Ulrich Schacht ist tot

Der Schriftsteller und DDR-Dissident Ulrich Schacht ist tot. Er verstarb am vergangenen Samstag in seiner Wahlheimat Schweden.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Schacht wur­de 1951 im Frau­en­ge­fäng­nis Hoheneck gebo­ren und stu­dier­te in Ros­tock und Erfurt Theo­lo­gie. Mit 22 Jah­ren wur­de er wegen „staats­feind­li­cher Het­ze“ zu sie­ben Jah­ren Haft ver­ur­teilt. 1976 konn­te er in die Bun­des­re­pu­blik aus­rei­sen. Dort arbei­te­te er als Feuil­le­ton­re­dak­teur und Repor­ter vor allem für die Welt und die Welt am Sonn­tag, spä­ter auch für die Jun­ge Frei­heit (was ihm immer wie­der vor­ge­wor­fen wur­de). Den­noch wur­de Schacht 2007 zum Dresd­ner Stadt­schrei­ber beru­fen. 2018 unter­zeich­ne­te Ulrich Schacht die „Gemein­sa­me Erklä­rung“ von Künst­lern und Wis­sen­schaft­lern gegen eine „Beschä­di­gung Deutsch­lands“ durch „ille­ga­le Masseneinwanderung“.

2007 schrieb der Bür­ger­recht­ler Sieg­mar Faust, für Sezes­si­on anläß­lich der Stadt­schrei­ber­wür­de einen Bei­trag über sei­nen Weg­ge­fähr­ten Schacht. Wir doku­men­tie­ren die­sen Text im Andenken an den Verstorbenen.

Mei­ne eige­nen Begeg­nun­gen mit Schacht waren zunächst nicht die von Autor und Leser. Sie erfolg­ten nicht auf lite­ra­ri­scher Ebe­ne, son­dern waren poli­tisch und skurril.

Poli­tisch waren sie, weil Schacht zur soge­nann­ten Neu­en demo­kra­ti­schen Rech­ten um Rai­ner Zitel­mann und Heimo Schwilk gehör­te und 1994 mit Schwilk zusam­men den Sam­mel­band Die selbst­be­wuß­te Nati­on her­aus­gab. Dar­über kamen wir in Kontakt.

Dies führ­te zur skur­ri­len Anek­do­te: Als ich zum 100. Geburts­tag Ernst Jün­gers für die Jun­ge Frei­heit eine Bei­la­ge zusam­men­stell­te, bat ich auch Schacht um einen Bei­trag, und zwar mit einem Brief, der an die Redak­ti­on der Welt gerich­tet war, nament­lich an Hjal­mar Schacht. Als er mir das Kuvert mit einem dicken Fra­ge­zei­chen ver­se­hen zurück­sand­te, hielt ich das für einen Scherz – aus­ge­schlos­sen, daß mir ein sol­cher Faux­pas hät­te unter­lau­fen können.

Quatsch. Natür­lich kann einem so etwas pas­sie­ren. Wir haben uns spä­ter gut ver­stan­den und über eine lite­ra­ri­sche Rei­he bei Antai­os gespro­chen, für die er eini­ge ver­grif­fe­ne und ver­ges­se­ne Bücher vorschlug.

Ruhe nun in Frieden!

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Ulrich Schacht – ein deut­scher Dich­ter in Schwe­den (April 2007)

sez_nr_1711von Sieg­mar Faust

Der neue Stadt­schrei­ber in Dres­den heißt Ulrich Schacht. Mit Heimo Schwilk und Rai­ner Zitel­mann sym­pa­thi­sier­te er Anfang der neun­zi­ger Jah­re mit einer „Neu­en demo­kra­ti­schen Rech­ten”, die den Schwung der Wie­der­ver­ei­ni­gung für Deutsch­land und gegen ein links­li­be­ra­les Mei­nungs­kar­tell nut­zen woll­te. Aus die­ser Nähe zur Poli­tik woll­ten nun lin­ke Kräf­te in Dres­den dem Jour­na­lis­ten Schacht einen Strick dre­hen. Es ist ihnen nicht gelun­gen. Doch droht wegen der Denun­zia­ti­on der Lyri­ker Schacht poli­tisch über­pin­selt zu wer­den. Das wäre wie­der­um nicht angemessen.

Denn Gedich­te sind ihm, wie er 1994 in einem Inter­view offen­bar­te, „die inten­sivs­ten Atem­zü­ge mei­nes Seins. Mit ihrer Hil­fe über­le­be ich die atem­be­rau­ben­den Tie­fen und Abgrün­de mei­nes Lebens, das bis­lang nicht gera­de arm war an der­ar­ti­gen Momen­ten” (Ulrich Schacht: Die Wie­der­ent­de­ckung der Geschich­te der Son­ne. Ver­such über die Poe­sie der Natur und ihr Erschei­nen in der Natur-Poe­sie; in: Wei­ßer Juli. Sechs­und­drei­ßig Gedich­te und ein Essay, Hau­zen­berg 2007).

Wahr­lich, sein Leben begann schon 1951 atem­be­rau­bend im säch­si­schen Frau­en­ge­fäng­nis Hoheneck. Die gro­ße Lie­be sei­ner Mut­ter zu einem rus­si­schen Besat­zungs­of­fi­zier führ­te trotz pro­pa­gier­ter „deutsch-sowje­ti­scher Freund­schaft” unter den dama­li­gen Umstän­den schnur­stracks ins Gefäng­nis. Daß der Vater nicht in einem sibi­ri­schen Lager ver­schol­len ging, erfuhr der Sohn erst nach dem Zusam­men­bruch des sowje­ti­schen Impe­ri­ums. Die Bio­gra­phie des Dich­ters, der sich auch als Essay­ist und Erzäh­ler einen Namen mach­te, ver­lief gegen die sozia­lis­ti­schen Bil­dungs­nor­men und begann in sei­ner Hei­mat­stadt Wis­mar: Grund­schu­le, Kon­fir­ma­ti­on, Bäcker­leh­re, Hilfs­pfle­ger in einer psych­ia­tri­schen Ein­rich­tung, Son­der­rei­fe­prü­fung, Stu­di­um der Theo­lo­gie, Rele­ga­ti­on aus poli­ti­schen Grün­den, Hilfs­ar­bei­ten in kirch­li­chen Pfle­ge­ein­rich­tun­gen und im Hafen von Wis­mar, Fort­set­zung des Theo­lo­gie­stu­di­ums an der evan­ge­li­schen Pre­di­ger­schu­le Erfurt, also in jenem Klos­ter, in dem sein theo­lo­gi­sches Vor­bild Mar­tin Luther zum Refor­ma­tor reifte.

Doch des Dich­ters „Klos­ter­le­ben” begann erst 1973 nach Ver­haf­tung und Ver­ur­tei­lung zu einer sie­ben­jäh­ri­gen Frei­heits­stra­fe wegen „staats­feind­li­cher Het­ze”. Nach über drei­jäh­ri­gem Auf­ent­halt im Zucht­haus Bran­den­burg wur­de er, wie ins­ge­samt über drei­und­drei­ßig­tau­send ande­re auch, in den Wes­ten „frei­ge­kauft”. Hier begann er ein Stu­di­um der Poli­tik­wis­sen­schaft und Phi­lo­so­phie in Ham­burg und zugleich eine lang­jäh­ri­ge jour­na­lis­ti­sche Tätig­keit, zuletzt als Lei­ten­der Redak­teur und Chef­re­por­ter für Kul­tur­po­li­tik der Welt am Sonn­tag. 1990 erhielt er die wich­tigs­te Aus­zeich­nung im deut­schen Jour­na­lis­mus, den Theo­dor-Wolff-Preis. Zahl­rei­che lite­ra­ri­sche Bücher erschie­nen seit Beginn der 1980er Jah­re neben vie­len poli­ti­schen Pole­mi­ken, Ana­ly­sen und Essays. 1987 grün­de­te er in Däne­mark mit über­wie­gend aus dem meck­len­bur­gi­schen kirch­li­chen Gemein­de­le­ben stam­men­den Freun­den eine evan­ge­li­sche Bru­der­schaft, die sich vor allem neben Luther dem Mär­ty­rer Diet­rich Bon­hoef­fer sowie dem Deut­schen Orden ver­pflich­tet weiß, des­sen Gegen­warts­zweig in der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ära in Öster­reich ver­bo­ten wor­den war.

Der „Dis­si­dent”, wie er im Wes­ten nicht beson­ders zutref­fend in Bausch und Bogen mit den samt ihren Pri­vi­le­gi­en aus­ge­reis­ten DDR-Autoren genannt wur­de, gedieh jedoch auch im Wes­ten rasch zum abtrün­ni­gen Frei­den­ker, nach­dem er sich ent­täuscht, also neu bekehrt aus sei­ner zwölf­jäh­ri­gen Bin­dung zur SPD gelöst und sich nach der Grün­dung der natio­nal­li­be­ra­len Par­tei „Bund frei­er Bür­ger” kurz­zei­tig für sie ein­ge­setzt hat­te. Einen wei­te­ren Ein­trag ins rote Totem-Buch der Anti­fa-Wäch­ter erhielt der Dich­ter, der poli­tisch den Kurs Kurt Schu­ma­chers zu hal­ten such­te, als er 1994 im Ull­stein-Ver­lag zusam­men mit dem Jour­na­lis­ten und Ernst-Jün­ger-Spe­zia­lis­ten Heimo Schwilk das Buch Die selbst­be­wuß­te Nati­on her­aus­gab und ein hys­te­ri­sches Rau­schen und Rau­nen im lin­ken Blät­ter­wald heraufbeschwor.

Der Autor ver­hielt sich neben Botho Strauß, Rüdi­ger Safran­ski, Hart­mut Lan­ge, Ernst Nol­te, Micha­el Wolff­sohn, Klaus-Rai­ner Röhl, Bri­git­te See­ba­cher-Brandt unter ande­rem wie ein „Speer­schaft”, was nun wie­der auf den Namen hin­deu­tet, um den es hier geht, der von der nie­der­deut­schen Laut­form „Schaft” zur berg­män­ni­schen Bezeich­nung der senk­rech­ten Gru­be mutier­te: ein abgrund­tie­fer, gewis­ser­ma­ßen in sich ruhen­der Schacht also.

Ulrich Schacht atta­ckier­te nicht nur tief­sin­nig den SED-Staat, son­dern beson­ders sei­ne intel­lek­tu­el­len Kol­la­bo­ra­teu­re im Wes­ten Euro­pas in geschlif­fe­ner Spra­che und von der War­te einer mora­lisch legi­ti­mier­ten Fes­tig­keit, die sei­nes­glei­chen sucht. Doch der Kampf gegen die selbst­er­nann­ten Poli­ti­cal-Cor­rect­ness-Kom­mis­sa­re kann zur Ver­bit­te­rung oder Resi­gna­ti­on füh­ren. Schacht sah, wie „eine juris­ti­sche und poli­ti­sche Auf­ar­bei­tung der zwei­ten deut­schen Dik­ta­tur” ver­ei­telt wur­de und „Zehn­tau­sen­de tota­li­tär ver­form­te Par­tei­ak­ti­vis­ten” und Bank­rot­teu­re in die demo­kra­ti­schen Ver­wal­tun­gen, Län­der­par­la­men­te und in Frak­ti­ons­stär­ke sogar in den Bun­des­tag ein­zie­hen durf­ten. Gleich­zei­tig wur­den die ehe­ma­li­gen Wider­ständ­ler der SED-Dik­ta­tur ver­höhnt und die Opfer mit Bro­sa­men abge­speist, ein fata­les Gesche­hen, was um die Rechts­staat­lich­keit, die frei­heit­li­che Ver­fas­sung und Zukunft der Demo­kra­tie nur ban­gen läßt.

Doch Schacht hat sich aus dem poli­ti­schen Hand­ge­men­ge 1998 nach Süd­schwe­den zurück­ge­zo­gen, wis­send, daß es auch dort „nicht span­nungs­är­mer zu leben ist, als es ist”. Doch er möch­te sei­ner eigent­li­chen Be-Gabung, dem kei­nes­wegs unpo­li­ti­schen Dich­ten und Den­ken, mehr Raum wid­men: „Eis / Acker wüst / wächst die stei­ner­ne / Saat in den / Him­mel Nichts / tritt dir ent­ge­gen Nichts / hin­dert dich wort­los zu / ern­ten das sprach­los / machen­de / Wort”. Kunst, so hat er ein­ge­se­hen, stellt „ande­re Poli­cen” aus als alle par­tei­li­chen „Ver­si­che­rungs-Gesell­schaf­ten”. „Mit Gedich­ten im Kopf haben Men­schen die Höl­len von Ausch­witz und Koly­ma über­lebt. Da waren die juris­ti­schen und poli­ti­schen Ver­si­che­rungs­po­li­cen, die sie zuvor erwor­ben hat­ten, längst wert­los geworden.”

Auch in der nahen Fer­ne distan­ziert er sich nicht von patrio­ti­schen Gedan­ken, derent­we­gen er in die­sem neu­ro­ti­schen Deutsch­land ange­fein­det wur­de, denn das „Bekennt­nis zu einer Nati­on ist nicht Distan­zie­rung vom Frem­den, son­dern Hin­wen­dung zum Eige­nen. Es meint, human grun­diert, nicht Exklu­si­vi­tät, son­dern Berei­che­rung, die auch dem Ande­ren nützt.” In der kol­lek­ti­ven „Ent­gren­zung indi­vi­du­el­ler Aggres­si­vi­tät” sieht er kei­ne spe­zi­fisch deut­sche Eigen­schaft, son­dern „eine inhu­ma­ne Potenz der Gat­tung Mensch, also eine anthro­po­lo­gi­sche Kon­stan­te, die es aller­dings immer wie­der ein­zu­gren­zen gilt”. So notier­te er es schon 1989 in sein noch unver­öf­fent­lich­tes Tagebuch.

Doch sich am nächs­ten, in sich sel­ber am tiefs­ten, ist sich Ulrich in sei­nem urei­gens­ten Schacht, wenn er sich dem Quell­grund des Lebens mit Gelas­sen­heit und Ehr­furcht nähert: der Natur im wei­tes­ten und zugleich offens­ten Sin­ne. Deren Sub­stanz ist ihm Rhyth­mus, der sich aus Quel­len speist, „die noch das Gras vor dem Haus mit dem Qua­sar an der Gren­ze des Sicht­ba­ren ver­bin­den”. Sei­ne Kol­le­gen, die er ver­ehrt, sind jene, denen er wie Peter Huchel, Johan­nes Bobrow­ski, Uwe John­son, Paul Celan und eini­gen ande­ren zuhö­ren kann. „Sie leh­ren mich, über ihren Tod hin­aus, durch­zu­at­men. Trotz allem. Und immer wie­der. Sie bewei­sen, daß das Gedicht dem Meer ent­spricht, dem Gebir­ge, der Wüs­te, dem Baum, der Lie­be, dem Licht.”

Modi­sche Atti­tü­den hat Schacht nicht nötig, denn sowohl im impo­sant beherrsch­ten Hand­werk als auch im genau­en und lie­ben­den Blick auf die Land­schafts-Räu­me unse­res Seins kommt es ihm auf das poe­ti­sche Idyll an, dem er traut und dem er es zutraut, ein essen­ti­el­les Leit­mo­tiv untrenn­ba­rer „Ver­bin­dung von Har­mo­nie und Not­wen­dig­keit” zu sein. Das Idyll wehrt sich gegen das „ur-uto­pi­sche Ziel: das Klon-Para­dies der voll­ende­ten Gleich­heit oder die Dik­ta­tur des Mecha­ni­schen”, also gegen das unein­lös­ba­re Ver­spre­chen, das noch immer unter der teuf­li­schen Mas­ke vom „Sozia­lis­mus mit mensch­li­chem Ant­litz” hau­sie­ren geht und Uner­fah­re­ne zu auf­ge­klär­ten Idio­ten macht. Dem weni­ger Auf- und Abge­klär­ten aber, der mehr sei­nen Sin­nen traut, gelingt am ehes­ten der „Rück-Schluß als Auf-Schluß. Der Ort der reli­gio im Sin­ne von reli­ga­re (,zurück­bin­den‘) ent­spricht sol­chem Pro­zeß”, wie Schacht in sei­nem Essay zur Natur-Poe­sie erkannte.

Jene Stadt, die solch einen Dich­ter und Den­ker wie Ulrich Schacht auf eine gewis­se Zeit zu ihrem Stadt­schrei­ber ernennt, könn­te eben­falls „die inten­sivs­ten Atem­zü­ge” ihres kul­tu­rel­len Daseins erle­ben. Dres­den hat bekannt­lich eben­so „atem­be­rau­ben­de Tie­fen und Abgrün­de” über­lebt und ist bes­tens geeig­net, einem sol­chen Bru­der im rech­ten Geis­te mehr als nur Asyl zu gewähren.

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pdf der Druck­fas­sung aus Sezes­si­on 17/April 2007

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (8)

Gustav Grambauer

18. September 2018 13:12

"Nach über dreijährigem Aufenthalt im Zuchthaus Brandenburg ..."

Für das Aussprechen des Wortes Zuchthaus (anstelle von "Strafvollzugseinrichtung") hätte es wohl Dresche mit Schlagstöcken gegeben, welche von den Kommandos nur "Sozialistische Wegweiser" genannt wurden. In Brandenburg waren die Wände der Zweierzellen aus der Nazi-Zeit herausgebrochen worden, um auf derselben Quadratmeterzahl Neuner"verwahrräume" zu haben (mit offenem Notdurftbecken in der Mitte). "Politische", auch dieses Wort wäre bestraft worden, wurden schon aus Prinzip voneinander isoliert und allein mit Mördern, oft hochgradig-gewaltaffinen Psychopathen, zusammengepfercht. Im oberen Bett konnte man schon wegen Sauerstoffmangels kaum schlafen (was aber den Vorteil hatte, daß die Ratten dort nicht hochkrochen). Bei den Massenschlägereien in den Eßsälen verriegelten die Wärter Verzeihung "Erzieher" die Türen von außen, so wie es der Makarenko-Doktrin der "Kollektiven Selbsterziehung" entsprach. Die Maschinen klebten von Blut aus den vielen Arbeitsunfällen ... Aus dem Humanistischen Strafvollzug wird hier berichtet, auch aus anderen Zuchthäusern der DDR, von den Verhaftungen, von der UHA, von den Transporten usw.:

https://www.youtube.com/results?search_query=angelika+feustel

https://www.youtube.com/results?search_query=rolf-dieter+weske

https://www.youtube.com/results?search_query=michael+verleih

https://www.youtube.com/results?search_query=gabriele+stötzer

Ein Elektronenphysiker mit Diplom der Akademie der Wissenschaften, damals in Brandenburg einsitzend wie er selbst sagt "nur wegen Unterlassung des vorauseilenden Gehorsams" (de facto wegen einer Bagatelle), ist genau der Typus, der heute stramm gegen Merkel ist und den Roten (!) Faden auch genau versteht:

https://www.youtube.com/watch?v=jsjdLrpCccM

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Die Altparteien haben heute nicht mehr die integrative Kraft, um den Außenauftritt der Dissidenten-Szene im von ihnen vorgegebenen und erzwungenen doktrinären Konsens zu halten. Interessanterweise beginnt die Erosion institutionell ausgerechnet bei der Gedenkstätte Hohenschönhausen, die seit den 90er Jahren und bis heute maßgeblich von der CDU (damals noch unter dem Slogan "Freiheit statt Sozialismus!") promoted wurde und wird, bitte "gedenkstätte hohenschönhausen afd" googeln. D. h. die sich nach außen zeigende Sollbruchstelle ist gerade nicht das kulturmarxistische Element dieser Szene. Vielmehr klärt sich jetzt mit Jahrzehnten Verspätung die damalige kulturmarxistische Diffusion von rechts her. Manchen, die von ihrer Disposition her damals eigentlich rechts waren (denen nur der Geist vernebel worden war), wird es jetzt im Nachhinein wie Schuppen von den Augen fallen, ich kenne bereits mehrere. Die werden niemals mehr mit dem Spiel "Probleme beim Aufbau des Sozialismus" einzubinden sein, und es ist zu erwarten, daß deren Zahl mit dem Niedergang der BRD sowie mit der sowieso gegebenen Reinigung der geistigen und kulturellen Atmosphäre exponentiell ansteigen wird. Viele, die damals von Grund auf Antikommunisten waren aber stattdessen auf die kulturmarxistische Leimrute gegangen sind, werden zur Besinnung kommen. Ich sage voraus, daß insbesondere die Havemann-Biermann-Fronde, der Protagonisten schon unter dem schieren Gewicht der Bundesverdienstkreuze den Rücken nie wieder geradekriegen, in absehbarer Zeit mit einer völlig anderen historischen Einordnung als bis heute scharf ins Rampenlicht gerückt werden wird. Spannend wird es erst richtig, wenn die Welle der Klarheit von rechts her in das Lügengebäude der lutherischen Kirche hineinbrandet.

RMH

18. September 2018 16:05

"Spannend wird es erst richtig, wenn die Welle der Klarheit von rechts her in das Lügengebäude der lutherischen Kirche hineinbrandet."

Dass dies möglichst bald kommt, dafür sollten wir alle beten. Insbesondere wäre ein Ausleuchtung der Verstrickungen und Kontakte des Vaters unserer Kanzlerin und dessen evtl. "Empfehlungen" und deren etwaige Bedeutung für den Karriereweg seiner Tochter mehr als interessant. Aber da dies hier ein Nachruf war, sollte diese Diskussion an anderer Stelle zu einem besseren Anlass geführt werden.

Ruhe in Frieden - Gerade heute brauchen wir die Erfahrungen der Widerständler aus der DDR!

Martin Heinrich

18. September 2018 21:40

Scheisse.
Warum sterben die Besten immer so früh?
Ich hatte mir vor einigen Wochen für viel Geld ein antiquarisches Exemplar "Die selbstbewusste Nation" gekauft. Und las mit großem Gewinn bei Achgut.co. "Kritik heißt jetzt wieder Hetze".
Mögen wir unsere Konsequenzen daraus ziehen. Und er in Frieden ruhen.

Marc_Aurel

18. September 2018 23:07

Der Tod von Ulrich Schacht ist ein schwerer Verlust!

Er hatte das Talent den Kern und das Wesen komplexer Themen geistreich, fundiert und anschaulich mit wenigen Worten herauszuarbeiten. Sein schwarzer Humor und die besondere Sprache, die er wählte, bei der ihm sicherlich seine Profession als Theologe sehr zugute kam, ließen seine Vorträge zum Erlebnis werden. Diese Gaben und Talente vereinigen nur wenige Menschen in sich.

So stellt man sich einen Mann Gottes vor: weise, unbestechlich, kritisch, aber auch humorvoll und warmherzig, jemand dem man anmerkt, dass er vergeben kann, der ein Gefühl hat für das richtige Maß.

Seine Darlegung totalitärer Utopien, basierend auf "verrücktgewordenem Universalismus", wie er es nannte, beginnend mit der französischen Revolution, über den Bolschewismus, den Nationalsozialismus, bis hin zum Globalismus, ist in ihrer Klarheit und Folgerichtigkeit hervorragend gelungen:

https://www.youtube.com/watch?v=hgKCSv4ZvOs

Wenn alleine diesen Videobeitrag mehr Menschen sehen und in seiner vollen Tragweite verstehen würden, wäre "die Welt in der wir leben" eine andere.

Ruhe in Frieden!

Gustav Grambauer

19. September 2018 21:15

Marc Aural

Allerbesten Dank für den Hinweis auf das Interview bei MFV. Es hat mich gerade dazu veranlaßt, Ulrich Schacht in meiner Literaturpensenliste von - in weitgehender Unkenntnis, was für ein Versäumnis - sehr weit unten nach ganz oben auf Platz 1 zu setzen. Habe in dem Interview einen Seelenverwandten erkannt. Mag schon sehr die Art, wie er die Themen anfaßt, die Leichtigkeit an der wahrscheinlich selbst durchlittenden Schwere. Mag auch sehr, das wird vielen so gehen, sein gutes Verhältnis zum Pfeffer. Oh, den hätte ich gern mal kennengelernt ...

Was das Interview betrifft: zuerst dachte ich daran, es meinen linken Bekannten weiterzuleiten. Aber der hat ja nahezu jedem etwas zu sagen!

Ja, möge er in Frieden ruhen.

- G. G.

Ruewald

20. September 2018 09:58

Ein würdigender Nachruf von Michael Klonovsky:
https://vera-lengsfeld.de/2018/09/18/nachruf-auf-ulrich-schacht/

Monika

20. September 2018 11:02

Als Mitarbeiterin der Zeitschrift "DDR-heute" lernte ich Ulrich Schacht in den 80 er Jahren kennen. Neben seinem glasklaren Verstand und seinem Humor beeindruckten mich am meisten seine Totalitarismus-kritischen Bücher ( "Gewissen ist Macht") und Essays. Diese erinnern in ihrer Diktion an den Bürgerrechtler Vaclav Havel. Wie dieser versuchte Schacht bis zu seinem Tod in "der Wahrheit zu leben." Jenseits rechter und linker Ideologien und Strategien zog Schacht wie Havel seine politischen Schlüsse. Er behielt die Würde des einzelnen Menschen immer im Blick. Demütig in Anbetracht der "menschlichen Natur" konnte er die Gefahren des Totalitarismus in seiner ganzen Tiefe erfassen. Zuletzt beschrieb er in beklemmender Weise "Deutsche Profile eines Dritten Totalitarismus" im Magazin TUMULT , Sommer 2018
Dort liest man: "Je absichtsvoller Geschichte zu machen versucht wird, heißt das, um so katastrophischer das Ergebnis: Ordnungs-Machwerke, taumelnd zwischen Herrschaftsanarchie und Willkürherrschaft. Un-Ordnung, bis sich Erschöpfung breitmacht."
Die darauf folgenden Ausführungen über EU- Kommissäre lassen den Atem stocken...
Hoffen wir, dass wir in diesen Zeiten nicht erschöpfen, sondern Kraftquellen finden. Für Ulrich Schacht war dies sein Glaube.
Im Oktober wollte ich ihn in Neudietendorf hören.
Er wird fehlen.
Ruhe in Frieden.

Maiordomus

25. September 2018 11:36

So wie seinerzeit Alexander Solschenizyn bedeutsamer war, auch im historischen Sinn des Wortes, als die Politiker, so gilt dies wohl annähernd für Ulrich Schacht. Dem Kommentar von @Monika kann ich mich nur anschliessen. Ich verneige mich vor dem Andenken des Poeten und wahren Widerständlers. "Der Platz des Gerechten auf Erden ist zwischen Stühlen und Bänken, im Himmel aber zur Rechten Gottes", vermerkte einmal die klügste und in jeder Hinsicht scharfsinnigste Schriftstellerin Österreichs, Marie von Ebner-Eschenbach, gest. 1916.

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