand­punkt« ermög­licht es ihm, in der Gegen­wart fest­zu­ste­hen und von da aus einen sich­ten­den und glie­dern­den Blick über die Unend­lich­keit der Ver­gan­gen­heit und der Zukunft zu gewin­nen. Tat­säch­lich gibt es auch bis zum heu­ti­gen Tage kein ein­zi­ges Geschichts­werk, das in dem gefor­der­ten Sin­ne objek­tiv wäre. Soll­te aber ein­mal ein Sterb­li­cher die Kraft fin­den, etwas so Unpar­tei­isches zu schrei­ben, so wür­de die Kon­sta­tie­rung die­ser Tat­sa­che immer noch gro­ße Schwie­rig­kei­ten machen: denn dazu gehör­te ein zwei­ter Sterb­li­cher, der die Kraft fän­de, etwas so Lang­wei­li­ges zu lesen.

Ran­kes Vor­ha­ben, er wol­le bloß sagen, »wie es eigent­lich gewe­sen«, erschien sehr beschei­den, war aber in Wahr­heit sehr kühn und ist ihm auch nicht gelun­gen. Sei­ne Bedeu­tung bestand in etwas ganz ande­rem: daß er ein gro­ßer Den­ker war, der nicht neue »Tat­sa­chen« ent­deck­te, son­dern neue Zusam­men­hän­ge, die er mit genia­ler Schöp­fer­kraft aus sich her­aus pro­ji­zier­te, kon­stru­ier­te, gestal­te­te, kraft einer inne­ren Visi­on, die ihm kei­ne noch so umfas­sen­de und tief­drin­gen­de Quel­len­kennt­nis und kei­ne noch so scharf­sin­ni­ge und unbe­stech­li­che Quel­len­kri­tik lie­fern konnte.

Denn man mag noch so vie­le neue Quel­len auf­schlie­ßen, es sind nie­mals leben­di­ge Quel­len. Sobald ein Mensch gestor­ben ist, ist er der sinn­li­chen Anschau­ung ein für alle­mal ent­rückt; nur der tote Abdruck sei­ner all­ge­mei­nen Umris­se bleibt zurück. Und sofort beginnt jener Pro­zeß der Inkru­sta­ti­on, der Fos­si­lie­rung und Petri­fi­zie­rung; selbst im Bewußt­sein derer, die noch mit ihm leb­ten. Er ver­stei­nert. Er wird legen­där. Bis­marck ist schon eine Legen­de und Ibsen ist im Begriff, eine zu wer­den. Und wir alle wer­den ein­mal eine sein. Bestimm­te Züge sprin­gen in der Erin­ne­rung unge­bühr­lich her­vor, weil sie sich ihr aus irgend­ei­nem oft ganz will­kür­li­chen Grun­de beson­ders ein­präg­ten. Es blei­ben nur Tei­le und Stü­cke. Das Gan­ze aber hat auf­ge­hört zu sein, ist unwie­der­bring­lich hin­ab­ge­sun­ken in die Nacht des Gewe­se­nen. Die Ver­gan­gen­heit zieht einen Schlei­er­vor­hang über die Din­ge, der sie ver­schwom­me­ner und unkla­rer, aber auch geheim­nis­vol­ler und sug­ges­ti­ver macht: alles ver­flos­se­ne Gesche­hen erscheint uns im Schim­mer und Duft eines magi­schen Gesche­hens; eben hier­in liegt der Haupt­reiz aller Beschäf­ti­gung mit der Historie.

Jedes Zeit­al­ter hat ein bestimm­tes nur ihm eigen­tüm­li­ches Bild von allen Ver­gan­gen­hei­ten, die sei­nem Bewußt­sein zugäng­lich sind. Die Legen­de ist nicht etwa eine der For­men, son­dern die ein­zi­ge Form, in der wir Geschich­te über­haupt den­ken, vor­stel­len, nach­er­le­ben kön­nen. Alle Geschich­te ist Sage, Mythos und als sol­cher das Pro­dukt des jewei­li­gen Stan­des unse­rer geis­ti­gen Poten­zen: unse­res Auf­fas­sungs­ver­mö­gens, unse­rer Gestal­tungs­kraft, unse­res Weltgefühls.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (23)

Gottfried

11. März 2013 09:39

Man stellte sich einmal, der Humanismus zwischen UNESCO und Hollywood-Dreamworks und all seinen "Menschen"rechts-Paragraphen gegen Gedankenverbrechen ("hate speech") wäre nicht allmächtig.
Zu all den "black studies", "gender studies", "jewish studies" usw. kämen ergänzend "white studies" hinzu.
Das Geschichtswissen breiter Massen nähme zu, was z.B. das Zusammentreffen von Lew Bronstein mit Jacob Schiff anbelangt zwecks Finanzierung des Staatsstreiches und Eliminierung der Herrschaft der Romanows. Millionen wüßten um die Erfindung des Gulag-Systemes durch Naftali Frenkel. Millionen wäre Lazar Moiseyevich Kaganovich, den man "Schlächter der Ukraine" nannte, bekannt.
Beim Moskauer Mösenkrawall ("pussy riot") in der rekonstruierten Kathedrale des Erlösers hätte jeder aufgrund seines Wissens sofort die Sprengung selbiger durch Kaganovich assoziiert. "Jetzt habe ich Mutter Rußland den Rock heruntergerissen" frohlockte er damals triumphierend auf den Trümmern.
Neben diesem Wissen dann vielleicht noch eine Riesenfilmindustrie, die Geschichtliches nicht aus schwarzer Perspektive ("Amistad"), nicht aus antiweißer Perspektive ("Django Unchained"), sondern aus weißer Perspektive beleuchtete.
Ein "blockbuster" z.B., der die Geschichte Apfelbaums ("Zinoviev") nachzeichnete, von seiner Ankündigung 1918, daß zehn Millionen Russen vernichtet werden müßten, bis er dann im August 1936 neben seinem Kampfgefährten Rosenfeld ("Kamenew") nach dem "Prozeß gegen die Sechzehn" hingerichtet wurde.

Es gibt schon Gründe, warum es keine weiße Geschichte gibt. Und es wäre mehr als albern, wenn wir unter einer kitschigen Berufung auf "Gerechtigkeit", die es auf Erden niemals gab und niemals geben wird, wenn wir ausgerechnet von unseren Feinden erwarteten, daß diese uns doch unsere weiße Geschichte verehren sollten.
Wenn, dann können wir unsere Geschichte nur selber schreiben.

Solschenyzin

11. März 2013 09:53

Dass die Verbrechensgeschichte des Kommunismus nicht gleichermaßen im historischen Gedächtnis verankert ist, erstaunt nur auf den ersten Blick. Denn im Gegensatz zu den Nationalsozialisten gelang es diesen Regimen, auch die Zeit der schlimmsten Verbrechen zu überdauern. So blieb die Deutungshoheit der eigenen Geschichte in der Hand der Verbrecher. Hinzu kommt, dass in der kollektiven Erinnerung beider Völker im Laufe der Zeit die negativen Erfahrungen mit positiven, gerade aus der eigenen Lebenserfahrung, überlagert wurden. Gerade im Falle Chinas ist dies der Fall, wo durch den eindrucksvollen Wiederaufstieg der letzten 30 Jahre die Schrecken der Mao-Zeit verklärt, verdrängt oder vergessen wurden.

Die Verbrechensgeschichte des Dritten Reichs hingegen konnte durch die Niederlage im Zweiten Weltkrieg relativ schnell historisch verankert werden. Es wäre so interessant wie spekulativ, sich eine Geschichtsschreibung vorzustellen, bei der die Nazis als Sieger aus dem Weltkrieg hervorgegangen wären. Ob es dann wohl wie beim totalitären Bruder Kommunismus zu einer Abmilderung der Gewalt und einer gewissen "Normalisierung" des Alltags gekommen wäre?

Die Verbrechen des Kommunismus gleichermaßen zu würdigen wie jene der Nationalsozialisten - diese Chance ist wohl, auch aufgrund der allmählich wegsterbenden Zeitzeugen, nahezu vertan. Allerdings, und das gilt es nicht zu unterschätzen, hat die Attraktivität der kommunistischen Utopie doch arg unter dem real-existierenden Sozialismus gelitten, so dass eine Wiederkehr in dieser Form wohl nahezu ausgeschlossen ist.

Importprimat

11. März 2013 10:30

Stalin ist untrennbar verbunden mit dem Sieg über Nazi-Deutschland. Hätte Onkel Adolf seine Vision für den Osten Europas nicht an die große Glocke gehängt, wäre eine kritische Auseinandersetzung mit ihm früher und eindeutiger ausgefallen. So muss sich jeder Kritiker Stalins in einer „was wäre wenn“ Debatte bewähren – hätte Stalin das nicht gemacht, hätte er dann Hitler besiegt? Ohne Stalin keine Slawen – das ist Konsens in Osteuropa, selbst in Polen. Klingt einfach? Leider zu kompliziert für Hollywood. Wenn der NKWD Offizier nicht auf eigene Soldaten geschossen hätte, wären die Soldaten von selbst in den Kugelhagel gestürmt? Ohne die brutale Industrialisierung der 30er Jahre, hätte eine humanere, aber unterentwickelte SU die Wehrmacht stoppen können? Ohne Gulag kein Vaterländischer Krieg? Die Millionen von Opfern werden in dieser Debatte schnell relativ, die NS-Pläne für Osteuropa sind ja bekannt. Hollywood mag aber keine relativen Geschichten, Spielbergs Schindler ist das äußerste an Ambivalenz, was dem Publikum zugemutet werden kann. Damit lässt sich die Geschichte des Stalinismus jedoch nicht erzählen, weswegen man gleich die Finger davon lässt und lieber den Soldaten Ryan rettet – da weiß man, was man hat.

Yvonne

11. März 2013 10:40

„...ist unwiederbringlich hinabgesunken in die Nacht des Gewesenen“, was für eine schöne Formulierung für uns Romantiker.
Ich weiß gar nicht, ob ich auf die Anerkennung Stalins als Millionenmörder pochen will, vielleicht würde ich mich lieber auf einen Kuhhandel einlassen: Ihr behaltet euren Stalin, wir bekommen dafür unseren Hitler zurück. Für die Toten ist es einerlei.

Heino Bosselmann

11. März 2013 11:07

Sehr guter Beitrag. – Im erweiterten Zusammenhang interessant wäre
das 2010 bei Siedler erschienene Buch "Das Gebot zu vergessen und die Unabweisbarkeit des Erinnerns. Vom öffentlichen Umgang mit schlimmer Vergangenheit" des Althistorikers Christian Meier Dessen Darstellung ist freilich ein Problem für sich. Ich würde mich etwa scheuen, Meiers Argumentation gerade auf den Stalinismus oder Maoismus anzuwenden, weil beide eine albtraumhafte Welt schufen. Was mir ferner – am Thema vorbei – durch den Kopf geht: Offenbar konnte es im Gegensatz zu verwegenen Annahmen spekulativer Diskussion nur diesen "Sozialismus" geben, und sonst keinen. Was die Sache nicht besser macht, sondern schlimmer.

Martin Lichtmesz

11. März 2013 11:56

Ich zitiere mich nochmal selbst:

Man könnte sich einmal spaßeshalber ein Parallel-Universum vorstellen, in der die Geschichte ganz anders verlaufen wäre, in der etwa das Hitler-Reich über die Sowjetunion gesiegt hätte, unterstützt durch eine USA unter der Führung des NS-Sympathisanten Joseph Kennedy. Seither wären Hekatomben von Filmen, Dokumentationen und Büchern über die unvergleichlichen Menschheitsverbrechen des Bolschewismus erschienen, vor denen Adolf Hitler und die deutsche Wehrmacht die europäisch-westliche Zivilisation in einem heroischen Opfergang gerettet hätten. Alljährlich wird das Kriegsende in Germania (ehemals Berlin) mit einer pompösen Parade gefeiert, an der Staatsmänner aus aller Welt teilnehmen, inklusive russischer und ukrainischer Politiker, die ihren Dank ausdrücken, vom Stalinismus befreit worden zu sein.

Jahrzehnte nach Hitlers Tod kommt es im Großdeutschen Reich zur Perestrojka; das faschistische, Deutschland-hörige Europa, lahm wie die Franco-Diktatur in ihrer Spätphase, bröckelt unter nationalen Freiheitsbewegungen zusammen; Parteispitzen und -reformer geben endlich öffentlich Verbrechen des Regimes zu; Vergleiche des Führers mit Stalin und Lenin werden laut, wie auch andere Ketzereien, die vom Mainstream der Historiker als „Revisionismus“, „Geschichtsklitterung“, und „Relativierung kommunistischer Verbrechen“ bekämpft werden; kritische Stimmen bemängeln, daß die Schulbücher voll seien mit Greuelgeschichten über Workuta und ähnliche GULags, ein gewisses Lager in der Nähe von Oświecim (Generalgouvernment Polen) aber völlig vergessen sei; schließlich werden neue Beweise vorgelegt, daß das Massaker von Babij Jar vielleicht doch nicht, wie schon Katýn, vom NKWD verübt wurde…

https://www.sezession.de/23801/the-soviet-story-und-das-baltische-argernis.html

rautenklause

11. März 2013 12:28

Es ist doch nicht so, daß es keine Filme (oder gar Literatur) zu dem Thema gibt, im Gegenteil. Es ist aber sehr wohl die Frage zu stellen, warum das Vorhandene eben nicht zur Kenntnis genommen wird – wobei sich die Antwort (als bekannt vorausgesetzt) eigentlich erübrigt.

Falls jemand einen Film mit schönen Bildern, etlichen Auszeichnungen und einer skandalösen Veröffentlichungs- und Rezeptionsgeschichte in diesem unserem Land braucht … voilà

https://www.kopp-verlag.de/Sowjet-Story.htm?websale8=kopp-verlag&pi=924600

Und selbst mehr als wohlwollende Besprechungen von Bogdan Musial sind machtlos gegen die ringelnatz’sche Weisheit des Seiens und des Dürfens …

https://www.dradio.de/dkultur/sendungen/lesart/1510682/

Irrlicht

11. März 2013 12:30

Das sehe ich exakt entgegengesetzt: Wenn es die Historikerzunft nicht vermag, an Ranke anzuknüpfen und ihr Fach wissenschaftlich auszurichten, sollte es aus den deutschen Universitäten verschwinden. Die moralische Bewertung nationalsozialistischer, kommunistischer oder demokratischer Verbrechen ist nicht ihre Sache.

M.L.: Friedell stellt ja nicht in Frage, daß man das soll - sondern daß man das überhaupt kann.

@Importprimat: Nette Apologie.

Sternberg

11. März 2013 13:00

Tolles Jubiläum,

ich habe gestern schon mit Trotzkijs Tod von Oswald Mosley Sohn Nicholas mit R. Burton reingefeiert… :-)

https://www.youtube.com/watch?v=AeKHthb-YMM

Ehrlich gesagt – so schlimm war Stalin doch auch nicht. Ich meine, er hat damit die russische Normalität wieder hergestellt. Russland braucht einfach eine eiserne Faust – keine Romanow-Holstein, die im Krieg an die Front gehen um die Verwundeten zu pflegen, und die es mit ihrem Christentum wirklich ernst meinen. Alle fähigen Zaren haben Leichenberge hinterlassen, bevorzugt in der eigenen Familie (Ivan Grosnij, Peter).

Im Übrigen – ich glaube das Stalinismuskritik auf der Linken in einem ganz ungünstigen Kontext stattfindet, zumindest ungünstig für uns. Die Blaupause dafür könnte Töten auf Tschechisch sein, dessen objektive Wirkung nicht den Sudetendeuschen zugute kommt, sondern der Umvolkung Europas.

Intressant finde ich auch die Reaktionen zu Pussy Riot, ich erinnere mich noch explizit an die Kommentarspalte zu Kisslers Kolumne im European – da wurde der Autor als autoritärer Depp verlacht – und die orthodoxe Kirche mit dem NKWD und Stalin verleimt. Das sind sie die Mund flatulierenden Gutmenschen mit der guten Laune. Sie verlangen von allen die Rechts der SPD sind moralische Haftung für Hitler, die Indianer, die Kreuzzüge etc zu übernehmen, wenn es aber um die SU geht: Nee, nee wir sind nämlich immer für Freiheit. (@ Gottfried: Soviel zu Kaganovich.) Ich glaube, da wird gerade eine linke Totalitarismustheorie vorangetrieben, die die Gutmenschen endlich zu guten Menschen machen soll.

Stalin bietet sich auch an: denn der hatte tatsächlich auch seine Leistungen, die wir anerkennen. Nota bene, haben Herr Lichtmesz in einer Podiumsdiskussion in Wien nicht mal den Kommunismus als Katechon bezeichnet? Man denke auch an die Top Probs der Clown Union: „Es sind nirgends Afro-Ukrainer zu sehen!!!“

Oder hier:

https://www.counter-currents.com/2013/02/trotsky-stalin-and-the-cold-war/

Übrigens besucht Putin jedes Jahr zur Tcheka Gründung die Ljubljanka, daß Stalin „unser blutiger Tyrann“ ist weiß auch Kyrill von Moskau – und wehrt alle Versuche ab Stalin und Hitler gleichzusetzen.

Im übrigen: ein heroisches Zeitalter der Russischen Revolution hat es nie gegeben, deshalb war Doktor Schiwago als Roman auch so ärgerlich für die Apparatschiks. Stalin-Bashing bei der Linken findet deshalb statt, weil der sich dazu anbietet, weil er ein in Krypsis agierender Nationalist war – dessen Brutalität eigentlich nur die quantitative Steigerung des Terreurs war. Wenn man so will: ein weißer Diktator mit roten Methoden. Unter der Haut ein Bruder von Hitler. Der Diskurs der jetzt geführt wird läuft darauf hinaus, den Stalin am Ende zum weißen Diktator mit weißen Methoden zu machen. Das würde das Taz-Milieu so freuen. Dann könnte man endlich den netten, guten Massenmörder Trotzkij wieder aus der Versenkung holen, der keinem Menschen etwas zu leide getan hat.

Merkt Euch: er heißt übrigens nicht Lew, oder Leon, sondern Leo Trotzkij. Oder noch Besser Lenny Trotzkij!!! :-D

Das klingt dann so wie Lenny Bruce-Kravitz oder Leonardt Cohen…

Mein Gott, bin ich froh, als Degrelles Spezi Delon Burton mit dem Eispickel erschlägt. Als Romy Schneider dann zwei Minuten vor Ende noch einen Nervenzusammenbruch hat, habe ich einen inneren Reichsparteitag gehabt. Denn ich weiß – sie hat immer nur sich selber gespielt. Als Sissi war sie nur ein Deutscher Backfisch und glücklich mit Franz in den 50ern, 1972 war sie schon zwanzig Jahre Gehirngewaschen – Bewunderer von Willy Brandt und Hasser unseres Vaterlandes, also etwa so glücklich wie die Baguette-Eltern im Bleichen Herz der Revolution. Da ich weiß, daß es ihr so ging, wie sie spielte, habe ich meine Freude dran…

Romy – die deutsche Jean Seberg – Requiescat in pace!

p.s. Stalins Sohn ist im Krieg gefallen. Glaubt ihr BHL wird seinen Sohn auf dem Altar der Menschenrechte opfern? Oder Daniel Cohn-Bendit? Haben die überhaupt Kinder?

p.p.s. natürlich ist auch die Seberg nicht an ihrer Black-Panther Ideologie glücklich geworden.

Rudolf Stein

11. März 2013 13:17

Der Artikel in der Taz ist überflüssig.

M.L.: Für die taz-Leser gewiß nicht.

Denn Solschenizyn hat mit seinem Archipel GULAG bereits alle Fragen beantwortet. Wer dieses umfangreiche Werk mit seinen vielen Anmerkungen und Fußnoten sorgfältig gelesen hat, findet auch die Antwort auf die Frage: wie konnte das geschehen und warum gibt es keine gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung des kommunistischen Terrors? Denn es war nicht allein Stalins Terror und er begann auch nicht erst 1930. Er begann mit der Erstürmung des Winterpalais 1917 und Lenin, den heute die Linken so gern aus der Schusslinie nehmen, hat ihn theoretisch begründet, angeordnet und alle, die nach ihm kamen, auch Stalin, haben sich auf ihn berufen. Dieser Terror hätte nie so allumfassend werden können, wenn nicht jeder jeden verdächtigt hätte und nicht jeder seinen Kopf retten wollte auf Kosten anderer Köpfe, mit dem Ergebnis, dass selbst die brutalsten Halsabschneider noch selbst daran glauben mussten. Ein Verbrechen, das wie ein Krebsgeschwür ein ganzes Volk metastasierte, kann nicht „aufgearbeitet“ werden. Hier hilft nur, zu warten, bis die Täter und Opfer in Personalunion verstorben sind und eine neue unbelastete Generation herangewachsen ist. Erfahrungsgemäß hat die aber ihre eigenen Probleme und wenig Interesse an diesen „ollen Kamellen“. Es sei denn, die Aufarbeitung wird generationenübergreifend von oben verordnet.

RaskoLoco

11. März 2013 14:10

Eine traurige Argumentation,

die Ihr hier fuehrt! Solche Themensetzungen missfallen mir. Leider erreichen uns noch immer die Wellenkringelchen dieser Mordexcesse und wir starren gebannt wie die Kinder auf die Interferenzmuster, die um unsere Fussgelenke entstehen ...

Herr Bosselmann, nicht nur der Socialismus schliesst die Schinderstaetten zwingend ein - jede menschliche Gesellschaft wird zur Mordgesellschaft. Verdammte Entropie! Wir sind fuerchterliche Wesen. WIR!, nicht nur DIE! Gottfrieds eigentuemliche Beweisfuehrung zu den Juden als Gruppe laesst erahnen, was ich meine ...

Gedankenexperiment: Es gibt da diesen Schalter, Ihr habt ihn gestern entdeckt, in dem kleinen Barwaegelchen, das Ihr neben dem Kamin habt - ganz hinten. Wenn ihr ihn umlegt, sterben die Menschen, die ihr auf einem Zettelchen notiert habt (mit Bleistift 6B) schlagartig ... So eine Art Golem-Bar! Na, wie steht´s um Eure Massenmordneigungen? Wuerdet Ihr?

Ich hatte heute eine Nacht zum Thema passend. Mit einem Glas Buchanan´s stand ich auf dem Balcon des kleinen Hotels und lauschte ins naechtliche Reynosa, an Schlaf war nicht zu denken ... Mir kam diese bekannte Pariser Balconscene bei Juenger in den Sinn - nur weniger erotisch und eindeutig prosaischer. Gegen Morgen wandelte sich die Sache dann zu Solowjows im Schnee aufflatternden Voegelchen ...

Keine Ahnung, wie viele Leute heute nacht hier insgesamt erschossen wurden, an der Tankstelle mit dem OXXO-Laden gegenueber lagen drei Leichen. Das Geballer ging die ganze Nacht. Ich glaube keiner von den Dreien legte Wert auf die Nationalitaet oder die Motivation/Ideologie seiner Gegner.

Solche Perspectiven werden nur von denen eingenommen, die nie Angst um ihr Leben hatten. Und auch nur diese discutieren ernsthaft darueber, welcher Mord denn nun "schlimmer" waere! Es ist eine fette, satte Ausstuelpung consolidierter Behaglichkeit. Die gewissermassen ueber den gewoelbten Bauch und die darauf gefalteten Haende ausgestossenen Rauchwoelkchen! Der Tod bleibt Gegenstand der distancierten Reflexion ...

Lieber, geschaetzter Meister Lichtmesz, natuerlich ist mir klar, auf was Sie abzielen, aber ich muss Ihnen sagen, dass mich die Gulags tatsaechlich weniger interessieren als "unsere" KZ´s. Man sollte mit der eigenen Familie haerter ins Gericht gehen, als mit den Anderen! Denn wir sind besser!

Die selbstgewaehlte Opferrolle streifen wir jedenfalls nicht ab, mit den endlosen Sermones ueber das uns widerfahrene Unrecht. Das imponiert weder dem Spiegel-Journalisten, noch dem Moslem-Macho!

Wir richten uns in dieser schwulen Unrechtsecke zu sehr ein, man koennte geradezu vom rechten dark-room sprechen!

Scheiss auf das Unrecht! Ihr als unsere geliebten Vordenker und geschaetzten Autoren solltet mal wieder dazu uebergehen, zu sagen was wirklich Sache ist:

WIR waren mal das coolste Volk auf diesem Planeten. Unsere Vorfahren haben die Roemer erst gezwickt und dann befruchtet, dann den Moslems einen Scheitel gezogen und als unsere Uropis und Opis frech wurden, hat sich die ganze Welt (ja, die ganze Welt!) die Hosen vollgemacht. Nebenbei haben sie diese Welt auch noch schlauer und schoener gemacht.

Und wenn heute ein dahergelaufener Sued-Fremder behauptet, sein Vater und nicht unsere Omas haetten Deutschland nach ´45 wieder aufgebaut, dann discutieren wir mit dem ... anstatt ihm die Vorzuege des Scheitels aufzuzeigen!

Wir haben es immer noch in uns, wir sind klug (Keine Frage, oder?), wir sind gutaussehend (Bitte!) und wir haben Eier! Wir sollten auf diese Ungerechtigkeitsgeschichten verzichten!

Lasst uns deutscheopfer.de abschalten!

Immer noch buchanisiert,

R.

Importprimat

11. März 2013 14:17

@Gottlieb
Bei aller Unzulänglichkeit des Ansatzes, scheint mir der Versuch, Geschichte mit etwas Abstand zu betrachten, als der bessere. Auch wenn wir wissen, dass es keine objektive Geschichte geben kann, sollte man zumindest versuchen, Geschichte nicht immer im Einklang mit seinem heutigem selbst zu verstehen. Nur in dem Fall kann man Wiedersprüche aushalten und muss sie nicht bügeln. Wir kennen den Blödsinn, der bei der „schwarzen Geschichtsschreibung“ herausgekommen ist. Möchten wir wirklich den Quark mit einer „weißen Geschichtsschreibung“ haben? Ist es dann Geschichtsschreibung oder eher Geschichten erzählen? Wozu dann Archäologie? Geschichte ist natürlich ein Teil des ideologischen Instrumentariums jeder Gruppe. Wäre es nicht hilfreicher, den Leser stets zu warnen, was da auf ihn zukommt (Quellenkritik), als den Fallschirm der Wissenschaft ganz abzulegen und sich in den freien Fall der aktuellen Beliebigkeit nach Interessenlage zu begeben? Eine „schwarze Geschichte“ steht im Ergebnis ja schon fest. Da ist es konsequent, wie Tarantino in Django, ganz auf Quellen und Fakten zu verzichten und seine Geschichte zu erzählen. Auf einen „Ludwig II Unchained“, der von Neuschwanstein aus Horden von Pickelhauben wegmäht um die Souveränität Bayerns zu verteidigen, kann ich zumindest gerne verzichten. Wenn Sie es gar nicht aushalten können, kann ich Tarzan mit Johnny Weissmüller empfehlen. Heia Safari!

agentjoerg

11. März 2013 15:52

@Sternberg

Stalin bietet sich auch an: denn der hatte tatsächlich auch seine Leistungen, die wir anerkennen.

wenn man in ihrem satz das wort "Stalin" durch "Hitler" ersetzen würde, würden sie diesen satz dann genauso sagen, d.h. die leistungen Hitlers auch anerkennen ?

https://en.wikipedia.org/wiki/Adolf_Hitler#Third_Reich

Unemployment fell from six million in 1932 to one million in 1936. Hitler oversaw one of the largest infrastructure improvement campaigns in German history, leading to the construction of dams, autobahns, railroads, and other civil works.

darf die englische wiki das, die leistungen Hitlers anerkennen ?

im jahre 1983 gab es doch glatt noch dokus im deutschen fernsehen, die zu erklären versuchten, warum unsere grosseltern Hitler wählten. heute absolut unvorstellbar.

Warum Sie Hitler Wählten: https://www.youtube.com/watch?v=3vtfdfILdAw&feature=gv&hl=de

Martin Lichtmesz

11. März 2013 16:52

Der Hauptgrund, warum die Kommunisten mehr Tote verschuldet haben als die Nationalsozialisten, ist vielleicht, daß sie ein besseres Gewissen hatten.

Ein Fremder aus Elea

11. März 2013 16:57

Ohne die brutale Industrialisierung der 30er Jahre, hätte eine humanere, aber unterentwickelte SU die Wehrmacht stoppen können?

Nein, allerdings kam es schon vor Hitler zu unmenschlichen Maßnahmen in der Sowjetunion, wobei sich allerdings die Frage stellt, welche Verantwortung Stalin zu der Zeit daran trug, involviert war er.

Und natürlich gab es theoretische Vorgaben. Ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung war zu eliminieren, um die gesellschaftlichen Voraussetzungen für den Sozialismus zu schaffen.

Der für Estland Zuständige wurde angeklagt, weil er diesen Prozentsatz nicht erfüllt hat, wurde aber freigesprochen, wahrscheinlich weil kein sonderlich großes gewachsenes Bürgertum nach der Emigration der deutschen Führungsschicht bestand.

Ich hoffe, ich erzähle hier nicht schon wieder zu sehr eine Geschichte.

Am Ende entpuppen sich die Dinge aber meistens zur Klarheit, die Sowjetunion kann man getrost als "die Herrschaft der Anzüge" bezeichnen.

Ich schätze, ein Russe wüßte das einzuordnen, aber ohne die geringsten anschaulichen Erfahrungen mit dem Land könnte es einem Deutschen schwerfallen, womit wir ja auch wieder beim Thema wären, wenngleich bei einem anderen Aspekt, nicht der Geschichte, sondern der Gegenwart.

Ich würde behaupten, daß schwedische Krimis im deutschen Fernsehen das Schwedenbild der Deutschen ein Stück weit korrigiert haben. Warum nicht allgemeiner diesem Ansatz folgen und statt Auslandsreportagen schlicht das Fernsehprogramm des betreffenden Landes übersetzen?

Im Falle Rußlands brächte das auf jeden Fall was. Nun ja, mehr wäre wünschenswert, aber immerhin wäre es ein Anfang.

Hier in Estland gibt's "Kommissar Rex" im Fernsehen und auch noch andere deutsche Fernsehserien. Außerdem welche aus England, Finnland und Schweden, denke ich. Russisch muß nicht sein, das kann man ja eh empfangen, jedenfalls im Osten.

Nicht. daß Österreich so wäre, wie es in "Kommissar Rex" gezeigt wird, aber man lernt doch viel über Menschen, wenn man weiß, was sie sich so ankucken, welche Stereotypen sie in ihren Fernsehsendungen erwarten, ich meine, die ganze Staatsdoktrin steckt doch drin, und das erlaubt alle möglichen Rückschlüsse.

Also, sehen wir uns doch einfach an, was sich die Menschen andernorts für Legenden anhören. Zumindest verstünden wir dann die Gegenwart.

OJ

11. März 2013 17:04

@Martin Lichtmesz:

Das von Ihnen beschriebene Szenario einer Perestroika in einem siegreichen Nazi-Deutschland ist in der "alternative history"-Szene sogar fast Gemeingut. Ein gutes Beispiel dafür gibt etwa "In the Presence of Mine Enemies" von Harry Turtledove ab.

M.L.: Danke, ich kenne nur "Das Reich Artam" von Volkmar Weiss.

Gottfried

11. März 2013 17:10

@ imprimat

"Auch wenn wir wissen, dass es keine objektive Geschichte geben kann, sollte man zumindest versuchen, Geschichte nicht immer im Einklang mit seinem heutigem selbst zu verstehen."

Ich glaube eben nicht, daß "wir" das wissen. Wenn ich für das unklare "wir" einfach mal zig Millionen einsetze, die im Territorium der BUNTEN Republik wohnhaft sind.
"Wir" leben unter dem Dogma einer Geschichtsreligion, im Jahre 68 nach Ableben des Leibhaftigen.
Der "Menschen"freund Jacob Schiff hat Bronstein im Jahre 28 vor Ableben des Leibhaftigen die zwanzig Millionen Dollar zukommen lassen.

Das Selbst im Jahre 68 nach Ableben des Leibhaftigen zu finden, hieße als erstes, den Gott, also die Möntschheit und den Leibhaftigen zu stürzen, die Hohenpriester aus ihren Machtpositionen zu verjagen, Geschichtsinteressierte, die das angeblich "Falsche" herausgefunden haben, aus den Haftanstalten zu entlassen.

Zur Geschichtswissenschaft gehört immer eine Erkenntnistheorie/Wissenschaftstheorie. Erkennen kann ich nur durch eine Relation (kleiner Baum - großér Baum; mächtiger Herrscher - schwacher Herrscher ...). Ein einziger großer Baum wäre undenkbar. Zwischen allen möglichen Bäumen entdeckt man eine relativ großen.
Nun kann man zwar rein mathematische Relativierungen betreiben, doch wer betreibt schon etwas ohne jedes Eigeninteresse? Wie viele Verbrechen all der Jacob Schiffs, Moisevich Sverdlovs, Apfelbaums, Bronsteins usw. wurden relativiert durch den gängigen Topos "Stalin"?
Nichts kann man nur singulär betrachten. Warum sollte nun unser Feind den Elfmeter verschenken, Bronstein, Kaganovich, Frenkel und Co. über Stalin zu relativieren und Stalin wiederum über Hitler?

Geschichtswissenschaft ist immer Synthese und Antithese, immer wieder Revision, es werden noch diese oder jene Daten neu eingebracht und bieten sich zum Diskurs an. Die Behauptung, die Königin sei die Schönste im ganzen Lande, jeder Widerspruch wird mit Kerker beantwortet, ist auch dann nicht wissenschaftlich, wenn manches der äußeren Pracht der Herrscherin durchaus für diese These sprichen mag.

Es wird immer so eine sagen wir mal "Art von Bemühung" um halbwegs seriöse Geschichte geben, und andernorts vielleicht jemanden, der diesen Tarzan wiederauflegen will als Unterhaltungsfilm oder den Märchenkönig Ludwig. Von daher keine grundsätzlichen Einwände gegen Tarzan und Johnny Weißmüller.

Irrlicht

11. März 2013 17:17

@M.L.
Fridells Einlassung lese ich nicht wissenschaftstheoretisch, als solche wäre sie auch wenig überzeugend. Aus dem Umstand, dass eine historische Abhandlung eine Interpretation der Quellen bedarf und keine direkte Folge des zugrundeliegenden Quellenmaterials ist, mithin theoriebehaftet ist, folgt nicht, dass der (wissenschaftlich orientierte) Historiker "neue Zusammenhänge, die er mit genialer Schöpferkraft aus sich heraus projizierte, konstruierte".

M.L.: Doch, genau das folgt daraus.

Importprimat

11. März 2013 18:28

@ML
Die Quantität lässt keine Rückschlüsse auf die Qualität der Opfer zu, außer dass im Kommunismus vielleicht mehr Späne beim Hobeln vielen. Da beide Ideologien fast ganz Europa im Griff hatten, um dann doch im geschichtlichen Maßstab zügig unterzugehen, kann man mit guten Gewissen sagen, dass in beiden Fällen mit dem Terror nicht die richtige Zielgruppe erreicht wurde.

M.L.: Was bedeutet "Qualität der Opfer"?

rosenzweig

11. März 2013 19:02

Nur der Genauigkeit halber: Jürgen Trittin war nicht im KBW sondern im KB Nord, Göttinger Regionalgruppe. Ich war etwas früher als er für ein paar Jahre Kader in der Hamburger Zentrale. Das bringt mich dazu, einmal anzumerken, dass für euch liebe urwüchsige Rechte und auch für die meisten Linken heute, das, was im Rahmen der kommunistischen Bewegung geschehen ist, ein Buch mit 7 Siegeln bleibt, solange ihr nicht die dieser Bewegung zugrunde liegende Psychologie verstanden habt:
„The Communist has a highly developed ability to carry out party objectives while behaving like a non-Communist in the midst of anti-Communists. The practice of deception becomes so much a pattern of his behavior that he will use deceptive methods even when it is unnecessary; it becomes a way of life.“ Herbert A. Philbrick
Dieses Leben in der Täuschung hat Tradition.
„Underlying the novelty of Sabbatian thought more than anything else was the deeply paradoxical religious sensibility of the Marranos and their descendants...for the unique psychology of these reconverts...the Sabbytian doctrine...was perfectly tailored to the Marranic mentality.“ Gershom Sholem
Ich empfehle jedem, der wissen möchte, warum die Welt so geworden ist, wie sie geworden ist, sich mit der Bewegung des Sabbatianismus zu beschäftigen, um zu sehen, wie von einer Generation auf die andere das messianische Feuer sich in das Feuer des Fortschritts verwandelte.
Und wer jetzt meint, dass es also doch die Juden waren, dem muß ich sagen, so einfach ist es nun doch nicht. Man könnte es auch so sehen:den Juden ist als ersten das geschehen, was nun der ganzen christlich abendländischen Welt geschieht. Das traditionelle Judentum, so wie es für über zwei Jahrtausende existiert hat, ist im Verlaufe des 19. Jahrhunderts verschwunden. Und das war keine naturwüchsige Entwicklung. Das war die Operation einer klandestin arbeitenden Bewegung, die das Judentum von innen zerstört hat und welche dann in die kommunistische Bewegung mündete. Wie auch immer, wen es interessiert. Obwohl, am Beispiel des jüdischen Volkes kann man auch sehen, wie die Sache ausgeht. Das nämlich die „Kräfte des Fortschritts“ eines nicht können: sich vermehren. Vor 40, 50 Jahren haben die traditionellen Juden, die Haredim usw. nicht einmal 1% der Juden weltweit ausgemacht. Inzwischen sind sie bei 30%. Tendenz steigend, und zwar exponentiell. Das ist es eben, was traditionelle Juden und Christen können, schnackeln, so dass was dabei rumkommt. In zwei Generationen müssen die dann herrschenden traditionellen Christen und Juden einen neuen modus operandi finden und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.
Wer noch etwas über Stalin und Trotsky und nicht nur die wissen möchte, dem empfehle ich die „Rote Symphonie“: https://mailstar.net/red-symphony.html

Martin

11. März 2013 20:32

@sternberg:

Sie sollten wohl mit Bewusstseinserweiternden- oder stimulierenden Substanzen vorsichtiger umgehen ... (kleiner Scherz)

und jetzt meinen Senf dazu:

50 Jahre ist Stalin Tod - und es gibt im Fernsehen keine Dokus etc., nur ein paar Artikel in Zeitungen ... kein Vergleich dazu, was passieren wird, wenn wir das Jahr 2015 schreiben werden ...

Für mich, als halben Abkömmling aus den KuK- Gebieten (Opa diente noch in der KuK- Armee im WK 1), beginnt die ganze Malaise spätestens mit Königgrätz.

Seit das kleindeutsche, protestantisch-preußische Deutschland sich durchgesetzt hat, war der Untergang Deutschlands und damit des Kaiser- und Königtums in Europa und damit auch der Untergang des europäischen Abendlandes mehr oder weniger eingetütet. Mehr Österreich, mehr Katholizismus und das deutsche Projekt wäre ganz anders verlaufen und damit auch die Geschichte des Abendlandes ... aber was soll es ... hätte, wäre, wenn, ist müßig.

Mich kotzt nur die Preußen-Idealisierung im rechts-intellektuellen Bereich an und das musste ich jetzt einmal wieder los werden, denn ohne Kleindeutschland, kein Lenin in Russland und vermutlich noch nicht einmal die Februarrevolution.

So, und jetzt greife ich zum x-ten mal zum jüdisch stämmigen Joseph Roth, lese zum x-ten mal den Radetzky-Marsch und im Anschluss daran die Kapuzinergruft und schiebe meine Depressionen weiter, da der Frühling auch nicht kommen mag ...

Inselbauer

11. März 2013 21:08

Es ist eine putzige Vorstellung, dass die stalinistischen Sympathien von taz-Lesern parodistisch gemeint sein könnten; ich kann das selbst nicht ganz ernst nehmen und halte es für einen Witz Ihrerseits (...)
Man würde sich wundern, mit welchen Methoden der deutsche Spießer seine Vorstellung von der hocheiligen Einmaligkeit der Nazi-Morde aufrecht zu erhalten sucht. Es geht so weit, dass promovierte Historiker vor versammelter Mannschaft dazu auffordern, den Stalinismus doch den russischen Historikern zu überlassen und doch um Gottes Willen die kulturellen Unterschiede zwischen "dem modernen Nazideutschland" und der "bettelarmen Sowjetunion" zu beachten. Ich habe es selber erlebt, dass Universitätsprofessoren davon sprachen, dass uns der Stalinismus nicht angeht.

Götz Kubitschek

12. März 2013 12:00

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Gruß! Kubitschek

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