Lichtmesz: “Kann nur ein Gott uns retten?” – Leserrezension I

gottlichtmeszWir riefen vor gut zwei Wochen unsere Leser dazu auf, das faszinierende Buch Kann nur ein Gott uns retten? von Martin Lichtmesz zu rezensieren. Einsendeschluß ist morgen, eingereicht haben bereits sieben Leser, und weil PEGIDA und LEGIDA, BAGIDA und WÜGIDA nicht alles sind im Leben, soll bereits heute die erste Besprechung erscheinen. Andreas Städter hat sie verfaßt (bitte noch einen Buchwunsch äußern!):

Viel­leicht ist der Ver­gleich nicht ganz pas­send, aber tat­säch­lich hat­te ich bei der Lek­tü­re von Mar­tin Licht­mesz‘ groß­ar­ti­gem Buch „Kann nur ein Gott uns ret­ten?“ einen ähn­li­chen Lese­genuß und –gewinn wie vor Jahr­zehn­ten bei dem Buch „Exis­tiert Gott?“ von Hans Küng, an das ich mich beim Lesen des neu­en Buches erin­ner­te. Damals ver­schaff­te mir Küng einen ers­ten Über­blick über die Tei­le der Phi­lo­so­phie, die mich seit die­ser Zeit bis heu­te interessieren.

Die Got­tes­fra­ge wird auch in Licht­mesz‘ umfang­rei­chem Werk durch die zitier­ten oder exzer­pier­ten Ideen ver­schie­dens­ter Den­ker und Dich­ter umkreist, aller­dings nicht hin­sicht­lich der Klä­rung, ob die Annah­me der Exis­tenz Got­tes oder der Glau­be dar­an ratio­nal zu ver­tre­ten ist, son­dern wie Hilf­reich eine sol­che Annah­me, ein sol­cher Glau­be in der heu­ti­gen Kri­se sein kann, in der das, was immer galt, durch die Moder­ne und ihrer neu­en Welt­ord­nung abge­löst und zer­stört zu wer­den droht.

Im X. Kapi­tel kan­zelt Licht­mesz das Welt­ethos­pro­jekt Küngs aller­dings en pas­sant ab. Licht­mesz‘ Fra­ge, ob nur ein Gott uns noch ret­ten kön­ne, bezieht sich in ers­ter Linie auf den christ­li­chen Gott, vor allem auf den, der von der katho­li­schen Kir­che ver­tre­ten wird. Die­se auf dem Boden Roms grün­den­de Kir­che wird auch als der Fels vor Augen geführt, auf dem die Kul­tur des Abend­lan­des erblüh­te und die der dia­bo­li­schen Auf­lö­sung aller Din­ge letz­ten Wider­stand ent­ge­gen­set­zen könn­te und soll­te. Aber auch die­ser Fels ist ins Wan­ken gera­ten, wie Carl Schmitt nach dem 2. Vati­ka­ni­schen Kon­zil fest­stell­te, was in dem Buch ange­führt wird.

So wird der Leser bei der Lek­tü­re von einer ihn hoch­tra­gen­den Wel­le immer wie­der in den nächs­ten Abgrund geschwemmt. Die posi­ti­ven, star­ken, hilf­rei­chen Sei­ten des Chris­ten­tums wer­den her­aus­ge­stellt, doch dann wird stets gezeigt, wie der Glau­be, der erst in Euro­pa zur vol­len Ent­fal­tung und Macht kam, mitt­ler­wei­le zu schwach, zu gespal­ten, zu fei­ge, ange­paßt, unter­wan­dert und wehr­los gewor­den ist, um noch lan­ge den Unter­gang auf­hal­ten zu kön­nen, den der Christ aller­dings als End­ziel der welt­li­chen Ent­wick­lung von Anfang an vor Augen hat oder haben sollte.

Die ande­ren Mög­lich­kei­ten der reli­giö­sen Rück­be­sin­nung zur Stär­kung der Wider­stands­kraft wer­den aller­dings nicht außer acht gelas­sen: die paga­nen ursprüng­li­chen Reli­gio­nen Euro­pas und der inte­gra­le Tra­di­tio­na­lis­mus wie auch die Mys­tik, sei sie nun gott­be­zo­gen oder bloß poli­tisch ver­stan­de­ne Mythen­bil­dung zur Fun­die­rung des Abend­lan­des. Die­se ver­schie­de­nen Rich­tun­gen der Rück­bin­dung, der reli­gio, soll­ten nach Licht­mesz‘ Auf­fas­sung nicht gegen­ein­an­der aus­ge­spielt werden.

Dies ent­spricht auch mei­ner Mei­nung. Vor weni­gen Jah­ren habe ich mich nach eini­gen Rei­sen nach Rom als gebo­re­ner und getauf­ter Pro­tes­tant der römi­schen Kir­che gedank­lich, emo­tio­nal und im Hin­blick auf die prak­ti­sche Poli­tik­fä­hig­keit ange­nä­hert bei grund­sätz­li­cher Über­zeu­gung, daß die reli­giö­sen Wahr­hei­ten in ursprüng­li­chen, über­grei­fen­den reli­giö­sen Ideen der Mensch­heit oder wenigs­tens der indo­ger­ma­ni­schen Kul­tur zu fin­den sind oder auch in der Mys­tik, die zu einem eige­nen reli­giö­sen Wis­sen führt, das nur in der Spra­che der ver­schie­de­nen Reli­gio­nen die­ser Welt aus­ge­drückt wird, aber letzt­lich immer das­sel­be meint. Damit setz­te ich mich dann in eige­nen lite­ra­ri­schen Arbei­ten aus­ein­an­der, zwar in ganz ande­rer Form als Licht­mesz, doch war die Freu­de den­noch groß, gedank­li­che Anknüp­fungs­punk­te und wei­ter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen und Über­le­gun­gen in dem Werk von Mar­tin Licht­mesz zu finden.

Bei sei­nen Schluß­be­trach­tun­gen waren mei­ne Gefüh­le beim Lesen jedoch nicht ganz ein­deu­tig. Die zitier­te län­ge­re Stel­le aus Jün­gers „Der Wald­gang“ hat­te ich bereits frü­her wenigs­tens zwei­mal gele­sen, doch ihre tie­fe Bedeu­tung für mich offen­bar wie­der ver­ges­sen. Ihr konn­te ich voll zustim­men, und sie gab mir Kraft. Die fol­gen­de Medi­ta­ti­on von Charles Péguy erschien mir dann als Glo­ri­fi­zie­rung des ver­lo­re­nen Pos­tens und spen­de­te mir wenig Trost, was viel­leicht dar­an liegt, daß ich Péguy bis­her nicht kann­te und nicht rich­tig ein­ord­nen kann.

Rich­tig ist jeden­falls, daß die Kreuz­zü­ge heu­te vor der Haus­tür statt­fin­den, wobei es nicht gut aus­sieht, die Mau­ern des Eige­nen hal­ten zu kön­nen, doch ohne Gott­ver­trau­en wird es unmög­lich sein, denn die Stär­ke des Islams, der auch posi­ti­ve Sei­ten hat im Gegen­satz zu den Auf­lö­sungs­ideo­lo­gien des Wes­tens, liegt eben­falls in des­sen Gottvertrauen.

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Kommentare (8)

Kaliyuga

19. Januar 2015 23:33

Vielen Dank, Herr Städter, für Ihre erhellend persönliche und eingängige Rezension.

Wer es hören will: Wien hat, selbst in diesen Zeiten, nennenswerte und im Danken denkende Männer des Glaubens hervorgebracht:

Gerd-Klaus Kaltenbrunner, mit mystischem Tiefgang, „Johannes ist sein Name“.

Don Floriano Abrahamowicz, aufrecht, standhaft, unbeirrt, der Tradition hörend, in Venetien:

https://www.youtube.com/watch?v=PkjR05H9aiI

Prof. P. Dr. Bernhard Vosicky OCist, passend, mit reiner und froher Stimme, just zu „Endzeit und Apokalypse“:

https://www.youtube.com/watch?v=O6_Zz-moKog

Und nun Herr Martin Lichtmesz, dem ich recht herzlich einen guten Weg wünsche.

Matt Anon O'Herne

19. Januar 2015 23:33

Das klingt wie eine wirklich lesenswerte Lektüre: spirituelle Nahrung für Seele und Geist in diesen gottverlassenen Zeiten! Nichts anderes war von Martin Lichtmesz zu erwarten. Das Buch steht auf meiner Wunschliste!

Ein Fremder aus Elea

19. Januar 2015 23:45

"um noch lange den Untergang aufhalten zu können, den der Christ allerdings als Endziel der weltlichen Entwicklung von Anfang an vor Augen hat oder haben sollte."

Lasset euch niemand verführen in keinerlei Weise; denn er kommt nicht, es sei denn, daß zuvor der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens, der da ist der Widersacher und sich überhebt über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt, also daß er sich setzt in den Tempel Gottes als ein Gott und gibt sich aus, er sei Gott.
Gedenket ihr nicht daran, daß ich euch solches sagte, da ich noch bei euch war? Und was es noch aufhält, wisset ihr, daß er offenbart werde zu seiner Zeit. Denn es regt sich bereits das Geheimnis der Bosheit, nur daß, der es jetzt aufhält, muß hinweggetan werden; und alsdann wird der Boshafte offenbart werden, welchen der HERR umbringen wird mit dem Geist seines Mundes und durch die Erscheinung seiner Zukunft ihm ein Ende machen, ihm, dessen Zukunft geschieht nach der Wirkung des Satans mit allerlei lügenhaftigen Kräften und Zeichen und Wundern und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit unter denen, die verloren werden, dafür daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, auf daß sie selig würden.

Ist der Sinn dieser Worte wirklich, daß man "den Untergang als Endziel der weltlichen Entwicklung von Anfang an vor Augen haben sollte"?

Oder heißen sie nicht vielmehr, daß jeder Felsen mit der Zeit erneuert werden muß?

Die Lüge wird überhand nehmen, denn das Alte verwelkt, aber der Herr wird ihr mit der Erscheinung seiner Zukunft ein Ende bereiten. Zukunft. Ein Ende lediglich für die Lüge.

Ich bin hier auch nur noch, um zu bekennen. Zu bekennen, daß meine Heimat, zu welcher ich zurückfinde, nicht von dieser Welt ist, sondern daß diese Welt von ihr ist.

Die relevanten Fragen sind: "Wer träumt?" und "Was träumt er?"

Nur Mut. Schauen Sie einfach immer nur das Negativ im photographischen Sinne einer Person an, und Sie sehen die Wahrheit.

Wie zum Beispiel hier im Falle von Steve Winwood:

https://bereitschaftsfront.blogspot.com/2015/01/in-different-light.html

Aber auch Merkel, Putin, Obama, Draghi und wie sie alle heißen werden so transparent, also Merkel aufmerksamkeitssüchtig, Putin Kader, Obama Aufschneider, Draghi Assassine.

Rama wird immer blau dargestellt... ebenso wie das Taborlicht... interessant... was soll man mehr dazu sagen?

Monika

20. Januar 2015 11:49

"Nichts Endliches kann eine Menschenseele befriedigen, in der das Bedürfnis nach dem Ewigen sich regt"
( Kiergegaard)

"Und ich sehnte mich nach einem Menschen, mit dem ich über alles hätte reden können, selbst über Gott, ohne ausgelacht zu werden. Ihn, der mir 'näher als meine Halsschlagader war' suchte ich auch noch."
Arnold Stadler

Ich hab das wohl zum erstenmal mit acht oder neun Jahren gemerkt, in der Kirche, bei der Messe, daß das niemand mehr so richtig ernst nimmt. Und das hat mich als Kind geärgert, weil ich mich anstrengen wollte. Ich wollte, daß das ernst ist, daß alle dabei sind und nicht nur so tun als.
Martin Lichtmesz , Sezession 62, Kulturkritik

1. Das Buch Kann nur ein Gott uns retten ist aus "der Sehnsucht nach dem Ewigen" entstanden und geschrieben und wird all die ansprechen, die die gleiche Sehnsucht haben und darüber ernsthaft sprechen wollen.
Ein solches Buch ( in zeitgemäßer Sprache) gab es lange, lange nicht.
Denn: in der postmodernen Gesellschaft kann über alles gesprochen ( oder gezeichnet) werden, nur nicht über Gott.

2. Das Buch von Martin Lichtmesz ist ein weitestgehender gelungener Versuch, das Göttliche wieder in die Sprache zu bringen. Ernsthaft. Tiefgründig. Und zwar nicht als theologische Abhandlung oder als Erbauungsbuch.

3. Nach dem Ende der Metaphysik ist Gott endgültig tot. Institutionell eingebundene Religion ( Lehre, Dogma, Kult) wird zunehmend un-verbindlich. Das ihr zugrunde liegende metaphysische Gottes/und Menschenbild erweist sich als unbrauchbar, konkrete Menschen in ihrer erfahrenen Religiosität zu verbinden.
Nur noch auf der Erfahrungsebene gibt es derzeit Verbindlichkeiten. Lichtmesz geht also nicht von einem theologisch konstruierten Gott aus, sondern mit William James von der " Vielfalt religiöser Erfahrung". Er gelangt zu der Erkenntnis: "Gott ist tot, aber ich vermisse ihn sehr" . Es stellt sich die Frage: Ist das nur ein Phantomschmerz oder ein realer Schmerz? (Hier möge mich Herr Lichtmesz korrigieren!)

4. Zum Titel Kann nur ein Gott uns retten?. Diese Frage beinhaltet natürlich unausgesprochene Ängste. Sind wir Menschen ohne einen Gott hilflos verloren? Und die bange Hoffnung, daß es einen Gott geben möge, der uns retten kann. Und, da es die Menschheit nicht mehr gibt, bleibt nur mein armseliges Ich.
Das Kapitel "Die Ohnmacht der christlichen Nächstenliebe" zeigt das Dilemma auf. Selbst ein Papst sagt nach der Erfahrung , von Millionen von Menschen in Manila bejubelt worden zu sein zu den Katholiken: Ich müsst euch nicht vermehren wie die Karnickel.

5. Das Titelbild des Buches zeigt eine Wendeltreppe, die hoch ins Licht führt. Eine alte Ausgabe von Joris-Karl Huysmans Buch ( Tief unten, là-bas) zeigt meiner Erinnerung nach eine Wendeltreppe, die nach unten führt.

Joris-Karl Huysman sieht in der Ästhetik des Katholizismus (Musik, Gemälde, Verse) die Rettung.
Aber: Da liegt sie nicht! Oder, nicht nur. Da Protagonist in Soumission (Unterwerfung) von Houellebecq ist sinnigerweise Huysman - Forscher. Das bewahrt ihn nicht vor einer Unterwerfung.

Vorläufiges Fazit: Lichtmesz hat die entscheidenden religiösen Fragen der Postmoderne aufgeworfen. Dazu braucht es keine Theologen oder Kirchenmänner. (Hans Küng, der verhinderte Papst, ist mit seinem Weltethos grandios gescheitert.)

Was bleibt ? Die Hoffnung auf Strahlkerne, die eine Wiedergeburt Europas einleiten könnten.
Hier paßt natürlich auch wunderbar das Lichtmesz Büchlein " ich bin nicht Charlie" hinein.

Frenchman

20. Januar 2015 19:33

Ich habe das Buch als Atheist mit Gewinn gelesen.

Es ist ein interessanter geistesgeschichtlicher Waldgang. Man muss gewisse christliche Prämissen und Schlussfolgerungen nicht teilen, doch es zeigt, wie schwer man sich als kleiner Mensch von der Religion befreien kann.

Langsam glaube ich, dass der Atheismus nichts für die Masse ist. Ich bin aber überzeugt, dass er was für starke Menschen ist.

Der Atheist ringt stärker mit seiner Weltanschauung, weil er mit seiner Erkenntnis alleine dasteht. Die Wahrheit auszuhalten, dass es keinen Gott gibt, ist unglaublich schwer. Hat man sich damit erst einmal abgefunden, fühlt man sich frei und stark. Man will sich nie mehr diese geistigen Fesseln anlegen lassen.

Das Buch kann ich jedermann empfehlen.

neocromagnon

28. Januar 2015 15:26

@Frenchman
Komisch, meine Erfahrung ist genau entgegengesetzt. Leicht ist es anzunehmen, daß nur wirklich ist, was ich sehen und fühlen kann. Es ist naheliegend, weil ich es jeden Tag selber erlebe. Mein Geist will erhaben sein. Schwer ist es zu akzeptieren, daß ich als Mensch in die Welt geworfen bin und im Grunde nichts dafür kann. Weder mein Körper, noch meine geisigen Fähigkeiten sind aus mir selbst heraus entstanden. Ich bin plötzlich da, habe Fähigkeiten und Talente und erlebe die Welt. Ich bin mit jeder Faser meiner Existenz äusseren Einflüssen unterworfen, bin ein Spielball einer unergründlichen Wirklichkeit.
Und dann gibt es da den Glauben, der von mir verlangt, ohne jede Sicherheit oder Rückversicherung zu vertrauen, daß dort noch etwas weit größeres ist. Der Glaube ist eine geistige Leistung, eine Anstrengung, kein bequemer Ausweg.

Michael Sack

8. Mai 2015 14:12

Ihr Lieben, heute habe ich hier her gefunden. Und merken können, daß hier noch kommentiert werden kann. Dazu will ich mir aber einige nötige Zeit noch nehmen, auch, um die Rezensionen über das Buch von M.L. einzusehen. Also bitte hier diesen Kommentarbereich nicht schließen.

MfG, MS

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