Stadt Karben gegen Andreas Lichert – Teil 2

von Wiggo Mann

Die Gründungsveranstaltung des Bürgerbündnisses gegen rechts respektive gegen die Projektwerkstatt...

von Andre­as Lichert ging am Abend des 13. Juni über die Büh­ne. Stadt­rat von Leon­har­di setz­te bereits vor der Beginn der Ver­an­stal­tung das Haus­recht durch und ver­wehr­te etli­chen Kon­ser­va­ti­ven um Andre­as Lichert den Einlaß.

In ein­füh­ren­den Wor­ten ver­lieh er sei­ner Betrof­fen­heit Aus­druck und ver­kün­de­te, in Kar­ben sei kein Platz für die rech­te Sze­ne. Leon­har­di zeich­ne­te ein Bild, wonach die Pro­jekt­werk­statt Kar­ben die „Frei­heit infra­ge­stel­len“ wür­de und er „von über­all“ Zuspruch erhalte.

Fakt hin­ge­gen ist, daß das Pro­jekt gera­de für die frei­heit­li­che Dis­kus­si­ons­kul­tur und das Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung ein­tritt.  Um die eige­ne Auf­fas­sung bestä­tigt zu sehen, wur­den jedoch ein­schlä­gig bekann­te „Exper­ten“ auf­ge­fah­ren, die dem Umfeld der Pro­jekt­werk­statt das Attri­but „rechts­extrem“ zuord­nen und die aku­te Gefahr die­ser Insti­tu­ti­on auf­zei­gen sollten.

Zunächst sprach Pro­fes­sor Dr. Ben­no Hafen­eger (Mar­burg), der mit­teil­te, es exis­tie­re seit der Grün­dung der BRD eine rechts­extre­mis­ti­sche poli­ti­sche Kul­tur, die ein Dau­er­phä­no­men dar­stel­le und orga­ni­sa­to­risch und struk­tu­rell in der NPD und der frei­en Kame­rad­schafts­sze­ne ver­wur­zelt sei. Über Neue Medi­en wür­den die­se auf die Jugend eine beson­ders hohe Attrak­ti­vi­tät ausüben.

Hier­von aus­ge­hend schlug er einen Bogen von der NPD über die neo­na­zis­ti­sche Sze­ne bis zu den Iden­ti­tä­ren und kon­stru­ier­te eine inhalt­li­che sowie per­so­nel­le Ver­bin­dung, die nicht exis­tiert. Die ideo­lo­gi­schen Inten­tio­nen Hafen­egers lie­gen in der von lin­ken Aka­de­mi­kern stets beschwo­re­nen Schi­mä­re, wonach der Rechts­extre­mis­mus aus der Mit­te der Gesell­schaft kom­me und somit der „Kampf gegen rechts“ auf allen Ebe­nen und bereits gegen jed­we­de kon­ser­va­ti­ve Posi­ti­on zu füh­ren sei, um dem laten­ten All­tags­ras­sis­mus in Deutsch­land zu begeg­nen. Die hier­aus resul­tie­ren­de Aus­gren­zung unlieb­sa­mer Per­so­nen und Orga­ni­sa­tio­nen wird nun auch auf Kar­ben ange­wandt, indem kri­ti­sche Geis­ter zum Schwei­gen gebracht wer­den sollen.

Dies ver­tief­te Andre­as Bal­ser, Vor­sit­zen­der der Anti­fa­schis­ti­schen Bil­dungs­in­itia­ti­ve Wet­ter­au, in sei­nem Vor­trag über „Die Situa­ti­on in der Regi­on“. Hier­in ver­stieg er sich zu der hane­bü­che­nen Aus­sa­ge, das Insti­tut für Staats­po­li­tik fun­gie­re als Schnitt­stel­le von „rechts­kon­ser­va­ti­ven und neo­na­zis­ti­schen“ Ein­stel­lun­gen und das von der Pro­jekt­werk­statt ver­laut­bar­te Bekennt­nis zum Grund­ge­setz sei nur tak­ti­sche Mimi­kry, um die wah­ren rechts­extre­men Über­zeu­gun­gen zu ver­schlei­ern. Eben­so ver­such­te er, eine Ver­bin­dung von neo­na­zis­ti­schen Struk­tu­ren in der Regi­on mit der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung her­zu­stel­len, was jedoch bei Mut­ma­ßun­gen blei­ben mußte.

Beson­ders per­fi­de war der Ver­such, neo­na­zis­ti­sche Objek­te in Mit­tel­hes­sen auf eine Stu­fe mit der dezi­diert kon­ser­va­ti­ven Pro­jekt­werk­statt Kar­ben zu set­zen und dem über­wie­gend bür­ger­li­chen Publi­kum ein rea­li­täts­fer­nes Schre­ckens­sze­na­rio auszumalen.

Die­se Mut­ma­ßun­gen und Gleich­set­zun­gen von rechts­kon­ser­va­tiv und rechts­extrem sorg­ten im Publi­kum für kri­ti­sche Nach­fra­gen, ins­be­son­de­re war­um dem betrof­fe­nen Andre­as Lichert nicht die Mög­lich­keit zur Stel­lung­nah­me ein­ge­räumt und die­ser nicht in den Saal gelas­sen wor­den sei.

Gleich­zei­tig waren unter den Anwe­sen­den gut zwei Dut­zend Per­so­nen aus dem rechts­bür­ger­li­chen Lager, die sich mit Lichert soli­da­risch zeig­ten und in kri­ti­schen Stel­lung­nah­men (Zusam­men­ar­beit der CDU mit links­ra­di­ka­lem Lager; frag­wür­di­ge Rol­le der DITIB; Demo­kra­tie­ver­ständ­nis; feh­len­des Grund­ge­setz­be­kennt­nis der Anti­fa­schis­ti­schen Bil­dungs­in­itia­ti­ve) auch vie­le bür­ger­li­che Zuhö­rer auf ihre Sei­te zogen, die dar­auf­hin ihre Unter­schrift für das „Bünd­nis offe­nes Kar­ben“ noch ein­mal über­dach­ten. Ver­stärkt wur­de die­ses Unbe­ha­gen durch den Umgang mit den Fra­ge­stel­lern. Eini­ge wur­den nie­der­ge­brüllt, ande­ren stell­te man das Mikro­fon ab, schließ­lich wur­den sie von Poli­zei­kräf­ten aus dem Saal entfernt.

Die­ser gelun­ge­ne Akt der Soli­da­ri­tät, der Pro­test aus dem kon­ser­va­ti­ven Bür­ger­tum und die­ses Auf­be­geh­ren für den Schutz der Grund­frei­hei­ten dient der Pro­jekt­werk­statt Kar­ben als Zei­chen, sich in der Arbeit bestä­tigt zu füh­len und die Debat­ten­kul­tur in ihren Räum­lich­kei­ten fortzusetzen.

Gleich­wohl zeigt sich an die­sem Bei­spiel wie die CDU – im Zusam­men­spiel mit Lin­ken und Links­extre­men – demo­kra­ti­sche Grund­rech­te einschränkt.

Pro­fes­sor Hafen­eger wur­de gefragt, wie er das Ver­hält­nis von Rechts­po­pu­lis­mus und Rechts­extre­mis­mus defi­niert und lie­fer­te eine trenn­schar­fe For­mu­lie­rung, wonach rechts­po­pu­lis­tisch und rechts­ra­di­kal eben nicht rechts­extre­mis­tisch sind, da Extre­mis­mus bedeu­tet, außer­halb des Grund­ge­set­zes zu ste­hen und die frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung aggres­siv-kämp­fe­risch besei­ti­gen zu wollen.

Dies über­rascht bei Kennt­nis der Publi­ka­tio­nen Hafen­egers, nahm er doch in einer sei­ner Ver­öf­fent­li­chun­gen fol­gen­de Rechts­extre­mis­mus-Defi­ni­ti­on vor:

Wir ver­wen­den hier den Begriff „extre­me Rech­te“, der als Ver­or­tung von Orga­ni­sa­tio­nen am äuße­ren rech­ten Rand des poli­ti­schen Spek­trums ver­stan­den wird, gleich ob die­se nun rechts­po­pu­lis­tisch (systemkonform/systemkritisch wie die „Repu­bli­ka­ner“) oder rechts­extre­mis­tisch (sys­tem­feind­lich wie DVU und NPD) aus­ge­rich­tet sind.

Hier­in nimmt er eine abso­lut gegen­sätz­li­che Posi­ti­on ein, die sowohl in der wis­sen­schaft­li­chen (ent­ge­gen Hafen­egers Sug­ges­ti­on mit­tels der Fuß­no­ten) als auch behörd­li­chen Defi­ni­ti­on kei­nes­wegs der­art weit gefaßt wird. Hafen­egers Inte­gra­ti­on von rechts­po­pu­lis­ti­schen Anschau­un­gen in den Begriff Rechts­extre­mis­mus erlaubt somit die Dis­kre­di­tie­rung non­kon­for­mer rech­ter Mei­nun­gen als rechts­extrem und muß als poli­ti­sche Kampf­de­fi­ni­ti­on betrach­tet werden.

Hane­bü­chen wur­de es, als Hafen­eger auf Nach­fra­ge aus dem Publi­kum, was die Iden­ti­tä­ren nun eigent­lich so gefähr­lich mache (was er in sei­nem Vor­trag nicht auf­zei­gen konn­te), ant­wor­te­te, die Iden­ti­tä­re Bewe­gung sehe sich als Vor­kämp­fer für ein „star­kes Euro­pa der wei­ßen Ras­se“ und wür­de eine stra­te­gi­sche Poli­tik ver­fol­gen, die die natio­nal­re­vo­lu­tio­nä­ren Kon­zep­te der Wei­ma­rer Repu­blik für einen Umsturz nutz­bar machen wolle.

Hafen­eger trat fer­ner 2009 mit wei­te­ren Pro­fes­so­ren in die Öffent­lich­keit, um eine von der schwarz-gel­ben Regie­rung geplan­te gleich­ran­gi­ge Bekämp­fung aller Extre­mis­men zu ver­hin­dern und zu for­dern, den Fokus allei­ne auf Rechts­extre­mis­mus zu belas­sen, sodaß von Neu­tra­li­tät und Objek­ti­vi­tät in der Bewer­tung kei­ne Rede sein kann.

War die Worter­grei­fungs­stra­te­gie des rechts­bür­ger­li­chen Milieus aus dem Umland Frank­furts und Kar­bens ein Erfolg?
Ja, mit Ein­schrän­kun­gen. Mit den berech­tig­ten und kri­ti­schen Nach­fra­gen, ins­be­son­de­re nach dem Demo­kra­tie­ver­ständ­nis der Bünd­nis-Initia­to­ren, gelang es, die anwe­sen­den Bür­ger Kar­bens auch zum Nach­den­ken zu bewe­gen. Wer kri­ti­sche Fra­gen nicht beant­wor­tet, unlieb­sa­me Rede­bei­trä­ge aus dem Audi­to­ri­um ein­fach abschal­tet und Mikro­pho­ne ent­reißt, offen­bart ein merk­wür­di­ges Demo­kra­tie­ver­ständ­nis, das im Raus­wurf einer Hand­voll Per­so­nen gipfelte.

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