Lehrer mit Mission

Wer Kinder hat, kommt irgendwann unweigerlich mit der Institution Schule in Berührung.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Die Erfah­run­gen, die man dabei machen kann, decken das gan­ze Spek­trum ab. Ein Resul­tat die­ser Erfah­run­gen ist die Ein­sicht, daß es weni­ger auf die Insti­tu­ti­on (ob sie ver­rot­tet ist oder nicht oder einer beson­de­ren Ideo­lo­gie folgt) ankommt als auf die Per­sön­lich­keit, die vor der Klas­se steht. Das ist tröst­lich, wenn es eine Per­sön­lich­keit ist, und trost­los, wenn es kei­ne ist, weil man der Gesetz­mä­ßig­keit durch kei­nen Schul­wech­sel ent­kom­men kann.

Wenn es sich nur um Dumm­heit han­deln wür­de, wäre das leicht durch­schau­bar. Aber es gibt auch den sen­dungs­be­wuß­ten Päd­ago­gen, der die Axt an die zart ent­wi­ckel­te Pflan­ze der natio­na­len Iden­ti­tät des Schü­lers legt. Ein Bei­spiel hier­für fand sich jüngst in einer süd­ba­di­schen Regio­nal­zei­tung. Anlaß war das Halt­ma­chen des „Zuges der Erin­ne­rung”, einer Wan­der­aus­stel­lung über Depor­ta­tio­nen im Drit­ten Reich. Da die Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus im Unter­richt offen­bar immer noch zu kurz kommt und der Besuch eines KZs in Baden-Würt­tem­berg auch noch nicht ver­pflich­tend ist, ent­schloß sich ein Frei­bur­ger Leh­rer kur­zer­hand, sei­ne Schü­ler in die­se Aus­stel­lung zu füh­ren, nicht ohne öffent­lich davon Zeug­nis abzu­le­gen (der Leser­brief im Wort­laut, Her­vor­he­bun­gen von mir):

Eine außer­or­dent­li­che Aus­stel­lung hat­te in Frei­burg halt gemacht, Haupt­bahn­hof Gleis 8, letz­tes Gleis, ganz am Ende Bahn­hofs­an­la­gen, einem sonst unbe­nutz­ten, einem Abstell­gleis, dort, wo die Bahn grund­sätz­lich unlieb­sa­me Geschich­te ent­sorgt. Mit mei­nen Schü­lern besuch­te ich die­sen Ort an einem der weni­gen Tage, an denen der Zug der Erin­ne­rung in Frei­burg Sta­ti­on machen konn­te. Wir stan­den lan­ge an, der Andrang war groß, aber die Zeit wur­de mir den­noch nicht lang. Man sprach mit­ein­an­der über das, was einen in die­sem Moment an die­sem Ort beweg­te, der Bahn­hof, die Glei­se, der Zug hat­ten das mühe­los geschafft: die Erin­ne­rung bei den Älte­ren, die Ver­ge­gen­wär­ti­gung der Unge­heu­er­lich­kei­ten der Depor­ta­ti­on von Kin­dern bei den Jün­ge­ren. Man kam ins Gespräch wäh­rend des Wartens.

Auch über einen Skan­dal, der sich vor unse­ren Augen in die­sen Tagen in Deutsch­land abspielt: Es ist der Skan­dal, des­sen Haupt­ak­teu­re noch immer Ver­ant­wort­li­che der Bahn sind. Sie ver­lan­gen von den Ver­an­stal­tern des Zuges der Erin­ne­rung Geld für das Benut­zen der Gelei­se und der Bahn­hö­fe. 14 000 allein für die paar Tage der Sta­ti­on in Frei­burg. Mei­nen Schü­lern bleibt der Mund offen ste­hen vor Empö­rung: Das ist doch über­haupt kein Unter­schied zu der unge­heu­er­li­chen Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der die Reichs­bahn sei­ner­zeit pro Schie­nen­ki­lo­me­ter und Per­son vier Pfen­ni­ge ver­lang­te. Kin­der zahl­ten die Hälf­te. Kein Witz. Blu­ti­ger Ernst. Das Reichs­si­cher­heits­haupt­amt bezahl­te, die Reichs­bahn ver­dien­te am Tod von Tau­sen­den von Men­schen. Es hat sich nichts geän­dert. Alle machen wei­ter: Damals Ver­ant­wort­li­che für die Zusam­men­stel­lung von Son­der­trans­por­ten wer­den in der Deut­schen Bahn der Bun­des­re­pu­blik Spe­zia­lis­ten für Logis­tik von „Son­der­zü­gen”. Sie waren und sind Ange­stell­te. Taten ihren „Dienst”. Und die Chefs? Der ehe­ma­li­ge Chef der Deut­schen Bahn, Hart­mut Meh­dorn, führt eine ande­re Tra­di­ti­on aus der Nazi­zeit fort, die Bespit­ze­lung von Mit­ar­bei­tern im Stil der Gesta­po. Sei­ne Abfin­dung wird im zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­reich liegen.

Es ist gut, dass die Stadt Frei­burg ohne Umschwei­fe die Hälf­te der Kos­ten für den Halt in Frei­burg über­nom­men hat, aber es bleibt die Obs­zö­ni­tät der Geschäfts­mä­ßig­keit, mit der gera­de in der Deut­schen Bahn ver­drängt und wei­ter­ge­macht wird. Den heu­ti­gen Jugend­li­chen wür­de ich über das Deutsch­land im Jahr 65 nach Ausch­witz gern etwas ande­res sagen können.

Wür­de er ger­ne? Tut mir leid, das glau­be ich nicht. Der Mann hat eine Mis­si­on und als Mis­sio­nar ist es bei ihm weder mit Logik noch Erkennt­nis weit her. Das läßt sich auch an dem Arti­kel able­sen, auf den sich sein Brief bezieht. Dar­in kommt der Vor­sit­zen­de des Ober­rats der Israe­li­ten in Baden, Wolf­gang Fuhl, zu Wort. Sei­ner Ansicht nach müs­se man an die Ver­gan­gen­heit erin­nern, „um eine Wie­der­ho­lung oder Schlim­me­res zu ver­hin­dern”. Haben Sin­gu­la­ri­tät und Unver­gleich­lich­keit nur Gel­tung für die Vergangenheit?

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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