Volkslustige Träumereien – Gespräch mit Friedrich Baunack

pdf der Druckfassung aus Sezession 52 / Februar 2013

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Sezes­si­on: Auf einem Tref­fen der Deutsch­land­be­we­gung, das war viel­leicht 1995, traf ich einen trotz­kis­ti­schen Natio­na­lis­ten und einen natio­na­len Aut­ar­kis­ten. Kön­nen Sie sich auch mit zwei Wör­tern poli­tisch verorten?

Bau­nack: Hm, ich ken­ne die bei­den wahr­schein­lich, aber wenn nicht, hät­te ich mit den zwei Wör­tern kei­ne per­sön­li­che Vor­stel­lung von ihnen. Fried­rich von Spee und Kon­rad von Mar­burg haben sich bei­de im Chris­ten­tum ver­or­tet, aber jener befeu­er­te die Men­schen­quä­le­rei, die­ser schrieb dage­gen an. Was brin­gen also sol­che Ver­or­tun­gen? Ich bin frei­er Deut­scher. Doch wäre das nicht ein wei­ßer Schim­mel? Eijei­jei, was sag ich bloß Ihrer aka­de­mi­schen Leser­schaft? Also: volks­lus­ti­ger Träumer.

Sezes­si­on: Das ist doch schon mal was für die aka­de­mi­sche Leser­schaft. Aber was heißt das ins Leben über­setzt? Daß Sie sich hef­tig für das deut­sche Volk ein­ge­setzt haben und es immer noch tun?

Bau­nack: Ach nein, das klingt nach hel­den­haf­ter Selbst­lo­sig­keit, aber die­se Hose wäre mir Hun­ger­ha­ken viel zu weit. Das deut­sche Volk ist nichts außer­halb von mir, ich tra­ge es doch in mir, es ist Teil von mir, und ich bin Teil von ihm. Es ist meins, und ich suche nur mein Eige­nes, das natür­lich auch unser Eige­nes ist, zu bewah­ren, zu pfle­gen und zu schüt­zen. Es muß furcht­bar sein, kei­nem Volk anzu­ge­hö­ren, da das uns ver­ein­sam­te, ato­mi­sier­te, töte­te. Wir sind ja nicht Ver­lo­re­ne am Ran­de eines kal­ten Uni­ver­sums, son­dern, indem wir einem Volk zuge­hö­ren, »Gedan­ken Got­tes«. Ist das nicht wun­der­bar? Durch ihren Takt, ihre Spra­che, Sagen, Träu­me, Bräu­che, Trach­ten, Lie­der, Har­mo­nien und Mus­ter sind Völ­ker leben­di­ge, eigen-arti­ge Wei­sen, die Schöp­fung wahr­zu­neh­men, die sich im Men­schen ihrer selbst bewußt wird, aber so viel­ge­stal­tig ist, daß eine ein­zi­ge Sicht sie nicht fas­sen könn­te. Da das Leben eine Lust ist (nicht umsonst ent­springt es ja der Lust), sind auch die Völ­ker Aus­ge­bur­ten eben nicht der Höl­le, son­dern der Lust am Leben, der Freu­de an der Schöp­fung, am Selbst- und doch nicht Vereinzeltsein.

Sezes­si­on: Sie predigen.

Bau­nack: Nein, ich beschrei­be. Nicht umsonst leuch­ten bei fast jedem Men­schen die Augen, wenn er die Fra­ge nach sei­ner Volks­zu­ge­hö­rig­keit beant­wor­tet. Immer wie­der habe ich das bei mei­nen Rei­sen ver­wun­dert und bewun­dernd erlebt – und dabei einen Stich gespürt: Die ahnen, füh­len zumin­dest, was das Eige­ne ist – aber ich? Was war mein Eige­nes? Und da sind wir beim Traum und Träu­mer: Wir Deut­schen haben eine wun­der­ba­re Spra­che und groß­ar­ti­ge Musik, aus bei­dem gebo­ren: einen der größ­ten Volks­lied­schät­ze der Erde, der wie­der­um Enkel­kind eines sehn­süch­ti­gen Trau­mes ist, näm­lich des von der Hei­mat – nicht nur einer des Ortes, son­dern auch der Zeit. Drei­mal wur­den wir vom »geschicht­li­chen Gewor­den­sein, von mythi­scher Zeit« (wie Botho Strauß im »Anschwel­len­den Bocks­ge­sang« schreibt) abge­schnit­ten: erst durch die Zer­stö­rung fast aller heid­ni­schen Zeug­nis­se im Zuge der blu­ti­gen Chris­tia­ni­sie­rung, dann durch unse­re unge­heu­er­li­che Dezi­mie­rung im ers­ten Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg und schließ­lich durch die psy­chi­sche und phy­si­sche Ver­nich­tung im zwei­ten Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg. Aber immer noch gibt es uns »Wan­de­rer zwi­schen den Wel­ten«, nie las­sen wir uns unter­krie­gen und immer suchen und manch­mal fin­den wir. Da huscht ein Gedan­ke, ein Ton, ein Geruch, eine Ahnung vor­bei. Das ist, wie wenn Son­ne durch den Wald­ne­bel bricht und einen Dom aus Licht bil­det – glück­haf­te Augen­bli­cke, in denen wir frei und wir selbst sind. Ich woll­te mit kei­nem Volk der Erde tauschen!

Sezes­si­on: Ich will nun kei­ne Debat­te dar­über anfan­gen, ob das deut­sche Volk nicht doch auf die Wahr­heit des christ­li­chen Glau­bens gewar­tet hat­te. Las­sen Sie uns lie­ber auf Ihre eige­ne Arbeit einer Lust am »Wir selbst« zu spre­chen kom­men. Sie haben Lie­der geschrie­ben, CDs gemacht und an den letz­ten Aus­ga­ben einer Zeit­schrift mit­ge­ar­bei­tet, die eben­die­sen Titel trug: wir selbst.

Bau­nack: Nichts für ungut, aber über »die Wahr­heit des christ­li­chen Glau­bens« maße ich mir doch gar kein Urteil an. Es geht, ging nie um »Wahr­heit«, son­dern immer um den Zwang, die­se zu glau­ben. Viel­leicht hat das deut­sche Volk ja auf die­se Wahr­heit gewar­tet, nur war­um dann die­se Art der Mis­sio­nie­rung? Die hat uns inner­halb einer Gene­ra­ti­on von unse­ren Wur­zeln abgeschnitten.

Sezes­si­on: Bit­te, wir woll­ten über wir selbst reden und: Kei­ne Pre­dig­ten, nur noch Sät­ze wie Kanonenschläge!

Bau­nack: Aber ich spre­che die gan­ze Zeit über uns selbst …

Sezes­si­on: Nein, ich mei­ne die Zeitschrift.

Bau­nack: Na, ich doch auch, das war doch ihr Anlie­gen, her­aus­zu­fin­den, was das ist: wir selbst! Zeit­schrift für natio­na­le Iden­ti­tät hieß sie im Unter­ti­tel. Wir über­leg­ten sogar, ob nicht »Zeit­schrift für natio­na­le Iden­ti­tä­ten« pas­sen­der wäre, weil der ers­te Punkt unse­rer (ich sage »unse­rer«, obwohl ich lei­der erst spät dazu­stieß) »Fünf­fa­chen Revo­lu­ti­on« die Erhal­tung der Viel­falt der Völ­ker war. Nur die Gemein­sam­keit selbst­be­wuß­ter Völ­ker, die auf ihre Frei­heit pochen, kann heu­er der Pla­nie­rung der Erde durch das supra­na­tio­na­le Kapi­tal ent­ge­gen­wir­ken. Zwei­tens: Volks­herr­schaft, nicht Par­tei­en­herr­schaft, die jene in Wirk­lich­keit ver­hin­dert, rumms! Drit­tens: Der drit­te Weg, Human­wirt­schaft – das Gegen­teil der heu­te gras­sie­ren­den Pri­va­ti­sie­ri­tis, die nichts ande­res ist als ille­gi­ti­mes Ver­hö­kern von Volks­ei­gen­tum, rumms! Vier­tens: Bewah­rung der Mut­ter Erde, viel mehr als Öko­lo­gie, näm­lich ganz­heit­li­cher Lebens­schutz, rumms! Fünf­tens: Kul­tu­rel­le Erneue­rung, Stär­kung von lands­mann­schaft­li­chen Eigen­ar­ten, eine neue Volks­lied- und ‑tanz­kul­tur, ent­spre­chend fei­er­ten wir auch im Jah­re 2000 »Liedg(l)ut«, unser rau­schen­des Tanz- und Musik­fest zum zwan­zig­jäh­ri­gen Bestehen der Zeit­schrift. Was Sieg­fried Bublies mit der wir selbst auf die Bei­ne gestellt hat­te, ist bis heu­te ein­zig­ar­tig, rummspardauz!

Sezes­si­on: Ich weiß genau, was Sie mei­nen. wir selbst war nicht abs­trakt, son­dern beseelt, knüpf­te an die rech­ten Wur­zeln der grü­nen Bewe­gung an, hat­te mit Hen­ning Eich­berg einen der wich­ti­gen, frü­hen Theo­re­ti­ker des jun­gen Natio­na­lis­mus an Bord und hielt größt­mög­li­che Distanz zu dem, was wir Sezes­sio­nis­ten ziem­lich abschät­zig »beschwich­ti­gungs­kon­ser­va­tiv« nen­nen – staats­tra­gend, CDU-nah, zahn­los. War­um aber ist die­ses Pro­jekt ein­ge­gan­gen? Basier­te es zu sehr auf der »Lie­be zum eige­nen Volk«, wo ein küh­ler Rech­ner sich um Abon­ne­ments und Ver­wal­tung hät­te küm­mern müssen?

Bau­nack: Nein, für so ein auf­wen­dig gestal­te­tes Blatt fehl­te damals die Basis. Viel­leicht war es ein­fach zuviel Arbeit für zu weni­ge, die sich selbst aus­beu­te­ten. Mit eini­gen Mann der alten Trup­pe haben wir ja spä­ter noch den Ver­such mit der volks­lust gemacht. Der Name war Pro­gramm und ein­fach klas­se! Die wir selbst woll­te rech­te und lin­ke Patrio­ten an einen Tisch brin­gen, weil bei­de, wie die Enden eines Huf­ei­sens, gleich­weit von der Mit­te ent­fernt waren und auf der Grund­la­ge der Lie­be zum Land – nicht zum Appa­rat – strei­ten und nach Lösun­gen suchen müß­ten. volks­lust ver­such­te bald, sich von der Rech­ten etwas abzu­set­zen und mehr nach links zu ori­en­tie­ren. Dort war aber nichts, wes­halb das ins Lee­re lief. Ich bin ziem­lich am Anfang schon raus und jetzt mit Freu­de bei der Halb­jah­res­schrift hier&jetzt. Da schrei­be ich nur und genie­ße die­sen Luxus. Die ande­re Arbeit macht das Bil­dungs­werk für Hei­mat und natio­na­le Iden­ti­tät um Arne Schim­mer, einem ganz fei­nen Men­schen. hier&jetzt beob­ach­tet das poli­ti­sche Gesche­hen genau, ohne – wie ande­re – jam­mernd dar­an kle­ben­zu­blei­ben. Und wer weiß, viel­leicht wer­den wir auch mal zu Ihrem »zwi­schen­tag« ein­ge­la­den? Wie sang Ger­hard Gun­der­mann so schön: »… aber eines tages da tauch ich aus dem dschumm / und die schärfs­ten wei­ber drehn sich nach mir um«.

Sezes­si­on: Sind Sie wirk­lich noch so vol­ler Hoff­nung, ich mei­ne jetzt: in bezug aufs Gan­ze, nicht für Sie selbst?

Bau­nack: Aber klar! Sie selbst machen es doch auch vor: Raus aus dem Gewim­mel, ein klei­nes gro­ßes Reich grün­den, am Rand leben – mit der Erde, vie­len Kin­dern und Gott- oder Göt­ter­ver­trau­en. Jedes Sys­tem lebt durch sei­ne inne­re Wahr­haf­tig­keit oder stirbt an sei­ner Falsch­heit. Das Leben unter­liegt eige­nen, uralten Geset­zen und bricht sich sei­ne Bahn. Fürch­ten Sie wirk­lich, eine Statt­hal­ter-Cli­que könn­te dar­an etwas ändern? Frei­lich: Nichts gefähr­li­cher als Eife­rei und Eitel­keit im Schat­ten der Macht, auch wenn die­se Paa­rung frucht­los bleibt. Also wach­sam sein, aber sich nicht dar­an abar­bei­ten. Jede Zeit hat ihre Her­aus­for­de­run­gen und Mög­lich­kei­ten – wir haben unse­re. Ande­re hat­ten mit ande­rem, Schlim­me­rem zu kämp­fen. Heu­te gilt es, das Eige­ne frei­zu­krat­zen, zu leben, zu bewah­ren und wei­ter­zu­ge­ben. Wei­ter­ge­ben: Das ist das Ent­schei­den­de. Ein Volk lebt in sei­nen Kin­dern! Alles, was uns wert ist, müs­sen wir aus uns selbst her­aus sein – jeden Tag und in allem Tun. Kein Füh­rer wird’s rich­ten, kein Wahl­er­geb­nis, kein Recht und erst recht kein Befrei­er. »Wer jetz­tig Zei­ten leben will, / muß haben tap­fers Her­ze«. Fas­sen wir uns eines.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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