25. Todestag Wilhelm Emil Mühlmann

(Text aus dem Band Vordenker des Staatspolitischen Handbuchs, Schnellroda 2012.)

von Andreas Vonderach

Wilhelm Emil Mühlmann war Fachwissenschaftler ohne ideologische oder politische Ambitionen. Als Ethnologe, Soziologe und Anthropologe befaßte er sich mit den Grenzgebieten von Humanbiologie und Gesellschaft, insbesondere der Soziologie und Psychologie der Beziehungen zwischen verschiedenen Völkern.

Mühl­mann stu­dier­te Anthro­po­lo­gie, Eth­no­lo­gie und Sozio­lo­gie in Frei­burg i. Br. und Ber­lin. Nach sei­ner Pro­mo­ti­on arbei­te­te er in völ­ker­kund­li­chen Muse­en in Ber­lin und Ham­burg. Von 1939 bis 1945 war er Dozent für Völ­ker­psy­cho­lo­gie und Eth­no­lo­gie in Ber­lin. Ab 1950 lehr­te er Eth­no­lo­gie und Sozio­lo­gie in Mainz und von 1960 bis zu sei­ner Eme­ri­tie­rung 1970 in Hei­del­berg. Er führ­te For­schungs­rei­sen nach Indi­en, Süd­ost­asi­en und Sizi­li­en durch.

Mühl­mann kam von der phy­si­schen Anthro­po­lo­gie, von der aus­ge­hend er sich in den 1930er Jah­ren zunächst sozi­al­bio­lo­gi­schen Siebungs- und Aus­le­se­pro­zes­sen zuwand­te. Er war der Auf­fas­sung, daß zum Ver­ständ­nis der sozi­al­bio­lo­gi­schen Selek­ti­ons- und Aus­le­se­pro­zes­se in einer Gesell­schaft die Kennt­nis ihrer Kul­tur not­wen­dig ist. Die Dar­stel­lung sozio­lo­gi­scher Tat­sa­chen nimmt daher auch schon in sei­ner Ras­sen- und Völ­ker­kun­de von 1936 einen brei­ten Raum ein. Sie unter­schei­det sich dadurch von der bis dahin noch über­wie­gend beschrei­ben­den Rassenkunde.

Mühl­mann inter­es­sier­te sich vor allem für die Dyna­mik sozi­al­bio­lo­gi­scher und eth­no­ge­neti­scher Vor­gän­ge. Stan­den hier zunächst noch die inner­völ­ki­schen Siebungs­pro­zes­se im Mit­tel­punkt, so wen­de­te er sich bald schon den Pro­ble­men von eth­ni­schen Kon­tak­ten und Assi­mi­la­ti­ons­pro­zes­sen zu. Sein metho­di­scher Ansatz war dabei ein phä­no­me­no­lo­gisch-funk­tio­na­ler, er faß­te die Eth­no­lo­gie als die „sozio­lo­gi­sche Theo­rie inter­eth­ni­scher Sys­te­me“ auf, zu deren Gegen­stand auch die euro­päi­schen Völ­ker gehö­ren. Mühl­mann unter­schied zwi­schen der Ras­se im bio­lo­gi­schen Sinn und der Ras­se im sozio­lo­gi­schen Sinn.

In der Spann­wei­te der mensch­li­chen Kul­tur­er­schei­nun­gen sah er den Aus­druck der bio­lo­gisch begrün­de­ten Modi­fi­ka­ti­ons­brei­te des Men­schen. Er beton­te den Wert der Intui­ti­on auf der Grund­la­ge brei­ten Wis­sens bei der Beschrei­bung von sozio­lo­gi­schen Typen im Sin­ne Max Webers. In sei­nen empi­ri­schen For­schun­gen befaß­te sich Mühl­mann vor allem mit der Eth­no­lo­gie Poly­ne­si­ens, der Sozi­al­psy­cho­lo­gie nati­vis­ti­scher Bewe­gun­gen als Reak­ti­on auf die west­li­che Kolo­ni­sie­rung, mit Mahat­ma Gan­dhi und patri­ar­cha­li­schen Kli­en­tel­sys­te­men auf Sizilien.

Schrif­ten: Stu­di­en zur Kul­tur- und Sozi­al­bio­lo­gie, in: Archiv für Ras­sen- und Gesell­schafts­bio­lo­gie 23 (1931); Aus­le­se­pro­zes­se in der mensch­li­chen Gesell­schaft, in: Bre­mer Bei­trä­ge zur Natur­wis­sen­schaft, Bre­men 1933; Ras­sen- und Völ­ker­kun­de, Braun­schweig 1936; Metho­dik der Völ­ker­kun­de, Stutt­gart 1938; Krieg und Frie­den, Hei­del­berg 1940; Assi­mi­la­ti­on, Umvol­kung, Volk­wer­dung, Stutt­gart 1944; Die Völ­ker der Erde, Ber­lin 1945; Geschich­te der Anthro­po­lo­gie, Bonn 1948 (3. Auf­la­ge Wies­ba­den 1984); Eth­ni­sche Auf­stiegs­as­si­mi­la­ti­on und Ras­sen­wan­del, in: Homo 1 (1949); Zur Theo­rie der sozia­len Siebung, in: Jahr­buch für Sozi­al­wis­sen­schaft 1 (1950); Mahat­ma Gan­dhi, Tübin­gen 1950; Eth­no­lo­gie als sozio­lo­gi­sche Theo­rie der inter­eth­ni­schen Sys­te­me, in: Köl­ner Zeit­schrift für Sozio­lo­gie und Sozi­al­psy­cho­lo­gie 8 (1956); Homo Crea­tor. Abhand­lun­gen zur Sozio­lo­gie, Anthro­po­lo­gie und Eth­no­lo­gie, Wies­ba­den 1962; Ras­sen, Eth­ni­en, Kul­tu­ren. Moder­ne Eth­no­lo­gie, Neu­wied 1964.

Lite­ra­tur: H.P. Henecka: Mühl­mann, Wil­helm Emil, in: Inter­na­tio­na­les Sozio­lo­gen­le­xi­kon, Bd. 2, Stutt­gart 1984; Ernst Wil­helm Mül­ler: Wil­helm Emil Mühl­mann †, in: Zeit­schrift für Eth­no­lo­gie 114 (1989); Ilse Schwi­detz­ky, Ilse: Wil­helm Emil Mühl­mann und die Anthro­po­lo­gie, in: Homo 38 (1987), erschie­nen 1989.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.