Mircea Eliade – Leben und Werk

pdf der Druckfassung aus Sezession 17/April 2007

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Am 9. März als Sohn eines Hauptmanns in Bukarest geboren, verbringt Eliade seine frühe Kindheit in der rumänischen Provinz, je nachdem wo der Vater stationiert ist. 1914 erfolgt der endgültige Umzug nach Bukarest, wo Eliade die Grundschule besucht. Bereits vor Schulbeginn kann er lesen, der Beginn seiner lebenslangen Leidenschaft für Bücher. Im Ersten Weltkrieg erlebt Eliade die Bombardierungen Bukarests und die zeitweise Besatzung durch deutsche Truppen. Seit Herbst 1917 besucht er das Gymnasium, auf dem er durch schlechtes Betragen auffällt, was schulische Mißerfolge nach sich zieht. Erste schriftstellerische Arbeiten und preisgekrönte Veröffentlichungen stärken aber das Selbstbewußtsein des kurzsichtigen Jungen.


1925
Da Elia­de bereits in der Schu­le weni­ger vom Chris­ten­tum als vom Phä­no­men des Reli­giö­sen all­ge­mein fas­zi­niert war, ist es nicht über­ra­schend, daß er sich im Okto­ber, nach über­stan­de­ner Abitur­prü­fung, in Buka­rest am phi­lo­so­phi­schen Fach­be­reich der Fakul­tät für Geis­tes­wis­sen­schaf­ten und Phi­lo­so­phie ein­schreibt. Hier trifft er auf den ein­fluß­reichs­ten Intel­lek­tu­el­len sei­ner Zeit: Nae Iones­cu, dem es gelingt, eine gan­ze Gene­ra­ti­on von Stu­den­ten in sei­nen Bann zu zie­hen und um die Zeit­schrift Cuvan­tul zu sam­meln. Elia­de arbei­tet dort als Redak­teur und begrün­det 1927/28 durch sei­nen Auf­satz „Geis­ti­ges Itin­era­ri­um” die soge­nann­te Gene­ra­ti­on, eine Gemein­schaft von Stu­den­ten, die sich der Erneue­rung des rumä­ni­schen Kul­tur­le­bens ver­schreibt. Kaum ins Leben geru­fen, ver­läßt ihr „Chef” Elia­de Rumä­ni­en für drei Jahre.

1928
Um für sei­ne Magis­ter­ar­beit, die im Okto­ber von der Uni­ver­si­tät Buka­rest ange­nom­men wird, Mate­ri­al zu sam­meln, war Elia­de nach Ita­li­en gereist, hat­te dort füh­ren­de Reli­gi­ons­his­to­ri­ker ken­nen­ge­lernt und geriet mit dem Tra­di­tio­na­lis­mus Evo­las in Kon­takt. Das läßt in Elia­de den Wunsch auf­kom­men, in Indi­en Sans­krit zu stu­die­ren. Aus­ge­stat­tet mit einem Sti­pen­di­um geht er im Novem­ber auf die viel­leicht ein­schnei­dends­te Rei­se sei­nes Lebens, von deren Erfah­run­gen er sein Leben lang zeh­ren soll­te. Er stu­diert in Kal­kut­ta bei dem indi­schen Phi­lo­so­phie­pro­fes­sor Das­gupta, der ihn sogar in sein Haus auf­nimmt. Durch ein Lie­bes­ver­hält­nis mit Mai­treyi, der Toch­ter des Pro­fes­sors, kommt es zum Bruch. Elia­de muß das Haus ver­las­sen und sich allein durch Indi­en schla­gen. Sei­ne Rei­sen füh­ren bis zum Fuße des Hima­la­ya, wo er ver­mut­lich in die Yoga-Pra­xis ein­ge­weiht wird. Als wich­tigs­te Erkennt­nis aus Indi­en nimmt er jedoch die Ein­sicht in die exis­ten­ti­el­le Bedeu­tung und Macht des Sym­bols mit.

1931
Nach sei­ner Rück­kehr im Novem­ber leis­tet Elia­de zunächst sei­nen Mili­tär­dienst ab und wird ein Jahr spä­ter mit einer Arbeit über Yoga, die 1936 in Paris erscheint und Elia­des Ruf als Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­ler begrün­det, an der Buka­res­ter Uni­ver­si­tät pro­mo­viert. Nae Iones­cu macht ihn zu sei­nem Lehr­stuhl-Stell­ver­tre­ter, der Roman Mai­treyi bringt bel­le­tris­ti­schen Erfolg. Die Gene­ra­ti­on wächst an, unter ande­rem stößt Cioran dazu. 1934 hei­ra­tet Elia­de. Die drei­ßi­ger Jah­re sind in Rumä­ni­en durch die gewalt­sa­men poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen der Regie­rung und der christ­lich-faschis­ti­schen Eiser­nen Gar­de gekenn­zeich­net. Elia­de grün­det in die­ser hek­ti­schen Pha­se die Grup­pe Cri­ter­ion, die in öffent­li­chen Ver­an­stal­tun­gen zu Gegen­warts­fra­gen Stel­lung nimmt, indem sie mög­lichst ent­ge­gen­ge­setz­te poli­ti­sche Lager zur Teil­nah­me einlädt.

1937
Elia­de tritt ver­mut­lich im Janu­ar der Eiser­nen Gar­de bei und ergreift in Arti­keln öffent­lich das Wort für die Gar­de, ins­be­son­de­re für ihren cha­ris­ma­ti­schen Füh­rer Cor­ne­liu Zelea Cod­re­a­nu. Elia­des Motiv ist die Hoff­nung auf ein natio­na­les Wie­der­erstar­ken Rumä­ni­ens. Nach­dem die Gewalt eska­liert, wird die Gar­de ver­bo­ten, Elia­de in einem Lager inter­niert und Cod­re­a­nu von der rumä­ni­schen Regie­rung ermor­det. Die sich bald dar­auf abzeich­nen­de Ent­span­nung nutzt Elia­de, um die ers­te rumä­ni­sche Zeit­schrift für Reli­gi­ons­wis­sen­schaft, Zalm­oxis, zu edie­ren. Kurz dar­auf ver­sucht er, sich im Aus­land in Sicher­heit zu bringen.

1940
Elia­de gelingt es, als Kul­tur­at­ta­ché nach Lon­don beru­fen zu wer­den. Er ver­läßt daher im April Rumä­ni­en, ohne zu ahnen, daß es für immer sein wird. Im Febru­ar 1941 wech­selt Elia­de nach Lis­sa­bon, das sich im kom­men­den Welt­krieg neu­tral ver­hält, aber deut­li­che Sym­pa­thien für die Ach­sen­mäch­te zeigt. Elia­de ist vom stän­disch-auto­ri­tä­ren Por­tu­gal Sala­zars, der von 1932 bis 1968 regiert, ange­tan, weil er die Über­win­dung der Demo­kra­tie als Vor­aus­set­zung für eine natio­na­le Wie­der­ge­burt betrach­tet. Sala­zars Weg scheint ihm ein Vor­bild für Rumä­ni­en. 1944 stirbt sei­ne Frau, 1950 ver­mählt er sich erneut. Die Nie­der­la­ge der Ach­sen­mäch­te und die kom­mu­nis­ti­sche Regie­rungs­über­nah­me in Rumä­ni­en brin­gen Elia­de in Bedräng­nis. Er flieht nach Paris, wo es schon eine statt­li­che Kolo­nie von rumä­ni­schen Flücht­lin­gen gibt. Wich­ti­ge Bücher ent­ste­hen in die­ser Zeit, unter ihnen Kos­mos und Geschich­te, jedoch ver­hin­dern Gerüch­te über sei­ne Ver­gan­gen­heit eine Beru­fung auf einen Lehr­stuhl. Auf den seit 1933 statt­fin­den­den Eranos-Tagun­gen in Asco­na, an denen Elia­de seit 1950 teil­nimmt, bahnt sich ein Aus­weg für Elia­des Situa­ti­on an. Die Bekannt­schaf­ten mit C. G. Jung und ver­schie­de­nen Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­lern haben posi­ti­ve Folgen.

1955
Einer die­ser Bekannt­schaf­ten, Joa­chim Wach, hat es Elia­de zu ver­dan­ken, daß er ein­ge­la­den wird, in Chi­ca­go die berühm­ten Has­kell Lec­tures zu hal­ten. Als Wach im August des Jah­res plötz­lich stirbt, wird Elia­de 1956 sein Nach­fol­ger auf dem Lehr­stuhl für Ver­glei­chen­de Reli­gi­ons­ge­schich­te und ent­fal­tet eine frucht­ba­re Lehr­tä­tig­keit, der zahl­rei­che Schü­ler ent­stam­men. Gemein­sam mit Ernst Jün­ger, der schon 1942 von Zalm­oxis begeis­tert war, gibt er von 1960 bis 1972 die Zeit­schrift Antai­os her­aus, die sich durch sehr dis­pa­ra­te und exklu­si­ve Bei­trä­ge aus­zeich­net. Die sech­zi­ger Jah­re sind in den USA auch durch das Auf­tre­ten der Hip­pie-Bewe­gung geprägt, die ähn­lich wie Elia­de auf der Suche nach den ursprüng­li­chen Mythen ist und durch den Nach­voll­zug magi­scher Prak­ti­ken die Ent­frem­dung des moder­nen Men­schen über­win­den möchte.

1972
Auf dem Höhe­punkt sei­nes Ruhms beginnt Elia­de sei­ne Ver­gan­gen­heit ein­zu­ho­len. Die Publi­ka­ti­on von Tei­len des Tage­buchs von Mihail Sebas­ti­an, einem jüdi­schen Mit­glied der Gene­ra­ti­on und Schü­ler Iones­cus, ent­hüllt Elia­des Den­ken als gar­dis­tisch, faschis­tisch und nicht zuletzt als anti­se­mi­tisch. Elia­de fällt es schwer, auf die­se Vor­wür­fe zu reagie­ren, da sie offen­sicht­lich stim­men, gleich­zei­tig aber am Kern der Aus­ein­an­der­set­zun­gen der drei­ßi­ger Jah­re, des Welt­bür­ger­krie­ges der Ideo­lo­gien, vor­bei­ge­hen. So muß jeder Erklä­rungs- und Recht­fer­ti­gungs­ver­such von Sei­ten Elia­des die Miß­ver­ständ­nis­se ver­stär­ken. Die­se Ent­hül­lung hat sei­ne Repu­ta­ti­on als Wis­sen­schaft­ler und Schrift­stel­ler, der lan­ge als Genie galt, nach­hal­tig zer­stört. Davon schein­bar unbe­rührt, nimmt Elia­de sein Haupt­werk, die Geschich­te der reli­giö­sen Ideen, in Angriff, das sei­ne Stel­lung als füh­ren­der Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­ler noch ein­mal unter­streicht. So kommt es, daß Elia­de 1980 als Kan­di­dat für den Nobel­preis nomi­niert wird. Daß er ihn nicht erhielt, hat Elia­de schwer gekränkt.

1986
Am 22. April stirbt der krebs­kran­ke Elia­de an einem Hirn­schlag in Chi­ca­go. Ein Jahr zuvor hat­te er eine letz­te her­aus­ra­gen­de Ehrung erfah­ren: der Lehr­stuhl in Chi­ca­go wur­de nach ihm benannt und damit erst­mals ein Lehr­stuhl nach einer noch leben­den Per­son. Die­se Aus­zeich­nung konn­te jedoch nicht ver­de­cken, daß Elia­de seit den sieb­zi­ger Jah­ren auch wis­sen­schaft­lich in die Kri­tik gera­ten war: eine neue Gene­ra­ti­on von Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­lern for­der­te von ihrem Fach Objek­ti­vi­tät und die Ableh­nung von per­sön­li­cher Anteil­nah­me am For­schungs­ge­gen­stand. So war Elia­des Tod bezo­gen auf die Rezep­ti­on sei­nes Wer­kes kei­ne Zäsur. Die Wahr­neh­mung Elia­des als eines eso­te­ri­schen Schrift­stel­lers, der ein Geheim­wis­sen ver­mit­teln will, hat­te bereits vor­her begon­nen. Sei­ne Bücher wer­den wei­ter­hin gedruckt und gele­sen, jedoch nicht von Wis­sen­schaft­lern, son­dern oft­mals von Men­schen, die wie Elia­de selbst auf der Suche sind.

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