Der Dandy als Politiker

50pdf der Druckfassung aus Sezession 50 / Oktober 2012

von Daniel Napiorkowski

Der Dandy war ein Phänomen des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts; er wurde geboren aus dem gesellschaftlichen Umbruch, der mit dem Zurückdrängen der Aristokratie in Europa einsetzte, und geriet zum schillernden Versuch, den Verfallserscheinungen dieser Epoche entgegenzuwirken und sich zum Stellvertreter des Aristokraten in Fragen der Kultur aufzuschwingen.

Sein erha­be­nes Auf­tre­ten, sei­ne tadel­lo­se Klei­dung, sein vor­züg­li­ches Kon­ver­sa­ti­ons­ta­lent und sei­ne voll­ende­ten Manie­ren ver­schaff­ten ihm auch ohne Rang, hohe Geburt und gro­ßes Ver­mö­gen Ein­fluß in Milieus, die übli­cher­wei­se einer pri­vi­le­gier­ten, sei­nes­glei­chen nicht zugäng­li­chen Schicht vor­be­hal­ten waren. Er war jedoch mehr als der Machia­vell der Eti­ket­te, als der er im Rück­blick häu­fig dar­ge­stellt wird; er war zugleich Ver­fech­ter einer stren­gen Sitt­lich­keit, ethi­scher Mah­ner und kon­ser­va­ti­ver Gegen­auf­klä­rer. Von Charles Bau­de­lai­re stammt die Aus­sa­ge, daß die Lie­be zur mate­ri­el­len Ele­ganz »für den voll­kom­me­nen Dan­dy nur ein Sym­bol der aris­to­kra­ti­schen Über­le­gen­heit sei­nes Geis­tes« sei.

Mit der zuneh­men­den Ega­li­sie­rung und Vul­ga­ri­sie­rung der Gesell­schaft konn­te der Dan­dy sei­ne Stel­lung jedoch nicht mehr hal­ten. Die gesell­schaft­li­chen Hier­ar­chien wur­den fla­cher, all­ge­mein ver­pflich­ten­de zivi­le Kon­ven­tio­nen und Regeln unbe­deu­ten­der und die Wege, sich auch in geho­be­nen Krei­sen Gehör zu ver­schaf­fen, viel­fäl­ti­ger. Der Dan­dy sah sich sei­nes Wir­kungs­krei­ses beraubt, sei­ne kul­tur­aris­to­kra­ti­sche Erschei­nung droh­te zum blo­ßen Zere­mo­ni­ell zu erstar­ren. Einen Aus­weg, eine Mög­lich­keit, sei­nen Sinn für das Schö­ne und Sitt­li­che zu sub­li­mie­ren, such­te er daher in der Lite­ra­tur, der Kunst – und in der Poli­tik. Tat­säch­lich war jene Melan­ge aus Dan­dy, Lite­rat und Poli­ti­ker kei­ne sin­gu­lä­re Erschei­nung. Frü­he Reprä­sen­tan­ten die­ses Typus waren etwa der bri­ti­sche Dich­ter Lord Byron sowie der deut­sche Schrift­stel­ler Her­mann von Pück­ler-Mus­kau; um die Wen­de zum 20. Jahr­hun­dert berei­cher­ten Ben­ja­min Dis­rae­li, Gabrie­le D’Annunzio, Mau­rice Bar­rès und Ste­fan Geor­ge die poli­ti­sche Bühne.

Wäh­rend die frü­hen Ver­tre­ter des poli­ti­sie­ren­den Dan­dy­tums noch kei­nen Wider­spruch zur gesell­schaft­li­chen Ord­nung dar­stell­ten, stand der Dan­dy im demo­kra­ti­schen Zeit­al­ter qua Natu­rell in ästhe­ti­scher Oppo­si­ti­on zum Zeit­geist. Dies bekam bereits Ben­ja­min Dis­rae­li zu spü­ren, als er sei­ne ers­te Rede im bri­ti­schen Unter­haus hielt. Im typi­schen dan­dy­haf­ten Auf­zug betrat der ele­gan­te Salon­gän­ger, Frau­en­held und Roman­cier, der übri­gens mit sei­nem Roman Vivi­en Grey Oscar Wil­de zu des­sen gro­ßem Erfolg Das Bild­nis des Dori­an Gray inspi­riert hat­te, das Pult – und ern­te­te Spott, Pfif­fe und Buh­ru­fe. Dis­rae­li muß­te sei­ne Rede abbre­chen. Sei­nem Anspruch als Dan­dy tat dies jedoch kei­nen Abbruch, und es soll­te nicht sein ein­zi­ger Auf­tritt blei­ben, mit dem er sich als aus­ge­spro­che­ner élé­gant im Par­la­ment insze­nier­te und die ande­ren Abge­ord­ne­ten irri­tier­te; und auch wenn das Grel­le und Auf­ge­setz­te sei­ner Jugend­jah­re im Lau­fe sei­ner poli­ti­schen Kar­rie­re ver­blaß­te: am Aus­ge­such­ten in Klei­dung und Auf­tre­ten hielt er auch spä­ter als bri­ti­scher Pre­mier­mi­nis­ter fest.

Dis­rae­li war der poli­tisch erfolg­reichs­te jener Dan­dy-Schrift­stel­ler, die um die Jahr­hun­dert­wen­de die Poli­tik für sich ent­deck­ten. Mau­rice Bar­rès erreich­te nie­mals ein ähn­li­ches poli­ti­sches For­mat, sein Ein­fluß auf die fran­zö­si­sche Poli­tik soll­te trotz­dem nicht unter­schätzt wer­den. Geprägt von den typi­schen Pari­ser Intel­lek­tu­el­len­zir­keln, Künst­ler­krei­sen und der Fin de siè­cle-Sze­ne, führ­te Bar­rès in sei­nen Jugend­jah­ren ein aus­schwei­fen­des, hedo­nis­ti­sches Leben, das sich in einer per­ma­nen­ten Stei­ge­rung der Genuß­sucht erschöpf­te. Auf der Suche nach Halt und Ori­en­tie­rung in einer ihm all­mäh­lich fremd wer­den­den Welt ent­deck­te er die Poli­tik: An die Stel­le des Ich-Kults, an dem er sei­ne bis­he­ri­ge Lebens­hal­tung ori­en­tiert hat­te – Le Cul­te du moi lau­tet auch der fran­zö­si­sche Titel sei­ner auto­bio­gra­phisch ange­lehn­ten Roman­tri­lo­gie –, stell­te er den »Kult der Nati­on«. Bar­rès schloß sich der Bewe­gung des Gene­rals Geor­ges Bou­lan­ger, eines ehe­ma­li­gen Kriegs­mi­nis­ters und poli­ti­schen Akti­vis­ten, an und wur­de zum wich­ti­gen Stich­wort­ge­ber des fran­zö­si­schen Nationalismus.

Bei dem ita­lie­ni­schen Dich­ter und poli­ti­schen Hasar­deur Gabrie­le D’Annunzio, der noch 1910 – ganz Dan­dy – auf­grund von Geld­schul­den nach Frank­reich floh, bereits im Ers­ten Welt­krieg aber zum begeis­ter­ten Sol­da­ten wur­de, blieb das Poli­ti­sche zumeist thea­tra­lisch. Sei­ne Kunst­re­pu­blik Fiume, ein staats­recht­li­ches Anarcho-Gebil­de, das er mit einer Hand­voll Frei­schär­lern qua­si über Nacht errich­te­te, wur­de zur poli­tisch ver­klär­ten Lite­ra­tur, zum poli­ti­schen Frei­licht­thea­ter: eine Abfol­ge von Akten, von Dia­lo­gen zwi­schen Dar­stel­lern, end­lo­sen Zere­mo­nien, Para­den und nächt­li­chen Fei­ern, durch­tränkt von Fan­fa­ren­klän­gen und umhüllt von Fahnentüchern.

Nach einer nur sech­zehn­mo­na­ti­gen Herr­schaft wur­de D’Annunzio im Dezem­ber 1920 von ita­lie­ni­schen Trup­pen ver­trie­ben, da er sich wei­ger­te, die Unab­hän­gig­keit Fiu­mes anzu­er­ken­nen. Der Rück­zug aus der dal­ma­ti­ni­schen Hafen­stadt führ­te ihn ins »Vitto­ria­le degli ita­lia­ni« (»Sie­ges­denk­mal der Ita­lie­ner«), eine kunst­voll aus­ge­stat­te­te Pracht­vil­la am Gar­da­see, wo er sei­ne aus­schwei­fen­de und exzen­tri­sche Lebens­hal­tung fort­füh­ren konn­te. Bekannt sind etwa sei­ne Vor­lie­be für edle Anzü­ge, von denen er sich gleich meh­re­re Dut­zend anfer­ti­gen ließ, und sein pro­mis­kui­ti­ves Sexu­al­ver­hal­ten. Legen­där ist aber vor allem jener Vor­fall auf dem Gar­da­see, bei dem der Exzen­tri­ker auf einem Kano­nen­boot die Kriegs­flag­ge hiß­te und das Haus eines Nach­barn bom­bar­dier­te, da ihm der neue rosa Fas­sa­den­an­strich nicht gefiel. Das Ver­hält­nis zwi­schen D’Annunzio und dem ita­lie­ni­schen Faschis­mus, ins­be­son­de­re Mus­so­li­ni, war stets ein ange­spann­tes. Zwar ehr­te ihn das faschis­ti­sche Regime für sei­ne lite­ra­ri­schen und sei­ne Thea­ter­wer­ke – nicht jedoch für sei­nen poli­ti­schen Ver­such in Fiume. D’Annunzio beton­te hin­ge­gen, das Bes­te am Faschis­mus stam­me von ihm: näm­lich die Ästhe­tik; die Dok­trin des Faschis­mus sei ihm fremd.

Der Dich­ter­fürst Ste­fan Geor­ge, der übri­gens auch eini­ge von D’Annunzios Gedich­ten ins Deut­sche über­setzt hat, griff dage­gen nie­mals in das poli­ti­sche Gesche­hen ein. Sei­ne Vor­stel­lun­gen eines »neu­en Reichs« begrün­de­ten nicht direkt ein poli­ti­sches Modell. Aber über den Kreis des Hit­ler-Atten­tä­ters Stauf­fen­berg strahl­ten sei­ne Schrif­ten über eine hier­ar­chi­sche Gesell­schafts­ord­nung in ein visio­nä­res Pro­gramm aus und erschöpf­ten sich nicht im Geis­ti­gen und Ästhe­ti­schen: Sie leg­ten viel­mehr die Grund­la­ge einer Hal­tung, die Stauf­fen­berg erst zur sym­bo­li­schen Tat befä­hig­te. Wie sehr sich Geor­ge zugleich von den Gepflo­gen­hei­ten der Außen­welt ent­fern­te, mag man etwa dar­an ermes­sen, daß er es bevor­zug­te, auch ohne gesell­schaft­li­chen Anlaß in Geh­rock und Zylin­der auf­zu­tre­ten und sei­ne Ver­se in einem lan­gen, pries­ter­li­chen Gewand vorlas.

Bei Ernst Jün­ger blie­ben das Dan­dy­haf­te, aber auch das Poli­ti­sche nur Etap­pen. Sie kreuz­ten sich in den frü­hen vier­zi­ger Jah­ren des letz­ten Jahr­hun­derts, als Jün­ger, zum Haupt­mann beför­dert und zur Wehr­macht ein­ge­zo­gen, im besetz­ten Paris sta­tio­niert wur­de. Sein Inter­es­se galt dort vor allem dem kul­tu­rel­len Reich­tum der Stadt. Er ver­kehr­te in Salons, nahm an soi­ré­en teil, durch­streif­te Gale­rien, Muse­en, Parks und Anti­qua­ria­te, er traf Picas­so und Geor­ge Braque, Hen­ry Mon­t­her­lant und Jean Coc­teau sowie zahl­rei­che wei­te­re fran­zö­si­sche Künst­ler und Schrift­stel­ler und er frön­te dem außer­ehe­li­chen Lie­bes­le­ben. Dabei gelang es ihm, die­ses Schwel­gen im Schö­nen mit dem Krieg in einen Zusam­men­hang zu brin­gen und ethi­sche Maß­stä­be dar­aus abzu­lei­ten. Die im Sin­ne einer »Ästhe­tik des Schre­ckens« oft zitier­te Sze­ne eines Bur­gun­der-Trunks über den Dächern des bom­bar­dier­ten Paris ist längst als viel­schich­ti­ge, das Pri­va­te mit dem Poli­ti­schen, die Lie­be mit dem Krieg ver­knüp­fen­de Chif­fre ent­schlüs­selt worden.

Aber natür­lich bleibt Ernst Jün­ger bei alle­dem der küh­le, distan­zier­te Zuschau­er, der die bren­nen­de Stadt einem Blü­ten­kelch ver­glei­chen kann, »zu töd­li­cher Befruch­tung über­flo­gen«. Zur glei­chen Zeit, als Jün­ger, der aus sei­ner Abnei­gung gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus kaum einen Hehl mach­te, in Paris sta­tio­niert war, warb der fran­zö­si­sche Schrift­stel­ler, Faschist, Dan­dy und Anti­bour­geois Pierre Drieu la Rochel­le offen für eine Kol­la­bo­ra­ti­on mit den Natio­nal­so­zia­lis­ten. ­Drieus Jugend war – ähn­lich wie die Jün­gers – geprägt von der Erfah­rung als Front­sol­dat im Ers­ten Welt­krieg. Anders als Jün­ger, der sei­ne Erleb­nis­se lite­ra­risch ver­ar­bei­te­te, ver­such­te Drieu, sei­nen Man­gel an Aus­nah­me­si­tua­tio­nen in der Zwi­schen­kriegs­zeit zunächst als déca­dent mit sexu­el­len Aben­teu­ern und rau­schen­den Näch­ten in Clubs und Salons zu stillen.

Die Bekannt­schaf­ten zu meh­re­ren wohl­ha­ben­den Frau­en erlaub­ten ihm, ein mon­dä­nes, aus­schwei­fen­des Leben zu füh­ren. Doch nicht nur sei­ne Frau­en­be­zie­hun­gen blie­ben sprung­haft, auch sei­ne poli­ti­schen Idea­le. Nach anfäng­li­cher Sym­pa­thie für die Kon­ser­va­ti­ven, anschlie­ßend für die Sozia­lis­ten, ergriff Drieu Mit­te der drei­ßi­ger Jah­ren Par­tei für den fran­zö­si­schen Faschis­mus. Nach­dem er im Sep­tem­ber 1935 den Reichs­par­tei­tag in Deutsch­land besucht hat­te, ver­sperr­ten ihm zeit­wei­lig auch roman­ti­sche Vor­stel­lun­gen den Blick auf die nüch­ter­ne Rea­li­tät des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Drieu wur­de – genau wie Lou­is-Fer­di­nand Céli­ne und Robert Bras­il­lach – zum akti­ven Kol­la­bo­ra­teur. Zuneh­mend des­il­lu­sio­niert, wünsch­te er im gro­ßen ideo­lo­gi­schen Rin­gen noch vor dem end­gül­ti­gen Zusam­men­bruch des NS-Regimes dem Kom­mu­nis­mus den Sieg. Die­sen erleb­te er nicht mehr: Am 16. März 1945 wähl­te Drieu den Freitod.

Ein ande­rer Dan­dy, der durch sei­ne Sym­pa­thie­be­kun­dung für die fran­zö­si­sche Rech­te auf sich auf­merk­sam mach­te, ist der Schau­spie­ler Alain Delon. In sei­nen Film­rol­len – die wohl bekann­tes­te zeigt ihn als »Eis­kal­ten Engel« im gleich­na­mi­gen Thril­ler aus dem Jahr 1976 – ver­kör­per­te er nicht sel­ten gefühls­kal­te, aber ele­gan­te Kri­mi­nel­le. Delon, der sich selbst als »Patri­ot« bezeich­net und auch pri­vat gro­ßen Wert auf eine vor­neh­me Gar­de­ro­be legt, griff zwar nie­mals unmit­tel­bar in das poli­ti­sche Tages­ge­schäft ein, ver­tei­dig­te aber mehr­mals öffent­lich den Poli­ti­ker Jean-Marie Le Pen und des­sen Front Natio­nal und zeig­te sich als gro­ßer Bewun­de­rer Charles de Gaulles.

Einer der schil­lernds­ten euro­päi­schen Poli­ti­ker der letz­ten Jahr­zehn­te war der Rechts­po­pu­list und dezi­dier­te Dan­dy Pim For­tuyn. Sei­ne emo­tio­nal auf­ge­la­de­nen Reden pro­vo­zier­ten und begeis­ter­ten zugleich, sein Wahl­an­tritt erschüt­ter­te die nie­der­län­di­sche Par­tei­en­land­schaft, und sein Bild in der Öffent­lich­keit war eine geschick­te Selbst­in­sze­nie­rung: Mit Vor­lie­be ließ er sich zu sei­nen Auf­trit­ten medi­en­wirk­sam in einer reprä­sen­ta­ti­ven Limou­si­ne chauf­fie­ren und ger­ne ließ er sich – natür­lich im stets makel­los sit­zen­den Anzug inklu­si­ve Umschlag­man­schet­ten und Ein­steck­tuch – in der sou­ve­rä­nen Pose eines Ade­li­gen por­trä­tie­ren. For­tuyn war ein Lebe­mann, der weder im Hin­blick auf sei­ne Homo­se­xua­li­tät beson­de­re Zurück­hal­tung übte, noch Hem­mun­gen hat­te, sei­nen Wohl­stand und sei­nen hedo­nis­ti­schen Lebens­still zu zele­brie­ren. Um so mehr über­rascht es, daß der Groß­teil sei­ner Wäh­ler aus dem soge­nann­ten »ein­fa­chen Volk« stamm­te. Doch im Gegen­satz zu den frü­hen Dan­dys ver­ach­te­te For­tuyn die Mas­se nicht, son­dern such­te den Kon­takt zu ihr. Sei­ne wei­te­re poli­ti­sche Ent­wick­lung muß indes Spe­ku­la­ti­on blei­ben. Kurz vor den ent­schei­den­den Par­la­ments­wah­len im Mai 2002 fiel For­tuyn einem Atten­tat zum Opfer.

Auf­fal­lend ist die Affi­ni­tät des Dan­dy­tums zur poli­ti­schen Rech­ten; Anti-Ega­li­ta­ris­mus, eine eli­tä­re Hal­tung, die Ver­tei­di­gung von Ästhe­tik, Tra­di­ti­on und Hier­ar­chie, nicht zuletzt aber auch eine gewis­se Nost­al­gie sind dabei oft­mals die gemein­sa­men Schnitt­punk­te und die Kon­stan­ten dan­dy­is­tisch-rech­ter Poli­tik. Das Ver­hält­nis zur Lin­ken ist hin­ge­gen weni­ger frucht­bar. Bereits Oscar Wil­des spä­tes Lieb­äu­geln mit dem Sozia­lis­mus ist mit Befrem­den auf­ge­nom­men wor­den; über­haupt wird die Bezeich­nung »Dan­dy« auf der Lin­ken eher abschät­zig asso­zi­iert: Hans Magnus Enzens­ber­ger, der bereits inner­halb der Grup­pe 47 durch sei­ne gepfleg­te Erschei­nung und tadel­lo­se Klei­dung auf­fiel, wur­de, nach­dem er 2003 den US-ame­ri­ka­ni­schen Angriff auf den Irak ver­tei­digt hat­te, als »Polit-Dan­dy« gescholten.

Ber­nard-Hen­ri Lévy, ein wei­te­rer stil­vol­ler Kon­trast zu den sons­ti­gen, gemein­hin blas­sen und fah­len 68er-Prot­ago­nis­ten, steht wegen sei­ner Vor­lie­be für Dior und sei­ner bis zur Brust­mit­te auf­ge­knöpf­ten Hem­den im Ruf, ein »Dan­dy-Phi­lo­soph« zu sein (übri­gens wohnt Lévy im noblen Rapha­el, jenem Pari­ser Luxus­ho­tel am Arc de Triom­phe, das bereits Ernst Jün­ger in den vier­zi­ger Jah­ren schätz­te). Auch der DDR-Lyri­ker Peter Hacks muß­te sich zeit­wei­lig, als es zu Span­nun­gen zwi­schen ihm und dem SED-Regime kam, auf­grund sei­ner dan­dy­haf­ten Erschei­nung von Par­tei­funk­tio­nä­ren vor­wer­fen las­sen, ein »aris­to­kra­ti­scher« Dich­ter zu sein – im sozia­lis­ti­schen Staat wahr­lich kein Kompliment.

Eine eige­ne poli­ti­sche Denk­rich­tung hat das Dan­dy­tum jedoch nicht eta­blie­ren kön­nen. Die Vor­stel­lun­gen von geis­ti­ger Erha­ben­heit und sitt­li­cher Stren­ge blie­ben meist eben­so dif­fus und in sich wider­sprüch­lich wie die Ver­tre­ter des poli­ti­sie­ren­den Dan­dy­tums hete­ro­gen. Nicht sel­ten dien­te die poli­ti­sche Büh­ne ledig­lich als Wir­kungs­mit­tel, als inter­es­san­te Mög­lich­keit zur Selbst­in­sze­nie­rung. Das Dan­dy­tum als sol­ches blieb dabei letzt­lich ein abs­trak­tes Gerüst, es wur­de weni­ger als poli­ti­sche Opti­on, viel­mehr als poli­ti­scher Stil wahr­ge­nom­men. Der »Aus­bruch von Hero­is­mus«, um an Bau­de­lai­res berühm­tes Dik­tum anzu­knöp­fen, erschöpf­te sich in der äußer­li­chen Stren­ge, in der Ges­te, in der Ver­wen­dung iko­ni­scher Ver­satz­stü­cke his­to­ri­scher Vor­bil­der. Den Anspruch auf Rang­ord­nung konn­te der Dan­dy nur im For­mel­len ver­wirk­li­chen. – Jed­we­der dar­über hin­aus­ge­hen­de poli­ti­sche Ansatz wäre aber ohne­hin nichts wei­ter gewe­sen als ein Schwel­gen in Melan­cho­lie: Als poli­ti­sches Modell wäre die Idee einer »Neu­en Aris­to­kra­tie« mit der heu­ti­gen Mas­sen­de­mo­kra­tie weder ver­ein­bar, noch wür­de sie in Zei­ten herr­schen­der Mit­tel­mä­ßig­keit nen­nens­wer­ten Anklang fin­den. Als Aus­druck beton­ten Stil­be­wußt­seins hat das Dan­dy­tum dage­gen auch in der Poli­tik Akzen­te set­zen können.

Neben den bereits genann­ten Grün­den, daß die­se Akzen­te zuvor­derst auf der Rech­ten gesetzt wur­den, muß jener beson­ders her­vor­ge­ho­ben wer­den, den Otto Mann als die aus sei­ner Zeit her­aus­ge­lös­te »Son­der­exis­tenz« des Dan­dys cha­rak­te­ri­sier­te: die Abwen­dung des Dan­dys von der Mas­se, die Arro­ganz des Anders­seins, die Abwei­chung von der Norm. Dies wäre an sich nichts Beson­de­res; der Drang zum Indi­vi­du­el­len ist gera­de in der gegen­wär­ti­gen Zeit unstill­bar, und jene, die sich durch Täto­wie­run­gen, schril­le Klei­dung und lau­tes Auf­tre­ten als »non­kon­form« zu gebär­den ver­su­chen, zäh­len Heer­scha­ren. Dabei bedie­nen sol­che Ver­su­che nicht sel­ten bloß uni­for­me Mus­ter und erstar­ren in bekann­ten Kon­ven­tio­nen. Indem sich der Dan­dy neben sei­nem mar­kan­ten äußer­li­chen Erschei­nungs­bild poli­tisch rechts posi­tio­niert, kann er sich sei­ner soli­tä­ren Stel­lung jedoch tat­säch­lich gewiß sein.

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