Faschismus rumänisch

pdf der Druckfassung aus Sezession 16/Februar 2007

Die Bewegung „Eiserne Garde", die zwischen 1927 und 1941 in...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Rumä­ni­en mit Tuch­füh­lung zur poli­ti­schen Macht für eine Erneue­rung des Lan­des kämpf­te, ist ein selt­sa­mes und fas­zi­nie­ren­des Phä­no­men. Sie war radi­kal faschis­tisch, christ­lich-ortho­dox, anti­bol­sche­wis­tisch und anti­se­mi­tisch, beton­te ihr spi­ri­tu­el­les, letzt­lich unpo­li­ti­sches Ele­ment, kul­ti­vier­te Todes­ver­ach­tung und Opfer-Mys­tik und arbei­te­te an der Ver­wirk­li­chung eines neu­en Men­schen: Der „Legio­när” der Eiser­nen Gar­de soll­te den Rumä­nen den ihnen gebüh­ren­den Platz in der euro­päi­schen Völ­ker­fa­mi­lie ver­schaf­fen. Es wür­de dies für den Kon­ti­nent vor allem eine spi­ri­tu­el­le Berei­che­rung und das Bei­spiel einer auf der länd­li­chen Kul­tur Rumä­ni­ens auf­bau­en­den gesell­schaft­li­chen Neu­ord­nung sein.

Die Kon­zep­ti­on die­ser Neu­ord­nung stammt von Cor­ne­liu Zelea Cod­re­a­nu. Er wur­de „Capi­tan” genannt und war bis zu sei­ner Ermor­dung 1938 der unum­schränk­te Füh­rer der Eiser­nen Gar­de, die er seit 1927 auf­ge­baut hat­te. Die kleins­ten Zel­len sei­ner Orga­ni­sa­ti­on nann­te er „Nes­ter”. Cod­re­a­nu belehr­te sei­ne „Nes­ter” in Bei­trä­gen für die Zeit­schrif­ten der Eiser­nen Gar­de über ideo­lo­gi­sche Kern­sät­ze und ganz simp­le orga­ni­sa­to­ri­sche Fra­gen. 1933 faß­te er sei­ne Schu­lungs­ar­beit in einem Hand­buch zusammen.

Der Regin-Ver­lag, der sich unter ande­rem mit dem faschis­ti­schen Erbe Euro­pas beschäf­tigt, hat die­ses Hand­buch nun erst­mals ins Deut­sche über­set­zen las­sen (Cor­ne­liu Z. Cod­re­a­nu: Hand­buch für die Nes­ter, Strae­len: Regin Ver­lag 2006. 138 Sei­ten, br, 14.50 €). Der Leser wird fest­stel­len, daß der bizar­re Spa­gat, den die Eiser­ne Gar­de zu meis­tern hat­te, auf manch­mal rüh­ren­de Wei­se abge­bil­det ist. Vom Kaff, in dem noch mit dem Holz­pflug gear­bei­tet wur­de und in dem die Kirch­gän­ger vor dem berit­te­nen Cod­re­a­nu nie­der­san­ken wie vor einem Apos­tel, brauch­te ein Last­wa­gen oft kei­ne Stun­de bis zur nächs­ten Stadt, in der die Stu­den­ten im wis­sen­schaft­li­chen Aus­tausch mit Ita­li­en, Frank­reich und Deutsch­land stan­den. So fin­det sich im Hand­buch für die Nes­ter eine genaue Beschrei­bung der orga­ni­sa­to­ri­schen Glie­de­rung der Eiser­nen Gar­de neben ein­fachs­ten Anlei­tun­gen für den gemein­sa­men Gang zum Wahl­lo­kal. Klei­dungs­ord­nung, Gebets­pflicht und Gelöb­nis­for­meln flan­kie­ren die grund­sätz­li­chen Äuße­run­gen zum Unter­schied zwi­schen Legio­när und Par­tei­po­li­ti­ker, zum Wesen des Kom­mu­nis­mus und zur „Juden­fra­ge”.

Aus recht­li­chen Grün­den hat der Regin-Ver­lag Punkt 66 des Hand­buchs weg­ge­las­sen. Die bei­den Sät­ze zur „Juden­fra­ge” hät­ten dem Bänd­chen viel­leicht einen Platz auf dem Index beschert. Clau­diu Mihu­t­iu hat ein Nach­wort über die­sen heik­len Punkt ver­faßt und ver­sucht dar­in, die Eiser­ne Gar­de und Cod­re­a­nu vom „Vor­wurf des Anti­se­mi­tis­mus” zu rei­ni­gen. Die­ses Nach­wort ver­gibt eine Chan­ce: Mihu­t­iu sucht Grün­de für den Anti­se­mi­tis­mus der Eiser­nen Gar­de zwar dort, wo man nicht nur in Rumä­ni­en fün­dig wer­den kann: in der Ver­qui­ckung von bol­sche­wis­ti­scher Gefahr und jüdi­schem Ein­fluß; aber der Anti­se­mi­tis­mus der Bewe­gung um Cod­re­a­nu war nicht selek­tiv anti­bol­sche­wis­tisch, er rich­te­te sich gegen die Juden gene­rell, in denen man eine Bedro­hung der völ­ki­schen und spi­ri­tu­el­len Sub­stanz des Rumä­ni­schen an sich sah. Und weil der Zio­nis­mus in der Assi­mi­lie­rung der Juden in Rumä­ni­en, Deutsch­land oder anders­wo wie­der­um eine Bedro­hung der völ­ki­schen und spi­ri­tu­el­len Sub­stanz des Jüdi­schen sah, gäbe es star­ke Grün­de, die Hal­tung der Eiser­nen Gar­de zur Juden­fra­ge in einem völ­ki­schen Kon­text an sich zu diskutieren.

Ins­ge­samt schei­ter­te die Eiser­ne Gar­de, weil mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land der Faschis­mus als Gan­zes – und damit auch in sei­ner spe­zi­fisch rumä­ni­schen Aus­for­mung – den Welt­bür­ger­krieg ver­lor. Sie schei­ter­te aber auch an ihren eige­nen, hohen Ansprü­chen. Wer das Hand­buch für die Nes­ter liest, der erkennt, daß es in sei­nen Pas­sa­gen vom „neu­en Men­schen” eine Anlei­tung nur für weni­ge sein konn­te und kann.
Von Fran­co Car­di­ni, Pro­fes­sor für Mit­tel­al­ter­li­che Geschich­te in Flo­renz, stammt die Bemer­kung, daß die „Eiser­ne Gar­de mehr eine reli­gi­ös-mili­tä­ri­sche, als eine poli­ti­sche Bewe­gung war, … so stark in der rumä­ni­schen Tra­di­ti­on ver­wur­zelt, daß eine Geschichts­for­schung, die die­sem Phä­no­men gerecht wer­den will, nicht umhin­kommt, folk­lo­ris­ti­sche und reli­giö­se Unter­su­chun­gen mit einzubeziehen”.

Car­di­nis Lands­mann Clau­dio Mut­ti hat die­sen Rat­schlag ernst genom­men und schon vor Jah­ren eine Stu­die vor­ge­legt, die den Weg wich­ti­ger Ver­tre­ter der „Jun­gen Gene­ra­ti­on” Rumä­ni­ens in die Eiser­ne Gar­de nach­zeich­net. Wie­der­um der Regin-Ver­lag hat die­ses Buch über­set­zen las­sen, es wird im Früh­jahr erschei­nen und behan­delt neben den Ver­tre­tern der ein­fluß­rei­chen „Gene­ra­ti­on” – Mir­cea Elia­de, Emil Cioran, Con­stan­tin Noi­ca – auch den Men­tor Nae Iones­cu, der die­ser Gene­ra­ti­on den Weg in die Eiser­ne Gar­de wies (Clau­dio Mut­ti: Mir­cea Elia­de und die Eiser­ne Gar­de – Rumä­ni­sche Intel­lek­tu­el­le im Umfeld der Legi­on Erz­engel Micha­el, Strae­len: Regin-Ver­lag 2007. 140 Sei­ten, br, Abb., 14.50 €).
Mir­cea Elia­de über­leb­te den Zusam­men­bruch Rumä­ni­ens und die kom­mu­nis­ti­schen Säu­be­rungs­wel­len nach 1945 nur, weil er nicht in Rumä­ni­en war, son­dern im Por­tu­gal Sala­zars das Kriegs­en­de sowie in Paris die ers­ten Nach­kriegs­jah­re ver­brach­te. Auf die schwä­che­ren und kräf­ti­ge­ren Debat­ten um sei­ne Nähe zur Eiser­nen Gar­de reagier­te Elia­de mit kon­se­quen­tem Schwei­gen und mit Aus­weich­ma­nö­vern. Er hat bis heu­te Anklä­ger und Ver­tei­di­ger unter sei­nen Bio­gra­phen und Rezi­pi­en­ten. Dabei ist trotz inten­si­ver Auf­klä­rungs­ar­beit vie­les nebu­lös geblie­ben. Sicher ist, daß Elia­de Bei­trä­ge für gar­dis­ti­sche Zeit­schrif­ten ver­faß­te, sicher ist auch, daß er erst rela­tiv spät (1936) den ent­schei­den­den Schritt mach­te und sei­nem Men­tor Nae Iones­cu sowie vie­len sei­ner Alters­ge­nos­sen zur Eiser­nen Gar­de folgte.

In einer sehr gewis­sen­haf­ten Arbeit hat Han­ne­lo­re Mül­ler den wis­sen­schaft­li­chen und den gesell­schafts­po­li­ti­schen Weg des jun­gen Elia­de nach­ge­zeich­net und plau­si­bel sei­nen geis­ti­gen Bei­trag für den Ver­such einer Erneue­rung Rumä­ni­ens her­aus­ge­schält (Der frü­he Mir­cea Elia­de. Sein rumä­ni­scher Hin­ter­grund und die Anfän­ge sei­ner uni­ver­sa­lis­ti­schen Reli­gi­ons­phi­lo­so­phie, Müns­ter: Lit 2004. 352 Sei­ten, br, 29.90 €). Mül­ler zeigt, daß die geis­ti­ge Situa­ti­on der Zeit Elia­de frü­her oder spä­ter in die Nähe der Eiser­nen Gar­de brin­gen muß­te. Von zen­tra­ler Bedeu­tung ist dabei das soge­nann­te „Geis­ti­ge Itin­era­ri­um”, das zwölf Zei­tungs­ar­ti­kel Elia­des aus dem Jahr 1927 ver­sam­mel­te. In die­sen Bei­trä­gen for­mu­liert Elia­de den „Plan”, mit Hil­fe sei­ner eigen­ar­ti­gen reli­gi­ons­wis­sen­schaft­li­chen Arbeit schöp­fe­risch zur kul­tu­rel­len Har­mo­nie, zu einem neu­en geis­ti­gen Gleich­ge­wicht bei­zu­tra­gen. Die­ses „Itin­era­ri­um” ist bis heu­te nicht in Deutsch­land erschie­nen. Ein zusätz­li­cher Wert der Arbeit von Han­ne­lo­re Mül­ler liegt dar­in, daß sie zwei Tex­te aus die­ser Samm­lung sowie alle neun gar­dis­ti­schen Auf­sät­ze Elia­des über­setzt und im Anhang doku­men­tiert hat.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.