Gesucht: Eine sittliche Kritik des Egalitarismus – Teil 2

Im folgenden nun der zweite Teil der Übersetzung von Alex Kurtagics Vortrag vor der Traditional Britain Group am 19. Oktober 2013. Der Redner befaßt sich darin im besonderen mit den egalitären Absurditäten im Rahmen der britischen Staatsbürgerschaftsdebatte – und zeigt auf, weshalb auch konservative Parteipolitiker dem Mahlstrom des Gleichheitsdogmas nicht entgehen können. Gleichwohl macht sein Schlußappell Hoffnung und drückt dem Leser das Rückgrat durch.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Es ist leicht, über die poli­ti­sche Kor­rekt­heit zu lachen; den­noch kön­nen wir nicht ein­fach mit den Augen rol­len und die Leu­te bit­ten, sie wie eine Bana­nen­scha­le weg­zu­wer­fen. Denn sie besteht nicht nur aus Pro­pa­gan­da (auch, wenn Pro­pa­gan­da ein Bestand­teil ist). Sie ist viel mäch­ti­ger. Und es ist nicht so, daß ein Infor­ma­ti­ons­man­gel herrsch­te; viel­mehr könn­te man sagen, daß es zuviel Infor­ma­ti­on gibt: Die Men­schen kön­nen sich kei­nen Reim dar­auf machen, und sie haben weder die Zeit, noch die Exper­ti­se, noch die Ener­gie, um auch nur zu ver­su­chen, den Din­gen auf den Grund zu gehen.

Ande­rer­seits ist es auch nicht so, daß die Men­schen sich nicht selbst bil­den könn­ten – heu­te ist es jedem mög­lich, alles zu recher­chie­ren, was sich nur vor­stel­len läßt, und ange­sichts der vie­len Ver­schwö­rungs­theo­rien sind die Leu­te durch­aus bereit, dis­si­den­te Stand­punk­te in Erwä­gung zu zie­hen, öffent­li­che und offi­zi­el­le Geschich­ten und Ver­sio­nen von Erei­gis­sen zu hin­ter­fra­gen. Tat­säch­lich füh­len sie sich dadurch mäch­tig und auf­ge­klärt in einer soge­nann­ten Demo­kra­tie, in der Poli­ti­ker mehr oder weni­ger tun, was immer sie wol­len. Es ist auch nicht so, daß Poli­ti­ker so teuf­lisch geris­sen wären, daß sie ihre Wäh­ler zu jeder Wahl auf’s neue täu­schen könn­ten: Die meis­ten Men­schen zwei­feln an Poli­ti­kern und ihren Ver­spre­chen. Vie­le Men­schen wäh­len das klei­ne­re Übel. Die meis­ten Men­schen kön­nen sich nicht dazu auf­raf­fen, über­haupt zu wäh­len. Der Grund, wes­halb man­che Ansich­ten an den Rand gedrängt wer­den, ist, daß sie als unsterb­lich ange­se­hen wer­den. Die poli­ti­sche Kor­rekt­heit mag zu einer Lach­num­mer gewor­den sein, aber ihre Macht liegt nicht im Geld. Sie liegt in ihrer schein­ba­ren Legi­ti­mi­tät. Ega­li­ta­ris­mus als Ethik besteht wei­ter, weil es eine gene­rel­le Über­ein­stim­mung – auch unter Kon­ser­va­ti­ven – dar­über gibt, in der Gleich­heit etwas unmit­tel­bar mora­lisch ver­pflich­ten­des zu sehen. Auch, wenn es läs­tig, kost­spie­lig und inef­fi­zi­ent ist; auch, wenn es kei­ner­lei Basis in der wirk­li­chen Welt hat. Die Sitt­lich­keit eines Ide­als sticht die wahr­nehm­ba­re Realität.

Daher müs­sen wir die­se Sache unbe­dingt unter einem ethi­schen – einem moral­phi­lo­so­phi­schen – Blick­win­kel betrach­ten. Nicht von einer logi­schen, einer logis­ti­schen oder einer öko­no­mi­schen War­te: Ega­li­ta­ris­mus ist ein ethi­sches Pro­blem. Bevor wir dar­auf hof­fen dür­fen, uns mit einer tra­di­tio­na­lis­ti­schen Alter­na­ti­ve zur Wehr set­zen zu kön­nen (was not­wen­di­ger­wei­se Hier­ar­chie und Abgren­zung impli­ziert), muß der Ega­li­ta­ris­mus auf der Ebe­ne der Theo­rie atta­ckiert wer­den; auf der Ebe­ne der Grund­an­nah­men, denn dort liegt das Fun­da­ment sei­ner Macht. Zer­trüm­me­re das Fun­da­ment, dann kann etwas neu­es errich­tet wer­den. Das hät­te eigent­lich schon vor Jahr­zehn­ten klar sein müs­sen, wenn nicht vor Jahr­hun­der­ten. Denn in jeder Debat­te über Sou­ve­rä­ni­tät in einem moder­nen Natio­nal­staat wie Groß­bri­tan­ni­en, Frank­reich, Deutsch­land oder den Ver­ei­nig­ten Staa­ten – ob es um Ein­wan­de­rung, Glo­ba­li­sie­rung, Staats­bür­ger­schaft, Steu­ern, Ter­ro­ris­mus oder den Wohl­fahrts­staat geht – wird jede ein­zel­ne Sache durch das mora­li­sche Pris­ma dahin­ge­hend gefil­tert, ob sie dem Ide­al der Gleich­heit widerspricht.

Fan­gen wir mit der Ein­wan­de­rung an. Wenn sich Kon­ser­va­ti­ve dage­gen posi­tio­nie­ren, sind ihre Argu­men­te immer prak­ti­scher Natur. Meist bemü­hen sie die Öko­no­mie: Immi­gran­ten kos­ten mehr, als sie pro­du­zie­ren; sie belas­ten das Sozi­al­sys­tem und den öffent­li­chen Dienst; sie ver­rin­gern Grund­stücks­prei­se. Manch­mal wird auch das Recht bemüht: Die Immi­gran­ten bre­chen das Gesetz und sind kri­mi­nell. Und in den sel­te­nen Fäl­len, in denen Argu­men­te hin­sicht­lich der Iden­ti­tät vor­kom­men, sind sie sozio­lo­gi­scher Natur: Eini­ge Arten von Ein­wan­de­rern assi­mi­lie­ren sich nicht; man­geln­de Assi­mi­la­ti­on könn­te zu eth­ni­scher Abschot­tung und sozia­len Span­nun­gen führen.

All die­se Argu­men­te las­sen sich von Befür­wor­tern der Ein­wan­de­rung leicht wider­le­gen, ins­be­son­de­re, wenn sie ideo­lo­gisch moti­viert sind. Denn die­se kön­nen (und sie tun es!) ihre Gegen­ar­gu­men­te jeder­zeit in mora­li­sche Wor­te klei­den: „Sie kom­men hier­her, um zu arbei­ten und Steu­ern zu zah­len!“, „Sie kom­men auf der Suche nach einem bes­se­ren Leben hier­her!“, „Sie kom­men auf der Flucht vor Armut und Fol­ter hier­her!“, „Im 21. Jahr­hun­dert ist kein Platz für Eng­stir­nig­keit!“, „Kein Mensch ist illegal!“.

Und in all die­sen hoch­ge­sto­che­nen Aus­sa­gen steckt ein unter­schwel­li­ger Vor­wurf der mora­li­schen Ver­wor­fen­heit, weil jeder weiß, daß „Ein­wan­de­rung“ ein Euphe­mis­mus ist; weil jeder weiß, daß das Pro­blem nicht in der Ein­wan­de­rung an sich, son­dern in bestimm­ten Grup­pen von Ein­wan­de­rern liegt; weil ins­ge­heim und ent­ge­gen aller anders­lau­ten­der Beteue­run­gen vie­le (inklu­si­ve die Ein­wan­de­rer selbst) sie weder als gleich­wer­tig, noch als aus­tausch­bar mit den Orts­an­säs­si­gen oder der wei­te­ren euro­päi­schen Fami­lie betrach­ten. Dies impli­ziert, daß die Ein­woh­ner – und jene Fami­lie – eine essen­ti­el­le Qua­li­tät besit­zen, die die Ein­wan­de­rer zu etwas ande­rem macht, ungleich, was eine Ver­let­zung des ethi­schen Kodex dar­stellt, und kann folg­lich unter kei­nen Umstän­den gestat­tet wer­den. Und das Resul­tat ist ein Ver­lust an Souveränität.

Weil die­se Argu­men­te anstatt in prak­ti­schen Erwä­gun­gen in der Moral­phi­lo­so­phie wur­zeln, haben Kon­ser­va­ti­ve (die auf abs­trak­tes Den­ken all­er­gisch reagie­ren) kei­ne wirk­sa­me Ant­wort dar­auf. Ihnen feh­len die intel­lek­tu­el­len Waf­fen, und des­halb enden sie im Kom­pro­miß, im Rück­zug und in der Kapi­tu­la­ti­on, immer und immer wie­der, in die­ser Sache und in anderen.

Des­we­gen erschei­nen Kon­ser­va­ti­ve wie Heuch­ler: Auf der einen Sei­te prä­sen­tie­ren sie sich selbst als Ver­tei­di­ger der tra­di­tio­nel­len Nati­on, auf der ande­ren ver­ra­ten sie sie andau­ernd. Und sie sehen auch aus einem wei­te­ren Grund wie Heuch­ler aus: Sobald sie anfan­gen, das zu tun, wofür sie gewählt wur­den, wer­den sie an die Exis­tenz einer Vor­schrift erin­nert, der sie nie zuwi­der­han­deln dür­fen. Und dar­an, daß die ver­spro­che­nen Maß­nah­men, deren Ein­rich­tung sie im Inter­es­se von Tra­di­ti­on und Sou­ve­rä­ni­tät gera­de begon­nen haben, unethisch sei­en: mit ande­ren Wor­ten dar­an, daß ihr Anlie­gen ret­tungs­los ver­lo­ren ist. Und die Gegen­sei­te weiß das. Sie weiß, daß es nach der Grenz­über­schrei­tung durch Kon­ser­va­ti­ve nur genug Druck und den Ein­satz der übli­chen, unwi­der­leg­ba­ren Paro­len braucht. Denn soll­ten Kon­ser­va­ti­ve ver­su­chen, sich zu ver­tei­di­gen, kann man sie leicht selbst­süch­tig und klein­geis­tig aus­se­hen las­sen – und jedes ein­zel­ne Mal zer­bre­chen. Wer kann sol­che Men­schen respektieren?

Wenn es Wider­stand gibt, dann kommt er von Tra­di­tio­na­lis­ten, denen unter­schieds­los Rat­lo­sig­keit ent­ge­gen­schlägt. Der Vize­prä­si­dent die­ser Grup­pe [der Tra­di­tio­nal Bri­tain Group, Gre­go­ry Lau­der-Frost; N.W.] wur­de im Som­mer von den Medi­en atta­ckiert, weil er Doreen Law­rence [der Mut­ter des ermor­de­ten Ste­phen Law­rence; N.W.] das nöti­ge Ver­dienst absprach, um Dame des Order of the Bri­tish Empire zu wer­den, und weil er andeu­te­te, daß sie nicht zum Bes­ten gehö­re, was Groß­bri­tan­ni­en vor­zu­wei­sen habe – denn das war in den alten Zei­ten die ursprüng­li­che Idee: Jemand wur­de in den Adels­stand erho­ben, wenn man aner­kann­te, daß er von höchs­tem Cha­rak­ter war und dem Land ein­zig­ar­ti­ge Diens­te erwie­sen hat­te, kurz: daß er das Bes­te reprä­sen­tier­te. Der Vize­prä­si­dent die­ser Grup­pe wur­de auch dafür ange­grif­fen, daß er andeu­te­te, Men­schen hät­ten natür­li­che Hei­mat­län­der – eine Unter­stel­lung, die bedeu­tet, daß die Hei­mat eines Men­schen nicht von öffent­li­chen Ange­stell­ten ver­mit­tels büro­kra­ti­scher Ver­fah­ren fest­ge­legt wer­den kann. Vanes­sa Feltz [eine BBC-Mode­ra­to­rin; N.W.] sag­te in ihrer Radio­sen­dung, Gre­go­rys Ansich­ten sei­en „unmög­lich zu ver­ste­hen“… „Unmög­lich zu ver­ste­hen!“ Sie tat so, als säßen all ihre Kol­le­gen ner­vös im Stu­dio, nägel­kau­end, sich an die Schalt­pul­te klam­mernd, außer­stan­de, der­lei nachzuvollziehen!

Reden wir über die Staats­bür­ger­schaft. Als im Früh­jahr die­ses Jah­res Lee Rig­by [ein bri­ti­scher Sol­dat; N.W.] in South East Lon­don ent­haup­tet wur­de, mach­te einer sei­ner Angrei­fer einem Pas­san­ten gegen­über eini­ge Bemer­kun­gen, die die­ser auf­nahm. Unter ande­rem sag­te er: „Bei Allah, wir schwö­ren beim all­mäch­ti­gen Allah, wir wer­den nie­mals auf­hö­ren, Euch zu bekämp­fen, bis Ihr uns in Ruhe laßt… Es tut mir leid, daß Frau­en das hier mit­an­se­hen muß­ten, aber in unse­rem Land müs­sen unse­re Frau­en das Glei­che mit­an­se­hen… Ihr Leu­te wer­det nie­mals sicher sein. Setzt Eure Regie­run­gen ab… Sagt ihnen, sie sol­len unse­re Trup­pen abzie­hen, damit wir (hier kor­ri­giert er sich!) damit Ihr alle in Frie­den leben könnt. Ver­schwin­det aus unse­ren Län­dern und Ihr wer­det in Frie­den leben.“ Micha­el Ade­bo­la­jo [der Atten­tä­ter; N.W.] ver­wen­de­te hier nun wie­der­holt „Ihr“ in Bezug auf Bri­ten und „unse­re“ in Bezug auf ande­re, isla­mi­sche Län­der. Das Inter­es­san­te ist, daß Herr Ade­bo­la­jo gar kein nige­ria­ni­scher Ein­wan­de­rer ist. Er ist – genau­so wie sein Kom­pli­ze – ein bri­ti­scher Voll­bür­ger, gebo­ren in Lam­beth, Cen­tral Lon­don. Sei­ne Aus­sa­gen zei­gen deut­lich, daß weder er, noch sein Kom­pli­ze sich mit Groß­bri­tan­ni­en oder dem bri­ti­schen Volk iden­ti­fi­zie­ren, noch nicht ein­mal ange­sichts der mitt­ler­wei­le sehr dehn­ba­ren Bezeich­nung „Bri­te“.

Das sind Men­schen, die Mit­te der 80er bezie­hungs­wei­se Anfang der 90er Jah­re gebo­ren wur­den, die ihr gan­zes Leben im Ver­ei­nig­ten König­reich gelebt haben und an einer bri­ti­schen Uni­ver­si­tät unter­rich­tet wur­den, im poli­tisch kor­rek­ten, anti­ras­sis­ti­schen Groß­bri­tan­ni­en. Tat­säch­lich leb­te der jün­ge­re Angrei­fer die meis­te Zeit sei­nes Lebens unter der Labour-Regie­rung Tony Blairs – des bes­ten Freun­des von Ein­wan­de­ren und diver­si­ty! Offen­bar rich­ten sich ihre Loya­li­tä­ten nach etwas mäch­ti­ge­rem, essen­ti­el­le­ren als ihrer Staats­bür­ger­schaft aus. Obwohl ihre Fami­li­en hier leben, ist ihre wirk­li­che Fami­lie, wort­wört­lich und meta­pho­risch, anders­wo. Ihre essen­ti­el­le Iden­ti­tät ist etwas, das sie mit sich tra­gen, inner­lich, das mit ihnen über­all­hin geht; das ist nichts, was auf lega­lem Wege zu erwer­ben wäre, oder durch Bil­dung, oder durch die Län­ge des Aufenthalts.

Es spricht für sich, daß Blair es für not­wen­dig hielt, jedem Anwär­ter auf die bri­ti­sche Staats­bür­ger­schaft einen Treue­eid abzu­ver­lan­gen. Unter nor­ma­len Umstän­den hät­te man das für völ­lig über­flüs­sig gehal­ten. Und dies ist ein­deu­tig nicht nur auf eini­ge weni­ge Extre­mis­ten beschränkt, denn man hielt eine Zere­mo­nie à la Ame­ri­ka für eben­so not­wen­dig – auf­grund der Annah­me, daß die Will­kom­men­ge­hei­ße­nen ihre Staats­bür­ger­schaft nicht ernst­näh­men und sie rein instru­men­tell sähen. Und trotz­dem wird jeder, der anzu­deu­ten wagt, daß Völ­ker sehr ver­schie­de­ner Kul­tu­ren und Ursprün­ge natür­li­che Hei­mat­län­der anders­wo hät­ten, nicht etwa als irrend oder unin­for­miert hin­ge­stellt, son­dern als amoralisch.

Wir könn­ten über die inter­na­tio­na­le Ent­wick­lung reden. Main­stream-Kon­ser­va­ti­ve den­ken, sie müß­ten unbe­dingt tau­sen­de Mil­lio­nen Pfund in inter­na­tio­na­le Ent­wick­lungs­ar­beit ste­cken, und sie erhö­hen die­se Bei­trä­ge jedes Jahr. Das tun sie trotz der Haus­halts­de­fi­zi­te, der Schul­den und der Kür­zun­gen in ande­ren Berei­chen; und sie tun es, wäh­rend Rent­ner und Kriegs­ve­te­ra­nen in die­sem Land in Armut leben. Es ist offen­sicht­lich, daß das unfair ist. Aber in die­sem rei­chen Land läßt sich die­ser Vor­wurf leicht kon­tern – mit der Bemer­kung, daß die Armen eine mora­li­sche Berech­ti­gung hät­ten, For­de­run­gen an die Wohl­ha­ben­den zu stel­len. Das ist ein mar­xis­ti­scher Gedan­ke, wie­der­um basiert auf ega­li­tä­ren Prin­zi­pi­en. Wir sehen also, daß Came­ron (als ega­li­tä­rer Libe­ra­ler) kaum die inter­na­tio­na­len Ent­wick­lungs­gel­der kür­zen kön­nen wird. Er wür­de als herz­los und amo­ra­lisch gebrand­markt werden.

Es ist schwer vor­stell­bar, daß der Natio­nal­staat in die­sem Kli­ma über­le­ben wird. Ins­be­son­de­re, weil er bereits eine Scha­blo­ne zur Erschaf­fung von Super­staa­ten lie­fert. Und weil auf­grund der Fort­schritts­ideo­lo­gie, die sich die Libe­ra­len mit den Lin­ken tei­len, der Glau­be vor­herrscht, man müs­se von weni­ger zu mehr über­ge­hen. Des­we­gen schei­nen der Nie­der­gang des Natio­nal­staats und die Geburt des mul­ti­na­tio­na­len Super­staats – natür­lich nicht von irgend­et­was tra­di­tio­na­lem, son­dern von uni­ver­sa­lis­tisch-ega­li­tä­ren Prin­zi­pi­en defi­niert – logi­sche und unver­meid­li­che Ent­wick­lun­gen zu sein, die kenn­zeich­nend für den mensch­li­chen Fort­schritt sind. Aber das ist kein Fort­schritt. Es ist nur eines von vie­len mög­li­chen Model­len, von denen eini­ge erst noch erson­nen wer­den müssen.

Ich bin nicht sicher, ob der Natio­nal­staat es wert ist, geret­tet zu wer­den. Denn er ist ein Pro­dukt sei­ner Zeit. Er mag den Bedürf­nis­sen einer frü­he­ren Ära ange­mes­sen gewe­sen sein, aber hin­ter der Fra­ge, ob er auch zu unse­ren heu­ti­gen Bedürf­nis­sen paßt, steht ein gro­ßes Fra­ge­zei­chen. Ich wür­de mich daher nicht dar­auf kon­zen­trie­ren, den Natio­nal­staat zu erhal­ten, bloß weil wir an ihn gewöhnt sind und er für eine lan­ge Zeit funk­tio­niert hat. Nichts ist unend­lich. Unse­re Län­der wer­den letz­ten Endes ver­schwin­den, und die Fra­ge ist, ob wir die­sen Pro­zeß bestim­men, oder ob die­ser Pro­zeß uns bestimmt. Es geht also dar­um, wie wir die Herr­schaft über uns selbst zurück­er­lan­gen in einer Welt, in der alte Bin­dun­gen umde­fi­niert, neu erdacht oder gleich ganz aus­ge­löscht wer­den, und in der Kon­ser­va­tis­mus nicht Tra­di­tio­nen kon­ser­viert, son­dern das, was uns so weit gebracht hat.

Ich den­ke, das größ­te Hin­der­nis zum Fort­be­stand unse­res Daseins und unse­res Schick­sals ist der amo­ra­li­sche Glau­be an Gleich­heit als das höchs­te Gut. Dies ist es, was offe­ne Dis­kus­sio­nen ver­hin­dert und das, was gedacht wer­den muß, für undenk­bar erklärt. Dies ist es, was die Erwä­gung einer drin­gend gebrauch­ten, tra­di­tio­na­lis­ti­schen Per­spek­ti­ve ver­hin­dert, wäh­rend der wich­tigs­ten Kri­se, der sich der Wes­ten die­ser Tage gegen­über­sieht. Dies ist es auch, wes­we­gen ich nicht glau­be, daß wir noch mehr Fak­ten, mehr Sta­tis­ti­ken oder apo­ka­lyp­ti­sche Vor­her­sa­gen brau­chen. Das Wis­sen ist da drau­ßen, und das war es min­des­tens für die letz­ten hun­dert Jah­re; vie­le Leu­te sind damit ver­traut, oder ahnen es. Was sie brau­chen, ist ein Grund, sich im recht­mä­ßi­gen Besitz die­ses Wis­sens zu wäh­nen; ein Grund, sich als recht­schaf­fe­ne, mora­li­sche Men­schen zu sehen, wäh­rend sie radi­kal und zukunfts­träch­tig zuguns­ten der Tra­di­ti­on strei­ten. Nur dann wer­den sie in der Lage sein, das offen, mit Hin­ga­be und ohne Furcht zu tun.

Und dafür brau­chen wir eine sitt­li­che Kri­tik des Ega­li­ta­ris­mus. Kei­ne Demons­tra­ti­on sei­nes man­geln­den Zusam­men­hangs mit der wahr­nehm­ba­ren Rea­li­tät, son­dern eine sitt­li­che Kri­tik. Kein Bemü­hen zur Wider­le­gung der Gleich­heit, son­dern eine Anstren­gung, das Stre­ben nach Gleich­heit unglaub­wür­dig zu machen. Alles ande­re ist eine Sym­ptom­be­hand­lung, ein Ver­zet­teln im Klein-Klein, wäh­rend das Pro­blem eine Lösung an der Wur­zel ver­langt – die Aus­brin­gung einer groß­zü­gi­gen Men­ge Roun­dup [ein hoch­wirk­sa­mes Breit­band-Unkraut­ver­nich­tungs­mit­tel des berüch­tig­ten US-Saat­gut­mul­tis Mons­an­to; N.W.]. Auf daß wir etwas neu­es pflan­zen mögen, das eine mora­li­sche Recht­fer­ti­gung bie­tet – nicht für Gleich­heit und ganz sicher nicht dafür, irgend­wen her­ab­zu­set­zen. Son­dern für Unter­schied­lich­keit, für Exzel­lenz, für Ein­zig­ar­tig­keit, für Tra­di­ti­on und für wech­sel­sei­ti­gen Respekt. Das ist es, was es bedeu­tet, radi­kal und tra­di­tio­nal zu sein.

Ich habe schon frü­her über Ega­li­ta­ris­mus geschrie­ben, und in einer ande­ren Rede wer­de ich einen Plan zur Ver­fü­gung stel­len, anhand des­sen der Ega­li­ta­ris­mus als ethi­sches Sys­tem aus­ein­an­der­ge­nom­men wer­den kann – aber in der Zwi­schen­zeit lade ich Sie ein, sich auch mit die­sem The­ma zu beschäf­ti­gen. Und die Regeln zu ändern, und den Spieß umzu­dre­hen, und radi­kal zu sein, und tra­di­tio­nal zu sein, und zu wis­sen, daß Sie etwas gutes haben, etwas recht­schaf­fe­nes und etwas, wofür es sich zu kämp­fen lohnt. Heu­te, mor­gen, und immer.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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Kommentare (51)

Kai L.

22. Januar 2014 10:30

Vielen Dank für die Übersetzung und Veröffentlichung!

Mich treibt schon lange die Frage um, warum selbst die wenigen Politiker, die in zu seltenen Situationen konservative Werte vertreten, eine so geringe Ausbildung in den philosophischen und ethischen Grundlagen besitzen um dezidiert und von Grund auf für ihre Positionen zu streiten.

Vielleicht haben die anderen Foristen hierzu Denkansätze und Erklärungen?

Gustav Grambauer

22. Januar 2014 11:01

"Und dafür brauchen wir eine sittliche Kritik des Egalitarismus. Keine Demonstration seines mangelnden Zusammenhangs mit der wahrnehmbaren Realität, sondern eine sittliche Kritik."

Im Gegenteil.

Dekonstruiern wir diese Ideologie von Grund auf - mit morphologischem, organischem, ergo wirklichkeitsbezogenem Denken. Der Mensch verdaut ja auch nicht mit Armen und Beinen, atmet nicht mit dem Kopf usw. Also immer dorthin, wo`s hingehört:

Freiheit in das Geistesleben.
Gleichheit vor das Gesetz.
Brüderlichkeit in das Wirtschaftsleben.

Die m. E. sehr gut sezierte Heuchelei kann und sollte man widerlegen, hingegen das "Bemühen zur Widerlegung der Gleichheit" (eo ipso) wäre der Versuch, eine Tatsahe in einem Organon zu widerlegen. Die Bemerkung zu "Roundup" läßt insofern sehr tief blicken.

Die historische Tragik nach 1789 lag in der Eindimensionalität einer Denkweise, welches obige Gliederung nicht aufzufächern in der Lage war (und noch heute nicht ist).

Es sei nur angemerkt: ich biete diese Auffächerung nicht als Lösung an. Dafür ist es längst zu spät (so wie auch für K.s Versuch, mit der Um-Drehung des moralischen Spießes noch irgendetwas zu bewirken). Lassen wir die apokalyptischen Reiter reiten, so weit bin ich inzwischen. Aber wenigstens im Rückblick sollte die Tragödie mit anderen Augen gesehen werden.

Übrigens: daß Migranten die Grundstückspreise nach unten treiben (Seite 2 oben), ist ja wohl eine Mär. Dies mag partiell gelten, wenn z. B. irgendwelche Baracken in ein Villenviertel gestellt werden. Im Gesamtmaßstab treiben sie sie nach oben. Bei Pensionskassenansprüchen tobt gerade der Streit, hier sollte m. E. : wer inneDie Belastung der Sozialsysteme ist vielfach in der ganzen Dimension des Zynismus gewollt: der Mobilfunk-Onkel freut sich natürlich, wenn die Allgemeinheit immer die neuesten Iphones von Mustafa bezahlt.

All dies wird der Grund dafür sein, daß die Schweizer übernächste Woche mit hoher Wahrscheinlichkeit die SVP-Initiative zur Masseneinwanderung (hinter der NICHTS als eine Abwägung kurz-, mittel- und langfristiger Juste-Milieu-Interessenn auf rein utilitaristischer Ebene steht)

https://www.masseneinwanderung.ch/

versenken werden, denn die meisten Schweizer besitzen Grund und Boden in irgendeiner Form neben Beteiligungen, Pensionsansprüchen usw. und entscheiden eiskalt nach Rendite und nach dem Prinzip "Nach mir die Sintflut".

"... weil jeder weiß, daß das Problem nicht in der Einwanderung an sich, sondern in bestimmten Gruppen von Einwanderern liegt ..."

Und da ist er schon wieder, der Verrat an der Kultur. Überfremdung ist und bleibt Überfremdung. Wenn der feine Herr Akademiker aus Boston einen 1-A-Strafregister-Auszug vorweist, fleißig deutsch lernt, exorbitant Steuern zahlt, sich in einer hiesigen Villa einnistet, sich in hiesigen Vereinen "integriert" usw.:

UMSO SCHLIMMER!!!

- G. G.

kolkrabe

22. Januar 2014 11:36

Den Egalitarismus als ethisches System auseinandernehmen – genau darauf kommt es an. Und darauf, einen ethischen Gegenentwurf zu liefern.

Doch eine solche Ethik darf nicht allein als philosophisches Theorem gesehen werden, sondern muss in der alltagspraktischen Umsetzung Bestand haben. Auf die Frage „Ja, glaubst du denn nicht, dass alle Menschen gleich sind? Du hältst dich wohl für was Besseres?“ muss man eine überzeugende Antwort haben – überzeugend vor allem auch für Nichtphilosophen. Denn die Sorge, sich für etwas Besseres zu halten und dabei erwischt zu werden, sitzt besonders bei den Deutschen tief und sorgt umgehend für Gewissensbisse.

Doch es geht gar nicht um das Bessere, sondern um das Andere, das seine eigenen Rechte hat: Nicht nur der Fremde ist anders bzw. eigen, auch wir sind es – und beide haben ein Recht darauf, es zu sein. Nur darin – im Anspruch, eigen sein zu dürfen – sind wirklich alle Menschen gleich.

Akzeptiert man diesen Satz, ergibt sich im Weiteren, dass jeder Versuch, jemandem das Eigensein streitig zu machen, eine fundamentale Verletzung des Gleichheitsanspruchs aller Menschen wäre. Wir drehen den Spieß einfach um.

Es kommt also gar nicht so sehr darauf an, den Gleichheitsanspruch aus der Welt zu schaffen (was derzeit wohl auch kaum möglich wäre), sondern Gleichheit anders als bislang als das Gleichsein im Eigenen neu zu bestimmen.

Doch was ist das Eigene? Das bewusst gelebte Eigensein erfordert eine umfassende Aneignung, ein Ergreifen des meist verächtlich behandelten Eigenen. Unsere Geschichte, unsere Besonderheiten und Eigentümlichen als Volk wie im Individuellen (auch und gerade die weniger angenehmen Aspekte) sind es wert, als Eigenes angenommen und gepflegt zu werden. Wir haben kein schlechtes Gewissen vor der Geschichte – warum auch? Es ist doch unsere eigene.

Rumpelstilzchen

22. Januar 2014 11:43

Ein interessanter Text, Seminarstoff.
Kleiner Einwurf aus christlicher Sicht zur Gleichheit:

Ja, es gibt eine generelle Übereinstimmung , auch und gerade unter Konservativen, in der Gleichheit etwas unmittelbar moralisch Verpflichtendes zu sehen.
Die Sittlichkeit eines Ideals sticht die wahrnehmbare Realität.
Die wahrnehmbare Realität zeigt täglich die Ungleichheit der Menschen.

Lösung: Rechte Ideologen schaffen die theoretische Gleichheit ab ( z.B. Alain de Benoist).. Das ist für christliche Konservative nicht zu akzeptieren.

Einen interessante Antwort gibt der große polnische Philosoph Leszek Kolakowski ( z.B. in dem Buch "Falls es keinen Gott gibt)

Ohne Gott kann es für Kolakowski keine Moral geben und zwar in dem Sinne, als es ohne jeglichen vorexistenten Sinn keinerlei moralische Bremsen gäbe. Gemeint ist kein moralistische theoretische Begründung Gottes. Sondern eine pragmatische, an der Erfahrung orientierte.
Kolakowski: " Welchen Grund gäbe es ohne religiöse Traditionen, die Menschenrechte und die Menschenwürde zu achten ? Was ist Menschenwürde, wissenschaftlich gesehen ? Aberglaube ? Empirisch gesehen sind die Menschen ungleich. Wie können wir Gleichheit rechtfertigen ? Die Menschenrechte sind eine unwissenschaftliche Idee."

Kolakowski räumt ein, dass Einzelne hohe moralische Standards aufrecht erhalten können, ohne religiös zu sein. Er bezweifelt aber, dass Zivilisationen das können.
Das Fehlen einer Dimension der Transzendenz schwäche die soziale Übereinkunft, der zufolge man die eigene Freiheit begrenzt, um mit den anderen in Frieden zu leben. Ein Interessenuniversalismus sei ein weiterer Aspekt der modernen Illusion. Eine wissenschaftlich begründete menschliche Solidarität gäbe es nicht. Soweit Kolakowski.
Noch können wir uns praktisch eine Moral erlauben, in der Gleichheit etwas unmittelbar moralisch Verpflichtendes ist. Die Zeiten könnten sich aber schnell ändern, wenn die Solidargemeinschaft zerfällt. Ansätze sind erkennbar, die Frustrationen des modernen Wohlstandsbürgers nehmen zu. Er erfährt immer mehr Ungleichheit. Es kommt zu immer mehr Sozialneid.
Und zu der Erkenntnis, dass unsere für ewig und universal geltend gedachten Werte nichts mehr wert sind. Wie sollten wir sie begründen, wenn nicht mehr der andere, sondern wir uns selbst der Nächste sind ?
Da hilft auch nicht : Toleranz üben, üben. Im Moment der Weisheit letzter Schluß.
Die Frage nach Gott wird neu gestellt werden müssen für die abendländische Zivilisation.
"Die Geschichte des letzten modernen Jahrhunderts hat gezeigt, dass wir Mitglieder unserer eigenen Spezies ohne große Hemmungen vernichten können. Sollte es tief unten auf biologischer Ebene eine Solidarität der Spezies geben, so hat sie uns davor nicht bewahrt."
D.h. für Kolakowski, dass wir Instrumente menschlicher Solidarität brauchen, die sich nicht auf Instinkte, Eigeninteressen oder Gewalt gründen.
Welche Möglichkeiten gibt es, Solidarität zu institutionalisieren ?

Thomas Wawerka

22. Januar 2014 11:55

Gleichheit war eine der Parolen der bürgerlich-revolutionären Rechten, als sie gegen das ancien regime kämpften. Der Gedanke der Gleichheit war Sprit für den Motor, der zum souveränen bürgerlichen Nationalstaat führte. Eine republikanische Verfassung ist ohne die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz nicht denkbar. Gleichheit ist auch ein unaufgebbarer Bestandteil des Christentums: alle Menschen sind vor Gott gleich. Gleichheit IST ein traditionalistischer Gedanke. Bevor man den Egalitarismus wirksam dekonstruieren und kritisieren kann, muss es erstmal eine saubere Begriffsanalyse geben. Wovon reden wir, wenn wir "Gleichheit" sagen? Welche "Gleichheit" meinen wir? Was sind die Unterschiede zwischen Gleichberechtigung, Gleichbehandlung, Gleichstellung, Gleichschaltung? Statt einen Begriff pauschal abzulehnen, müsste genauer draufgeschaut und differenziert werden. - Desweiteren: ethische Kritik, schön und gut, wahrscheinlich auch richtig, aber wenn etwas ethisch kritisiert werden soll, braucht man ein ethisches Fundament. Kritisiert man aufgrund einer religiösen Basis, bekommt man im Diskurs bestenfalls einen "Sonderposten" zugewiesen. Kritisiert man aufgrund einer säkularen Basis, hat man (jedenfalls soweit ich das überblicken kann) keine Argumente gegen den Egalitarismus - es sei denn, man gibt sich als Anhänger einer wie auch immer gearteten autoritären Stände- oder Kastengesellschaft zu erkennen ... und bleibt auch damit im Diskurs nicht mehr als ein Sonderling.

Stevanovic

22. Januar 2014 12:34

Mir fehlt noch das theoretische Fundament zu dem Thema, eine Frage drängt sich mir vielleicht deswegen auf: Was ist Tradition in einer Gesellschaft, deren Traditionen als Breitensport bereits erodiert sind?

Rumpelstilzchen

22. Januar 2014 13:27

Nachtrag:
Eine hervorragende Kritik ( wieso eigentlich sittliche ?) des theoretischen Egalitarismus findet sich übrigens in Frank Böckelmanns Büchlein Jargon der Weltoffenheit, kann man bei antaios bestellen.
Eine hervorragende kabarettistische Kritik des Egalitarismus findet man
hier: https://m.youtube.com/watch?v=-pJA5mbtkUo&desktop_uri=%2Fwatch%3Fv%3D-pJA5mbtkUo

Thomas Wawerka

22. Januar 2014 15:10

@ Rumpelstilzchen: Genau meine Meinung. Die Abschaffung des Ideals der Gleichheit ist weder für christliche Konservative hinnehmbar noch für den, der für bürgerliche Souveränität und Selbstbestimmung eintritt. Der Gedanke der Gleichheit der Menschen vor Gott und dem Gesetz bildet ein Fundament, auf dem Unterschiede produktive Spannungen zu erzeugen vermögen. Würde man dieses Fundament zerstören und anstelle der Gleichheit eine Hierarchie etablieren, wären die Unterschiede völlig egal - eine Gesellschaft würde damit ihre Dynamik (im Sinne des Hegelschen Prozesses) verlieren. Die Unterschiede wären in der Hierarchie neutralisiert. Die Hierarchie- und Evola-Fans sollten diese Umstände mal ein bisschen genauer unter die Lupe nehmen. Man kann die Ungleichheit auf zwei Wegen abschaffen: durch den Egalitarismus ebenso wie durch den Elitarismus. Eine Hierarchie vermag Unterschiede lediglich abzubilden, sie aber nicht in einen produktiven Prozess einzubinden.
Das heißt nun nicht, dass man den Egalitarismus schlucken sollte. Man sollte vielmehr aufdecken, dass er nicht einlöst, was er verspricht. Seine permanenten Selbstwidersprüche öffentlich ins Lächerliche ziehen. Den Kaiser nackt nennen und den nackten Kaiser verspotten. Er ist eine Moral - eine heuchlerische Moral, gepaart mit der Unfähigkeit oder auch dem Unwillen zur Selbstreflexion. Schon dagegen zu "kämpfen" ist zuviel Ehre - "Nicht mehr Nein sagen", schrieb Nietzsche in der Auseinandersetzung mit der speziellen Ausprägung dieser Moral in seiner Zeit, "sondern selbst schaffen." Vor einem Jahr habe ich mich noch mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, als ich in einem Forum "rechts" genannt wurde. Jetzt bezeichne ich mich selber als "rechtsliberal" und versuche zu definieren und zu erklären, was damit gemeint ist, damit die Linken ihre Deutungshoheit verlieren.

Gustav Grambauer

22. Januar 2014 15:29

Thomas Wawerka:

"Wovon reden wir, wenn wir "Gleichheit" sagen?"

Unabhängig von meiner obigen Gedankenführung, ganz entlang des Verständigungs-Fadens:

Die "Bunten" haben ja die Achillesferse erkannt und schieben "Diversitsy" davor. Herr Lichtmesz hat diese Machination hier bei SIN mehrmals meisterhaft seziert, alles im Archiv zu finden.

"Diversity" ist vonvornherein HORIZONTAL angelegt. Zunder kommt mit der VERTIKALEN Ebene in jede Auseinandersetzung, garantiert.

Rumpelstilzchen:

Vor Gott sind in einem gewissem Sinne alle gleich, in einem anderen Sinne aber auch nicht, nicht umsonst kommt das Wort 'Hierarchie' aus dem Kirchenlatein, abgeleitet von 'Arché', 'Erzengel'.

Was Gerhard Polt betrifft: er ist nicht auf dem neuesten Stand. "Toleranz" war gestern. Heute ist längst "Akzeptanz".

"Solidarität" ist ein NLP-Anker für eine ganze Ideologie, Stichwort Solidarprinzip. Kohl, Waigel, Kinkel & Co. haben mit der Begriffswahl für den hochumstrittenen "Solidarpakt" schon ihren "Riecher" dafür bewiesen, wie links die "Republik" bereits in den frühen 90er Jahren tickte, und daß man allein mit diesem Begriff jeden Konsens "moralisch" erzwingen kann. Da müßte vor der Frage "Welche Möglichkeiten gibt es, Solidarität zu institutionalisieren?" erstmal ein ziemlicher begrifflicher und projektiver Augiasstall aufgeräumt werden.

- G. G.

nino

22. Januar 2014 16:03

...denn die meisten Schweizer besitzen Grund und Boden in irgendeiner Form...

Diese Aussage stimmt nur bedingt. Wohl immer noch beträgt der Anteil von Wohn- oder Grundeigentümer in der Schweiz keine 50%. Richtig ist hingegen, dass fast nur wirtschaftliche Abwägungen den Entscheid an der Urne beeinflussen. Sollte die Initiative angenommen werden, so dürfte einer der Gründe die steigenden Mieten sein.

Ansonsten ist Herr Wawerka zuzustimmen. Zuerst müsste einmal definiert werden, welcher Gleichheitsanspruch denn verworfen werden soll. (Rechtliche) Gleichheit unter Gleichen ist ja nicht zu verwerfen. Gleichheit unter Ungleichen hingegen schon. Deshalb scheint mir ein Ansatz wie ihn Kolkrabe vertritt angemessen; quasi ein egalitaristischer Partikularismus.

Das Problem bei den Menschenrechten bspw. ist, dass der Gaul von hinten aufgezäumt wird, nicht ganz unabsichtlich natürlich. Recht ist letztlich nur, was von einer Autorität garantiert werden kann, was man in diesem Falle einklagen kann. Eine solche Autorität fehlt aber. Im Bezug auf den Menschen kann nur der Weltstaat diese Autorität darstellen. Deshalb postuliert man zuerst ein gleiches Recht für alle, um dann die Politik (fast zwangsläufig) in Richtung "global governance" zu lenken. Den Menschenrechten, die letztlich auch nur eine Ersatzreligion sind, wäre also ein Recht der Völker und somit ein Recht der Gemeinschaften entgegenzusetzen. Alle Völker haben für sich genommen die selben Rechte, nur dass es sich dabei um ein moralisches Recht handelt, das niemals positiviert werden kann, denn dies würde ja wieder eine Weltgemeinschaft erfordern, welche es so nicht gibt.

Langer

22. Januar 2014 21:47

Die Unterschiede wären in der Hierarchie neutralisiert. ... Eine Hierarchie vermag Unterschiede lediglich abzubilden, sie aber nicht in einen produktiven Prozess einzubinden.

Im Gegenteil. In einer Hierarchie sind die Unterschiede abgebildet und amplifiziert. Ich bin nicht nur besser, ich werde auch besser behandelt und kann mich besser entfalten.

Konservativer

22. Januar 2014 22:02

Ich werde den Nationalstaat nicht abschreiben.

Als Nachkomme von Flüchtlingen aus Ostpreußen, das heute ein Teil Rußlands ist, würde es mich heute nicht geben, würde ich nicht existieren, wenn es seinerzeit Restdeutschland nicht gegeben hätte. Wahrscheinlich wäre meine Familie damals schon ausgemerzt worden, wenn nicht die Möglichkeit bestanden hätte, nach Restdeutschland zu flüchten. Ein Teil meiner Familie landete in der ehemaligen Sowjetzone, ein anderer Teil in den von den Westallierten besetzten Gebieten.
Wir wurden im Westen nur von einer kleinen Minderheit willkommen geheißen, stießen als "Habenichtse" zwar auf viel Ablehnung, gerieten aber immerhin nicht in die Gefahr, umgebracht zu werden. Das widerum war das Schicksal von Millionen Deutschen aus dem Osten im nichtdeutschen Osten. Um es einmal vorsichtig auszudrücken: Deutsche waren dort seinerzeit nicht sehr beliebt.
Die beiden Reststaaten, die von deutschen Reich übrigblieben boten somit die Möglichkeit, sich dorthin in Sicherheit zu bringen. Wer das Glück hatte, dort anzukommen, hatte zwar oft nicht mehr an Besitz als die zerlumpte Kleidung, die er trug, aber er lebte und es bestand die Möglichkeit einer Neuanfangs, und diese Möglichkeit wurde genutzt.

Vielleicht weiß ein Mensch erst dann etwas wertzuschätzen, wenn er es verloren hat. Vielleicht weiß ein Mensch erst dann so etwas wie Heimat, sein Heimatland (oder Vaterland) wertzuschätzen, wenn er daraus vertrieben wurde, flüchten musste.

Mit den letzten echten Preußen (d.h. diejenigen, die dort geboren wurden), welche gegenwärtig sterben, stirbt weitestgehend auch das alte Preußen. Die preußische Lebensart als solche ist außerhalb Preußens kaum am leben zu erhalten. Die Nachkommen der echten Preußen assimilier(t)en sich in den jeweiligen Bundesländern in denen sie leben, werden gewissermaßen zu Bayern, Sachsen, Hessen u.s.w..
Nichts gegen Bayern, Sachsen, Hessen und ihre Lebensart, doch das Verschwinden Preußens und seiner Lebensart ist meiner Meinung nach eine Tragödie (wie auch das Verschwinden der Sudetendeutschen und vieler anderer und ihrer Lebensart).

Worauf ich hinauswill: wenn die Deutschen als Deutsche eine Zukunft haben wollen, dann brauchen sie einen eigenen Staat, ein eigenes Land. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

quiesel

23. Januar 2014 05:26

Gut, dass hier mal wieder was von den ausländischen Schreibern gebracht wird. Zuweilen kommt es einem vor als würde die gesamte rechte Szene in diesem Land einsam auf einem Floß im Ozean rumplätschern. Man muss "Brücken bauen", wie wäre es denn etwa mal mit ein paar Interviews mit den ganzen bekannteren Gestalten? Der Chefredakteur von "Zuerst" ist ja ganz schön aktiv, aber da kommt es einem manchmal auch so vor als würde er sich nur in Syrien rumtreiben.

antwort kubitschek:
ich zähle aus dem vergangenen jahr mal auf: vardon, venner, millet, raspail, benoist, scianca, adinolfi, kurtagic, martelaer und lichtmesz - das ist ja halb europa!

Raskolnikow

23. Januar 2014 07:47

"Warum, zum Teufel,
wollen auch die Unglücksraben
glücklich sein?.
Wie dumm!"

("Kapitän Fracasse")

Und da sind sie wieder, die Mordfantasien ...

Mein Lieblingsthema, mal wieder; die intellektuelle Rechte will mit jeder Straßendirne und jedem Müllmann über ihre oder seine jeweiligen Flachheiten disputieren und diese dann fachgerecht "dekonstruieren". Genau! Und wir entwerfen auch mit vollendeter Courtoiserie eine ethische Kritik (Bitte auf der Zunge zergehen lassen!) des allumfassenden Schwachsinns! Ich bin traurig!

Eigentlich müsste an jeder Straßenecke einer kotzen; "Warum kotzen Sie?"; "Wegen Gender!" ... Aber nein!

Ihr diskutiert über Dinge, die nicht diskutiert gehören, mit Leuten, denen nicht ein Blick, geschweige denn ein Wort, geschenkt werden darf!

Hat dieser Kurtagic, haben diese britischen Traditionalisten, habt Ihr nichts Besseres zu tun? Ich kann niemanden ernst nehmen, der sich mit jedem Würstel in die Gosse stellt und darüber diskutiert, dass eine Familie aus Mann und Frau besteht, Homosexualität nicht normal ist, in Europa Weiße leben, Mörder ins Verlies gehören ... usw.! Vielleicht sollte man lieber mal die Peitsche gebrauchen, als jeden Mist durch Erwiderung oder "moral critique" zu adeln ...

Außerdem färbt das ab, wie man an Frau Rumpelstilzchen sieht, und nur sie spreche ich hier persönlich an ...

Ich weiß, dass Sie, Rumpelstilzchen, ein großer Freund unseres Papstes sind und sogar "Evangelii Gaudium" verschenken; und ich wage es natürlich nicht, Ihnen das Katholischsein abzusprechen. (Meine Worte werden Sie nicht absichtlich falsch verstehen, wie es so Weibersitte ist, denn Ihre Beiträge hier verrieten doch stets auch einen männlichen Geist ...)

Trotzdem kann man einen Wandel des Christus-Verständnisses während der letzten XXX Jahre nicht übersehen. Gipfelnd in "EG", einem wahrhaft diabolischen Dokument des anbiedernden Gleichheitschristentums.

Hat unser König der Könige soziale oder sonst irgendwie geartete Unterschiede beseitigt? Hat er alle Kranken und Behinderten geheilt? Hat er etwa nicht die ultimative Hierarchie gelehrt? Sogar den Prunk verteidigt (Nardenöl in Bethanien)?

Gerade die Betonung der Gleichheit vor Gott in der Ewigkeit stellt doch die Ordnung in der Zeit fest! ("Arme werdet Ihr alle Zeit ...")

Verstehen Sie meine holprigen Worte, die kaum geeignet sind die Anordnungen an die punjabischen Zwerge deutlich zu machen? Christentum bedeutet Ungleichheit von der Sekunde der Empfängnis an!

Ach ...

Es ist gut, dass gerade Tanztag auf Gut Raskolnikow ist. (Heute ist der von mir erfundene "Uckermärkisch-Katholische Säbeltanz" dran. Zack-zack!) Da kann ich mich mit den Klingen abreagieren. 200 Pfund tödliche Eleganz; DAS ist eine Sprache für die Lümmel dieser Welt, eine ästhetische Antwort auf den gequirlten Quatsch von Anti-Rassismus über Demokratie und Gleicheitszwang bis Gender! Keine Worte, nur herumwirbelnde Säbel!

Wirklich im Ernst, wir dürfen nicht mit denen diskutieren! Das ist meine Überzeugung. Das Reden hat seit 200 Jahren nur zu Verwässerung und Schwächung bei "uns" geführt.

Uns bleibt nur der verzweifelte Witz, die Schönheit des Ausgestoßenen und der Ethos der Räberbande.

Elegant und tödlich,

R.

PS: Meister Wegner, vielen Dank für den Beitrag, "good find"!

Rumpelstilzchen

23. Januar 2014 09:43

Warum ich kein Rechter mehr bin ? Ganz einfach: weil es keine Linke mehr gibt ( Frank Böckelmann) .
Insofern ist es in der Tat überflüssig , verehrter Raskolnikow, über Dinge zu diskutieren, die nicht diskutiert gehören.
Z. B auch da
https://www.blauenarzisse.de/index.php/rezension/item/4367-identitaerer-aufbruch
Die Zeit ist längst auf unserer Seite, und wir müssen eigentlich nur geduldig warten, bis die " Situation, in der die Entschlossenheit von Einzelnen wieder geschichtsmächtig wird, sich bemerkbar macht" .
Eine "schweigend und im Dunkel heranwachsende Kraft, die schließlich überwältigend wird."
Ein so großer Freund des jetzigen Papstes bin ich nun auch nicht. "Evangelii Gaudium" ist schlecht übersetzt und fährt für mein Empfinden zu sehr auf die materiell Armen ab. Uns plagt doch mehr die geistige Armut.
Ich bin kein Anhänger eines Gleichheitschristentums in diesem flachen materiellen Sinn. Das haben die Kommunisten durchgeführt.
Ich mag durchaus den elitären Gedanken:
" viele sind berufen, wenige aber auserwählt" ( Matth. 22,14)
Ich bin auch ein Anhänger der lateinischen Messe ( dazu muss man allerdings keine Pia-Schwester sein).
Aber seit David Berger die lateinische Messe und anderes katholisches Brimborium als Sublimierung des Eros für homosexuelle Priester ausgemacht hat, bin ich vorsichtig geworden.
Natürlich habe ich Sehnsucht nach dem Heiligen, als dem Einbruch des Ganz Anderen in diese Welt.
Im Moment erfüllt mich die Liturgie des Hl. Johannes Chrysostomos mit großer Freude.( Paul Evdokimov: Das Gebet der Ostkirche) Mehr als das gleichnamige Papstbüchlein.
Es entbindet aus der "Grundstimmung der totalen Immanenz" ( Ernst Jünger) .
Und natürlich bedeutet Christentum zwar nicht Ungleichheit, aber es befähigt, Ungleichheit zu ( Scheitern, Leiden, Tod) zu verkraften. Die Religion ist des Menschen Weg, unausweichliche Niederlagen anzunehmen.
Was Unausweichlich ist, darüber kann man Nachdenken.
Und da liebe ich den männlichen Geist von Papst Benedikt.
Gelobt Sei Jesus Christus.

Nordlaender

23. Januar 2014 10:22

@ Raskolnikow

"Ich kann niemanden ernst nehmen, der sich mit jedem Würstel in die Gosse stellt und darüber diskutiert, dass eine Familie aus Mann und Frau besteht, Homosexualität nicht normal ist, in Europa Weiße leben, Mörder ins Verlies gehören … usw.! Vielleicht sollte man lieber mal die Peitsche gebrauchen, als jeden Mist durch Erwiderung oder „moral critique“ zu adeln …"

Die Epidemie der sogenannten "Kommunikation" ist eine weibliche Tugend.
Familie ist eine Institution. Wer über Institutionen diskutiert, verkruschtete Strukturen kritisch hinterfragt, macht aus der Institution eine verhandelbare Krämersware.
Eine Negation ist eine Bejahung.
Beispiel: "Ich weise noch einmal ausdrücklich darauf hin, daß ich nicht bei LIDL stehle, sondern meine Waren bezahle wie jeder andere anständige Kunde auch."

Sehr erfrischend, Ihr Kommentar.

Eine Erörterung, was unter dem Begriff "Moral" eigentlich zu verstehen ist, halte ich allerdings für klug.
Vielleicht begreifen durch eine solche doch noch einige, daß es DIE (universale) Moral schlichtemang nicht gibt.

Nordlaender

23. Januar 2014 10:24

@ Rumpelstilzchen

"Ohne Gott kann es für Kolakowski keine Moral geben"

Keine Sklavenmoral.

Langer

23. Januar 2014 11:09

Ich verstehe gar nicht, wie man zu der Behauptung gelangen kann, wir lebten unter dem Joch der Egalitaet. Meines Eindrucks nach leben wir in einer der ungleichesten Gesellschaften ueberhaupt. Ueberall Elite-Denken, Individualitaet, der Versuch, besser zu sein oder wenigstens anders, wenn man nicht besser ist.

Die die Oeffentlichkeit dominierende Egalitaet sehe ich als reines Lippenbekenntnis. Um damit quasi alles reale Handeln zu kompensieren. Das ist nur ausgeuferte Bescheidenheit und in der Darstellung eines empfundenen, goennerhaften Kraftueberschusses ein weiterer Ausdruck der elitaeren Grundeinstellung. Man beschwichtigt nach aussen, dass alle anderen genauso gut waeren und auch sein muessten und arbeitet dann abgewandt weiter an der eigenen Differenzierung.

Der Anschein von Gleichheit mag zum grossen Teil darin bestehen, dass eben alle gleichzeitig und auf aehnliche Weise versuchen, sich voneinander abzuheben, bzw. eben universelle Massstaebe fuer die hoechsten Ziele existieren.

Thomas Wawerka

23. Januar 2014 11:17

Interessant, dass Kurtagic den Nationalstaat zur Disposition stellt. Hätte ich von einem Rechten nicht erwartet. Aber es stimmt natürlich: Der Nationalstaat ist eine historische Konstruktion und nicht das Ende der "politischen Heilsgeschichte". Ich frage mich bloß immer, wie der Rechts- und der Sozialstaat ohne diese Basis funktionieren sollen. Welche Alternativen ich mir auch auszudenken versuche, ohne den Nationalstaat komme ich immer zu einem geographisch und ethnisch fragmentierten Überwachungs- und Umverteilungs-Superstaat, zur Balkanisierung Europas ... und das hat die Schöne nun wirklich nicht verdient.
@Raskolnikow: Der Gedanke der Gleichheit vor Gott lässt sich biblisch-theologisch sehr gut begründen, angefangen von der Schöpfung über Jesus ("Kinder eines Vaters") bis hin zu Paulus: "Alle sind sie Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten." Dieser Gedanke ist nicht einmal spezifisch biblisch; wenn beispielsweise Alexander seinem Pädagogen Aristoteles, der ihn ermahnt, Griechen wie Griechen und Barbaren wie Barbaren zu behandeln, antwortet: "Nichts Menschliches ist mir fremd", dann ist auch damit der Gedanke einer fundamentalen Gleichheit aller Menschen formuliert. - Diese Gleichheit ist ein ethisches Ideal, sie lässt sich weder fest- noch herstellen. Wer dieses Ideal abschaffen will, kann das jedoch nur ohne oder gegen die Christen tun.
Ich verstehe auch das Gemecker über die Menschenrechte nicht. Aus meiner Sicht eine Formulierung christlicher Ethik in säkularer Sprache. Sinnlos der Versuch, das Christentum gegen die Menschenrechte zu vereinnahmen (wobei andere Kritik durchaus zutreffen mag, wie z.B. "Wer soll diese Rechte denn gewähren?!").
Warum sind die Rechten eigentlich immer gegen den Islam? Wenn ihr euch so sehr nach Hierarchien, einem autoritärem Lebensstil, Mannhaftigkeit, Peitschen & Säbeln sehnt, wärt ihr dort doch gut aufgehoben ...
"Uns bleibt nur der verzweifelte Witz, die Schönheit des Ausgestoßenen und [das] Ethos der Rä[u]berbande." - Na über diese Selbstauskunft werden sich alle Linken innig freuen. Zahnlose Löwen mit markigem Brüllen. Weiter so.

Mauretanier

23. Januar 2014 12:19

Ich stimme dem Herrn Raskolnikow vollumfänglich zu.

Zudem weiß ich nicht was eigentlich Kurtagics Problem ist.

An anderer Stelle kritisiert er mangelndes Stilbewusstsein der Rechten/Konservativen.

Das kann ja wohl nicht sein Ernst sein. Sämtliches Stilempfinden ist grundsätzlich "rechts", der heute etwas beklagenswerte Zustand diesbezüglich ist eben der generellen rechten Marginalisierung geschuldet.

Spengler schlägt Adorno, Stechschritt schlägt schwarzen Block, usw.

Stevanovic

23. Januar 2014 14:31

@ Rumpelstilzchen

Ohne Gott kann es für Kolakowski keine Moral geben und zwar in dem Sinne, als es ohne jeglichen vorexistenten Sinn keinerlei moralische Bremsen gäbe.

Klingt im ersten Moment nach Humes Gesetz: https://de.wikipedia.org/wiki/Humes_Gesetz

Ein sollen kann nur aus einem sollen abgleitet werden. Aus dem deskriptivem „Es regnet“ ist kein normatives „Du sollst einen Regenschirm nehmen“ abzuleiten. Da jedes „du sollst“ (warum?) ein vorheriges „du sollst“ als Begründung braucht (darum!), dieses auch hinterfragt werden kann (warum das jetzt?), können wir die Kette bis ins Endlose fortsetzen. Bis zu einem nicht hinterfragbaren "Ur-sollen“ (sehr, sehr nebulös und von niemanden bis jetzt gefunden) oder einer nicht zu hinterfragenden Autorität (Gott). D.h. ohne Gott als letzte Instanz, keine Moral.

Zu Alex Kurtagic: Ohne Nationalstaat war das Land, in dem die Deutschen lebten (Dichter und Denker), doppelt so groß, wie das Land, das jetzt Deutschland ist (Serie verlorener Kriege). Ein Zusammenhang zwischen prosperierender Nation und eigenem Nationalstaat ist nicht zwingend.

Nils Wegner

23. Januar 2014 15:29

@ Mauretanier: Glückwunsch zur Erkenntnis, was Kurtagic meint.

Spengler und Adorno sind, ebenso wie Stechschritt und Schwarzer Block, ungleichzeitig; nicht alles, was hinkt, ist eben ein Vergleich. Was etwa Mohler als "faschistischen Stil" umrissen hat, ist nicht auf Masse, sondern auf Einzelne ausgerichtet. Und natürlich standen gegen Adorno (und noch viel mehr gegen das wandelnde Chaos Habermas) einzelne stilsichere "unsrige" (im speziellen Gehlen); das fällt aber nicht weiter ins Gewicht, da diese marginalisiert waren/wurden.

Weiters geht es Kurtagic auch nicht um die Vorbereitung einer Revolution, sondern (wie eigentlich nicht allzu schwer zu verstehen sein sollte, vgl. den obigen Schlußteil) darum, mental gefestigt gegen das Anfluten des Schlamms zu sein. Dazu gehört eben auch, allein schon zur Selbstvergewisserung, ein Stil. Die Frage ist nur, wie dieser aussehen soll; ich für meinen Teil würde mir mehr innere Festigkeit, weniger Aufdringlichkeit und Jovialität nach außen wünschen. Altgriechisch zu "Kirchenlatein" umzubiegen, weil man das gerade für seine belehrende Beweisführung braucht (s.o.), macht einen nicht zur Speerspitze des geistigen Umbruchs.

Revolte

23. Januar 2014 18:23

Wie soll man den Moralinsauren ihr Moralin abspenstig machen? Doch nicht, indem man sich zu ihnen hinab begibt.
Die Linke kann nur emotional argumentieren, das ist ihre einziges scharfes Schwert. Wir müssen uns nicht dem emotionalen Duktus der Linken unterwerfen, nein, wir müssen die Linke mit Vernunft konfrontieren, sie zur Vernunft zwingen. Alles andere wären Zugeständnisse, die UNS der Gegner auch niemals machen würde.
Dass sich die Linke allenthalben oft nur noch mit physischer Gewalt zu wehren weiß, ist ein erstes untrügliches Indiz dafür, dass der Titan wankt.
Jetzt muss er zu Fall gebracht werden.

Ein Fremder aus Elea

23. Januar 2014 18:30

Ich denke, Kurtagic ist auf dem Holzweg.

Es ist keineswegs so, daß die Masse der Bevölkerung in einem religiösen Sinne an den Egalitarismus glauben würde, es ist schlicht so, daß die Masse der Bevölkerung der natürlichen Auffassung ist, daß man jemanden nur dann schlechter behandeln sollte, wenn es gute Gründe dafür gibt.

Und diese guten Gründe werden nicht gesehen, weil die Menschen heutzutage recht indifferent, gleichgültig, gar zynisch sind.

Also im Zweifelsfalle immer gleich behandeln.

Und dadurch wird die ganze Diskussion zu einer Diskussion über Henne und Ei: Haben wir unser Schicksal nicht mehr in der Hand, weil wir gleichgültig sind, oder sind wir gleichgültig, weil wir unser Schicksal nicht mehr in der Hand haben?

Hartwig

23. Januar 2014 18:32

Eine ziemlich abgehobene Debatte. Der Schrei nach Gleichheit ist für mich nichts anderes als ein Baustein einer politischen Agenda. "Gleiches Recht" heisst da nicht, Gleichheit vor dem Gesetz oder vor Gott, sondern das Recht für jeden, in Deutschland zu leben; heisst: das Recht des Deutschen für jeden Erdenbürger; heisst: deutscher Sozialstaat für jeden Erdenbürger; heisst: deutscher Pass für jeden; heisst: Wahlrecht für jeden hier in Deutschland lebenden. "Gleiches Recht" heissen auch alle zu Absurditäten verkommenen Dinge wie Kinderrecht, Tierrecht etc. Und "Gleiches Recht" bedeutet ebenfalls das zwar im Grundgesetz verankerte, aber nichts desto trotz allgemeingefährliche Recht auf Religionsfreiheit. Gleichheit wird übersetzt mit "no border, no nation". Die Sache ist also wesentlich handgreiflicher als das, was hier teilweise hergeleitet wird.

Thomas Wawerka

23. Januar 2014 21:04

Nun, als in der DDR aufgewachsener Christ habe ich ein klein bisschen erlebt, was es heißt, nicht die gleichen Rechte wie alle anderen zu haben. Nur in der Schule, auch nichts sehr Dramatisches, aber das hat mir schon gereicht. Demgegenüber erscheint mir das Schwadronieren von Ungleichheit als vernunftlos. Gerade der Rekurs auf das sowohl aus der biblischen als auch aus der aufklärerischen Tradition gewonnene Ideal der fundamentalen Gleichheit ist doch ein wirksames Instrument, den Egalitarismus zu entlarven. Der sorgt ja gar nicht für eine Anerkennung der Gleichheit, sondern macht die Bevorzugung von Minderheiten gegenüber der Mehrheit zur moralischen Pflicht ... und dann auch nur bestimmter Minderheiten. "Neonazis sind auch eine Minderheit", sage ich manchmal. Oder wahlweise: "Geistliche sind auch eine Minderheit." - Die Gleichheit des egalitaristischen Diskurses bedeutet eine rein willkürlich festgesetzte Ungleichheit ... weshalb ich schon in meinem ersten Kommentar meinte, man müsse erstmal definieren, wovon man redet, wenn man den Begriff "Gleichheit" verwendet, statt ihn - wie Kurtagic - pauschal abzulehnen.

Waldgänger aus Schwaben

23. Januar 2014 21:38

Die Idee der Gleichheit aller Menschen wird zur Etablierung einer neuen Oligarchie verwendet. In der Ablehnung dieser Oligarchie sind wir uns einig. Doch dann trennen sich dann wohl unsere Wege. Die einen gehen rechts wo die Idee der Gleichheit bekämpft wird, die anderen halbrechts wo der Missbrauch dieser guten und richtigen Idee bekämpft wird.

Als Christ kann und will ich an dieser Idee festhalten. Zum Schluss noch ein nicht religiös begründetes Argument für die Gleichheit aller: Eine Armee in der jeder Soldat den Marschallstab im Tornister trägt, kämpft besser.

Henry Steyer

23. Januar 2014 22:49

Was ist der Unterschied zwieschen Patriotismus und Nationalismus? Das Wesen des Patriotismus ist die Notwendigkeit der Verteidigung. Verteidigt wird aber die Nation, die Rasse also, ( Latein natus: geboren; radix: Wurzel) die allein Sinn zeugend ist. Eine Kritik des Egalitarismus als Ganzes trifft den Kern nicht. Dass alle Rassen gleiche angeborene psyschologische Faehigkeiten haben, ist das Dogma der heutigen Religion: der Anti-rassismus.

Der Jude ist ein Mensch, den eine anderer Mensch als Jude betrachtet, meinte Jean-Paul Sartre. Und so duerfen die Rassen nicht wahrgenomen werden, und alle Menschen sollen sich vermischen, damit es nie wieder Krieg gibt. Aber weil das Uebel des Genozids nicht mit gleichem behoben werden soll, oder weil man nicht eines Tages vor Gerichte stehen moechte, gibt es schon heute keine Rassen mehr; dieses sind Anti-Rassistischen Wahrheiten. Der gaenginge Gegenentwurf zum Egalitarismus scheitert aber. Zur Ungleichheit gehoert nicht nur das Unterschiedliche, sondern das Bessere und das Ueberdauernde. Zweckmaessiges steht immer im bezug zum Leben, Leben selbst hat keinen zweck. Deshalb sucht es seinen Sinn auch ausserhalb seines selbst. Leben als Ultima Ratio, ueberlebens Kampf als Ideologie, setzt das Zweckmaessige und das Sinngebende, das Ueberdauernde und das Bessere gleich. Es wiederspricht der menschlichen Psyche, den Frieden und schliesslich den Vortbestand unsere Rassen.

Nordlaender

23. Januar 2014 23:21

@ Hartwig

"das Recht für jeden, in Deutschland zu leben"

Exakt so sieht es der Möntschenfreund ("philanthropist") Peter Sutherland von Goldman Sachs, Migränebeauftragter der Vereinten Nationen, Mitglied der Bilderberg-Konferenz, der Trilateralen Kommission und des Runden Tisches der EU:

https://www.youtube.com/watch?v=JaZ7FDr7hD0

"Gleichheit wird übersetzt mit „no border, no nation“"

Das ist exakt die humanistische Agenda u.a. der Wallstreet, z.B. Larry Finks BlackRock (Anteile an der "Deutschen Bank") oder Goldman Sachs, die Agenda der Christlich-Demokratischen Union und der AntiFa.

Stil-Blüte

24. Januar 2014 03:18

- Willst Du Pizza oder Pasta?
- Egal.
- Willst Du Eis oder Cola?
- Egal.
Typisches Gespräch zwischen Prinzessin, die ein verwunschenes Kind ist, und Dienerin, die eine verwunschene Mutter, sprich Herrscherin ist, im Supermarkt. Besser könnte ' der Wunsch nach Egalität nicht ausgedrückt werden.

Menschenrechte? Unüberschaubares Einklagen. Dagegen Menschenpflichten! Zehn. 'Du sollst n i c h t ...' ! Das reicht vollkommen. Gleichheit v o r dem Gesetz auf den Gesetzestafeln (Und nicht, wie es heute so schön heißt, n a c h dem Gesetz im Grundgesetz): Ehern. Unkündbar. Unwiderruflich.

'Die Menschenwürde ist unantastbar'? Lächerlich! Sie ist so frevelhaft, ruchlos, sündhaft, daß sie antastbar sein m u ß !

@ Raskolnikow
Danke, Meister, für Wojciech Kilar

Nationalstaat: Das Deutsche Kaiserreich war ein Nationalstaat. Was war Preußen?

Stil-Blüte

24. Januar 2014 03:20

Wojciech Kilar So ist es richtig!

Heinrich Brück

24. Januar 2014 04:59

Zwei geschorene Schafe streiten sich um die Wolle.
Und wer kann Schafe respektieren, wenn sie von Wölfen gefressen
werden. Unmöglich.
Wir brauchen eine sittliche Kritik des Gefressenwerdens.
Und wer wird diese Kritik liefern, die Schafe oder die Wölfe?

Rabenfeder

24. Januar 2014 05:49

@Thomas Wawerka,

sie schreiben:

„ Der Gedanke der Gleichheit vor Gott lässt sich biblisch-theologisch sehr gut begründen, angefangen von der Schöpfung über Jesus („Kinder eines Vaters“) bis hin zu Paulus: „Alle sind sie Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.“ Dieser Gedanke ist nicht einmal spezifisch biblisch; wenn beispielsweise Alexander seinem Pädagogen Aristoteles, der ihn ermahnt, Griechen wie Griechen und Barbaren wie Barbaren zu behandeln, antwortet: „Nichts Menschliches ist mir fremd“, dann ist auch damit der Gedanke einer fundamentalen Gleichheit aller Menschen formuliert. – Diese Gleichheit ist ein ethisches Ideal, sie lässt sich weder fest- noch herstellen.“

Ich bin nicht sicher, ob ihr Alexander-Beispiel glücklich gewählt ist.

Denn man kann Alexander sicher im spenglerischen Sinne als Repräsentanten des Cäsarismus der Spätzeit einer Kultur verstehen; in Alexander vollendet sich die griechische Seele (die sich am Körperhaften, am Begrenzten erfeute) und geht im verwässernden und das Wesentliche, das Eigene, das sich Unterscheidende zersetzenden Universalismus unter. Alexander ist mithin geradezu das Symbol des übernationalen Überwachungs- und Zwangsstaates, den Sie ja offenbar auch für nicht wünschenswert erachten.

Unter mir, Alexander, seid ihr alle gleich, weil ich Euch (mir) gleich gemacht habe.
(-gleich genug, um Euch kontrollieren zu können.)

Dies ist wesentlich verschieden von einer Gleichheit aller Geschöpfe vor dem einen Gott, der sie alle erschaffen hat.

Allerdings gebe ich ihnen Recht, wenn sie verlangen, wir alle sollten uns doch bitte zuerst einmal darüber verständigen, was wir denn jeweils unter Gleichheit verstehen.

Raskolnikow

24. Januar 2014 07:52

"Bei gleicher Umgebung
lebt doch jeder
in einer anderen Welt. "

(Schopi)

Ahoi, Gemeinde!

Nun, als in der DDR aufgewachsener Christ habe ich ein klein bisschen erlebt, was es heißt, nicht die gleichen Rechte wie alle anderen zu haben.

Dieser Satz ist sensationell. Ich komme gar nicht über ihn hinweg. Wieviele Bach-Orgel-Fugen braucht man, um solche Sätze aus dem Hirn zu sägen?

Ich habe auch schon schmerzliche Erfahrungen mit Ungleichbehandlung und der Beschneidung persönlicher Rechte erlebt, zum Glück mehr als "ein klein bißchen in der DDR": als Kind meiner Eltern, als kleinerer Bruder, als Schüler der niedrigeren Schulklasse, als Neuer beim Sport, als Glatze beim Militär, als Dickwanst bei den Frauen ... Abenteuerlich!

Kurt tut schon gut daran, sich nicht auf "Differenzierungen" einzulassen. Klarheit ist gefragt und kein Rumgeschwule. Nach dem Betrachten des Filmes mochte ich den Mann. Er nimmt durchaus für sich ein. Trotzdem halte ich seine scharfe Intelligenz auf dem Gebiet für verschwendet. Die Entstehung eines eigenen Stils, einer eigenen Ästhetik, ist m.E. das Gebot der Stunde. Und wer vor dem formlosen Schlamm ins Wanken kommt, soll sich doch gleich verpissen!

Die Kinder auf dem Schulhof, natürlich nur "die coolen Jungs", müssen begeistert vom ""Hotzenplotz und seiner Kamarilla"" raunen, es müssen Lügen und Übertreibungen kursieren; alles muss sich auf einer unkonkreten, beweglichen Leinwand abspielen ... Nochmal: Wer Argumente austauscht macht sich gleich!

Eine Armee in der jeder Soldat den Marschallstab im Tornister trägt, kämpft besser.

Der "Marschallstab im Tornister" ist allenfalls ein Gedankengebilde, immerhin ein ganz erbauliches, das sich im Leben sicher nicht wiederspiegelte. Ich denke, der masurische Unteroffizier hätte Ihnen, lieber Waldgänger, Ihren Marschallstab woanders verstaut als im Tornister, wenn Sie nicht jeden seiner Befehle exakt ausgeführt hätten. Das ist doch Walter-Flex-Schwärmerei; Heimatfront-Romantik ...

Lieber Wawerka,

Der Gedanke der Gleichheit vor Gott lässt sich biblisch-theologisch sehr gut begründen, ...

Eine Gleichheit in Gott, vor Gott und in Bezug auf Gott, aber keine sich irgendwie materialisierende Gleichheit. Sie irren sich! Und Kurt spricht ja eben nicht vom Numinosum, sondern von der Materie!

Wenn ihr euch so sehr nach Hierarchien, einem autoritärem Lebensstil, Mannhaftigkeit, Peitschen & Säbeln sehnt, wärt ihr dort (im Islam; R.)doch gut aufgehoben …

Weil Sie Ihr Gummibärchen-Christentum für die Lehre Christi halten oder überhaupt für ein abendländisches Gut? Der Herr hat die Peitsche gebraucht, als er den Tempel säuberte! Echte Liebe äußert sich eben manchmal mittels Knüttel und Rad! Anders als im Islam ist physische Einwirkung in Europa nicht vor allem Unterwerfung sondern in erster Linie Liebe!

„Uns bleibt nur der verzweifelte Witz, die Schönheit des Ausgestoßenen und [das] Ethos der Rä[u]berbande.“ – Na über diese Selbstauskunft werden sich alle Linken innig freuen. Zahnlose Löwen mit markigem Brüllen. Weiter so.

Ich hatte erst "Mythos" geschrieben, diesen dann artikelvergesslich in "Ethos" verwandelt, um in der selbstkritischen Nachbetrachtung jetzt doch "Pathos" für besser zu befinden. Nun gut!

Sie haben natürlich recht. Ich kleines Großmaul erschrecke niemanden. Ich, der ich ab und an in Supermärkte gehe, ausschließlich um zu stehlen; der ich mit meinen Zwergenkameraden durch Kleingartenhecken breche, um Obst zu rauben und die üppige Gärtnerin im Schlaf zu schrecken (Wir ziehen Fratzen!) ... Mir fehlt eine schlagkräftige escolta de guerra, aber wahrscheinlich wäre ich für echte Banditentätigkeiten viel zu feige! Trotzdem will ich sie hochleben lassen, die Spitzbuben, Dirnen, Schnapphähne, Beutelschneider und Raufbolde ...

Ich muss Ihnen wohl zustimmen: Wirklich Angst haben die "Linken" (Wen interessieren die eigentlich?) vor den Theoretikern, die ihre Grundannahmen seit 40 Jahren fundamental kritisieren, vor den Zinnfigurenbemalern, den Alter-Fritz-Gemälde-Fans, den singenden konservativen Verständnischristen und auch der dicke leider verhinderte Hobbygeneral und Krypto-Frontkämpfer macht dem Regime schlaflose Nächte ...

Ich mag auf dem Holzweg sein, aber ich sehe auf ihm besser aus, rieche gut und bewege ab und an die Hand in einstudierter Geste!

Mit cordialen Grüßen,

R.

Thomas Wawerka

24. Januar 2014 09:21

@ Langer: Das ist ja das Verrückte. Wir leben unter dem "Joch der Egalität" und werden dennoch von Eliten beherrscht. Wie kann das sein? Weil die Egalität natürlich nur für die Masse geltend gemacht wird, nicht für die Eliten.
Masse sind wir ja nicht aus Zufall geworden, sondern weil die Eliten beschlossen haben: "Das ist Masse; diese Masse muss geführt werden." Die Eliten hätten ja stattdessen auch eine zweite Aufklärung beschließen können, eine Erziehung zur Selbstbestimmung, Souveränität, Subsidiarität ... aber warum sollten sie das tun? Was hätten sie davon?
Die Idee der Gleichheit vor Gott und dem Gesetz (nicht der Natur!) bestreitet diesen Eliten das Recht: Es gibt kein "blaues Blut", es gibt keine Herren- und Sklavenrassen oder wie man das auch immer nennen will. Denn eins muss man verstanden haben: Diese Eliten sind ja nicht durch Wettstreit, durch Einsatz ihrer Begabungen, ihrer Kräfte und ihres Fleißes Eliten geworden. Es handelt sich vielmehr um Erwählungs- und Erbeliten. Wie kommen denn Leute nach ganz oben? Indem sie sich hocharbeiten? Nein, mit harter Arbeit, Intelligenz und Durchsetzungskraft schafft man es nicht weiter als bis zur mittleren Etage, bekommt ein kleines Amt, wird vielleicht Professor, Abgeordneter, Studienrat oder Pfarrer, leitet vielleicht einen mittelständischen Betrieb ... solche Sachen. Die Leute ganz oben werden von den anderen Leuten ganz oben gewählt. Die Eliten wählen, nicht wir - wir zeichnen Leute aus, die wir aufgrund ihres Einsatzes für würdig halten. Mit dieser Auszeichnung bekommen sie einen besser bezahlten Job in der Verwaltung der Masse, aber keine echte Macht. Die Wahl in Machtpositionen erfolgt ausschließlich durch die Inhaber der Machtpositionen.
Der Rekurs aufs Ideal der Gleichheit bleibt natürlich in den meisten Fällen theoretisch und blutleer. Was sollte ein Ideal den Eliten auch anhaben können? Es hat eher symbolischen als realpolitischen Wert. Es hat etwas mit Würde zu tun, mit Rechtsempfinden.
Ein gewisser Teil der Rechten dürfte mit dem hier skizzierten Gesellschaftsbild durchaus übereinstimmen, die Evolajünger und, schätze ich, auch Kurtagic selber. Ärgerlich ist halt bloß, dass nicht SIE diese Elitepositionen einnehmen, sondern die Falschen (Dekadenten usw.). Das auszusprechen hätte immerhin den Charme der Aufrichtigkeit, würde aber die von Kurtagic geforderte ethische Kritik des Egalitarismus völlig unmöglich machen. Da müssen sich die Rechten mal entscheiden: Wollen sie eine solche Gesellschaft, oder wollen sie ethisch kritisieren? Wenn man eine solche Gesellschaft will, Hierarchie, Elite vs. Masse, und selber nicht im Chefsessel sitzt, wird allerdings jede nicht ethisch begründete Kritik kaum mehr als ein infantiles Nörgeln a la Worf in "Sinnlos im Weltraum" sein: "Ich will jetzt aber auch mal Captain sein!" (Gibts auf YT.)
Meine Kritik am Egalitarismus bezieht sich nicht auf die metaphysische Idee der Gleichheit, sondern auf die Gleichstellungspolitik, aber das ist was ganz anderes. Während das Ideal eine Art "rechtliches Fundament" garantiert, auf dem jeder Einzelne sich gemäß seiner natürlichen Veranlagungen, seiner Tugenden, seines Willens und Fleißes entwickeln und aufsteigen kann, woraus ein permanenter und dynamischer Zwischenzustand der Unterschiede folgt, wollen die Egalitaristen einen Endzustand der Gleichheit schaffen - einen Zustand, in dem ein für allemal "gerechte" Umstände herrschen, wo endlich alle gleich sind. Das ist natürlich lächerlich, schon allein weil Termini wie "Gleichheit" oder "Gerechtigkeit" nicht von allen definiert werden, sondern nur von einer bestimmten Gruppe, was ja an sich schon wieder Ungleichheit ist. Die Linken versprechen damit permanent etwas, das sie nicht einlösen können. Ganz zu schweigen davon, dass sie gar keine Macht haben, die wirklichen Eliten gleichzustellen. Was die Linken wirklich wollen bzw. welchen Sinn das Gleichstellungsprojekt ergeben soll, erschließt sich mir nur ansatzweise. Die wissen das vielleicht selber nicht genau. Da kommen ideologische Verblendung, moralischer Eifer, die Unfähigkeit oder auch der Unwille zur Selbstreflexion und ein paar halb verstandene philosophische Maximen zusammen und wollen Politik machen.
Aus diesem Widerspruch ließe sich jedoch mit dem Rekurs aufs Ideal der Gleichheit tatsächlich eine ethische Kritik formulieren. Aber da die Rechten den Begriff "Gleichheit" aus ihrem Wortschatz verbannt haben, wird das wohl nichts. - Macht aber nichts, man kann ja auch andere Dinge am Egalitarismus kritisieren als den Widerspruch Gleichheit/Ungleichheit, z.B. die Gleichschaltung der Presse oder die Manipulation der öffentlichen Meinung ... aber das kann man eben auch nur kritisieren, wenn man aufrichtig sagen kann, dass man es selber anders machen würde (wenn man denn die Macht hätte), bzw. wenn man es selber bereits anders macht in dem Rahmen, der einem gegeben ist. Deshalb nimmt ja auch kein normaler Mensch einen NPD-Funktionär ernst, der über Demokratie schwadroniert. - Und natürlich genügt es auch nicht, abseits zu stehen und seine Verachtung und seinen Stil zu kultivieren und hin und wieder mit der Peitsche in der Linken und dem Säbel in der Rechten aus seiner Höhe herabzufahren, zack-zack, sondern man muss sich schon mitten unter die Menschen begeben, mitten hinein in die Auseinandersetzung mit der größtenteils verblödeten Masse. Geduldig sein mit seinen verkuhten Zeitgenossen, sie können nur zur Hälfte etwas für ihren Zustand. Die Eliten haben sie auf Drogen gesetzt: Fernsehen, Alkohol, Zucker, Fett, Wollust, Nikotin. Es sind Suchtkranke. Da hilft nur Barmherzigkeit, Unterstützung bei den nächsten zwei, drei Schritten gewähren, immer wieder reden, erklären, diskutieren.
Freilich, "Machtergreifung" sieht anders aus und hätte auch mehr Stil.

F. Hollt

24. Januar 2014 10:13

Die Einwände zur undifferenzierten Begriffsverwendung sind absolut zutreffend, mit „Rumgeschwule“ hat das nichts zu tun.
Den Menschen kommt Gleichheit zu in Bezug auf ihr Menschsein – trivialerweise. Dass sie sich ansonsten unterscheiden, weiß jeder, auch die Linken.
Gleichheit als Ding an sich gibt es (außerhalb eines philosophisch-semantischen Diskurses) genauso wenig wie beispielsweise Freiheit, ein wirklich übler Kampfbegriff, sondern sie lässt sich nur sinnvoll im Hinblick auf zuvor bestimmte Eigenschaften diskutieren. Hier wird man natürlich verschiedener Meinung sein.
Meines Erachtens steht das Liberale nicht gegen das Rechte wegen einer Gleichheitsdoktrin, sondern hier kollidiert (Hyper-)Individualismus mit den Strukturerfordernissen des Ganzen. Die Hierarchie erwächst nicht aus grundsätzlicher Ungleichheit, sondern dient der Formsicherung (des Staates).
Am Ende gibt es aber auch hier kein entweder-oder, es geht schlicht um das Maß...

Rumpelstilchen

24. Januar 2014 10:20

le ich in den Rumpelstilzchen Modus:
Ich könnte toben und schreien und rumhüpfen.

Was ist denn das für ein wirrer Haufen in diesem Forum ???

Jetzt, wo die Rechte ihr vermeintlich einendes Anti ( die Linke gibt es nicht mehr !) verliert, beginnen die Richtungskämpfe.

Wo niemand eine klare Position vertritt, freut sich der Feind.

1. Nicht mal eine klare Begrifflichkeit ist möglich. Da wird nicht unterschieden zwischen Moral, Ethos, Ethik, Sittlichkeit, Unsittlichkeit, Sklavenmoral, Herrenmoral. Schaut doch mal in das Wörterbuch der Philosophie oder belegt ein Proseminar.
2. ich mache in dem Forum ein paar Christen aus, die sich allerdings auch nicht einig sind. Da gibt es Gummibärchenchristen und andere. Dabei gilt doch im Zweifelsfalle: Einmal katholisch, immer katholisch. Ein formaler Abfall vom Glauben der Kirche kann das Prägemal der Taufe nicht auslöschen ! Ich selbst gehöre zwar zur "Kirche von außen" , bin aber getauft. Es gibt auch viele, die zur "Kirche von Hinten" gehören, die sind aber auch getauft.
Ich schlage vor, in Zukunft nur von Getauften zu reden. Ein Mehrfrontenkrieg angesichts des Islam und des Atheismus ist tödlich !
3. Ja, da gibt es neben den Selbstdarstellern auch die vermittelnd Vorsichtigen, die ein bisschen Unrecht erlebt haben. Es gibt kein bisschen Unrecht !!! Aber: Man kann natürlich auf das Recht der Freizügigkeit verzichten, wenn man kein Geld hat, um ins Ausland zu reisen.
Und man kann sogar auf das Recht auf Meinungsfreiheit verzichten.
Vorbedingung: man hat überhaupt keine Meinung !
Und so frage ich am Schluss: was wollt ihr denn ??? Eigentlich.

Antwort Wegner:
Zu einem Gutteil dürfte der Eindruck des „wirren Haufens“ daraus erwachsen, daß es sich hier eben nicht um ein Forum handelt, sondern um eine Kommentarspalte, in der das Aufmachen von einem Faß nach dem anderen (von Katholizismusschattierungen bis hin zum EU-Grundeinkommen, warum auch immer…) nun einmal für heillose Konfusion sorgt. Im speziellen, wo nun schon ganze Essays dazu hierherfinden.

Hartwig

24. Januar 2014 12:59

Ja, Wegner, Sie haben recht. Und deshalb hier nochmal sinngemäß Manfred Kleine-Hartlage, der da meinte, dass ständig überlegt werde, wie man die Gesellschaft in eine freiere, gerechtere, sozialere ... bessere umgestalten kann, aber nicht überlegt wird, wie sie denn überhaupt beschaffen sein muss, um überlebensfähig zu sein.
Das sollte das Kriterium sein. Was letzteres bewirkt, ist wertvoller als alles, was zu ersterem beiträgt. Wertvoll und wertarm(los), also auf keinem Fall gleichwertig.

Nordlaender

24. Januar 2014 14:58

@ Stil-Blüte

"Dagegen Menschenpflichten! Zehn. ‚Du sollst n i c h t …‘ ! Das reicht vollkommen."

Ja.
Nein.

Wofür ich eintrete, das ist negatives Bürgerrecht.
Richtig: "Du sollst nicht stehlen z.B."
Und zwar nicht nur Deine würdevollen Freunde und andere sympathische Zeitgenossen nicht bestehlen, sondern auch und gerade den würdelosen Schubiack nicht.

Vom Ursprung her (Altes Testament) ist das aber alles andere als eine Menschenpflicht. Es geht in Richtung Nächstenliebe. Die Nächsten im Alten Testament sind alle Angehörigen des jüdischen Volkes, eben nicht die schlechthinnigen Menschen.

Bürger und Bürgerrecht, überhaupt Staatlichkeit, kann es aber nur genau dann geben, wenn zwischen Menschen schlechthin und Bürgern streng unterschieden (lat. "discriminare") wird.

Thomas Wawerka

24. Januar 2014 17:02

Amüsant, amüsant.
@ Rumpelstilzchen: Ich vermute, die Uneinigkeit ist durchaus programmatisch. Sich mal nicht dem Zwang zur Gruppenbildung ergeben müssen ist doch befreiend. Ego non! - Ist zwar auch arg wohlfeil in der Anmerkungsspalte einer Heimseite, aber je nun ...
Was ich will - na mit meinem schwulen Gummibärchenchristentum schachern, das müsste doch mittlerweile klar geworden sein. "Ubi caritas" mit den anderen Foristen singen, einen Kreis bilden, in dem wir uns alle an den Händen halten und spüren, wie die positive Energie zirkuliert, eine Sonne an die Wand eines anhaltischen Neubaublocks malen und "WWJD"-Armbänder verteilen. Ich bin übrigens Evlutt ...
@ Raskolnikow: Halten Sie denn diesen peitschenschwingenden Popanz für den Herrn? Oder die Antiquitäten, der Kirchengeschichte entlehnt, sorgfältig restauriert und ausgestellt, um den eigenen politischen Standpunkt mit altehrwürdigen Traditionen aufzupolieren, für die Lehre Christi? Kommt mir zuweilen so vor bei den Rechten ... da wird sich teilweise ganz gern mit christlichen Ornamenten geschmückt, teilweise lässt sich auch eine dezidiert antichristliche, esoterische oder neuheidnische Programmatik ausmachen. Über einen eklatanten Mangel an Substanz, also an Glauben, kann weder dieses noch jenes hinwegtäuschen.
Das steile "ego non!" und die hier favorisierte Sezession halte ich übrigens ebenfalls für einen wichtigen Schritt auf dem Weg, die Kolonialherrschaft über das eigene Leben abzuwerfen. Erstmal Ordnung in die Gedankenwelt bringen, in die Worte und die Körpersprache, sich einer Art Askese unterwerfen, Ausscheren aus dem Gleichschritt - das kann zur Erschließung geistiger Kraftquellen führen. Und was den Stil betrifft, so würde ich Lebensstil von Mode unterscheiden und die Lebensstilfrage dem eben genannten Bereich "Askese" zuordnen. Mode kann man dagegen allzuleicht anlegen und abstreifen, und wenn es zur "rechten Mode" gehört, markige Sätze zu formulieren, mit den Stiefeln recht polternd aufzutreten und die Hand zur herrschaftlichen Geste zu recken, dann finde ich das bestenfalls auch nur amüsant. Es verbreitet gewiss eine düstere und gewittrige Wagner-Aura um Ihre Person. Aber selbst dieser Stil ist schon korrumpiert, schauen Sie sich nur mal einen Dieselpunk-Film wie "Iron Sky" an - auch dieser Stil ist schon Pop, Mode eben, Maskerade, Venedig, décadence, pullus carnisbrivialis ...
Klarheit bekomme ich übrigens nur durch Differenzierungen - woher bekommen Sie sie? Mit den Argumenten muss ich Ihnen allerdings Recht geben, ich erwarte wohl zu viel von ihnen ... ein üblicher Trugschluss bei Geisteswissenschaftlern. Argumente sind etwas für Unterlegene. Überlegene brauchen keine Argumente. Vermutlich haben Argumente nicht einmal sehr viel Überzeugungskraft, oder nur für jene, die sich ohnehin schon von einem alten zu einem neuen Standpunkt bewegen. - Aber wissen Sie was, das ist mir wurscht. Argumente sind die geistige Umwelt, die meinen Geist zur Blüte treiben. Marschieren Sie also immerhin, das ist auch besser für die Verdauung, ich argumentiere lieber.

Waldgänger aus Schwaben

24. Januar 2014 18:15

"Es ist alles gesagt,
nur noch nicht von jedem."

(Karl Valentin)

@R.
Die Redensart vom Marschallstab den jeder Soldat im Tornister trägt, wird Napoleon zugeschrieben. Sie besagt, dass jeder unhängig von der Herkunft es durch Leistung von ganz unten bis nach ganz oben bringen kann.
Ich dachte, das sei Teil des Bildungskanons der sich hier Tummelnden. Ihre Replik lässt mich daran zweifeln. Nun denn!

@alle
Die extreme Ungleichheit ist Naturzustand. Eine winzige Oligarchie vereint fast alle Macht und Reichtum auf sich und ihr steht die Masse gegenüber, am Existenzminimum lebend und fast rechtlos.
Gegen diesen Zustand eine widernatürliche Gleichheit vor dem Gesetz und Chancengleichheit im Sinne gleicher Startbedingungen für alle aufrecht zu erhalten, bedarf es erheblicher Mühe. Und ich befürchte, dass viele, zuviele diese Mühe der Ebene scheuen. Lieber sich auf seinem einsamen Gipfel sicher wähnen. Nun denn!

Thomas Wawerka

24. Januar 2014 20:31

Henry Steyer: "Dass alle Rassen gleiche angeborene psychologische Fähigkeiten haben, ist das Dogma der heutigen Religion: der Anti-Rassismus."

Erstaunlich, wieviele Irrtümer in einen Satz mit 16 1/2 Worten passen. "Rasse", was soll das sein? Es gab ja nie eine gültige Definition für diesen Begriff. Er tauchte erst in der Neuzeit auf, im 16. Jahrhundert in Spanien (wenn ich mich recht entsinne) und hatte seitdem keine allgemeingültige Bedeutung. In Bezug auf Menschen angewandt ist es vermutlich am genausten, wenn man sagt, die einzige andere menschliche Rasse ist vor 35 000 Jahren ausgestorben (oder vor 18 000 Jahren, sollte sich homo floresiensis wissenschaftlich durchsetzen). Schon Herder hat den Begriff "Rassen" abgelehnt. Wenn es beispielsweise eine "indianische Rasse" gäbe, warum sind dann die nordamerikanischen Indianer den Europäern dem Aussehen nach viel ähnlicher als den südamerikanischen Indianern - wobei sie ihnen doch genetisch eindeutig verwandter sind?! Das Idol meiner Jugendlektüre, der gute alte Dr. May, beschrieb Winnetous Physiognomie als "römisch" ... ja ja, ich weiß. - "Rasse" haben für mich beispielsweise Frauen aus Russland, weil sie stolzer und verführerischer mit Männern umzugehen wissen als die meisten deutsche Frauen.

Niemand, den man ernst nehmen kann, behauptet, dass alle menschlichen Populationen die gleichen angeborenen psychologischen Fähigkeiten haben. Viele psychologische Fähigkeiten sind angeboren, und viele von diesen gleichen sich (wahrscheinlich die meisten). Andere wiederum sind erworben. Natürlich greift der Mensch auch gestaltend in seine Umwelt ein, er schafft Umwelt, und sein Organismus wird sich dieser Umwelt anpassen. Vorausgesetzt, eine Population lebt lange genug und abgeschottet genug in dieser Umwelt, könnten dort Kinder mit ganz anderen psychologischen Fähigkeiten geboren werden als im Rest der Welt. Ein schönes Beispiel ist die Novelle "Das Land der Blinden" von H. G. Wells.

Weiterhin geht es ja auch gar nicht um "psychologische Fähigkeiten", sondern um eine Unterscheidung zwischen "mehr oder weniger wert". Ich halte einen der Ökonomie entlehnten Begriff ohnehin für untauglich, anthropologische oder ethnologische Bedeutungen zu transportieren, aber sei's drum: "Gleichheit" bezieht sich nicht auf psychologische Fähigkeiten, sondern auf ein prinzipielles Werturteil - welches da lautet, dass es keine Menschen gibt, die mehr oder weniger "wert" sind als andere, weil sie eben einfach Menschen sind. Das schließt nun keineswegs aus, dass unter bestimmten Rastern bestimmte Menschen als mehr oder weniger nützlich erscheinen: Wenn ich mich z.B. fortpflanzen will, nützt mir die knappe Hälfte der Weltbevölkerung erstmal gar nichts, weil das auch Männer sind. Dann nützen mir all jene Frauen nichts, die noch nicht oder nicht mehr fruchtbar sind. Über den Rest schweige ich, bevor ich albern werde. - Sind sie deshalb weniger "wert"? Nö, wieso. - Aber wie gesagt, der Versuch, den "Wert" eines Menschen "an sich" zu ermitteln, unabhängig von den sozialen Systemen, in die er eingebettet ist, ist ohnehin Unsinn. Wahrscheinlich sind wir alle, rein materiell, um die 1,80 Euro pro Kilo Fleisch wert (wenn man es zu Hundefutter verarbeiten und verkaufen dürfte) ...

Den "Antirassismus" als "heutige Religion" zu bezeichnen trifft es meiner Meinung nach auch nicht richtig. Ich würde eher die political correctness als solche bezeichnen (oder zumindest als Weltanschauung: das heißt, dass unser Staat weltanschaulich nicht mehr neutral ist!) oder, mit Norbert Bolz, den Konsumismus.

Langer

24. Januar 2014 23:03

Die Eliten haben sie auf Drogen gesetzt: Fernsehen, Alkohol, Zucker, Fett, Wollust, Nikotin. Es sind Suchtkranke.

Nein, sie haben sich selbst auf Drogen gesetzt. Was sie sind, entspricht ganz ihrer Natur und sie haben sich selbst das ihnen passende Umfeld erschaffen. Universelle Aufklaerbarkeit ist ein Irrtum und darin liegt auch einer der fundamentalen Denkfehler der Rechten: Sie denken, dass Deutschsein allein fuer Qualitaet buerge. Die Wirklichkeit zeigt allenfalls eine ueberdurchschnittliche Tendenz zu hohen Geistern. Aber diese sind dann ebenso allein wie anderswo auf der Welt.

Nordlaender

25. Januar 2014 10:23

@ Thomas Wawerka

"Klarheit bekomme ich übrigens nur durch Differenzierungen – woher bekommen Sie sie?"

Differenzieren sollte man grundsätzlich, wo immer man einem komplexen Phänomen gegenübersteht.
Gerade dann, wenn man es mit einer Gruppe zu tun hat, die alles andere als homogen ist.

"Argumente sind etwas für Unterlegene."

Ja.

"Überlegene brauchen keine Argumente."

Stimmt.

Aber die Karten für den Unterlegenen sehen nicht schlecht aus. Da das Starke und Gesunde für sich steht, das Unterlegene sich aber über die Räsonniererei immer mehr Raffinement erarbeitet und vor allem jede Menge weitere Unterlegene rekrutieren kann, setzt sich schon bald nach dem Gesetz der größeren Zahl das Schwache durch.

Thomas Wawerka

25. Januar 2014 10:56

Zwischenergebnis:

Gleichheit universalistisch: ein Symbol und eine Denkvoraussetzung für eine Rechtssprechung, die Privilegien für bestimmte Menschen oder Menschengruppen ablehnt. "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." Freiheit und Gleichheit bedingen einander. Kritik: rein appellativ.

Gleichheit essentialistisch: Geht davon aus, dass allen Menschen etwas wesentlich Menschliches innewohnt, das sie einander zu Gleichen macht. "Nichts Menschliches ist mir fremd." Ein Strang des egalitaristischen Diskurses. Unterschiede resultieren aus natürlichen Gegebenheiten, gesellschaftlichen Strukturen oder sind Zufall, d.h. Begleitumstände der Existenz, jedoch nicht essentiell und damit nachrangig. Kritik: Essenz ist nicht belegbar.

Gleichheit moralistisch: Der andere Strang des egalitaristischen Diskurses. Kann mit dem ersten verbunden werden, muss aber nicht. Unterschiede, egal woher und wodurch, müssen aus moralischer Verpflichtung korrigiert bzw. nivelliert werden. "Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden." Kritik: bringt Freiheit und Gleichheit in Opposition. Gleichheitsbegriff einer bestimmten Gruppe wird für alle verbindlich gemacht: "All animals are equal, but some are more equal than others." (Orwell) "Zwangsbeglückung".

Prinzipielle Kritik: Um über Gleichheit oder Ungleichheit, ebenso über das "besser" oder "schlechter" von Menschen ein Urteil zu fällen, müsste man einen "Metastandpunkt" einnehmen: eine Position, die jenseits des eigenen Ich liegt und zudem eine gleiche Perspektive auf das Ich und den damit zu vergleichenden anderen Menschen erlaubt. Gibt es diesen Standpunkt? Wenn ja, woran erkennt man, dass er die richtige Perspektive bietet?

Statt "ungleich" im Sinne von "besser oder schlechter" wäre es sinnvoller, von "ungleich" im Sinne von "anders" zu reden und dabei eine radikal subjektive Perspektive beizubehalten. Aus dieser Perspektive könnte ich in der Begegnung mit einem anderen Menschen mein Eigenes in diesen hineinlegen, in ihm (wieder)erkennen. Diese "Vereinnahmung" des Anderen mit dem Ziel der Angleichung ans Eigene (wahrscheinlich um das Bedrohliche des Anderen zu eliminieren) ist ein normaler psychologischer Vorgang. Wir tun das nicht nur in der Begegnung mit anderen Menschen, sondern auch mit Tieren (Bambi-Effekt, McCartney: "Ich esse nichts, was ein Gesicht hat.").
Die andere Möglichkeit wäre, das vom eigenen Ich prinzipiell Unterschiedene des Anderen anzuerkennen, etwa im Sinne der "unendlichen Fremdheit" bei Lévinas. Nicht nach vermeintlichen Übereinstimmungen suchen, nach Gemeinsamkeiten, Gemeinheiten, auch nicht sich selbst künstlich distanzieren (was ja eine Gemeinsamkeit schon voraussetzt), sondern die radikale Inkommensurabilität zwischen mir und dem Anderen anerkennen und aushalten. Das wäre, soweit ich es überblicken kann, das antiegalitaristischste Denken und Verhalten.
Wer hat mir letztens vorgeworfen: "Was, Levinas? Du beschäftigst dich mit diesem Rechten?!" (Keine Ahnung warum er als "rechts" angesehen wird - evtl. weil er bei Heidegger studiert hat?) - Wahrscheinlich wird mich hier der Vorwurf treffen: "Was, Levinas? Du beschäftigst dich mit diesem Juden?!" Amüsant, amüsant.

Zu guter Letzt eine Filmempfehlung: "Ich habe keine Angst" (Gabriele Salvatores) - in diesem Film wird der Diskurs Gleichheit/Ungleichheit unterschwellig ausgetragen; darüber hinaus ist er fesselnd und zeigt rauschhaft schöne Landschaftsaufnahmen.

Raskolnikow

25. Januar 2014 14:34

Lieber Wawerka,

Ihr letzter Absatz ist tröstlich und mir gefallen die einladend nach außen gedrehten Handflächen, die Sie indirekt aufscheinen lassen. Sie sehen also selbst, wie wenig der Disput "bewirkt", genausowenig wie meine Tänze und Gesten (Übrigens nicht herrschaftlich, sondern etwa aus Freude über einen zu Ende gebrachten Gedanken.). Das Argument, Ihre Meinung und die entsprechende Mitteilung sind Ihnen ein persönliches Bedürfnis nach Wohlgefühl! Mit diesem Eingeständnis sind Sie sehr nahe bei mir. Tanzen Sie doch mal heimlich, bewegen Sie die Arme als ob sie säbelbewehrt wären ...

Liebes Rumpelstilzchen,

bitte seien Sie nicht so unerbittlich mit uns Tölpeln! Sehen Sie denn nicht, dass dieses Internet vielleicht der einzige "Ort" des Egalitarismus ist? Hier kann sich jeder hinter Romanfiguren oder Kriegersynonymen verbergen und mein nichtsnützes Gekritzel steht neben so klugen Sätzen, wie jene eines Schnippedilderich oder Heinrich Brück. Allein, ich hab sonst nichts außer den Büchern und diesen Kommentarspalten ... Zeigen Sie doch etwas Nachsicht mit einem (oder mehreren) Geschlagenen!

Wertester, mir mittlerweile ans
heftig pochende Herz gewachsener,
Waldgänger aus S.!

Zunächst verzeihen Sie bitte meine ungebildeten, rohen Auswürfe! Trotzdem gestatten Sie mir eine kurze wenig gewiefte Erwiederung! Ob Napoleon die Wendung je gebrauchte, sei mal dahingestellt. Jedoch ist der Betrug und die Lüge nicht weit, wenn solche Parolen fallen. Ein Kernmotiv der Gleichheitsprediger. Letztlich werden aber nur die alten Barrieren durch neue (meistens niederträchtigere) ersetzt und nicht, dass tatsächlich jeder tapfere Kämpfer und kluge Stratege Marschall würde. Das sollte auch durch Ihren Bildungskanon hindurch zu sehen sein. Die Mechanismen sind nicht neu, aber sie funktionieren gut, weil sie entlang der Energiegradienten (Entropie!) verlaufen ...

Vielleicht ein letzter Gedanke: Es ist erstaunlich, dass heute, wo Gleichheit und Brüderlichkeit die alles zudröhnenden Ideale zu sein scheinen, eine extrem abgehobene Elite, eine Macht und Reichtum versammelnde Mikrominderheit, herrscht, wie es sie nie gab. Kein König bzw Kaiser des Heiligen RRDN war jemals so reich, wie ein Bill Gates; kein (angeblich ja so verhasster) Zar hat auf seinen Reisen 1000 Wächter mitgeführt, die Gullideckel verschweißen und Bewohnern verbieten, sich an ihren eigenen Fenstern zu zeigen, wie es der so überaus beliebte Friedens-Nobel-Präsident für nötig hält; kein mittelalterlicher Fürst oder Bürgermeister hätte es gewagt, mit hundert Polizisten und Panzerkutschen durch seine Stadt oder sein Fürstentum zu reisen, wie unsere Gleichstellungspolitiker so tun ... und so weiter und so weiter ... Darum habe ich die Schnauze voll von ernsthaften Diskussionen!

Gnadenerheischendst,

Euer R.

Thomas Wawerka

25. Januar 2014 20:11

Lieber Raskolnikow,

vielen Dank für Ihre Antwort. Sie klingt sehr nach einer Ergebung in den Umstand, nichts "ausrichten" oder "bewirken" zu können. Ob Argumente oder Tanz, ob Diskussion oder Gesten (ich dachte, Sie meinen den Hitlergruß? Würden Sie mir bitte Aufklärung verschaffen?): bringt alles nix. - Das glaube ich Ihnen nicht. Wenn Ihr spezielles Verhalten, Ihr Stil nicht wenigstens Ihnen etwas geben würde, würden Sie sich ja nicht so verhalten. Sie sagen sinngemäß: fürs persönliche Wohlgefühl bringt das schon was, aber nicht darüber hinaus. (Da schimmert doch immer wieder der gute Friedrich N. durch ... täusche ich mich?)

Sezession, so weit, so gut. Haben Sie Sloterdijks "Du musst dein Leben ändern" gelesen? Er legt dar, dass auf jede Sezession eine Mission folgen "muss", auf jede Abwendung von der Welt eine erneute Hinwendung zur Welt. Die Mission (nicht im christlichen Sinn) bündelt die neu erschlossene Lebensenergie, gibt ihr eine Richtung und hält sie damit auf einem hohen Niveau. Ansonsten verebbt sie wieder. (Ich hab das Buch gerade nicht zur Hand, stecke mitten im Umzug und weiß daher nicht genau, wie zutreffend meine Verweise sind. Sehen Sie mir evtl. falsche Erinnerungen also bitte nach.) Nun könnte man sagen: Warum? Lass sie doch zum Teufel gehn, die Welt! Was geht sie mich an? - Tja, darauf habe ich nun keine allgemeinverbindliche Antwort ... nur eine religiöse und nur eine als Vater. Und natürlich eine moralistische, ist das nicht zynisch, nihilistisch, blablabla ...

Noch etwas zur Wagner-Aura: Ich möchte meinen Mitmenschen lieber heiter und gütig erscheinen, selbstverständlich und unhinterfragbar, als eine Quelle von Wärme und Licht, wie die Sonne, nach der sich die Pflanzen automatisch ausrichten. Das ist, was ich vom guten Friedrich N. gelernt habe. Lerne. (Ich lese ihn täglich.) Damit ist nicht dieses eilfertige Anbiedern gemeint, an das Sie vielleicht bei dem Wort "Gummibärchenchristentum" gedacht haben. Ich würde mein Ideal eher mit einem Baum vergleichen, alt, stark, tief verwurzelt, in dessen Schatten andere sitzen können, an dessen Stamm sie sich anlehnen können, in dessen Rinde sie meinetwegen auch ihre Freude und ihren Schmerz schnitzen können. - Ich schrieb bewusst "Ideal".

Gnadengewährend, Wawerka

Waldgänger aus Schwaben

25. Januar 2014 20:17

Liebster R. aus B. (?)
mein Karl-Valentin-Zitat stand nicht ohne Absicht am Anfang. Das Werden und Vergehen von Eliten ist nun wirklich schon ausführlichst beleuchtet. Darum wollte ich da nicht weiter drauf eingehen. Hier gleichen wir uns. Auch ich die Schnauze voll von gewissen Diskussionen

Beeindruckend fand ich einen kurzen Abschnitt in einem Buch über die Schwäbische Alb - ein uralter Kulturraum. Das älteste Musikinstrument, die älteste Skulptur (Löwenmensch - neuerdings ein Löwenmann) wurden hier gefunden.
Die Herrschenden siedelten immer an den selben herausragenden Stellen. Bei Ausgrabungen wiederholt sich ein Muster:
Prachtbauten - Brand und Zerstörung - bescheidene Bauten - Prachtbauten - Brand und Zerstörung ...

Brand und Zerstörung aufgrund einer feindlich Übernahme oder einer Revolution, vermutet der Autor

Vielleicht ist dies ein unentrinnbares Schicksal - und wir wissen nicht wo wir heute stehen in diesem Zyklus

Ja, ob nun der Lauf der Geschichte ein zyklischer ist oder linear auf ein Ziel hin werden erst die letzten Menschen wissen.

Ich fahre auf Sicht und versuche für die überschaubaren Zeitspanne meines Restlebens und das meiner Kinder das Richtige zu entscheiden.

Für mich ist nun Schluß hier

Mit con-cordialen Grüßen
W. aus S.

Marc

25. Januar 2014 23:41

Das Thema "Christentum und Egalitarismus" wurde oben ja schon erörtert. Ich habe mich damit nur peripher auseinandergesetzt, aber mit einem pragmatischen "Vor Gott sind alle gleich, von klassenloser Gesellschaft steht aber nichts im Evangelium" könnte ich vorab einmal leben, ohne die nächsten zwei Jahre in die Bibliothek dafür zu müssen.

Allerdings tut sich für mich dabei die nächste Frage auf: Gehen wir einmal von der Notwendigkeit der Ungleichheit aus - wer bestimmt dann, wer in welcher Position steht? Es kann sich ja kaum um "Alle Weißen sind gleich, solange der Neger draußen bleibt" handeln. Sonst wäre man mal wieder nicht über die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts hinausgekommen und ehrlich gesagt habe ich tatsächlich keine Phantasien von neuen Herrenmenschen und Sklaven. Aber ich glaube, hier geht es auch um etwas anderes.
Nämlich: Wenn Fragen der gesellschaftlichen Hierarchie und unterschiedlichen Positionen einmal kontingent geworden sind, kann man diese Kontingenz nicht mehr auflösen. Wie soll man einem Europäer des 21. Jahrhunderts vermitteln, daß er jetzt eben wieder zum "Dritten Stand" (oder wie man es nennen will) gehört, nachdem er einmal als gleich von der Gesellschaft adressiert worden ist?

Die einzige Möglichkeit, eine einmal dagewesene Gleichheit wieder zu zerstören, ginge meiner Ansicht nach nur durch Apokalypse der gesamten Weltzivilisation, wie sie vielleicht mit der Völkerwanderungszeit (aber eben global) vergleichbar wäre. Wenn nur noch 5% der Menschheit leben, könnte es vielleicht zu einer Art Neo-Archaisierung kommen. Das mag zugegebenermaßen auch ein von SciFi-Dystopien geprägtes Bild sein. Ich glaube aber nicht, daß ich mir derartiges wünschen würde. Solche Phantasien mögen vor 100 Jahren noch möglich gewesen sein, heute würden ABC-Waffen wohl wenn, dann 0% der Menschheit auf einem verseuchten Planeten übrig lassen. Und wer würde mir garantieren, daß ich bei 5% der Überlebenden zu diesen gehören würde? Aus rationaler Sicht sind solche Phantasien nicht sinnvoll.

Daher ist für mich eine Gesellschaft mit mehr metaphysischer Ungleichheit, die nicht aus einem apokalyptischen Szenario hervorgegangen ist, schlicht nicht vorstellbar. Nochmal: Was einmal kontingent geworden ist, lässt sich nicht mehr rückgängig machen.

Vielleicht zum Abschluß mal noch ein viel banalerer Gedanke: Wie viele der hier Schreibenden können denn auf eine Ahnenreihe zurückblicken, bei der sie auch vor 200 Jahren schon zur von Ungleichheit profitierenden Schicht gehört hätten? Wie viele hier verdanken ihre für das hiesige Niveau hinreiche Bildung nicht gerade auch jenen Bildungsexpansionen des vergangenen Jahrhunderts, welche nicht zuletzt auf eben solchen Prinzipien der Chancengleichheit aller Schichten beruht hat? Und jetzt bitte nicht von "Das geht ja auch innerhalb von Völkern" reden. Das mit der naturgegebenen Ungleichheit zur selben Befähigung hätte man vor 100 Jahren über die einheimischen Bauern auch gesagt, von denen wohl viele der hier Schreibenden in der 3.-4. Generation abstammen.
Ist es aus dieser Perspektive also rational, etwas zu fordern, von dessen Gegenteil man nicht zuletzt selber profitiert (hat)?

Raskolnikow

27. Januar 2014 07:09

Wawerka und Waldgänger,

vielleicht solltet Ihr in Erwägung ziehen, dass ich lüge, Ihr lügt ja auch ...

Menschenskind Wawerka, "Hitlergruß"? Ernsthaft, was lesen Sie denn aus meinen Beiträgen heraus? Ich denke eher an die Gesten eines Marquis wenn er Tabak schnupft oder eines Bojaren der seine Dame zum Tanz fordert; manchmal trage ich auch Röschen im Haar und Krinolinen wie der Herkules auf Illustrationen in Gessners "Idyllen". Wie sähe denn da der römische var. deutsche Gruß aus ...

Guter Waldgänger, mehr als "auf Sicht" zu leben, bleibt uns wohl nicht; und das macht jeden Weg zu einem Canossagang ... auch bei mir hier oben in eiszeitlichen Waldgemarkungen, wo man selten Kunstwerke oder Musikinstrumente dafür aber Waffen und Ackerzeug aus den Sümpfen zieht ...

Eure letzten Fragen erreichen Zonen, die nicht im Internet besprochen gehören sondern an einem Lagerfeuer. Hier kann es nur Geschwätz geben, Ernsthaftes gehört einander ins Gesicht gesagt! Deshalb will auch ich es hiermit bewenden lassen.

Halten zu Gnaden,

R.

netzredakteur

27. Januar 2014 08:42

Schluß für diesmal, danke an alle!

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