Maschkiavelli zum 70.

52pdf der Druckfassung aus Sezession 52 / Februar 2013

von Thor von Waldstein

»Bücher schreibt man in der Hoffnung, daß sie von den richtigen Leuten gelesen und verstanden werden«, erklärte Bernard Willms in der bleiernen Zeit der 1980er Jahre die Motivation des Autors, der politisch etwas bewegen will. Kreative Köpfe wie Fichte oder Lenin, die gute Bücher schreiben und gleichzeitig eine Revolution ins Werk setzen können, seien – so fügte Willms hinzu – selten gesät.

Gün­ter Maschke, der am 15. Janu­ar sei­nen 70. Geburts­tag fei­er­te, zählt zu die­ser raren spe­ci­es. Man kann sie dar­an erken­nen, daß sie – frei nach Goe­the – zu der Theo­rie, die erwei­tert, aber lähmt, und zu der Pra­xis, die belebt, aber beschränkt, eine genau aus­ge­lo­te­te Äqui­di­stanz ein­hält. Die­sem Span­nungs­ver­hält­nis ver­dan­ken vie­le Maschke-Essays ihre unnach­ahm­li­che Strah­lungs­kraft, von der man begeis­tert ist oder die man abzu­leh­nen sich bemü­ßigt fühlt, der man aber kaum gleich­gül­tig gegen­über­ste­hen kann: »Das Inter­es­se deut­scher Wis­sen­schaft­ler und Intel­lek­tu­el­ler an den Lei­den des deut­schen Vol­kes hält sich in engen Gren­zen, und sie spre­chen lie­ber von der eige­nen Schan­de, von der die ande­ren eben­so ger­ne spre­chen, als von der Schan­de der ande­ren, von der die­se nicht spre­chen. Wer sich von der Wahr­heit belei­digt fühlt, neigt dazu, die Wahr­heit zu beleidigen.«

Für den in Deutsch­land weit­ver­brei­te­ten Typus des poli­ti­schen Illu­sio­närs, des­sen Blick­feld von mora­lin­schwan­ge­ren Erbau­lich­kei­ten jed­we­der Art ver­stellt ist, sind sol­che mes­ser­schar­fen Ana­ly­sen aus der Feder des sen­de­ro polí­ti­co aus Frankfurt/Main wenig genuß­reich – nicht zuletzt des­we­gen, weil sie in einer Fuß­no­te über das real exis­tie­ren­de Elend der Rest­ger­ma­nen häu­fig mehr sagen als ein Poli­tik­wis­sen­schaft­ler in einem Buch. Die Fest­stel­lung, daß er pola­ri­sie­re, wür­de Maschke, links­he­ge­lia­nisch geprägt, ohne­hin eher als Kom­pli­ment auf­fas­sen. Die Kunst zu lang­wei­len geht ihm eben­so ab wie die Fähig­keit, mit dem vor­ge­ge­be­nen Voka­bu­lar der hie­si­gen Mei­nungs­be­wirt­schaf­tung so lan­ge rhe­to­risch zu jon­glie­ren, bis man von allen Schat­tie­run­gen des jus­te milieu den Segen bekommt. Es nimmt daher nicht wun­der, wenn Maschke mit sei­nen vor­ma­li­gen Mit­strei­tern aus 68er-Tagen schlicht nichts mehr verbindet.

Jene Alters­ko­hor­ten, die heu­te links leben, grün wäh­len und libe­ral ihr any­whe­re and anyhow trans­fer abge­staub­tes Geld anle­gen, sind ohne­hin schon lan­ge in der BRD-Bio­na­de-Bour­geoi­sie ange­kom­men und haben teil an deren Fleisch­töp­fen wie an deren Lebens­lü­gen. In die­sem Dunst­kreis wird ein frei­er Geist wie Gün­ter Maschke, der zu allem Über­fluß noch nicht ein­mal Angst vor dem Bei­fall von der fal­schen Sei­te hat, nur als Fremd­kör­per wahr­ge­nom­men. Der denk­wür­di­ge Moment, an dem »Maschki­a­vel­li« (Rudi Dutsch­ke) das Bun­des­ver­dienst­kreuz erhält, dürf­te also noch etwas auf sich war­ten las­sen. Frü­he­re, talk­show­fer­ne Zei­ten, in denen noch zwi­schen Gespräch und Geschwätz unter­schie­den wur­de, wuß­ten sich sol­cher geis­ti­gen Kapa­zi­tä­ten zum Nut­zen des bonum com­mu­ne zu ver­si­chern. In einem Land ohne inne­re und äuße­re Sou­ve­rä­ni­tät wie der Bun­des­re­pu­blik, das viel von soge­nann­ten »Quer­den­kern« redet, aber kei­ne hat, und des­sen intel­lek­tu­el­les Ant­litz mehr von sau­cen­rüh­ren­den Köchen als von unab­hän­gi­gen Köp­fen bestimmt wird, scheint es kaum mehr mög­lich, den fri­schen Wind in die öffent­li­che Dis­kus­si­on zu brin­gen, auf den eine eth­ni­sche Ver­faßt­heit, die fort­be­stehen will, nicht ver­zich­ten kann.

Um so erfreu­li­cher ist es, daß nun­mehr – 25 Jah­re nach der Erst­auf­la­ge von 1987 – eine zwei­te und erwei­ter­te Aus­ga­be eines wesent­li­chen Maschke-Tex­tes wie­der zugäng­lich ist. Der Band Der Tod des Carl Schmitt, der seit vie­len Jah­ren ver­grif­fen war und auf dem Anti­qua­ri­ats­markt drei­stel­li­ge Prei­se erziel­te, ent­hält eine umfas­sen­de Bespre­chung der Nekro­lo­ge anläß­lich des Todes von Carl Schmitt im Jah­re 1985 sowie die berühm­te Aus­ein­an­der­set­zung Maschkes mit Jür­gen Haber­mas. Hin­zu­ge­kom­men ist ein wich­ti­ger Bei­trag über »Drei Moti­ve im Anti-Libe­ra­lis­mus Carl Schmitts« aus dem Jah­re 1987, der Auf­satz »Der ent-kon­kre­ti­sier­te Carl Schmitt und die Beset­zung der Rhein­lan­de« aus dem Jahr 2002 sowie ein Inter­view, das Maschke 2005 der Jun­gen Frei­heit gege­ben hat. Das Buch, bei dem man – gera­de bei einem so Schmitt- und Maschke-affi­nen Ver­lag wie Karo­lin­ger – schmerz­lich ein Regis­ter ver­mißt, ersetzt mühe­los gan­ze Regal­me­ter an CS-Sekun­där­li­te­ra­tur. Berück­sich­tigt man, daß Maschke als Pri­vat­ge­lehr­ter über kei­ner­lei uni­ver­si­tä­re Unter­stüt­zung ver­fügt, kann man über die wis­sen­schaft­li­che Soli­di­tät sei­ner Tex­te und die Auf­fä­che­rung der Gedan­ken­strän­ge des Haupt­tex­tes in sei­nem berühm­ten, bis­wei­len mit Tret­mi­nen gespick­ten Fuß­no­ten­ap­pa­rat immer wie­der nur staunen.

Wie macht er das eigent­lich? Außer dem früh ver­stor­be­nen Pana­jo­tis Kon­dy­lis, mit dem Maschke nicht nur den Geburts­jahr­gang 1943, son­dern vor allem eine ein­sa­me poli­ti­sche Klar­sich­tig­keit teilt, ist dem Ver­fas­ser die­ser Zei­len jeden­falls kein ande­rer geis­tes­ge­schicht­li­cher Autor bekannt, der extra muros quel­len­ge­sät­tig­te Wer­ke die­ses Kali­bers vor­ge­legt hat. Bei aller wis­sen­schaft­li­chen Gründ­lich­keit haben Maschkes Arbei­ten gleich­wohl immer etwas Essay­is­ti­sches, etwas Uner­war­te­tes. Maschke kennt zwar alle Bäu­me im Schmitt­wald, er hat sich hier­durch aber nicht den Blick aufs Gan­ze trü­ben las­sen. Als geüb­ter Lang­stre­cken­läu­fer des Gesprächs ver­steht er es, sei­nen Abhand­lun­gen ein ora­les Tim­bre zu unter­le­gen, das ganz maß­geb­lich zu der Leben­dig­keit sei­ner Tex­te bei­trägt. Von der eta­blier­ten Sze­ne inner­halb des Elfen­bein­turms erfährt Maschke, der – wie alle wirk­li­chen Kön­ner – ganz unei­tel auf­tritt, Aner­ken­nung vor allem dadurch, daß man ihn – das Pla­gi­at ist immer das höchs­te Lob – geis­tig bestiehlt. Es wäre ein nicht unin­ter­es­san­tes For­schungs­de­si­de­rat, der Aus­plün­de­rung der Maschke-Fuß­no­ten ins­be­son­de­re in sei­nen bei­den CS-Pio­nier­ta­ten Staat, Groß­raum, Nomos (1995) und Frie­den oder Pazi­fis­mus (2005) durch die eta­blier­te Schmitt­for­schung ein­mal im ein­zel­nen nachzugehen.

Unbe­scha­det die­ser unschö­nen Vor­gän­ge bleibt die Tat­sa­che bestehen, daß es – neben Piet Tom­mis­sen – haupt­säch­lich dem Fleiß und der Zähig­keit Gün­ter Maschkes zu ver­dan­ken ist, daß das Werk Carl Schmitts in dem ver­gan­ge­nen Vier­tel­jahr­hun­dert welt­weit eine bemer­kens­wer­te Renais­sance erleb­te. Schmitt, der sich schon 1949 als exul in patria sua emp­fand, erfährt dabei heu­te die größ­te Aner­ken­nung außer­halb der deut­schen Lan­des­gren­zen, was ein­mal mehr belegt, wie sti­ckig und vor­ur­teils­be­fan­gen das geis­ti­ge Kli­ma hier­zu­lan­de ist. Daß die­ses Kli­ma nicht auf­zu­bre­chen ist durch das arti­ge Abge­ben irgend­wel­cher kon­ser­va­ti­ver Wunsch­zet­tel bei der »herr­schen­den clas­se poli­tique, deren Macht­grund­la­ge die Ohn­macht der Nati­on ist« (Maschke dixit), weiß nie­mand bes­ser als der frü­he­re SDS-Akti­vist Maschke. Carl Schmitt soll, einem unbe­leg­ten ondit zufol­ge, auf die Fra­ge, ob er kon­ser­va­tiv sei, geant­wor­tet haben: »Kon­ser­va­tiv? Ich besit­ze doch kein Land.« Gün­ter Maschke wür­de auf die­sel­be Fra­ge viel­leicht erwi­dern: »Kon­ser­va­tiv? Ich hof­fe doch auf die revo­lu­ción.«

Bei aller publi­zis­ti­schen Angriffs­lust merkt man Maschke an, wie er unter den obwal­ten­den Ver­hält­nis­sen in Deutsch­land, aber auch der »Zer­mal­mungs- und Zer­brö­se­lungs­ma­schi­ne der moder­nen Welt« (Maschke dixit) ins­ge­samt lei­det. Den süß­li­chen Rela­ti­vis­mus, von dem das any­thing goes unse­rer Tage geprägt ist, dürf­te kaum jemand mehr ver­ach­ten als Maschke, in des­sen Essays zuwei­len blitz­ar­tig Hori­zon­te auf­schei­nen, die erah­nen las­sen, wie ein Leben nach dem Libe­ra­lis­mus aus­se­hen könn­te. Armin Moh­ler hat­te in den links­mo­di­schen 1970er Jah­ren die etwas über­poin­tier­te Losung aus­ge­ge­ben, nur ein ehe­ma­li­ger Lin­ker kön­ne ein rich­ti­ger Rech­ter werden.

Begrün­det hat­te er dies wie folgt: »Der Lin­ke hat sich die Fin­ger ver­brannt; er weiß, wor­um es geht. Der Libe­ra­le jedoch weiß nicht, daß er selbst der­je­ni­ge ist, der das Feu­er gelegt hat (wüß­te er es, so wäre er ja ein Lin­ker gewor­den). Der Lin­ke bringt Metho­den und Här­te mit, die wir brau­chen kön­nen. Der Libe­ra­le schleppt Bazil­len und sei­ne Unbe­lehr­bar­keit mit ein.« Das erklärt, war­um vie­le Maschke-Tex­te, allen vor­an sei­ne legen­dä­re »Ver­schwö­rung der Flak­hel­fer« aus dem Jah­re 1985, ganz wesent­lich zu der geis­ti­gen Blut­auf­fri­schung der Rech­ten bei­getra­gen haben. Wenn deren Ana­ly­sen heu­te – jen­seits des Tan­ten­haf­ten und Gut­ge­mein­ten frü­he­rer Zei­ten – immer mehr ins Schwar­ze tref­fen, hängt das nicht zum wenigs­ten mit der zün­den­den Melan­ge aus Kri­tik­prä­zi­si­on und Esprit zusam­men, die Maschkes Werk kennzeichnet.

Eine in Deutsch­land nicht unbe­kann­te, über­re­gio­na­le Tages­zei­tung, der zwi­schen­zeit­lich selbst die meis­ten klu­gen Köp­fe, in der Redak­ti­on noch mehr als in der Leser­schaft, abhan­den gekom­men sind, kam denn auch nicht umhin, in einer Bespre­chung des glän­zen­den Inter­view­ban­des »Ver­rä­ter schla­fen nicht« Gün­ter Maschke als den »kom­ple­xes­ten rech­ten Kopf, der sich zur­zeit auf deutsch äußert«, zu bezeich­nen. Wir kön­nen und wol­len die­ser Fest­stel­lung nicht wider­spre­chen, ver­bin­den sie aber mit der Hoff­nung, daß die herr­lich alter­tüm­li­che Schreib­ma­schi­ne Maschkes noch so man­ches Meis­ter­stück anschlägt, das im Estab­lish­ment für Unru­he und in der sezes­sio­nis­ti­schen Sze­ne für Begeis­te­rung und Ori­en­tie­rung sorgt. In die­sem Sin­ne, caro maes­tro, ad mul­tos annos!

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