Wie grün waren die Nationalsozialisten?

PDF der Druckfassung aus Sezession 56 / Oktober 2013

von Guy de Maertelaere

Es muß in den letzten Monaten, als BBC World Service noch zu hören war, gewesen sein.

Es ging um Bücher mit ver­rück­ten Titeln. Ich hör­te nur mit hal­bem Ohr zu, wur­de aber auf­merk­sam, als der Redak­teur ein Buch mit dem für ihn unvor­stell­ba­ren Titel erwähn­te: »How green were the Nazis?«. Ver­rück­ter Titel? Für mich ganz und gar nicht.

Die meist flap­sig gemein­te Bemer­kung, daß die Natio­nal­so­zia­lis­ten die ers­ten Grü­nen waren, wird häu­fi­ger gemacht, und man kann da in der Tat eini­ges auf­zäh­len: Plä­ne, durch ein Natur­schutz­ge­biet eine Eisen­bahn­stre­cke zu bau­en, wur­den gestri­chen. Eine bereits aus den zwan­zi­ger Jah­ren stam­men­de Ver­ord­nung zum Schutz von Tie­ren und Pflan­zen wur­de end­lich imple­men­tiert. Berufs­be­am­te erhiel­ten Schu­lun­gen über Vogel­schutz. Ein Jagd­ge­setz wur­de tier­freund­li­cher gestal­tet. Rekla­me­ta­feln auf dem Lan­de wur­den ver­hin­dert. Die öffent­li­chen Wäl­der und Parks wur­den her­ge­rich­tet, neue Parks ange­legt und eine Men­ge neu­er Natur­schutz­ge­bie­te ausgewiesen.

Anna Bramwell ist ein wich­ti­ger Name für die­je­ni­gen, die sich mit dem öko­lo­gi­schen Den­ken in der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts befas­sen, ehe die­ses Den­ken »tren­dy« wur­de und dar­über hin­aus größ­ten­teils eine links­pro­gres­si­ve Rich­tung ein­schlug. Bramwell ist berühmt-berüch­tigt für ihre The­se, daß es inner­halb der NSDAP einen ech­ten grü­nen Flü­gel mit Rudolf Hess und Walt­her Dar­ré als trei­ben­den Kräf­ten gab.

Hess war ein Anhän­ger der Anthro­po­so­phie Rudolf Stei­ners und ver­such­te als sol­cher, Stei­ners Auf­fas­sun­gen eines bio­dy­na­mi­schen Land­baus umzu­set­zen. Dar­ré hin­ge­gen, von 1933 bis 1942 Land­wirt­schafts­mi­nis­ter, woll­te nichts von der Anthro­po­so­phie wis­sen, trat aber den­noch für die öko­lo­gi­sche Land­wirt­schaft ein und woll­te dar­über hin­aus aus Deutsch­land einen Agrar­staat mit einer neu­en Land­aris­to­kra­tie machen.

Von Anfang an muß­te der »grü­ne Flü­gel« mit Gegen­spie­lern rech­nen, Heyd­rich und Bor­mann etwa, und Her­bert Backe, der von 1942 bis 1945 Dar­rés Nach­fol­ger als Minis­ter war. Als wäh­rend des Krie­ges Deutsch­lands Chan­cen auf einen Sieg schwan­den, wur­de mehr Wert auf die Men­ge der Nah­rung, die pro­du­ziert wer­den konn­te, gelegt, als auf deren pes­ti­zid­freie Herstellung.

Bramwell merkt an, daß dies das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deutsch­land den­noch nicht dar­an hin­der­te, eini­ge kraft­vol­le Geset­ze zum Schutz der Natur zu erlas­sen. Es war das ers­te euro­päi­sche Land, das Natur­schutz­ge­bie­te anleg­te (Ame­ri­ka tat dies bereits im 19. Jahr­hun­dert). 1934 gab es die ers­ten Vor­schrif­ten zum Schutz von Baum­plan­ta­gen, und ab 1940 wur­den Hecken geschützt, um die Lebens­räu­me wild­le­ben­der Tie­re zu sichern.

Als ein berüch­tig­tes Pam­phlet gilt in kon­ser­va­tiv-öko­lo­gi­schen Krei­sen Eco­fa­scism – Les­sons from the Ger­man Expe­ri­ence von Janet Biehl und Peter Stau­den­mai­er. Im ers­ten Teil des Büch­leins, geschrie­ben von Stau­den­mai­er, geht es um die­sen »Grü­nen Flü­gel« inner­halb der NSDAP. Tat­säch­lich muß sich Stau­den­mai­er nicht erst von des­sen Exis­tenz über­zeu­gen – die­ser gibt ihm näm­lich die pas­sen­de Waf­fe an die Hand, um jedes auch nur vage rechts­ge­rich­te­te Den­ken zu verdammen.

Wich­ti­ger noch als die Namen und Publi­ka­tio­nen, die er erwähnt, ist der »reak­tio­nä­re Öko­lo­gis­mus«, auf den er sei­ne Pfei­le rich­tet und den er im grü­nen Flü­gel der NSDAP zu erken­nen glaubt. Aus­drück­lich sorgt er sich um den zuneh­men­den Mys­ti­zis­mus und Anti­hu­ma­nis­mus inner­halb der öko­lo­gi­schen Bewe­gung, bei dem die Erde wich­ti­ger als der Mensch genom­men wird, bei dem Gefühl und Intui­ti­on der Ver­nunft vor­ge­zo­gen werden.

Nun aber zum Buch, das den Anlaß zu die­sem Arti­kel bil­det – How green were the Nazis?. Ideo­lo­gisch inter­es­sant sind die Aus­füh­run­gen der drei Her­aus­ge­ber, ob der Natio­nal­so­zia­lis­mus nun modern oder reak­tio­när genannt wer­den müs­se. Reak­tio­när wäre bis vor kur­zem die all­ge­mein erwar­te­te Ant­wort gewe­sen; die Natio­nal­so­zia­lis­ten hät­ten zu vor­mo­der­nen Zei­ten zurück gewollt. Aber nun hat sich das umgekehrt.

Heu­te ver­weist man auf die moder­nen Pro­pa­gan­da­tech­ni­ken, auf die För­de­rung von Tech­no­lo­gie und wis­sen­schaft­li­chen Unter­su­chun­gen. Daher attes­tie­ren die Autoren dem Natio­nal­so­zia­lis­mus Moder­ni­tät mit einem ata­vis­tisch-nost­al­gi­schem Rand, sei es auch nur, um einer Stim­mung zu ent­spre­chen. Und was das grü­ne The­ma angeht: Die Men­schen wur­den ange­regt, öko­lo­gi­sche Land­bau­tech­ni­ken anzu­wen­den, nutz­ten aber gleich­zei­tig auch künst­li­che Dün­ger und Pes­ti­zi­de, um die stets wach­sen­de städ­ti­sche Bevöl­ke­rung ver­sor­gen zu können.

Aber ein Zwie­spalt blieb immer bestehen, selbst inner­halb des Deut­schen Bun­des Hei­mat­schutz (DBH): Der grü­ne Flü­gel war eher nost­al­gisch und woll­te zurück zu vor­in­dus­tri­el­len Gewohn­hei­ten und Tra­di­tio­nen. Ande­re hin­ge­gen waren weni­ger starr und ver­ur­teil­ten mensch­li­che Ein­grif­fe in die Land­schaft nicht grundsätzlich.

Micha­el Imort von der kana­di­schen Wil­frid-Lau­rier-Uni­ver­si­tät lie­fert mit »Eter­nal Forest – Eter­nal Volk« einen der lesens­wer­tes­ten Arti­kel des Ban­des. Er beschreibt, wie die Natio­nal­so­zia­lis­ten ent­ge­gen allen Gepflo­gen­hei­ten der Zeit die Wäl­der öko­lo­gisch nut­zen woll­ten und den Holz­ertrag dabei voll­kom­men unbe­ach­tet ließen.

Kein gerin­ge­rer als Aldo Leo­pold, der Begrün­der der »Land Ethic«, wird zitiert mit einem Kom­men­tar, der vol­ler Lob ist für die deut­schen Plä­ne. Das ver­wun­dert nicht so sehr, denn Leo­polds Ent­wick­lung als Haupt­auf­se­her der ame­ri­ka­ni­schen Wäl­der war eben­so ver­lau­fen: von einer zuerst mehr öko­no­mi­schen zu einer öko­lo­gi­schen Sicht.

Imort wirkt (teil­wei­se) tat­säch­lich fas­zi­niert von den grü­nen Visio­nen der deut­schen Macht­ha­ber. Er läßt durch­schim­mern, daß es dem Reichs­forst­meis­ter Göring zwar vor allem um Macht­er­wei­te­rung ging, daß aber er und sein Stab »were eco­lo­gi­cal­ly awa­re to a degree not seen again until the 1980’s«.

Ein­drucks­voll ist die Auf­lis­tung eini­ger Punk­te über die Hal­tung der Natio­nal­so­zia­lis­ten gegen­über ein­zel­nen Bäu­men und Baum­ar­ten, ihrem Nut­zen und Wert für einen gesun­den Wald einer­seits und der Über­tra­gung die­ser Gedan­ken auf das Indi­vi­du­um als Teil eines gesun­den Vol­kes ande­rer­seits – vor allem, weil dies auch bei heu­ti­gen Grü­nen ein nicht geklär­tes The­ma ist. Imort zeigt schließ­lich noch auf, daß die hier beschrie­be­nen Prin­zi­pi­en der Wald­he­ge den Zwei­ten Welt­krieg über­lebt haben und sogar Teil des Wald­ge­set­zes 1975 in West-Deutsch­land waren.

Wer­fen wir erneut einen Blick auf Walt­her Dar­ré. Die bereits erwähn­te Anna Bramwell beschreibt ihn in ihrer Mono­gra­phie Blood and Soil – Richard Walt­her Dar­ré and Hitler’s »Green Par­ty« als Gegen­pol zu Hein­rich Himm­ler und des­sen impe­ria­lis­ti­schen Visionen.

Sie ver­steht ihn als Ver­tre­ter einer ech­ten Bau­ern­na­ti­on und der öko­lo­gi­schen Land­wirt­schaft, als jeman­den, des­sen Ideen zwar Teil des Par­tei­pro­gramms der drei­ßi­ger Jah­re waren, aber spä­ter von den Natio­nal­so­zia­lis­ten selbst ver­ra­ten wur­den. Bau­ern, so Dar­ré, sei­en der Ursprung der deut­schen öko­no­mi­schen und kul­tu­rel­len Vita­li­tät. Eine lan­ge Tra­di­ti­on von Sied­lungs- und Erb­mus­tern habe das deut­sche Volk geformt. Eine beson­de­re Ver­bin­dung zwi­schen dem deut­schen Volk (»Blut«) und dem Land (»Boden«) sah Dar­ré als his­to­ri­schen Grund­stein für das Über­le­ben Deutsch­lands und für sei­ne kul­tu­rel­le Dominanz.

Schon lan­ge vor den Natio­nal­so­zia­lis­ten, so schreibt Gesi­ne Ger­hard in ihrem Auf­satz »Bree­ding Pigs and Peo­p­le for the Third Reich«, habe man einen Zusam­men­hang von »Blut« und »Boden« erkannt. Agrar­ro­man­ti­ker des 19. Jahr­hun­derts hat­ten die orga­ni­sche Ein­heit von Volk und Land betont und die Bau­ern als Rück­grat der Gesell­schaft bezeich­net. Ernst Moritz Arndt ver­band Bau­ern­ro­man­tik mit Natio­na­lis­mus, als er den Staat dazu auf­rief, die Bau­ern als Stütz­pfei­ler des deut­schen Vol­kes anzu­er­ken­nen, und der Sozio­lo­ge Wil­helm Hein­rich Riehl hat­te ihren poli­ti­schen Wert als kon­ser­va­ti­ven Block in der Gesell­schaft betont.

Dar­ré gab jedoch »Blut und Boden« eine neue Kon­no­ta­ti­on. Blut war für ihn gleich­be­deu­tend mit Ras­se und die Bau­ern waren für ihn der Lebens­quell der nor­di­schen Ras­se. Er woll­te eine neue herr­schen­de Klas­se schaf­fen, die ihre Wur­zeln im Bau­ern­tum haben soll­te. Dar­ré war Spe­zia­list für die gene­ti­sche Selek­ti­on von Vieh und woll­te sei­ne Erkennt­nis­se aus der Tier­zucht auf Men­schen anwenden.

Neben die ras­si­sche Kom­po­nen­te stell­te Dar­ré noch den Lebens­raum im Osten. Die Roman­ti­ker des 19. Jahr­hun­derts hat­ten den Boden als Cha­rak­te­ris­ti­kum für das deut­sche Volk ange­se­hen, aber für Dar­ré war er die Recht­fer­ti­gung für die Erwei­te­rung des deut­schen Lebens­raums und die Ansied­lung von Volks­deut­schen dortselbst.

Wäh­rend sei­ner bei­na­he zehn­jäh­ri­gen Tätig­keit als Minis­ter konn­te Dar­ré einen Teil sei­ner Ideen durch­set­zen. Die Idee eines »Land­adels« blieb über­wie­gend ein theo­re­ti­sches Kon­strukt, ledig­lich die Idee eines »Erb­hofs« wur­de umge­setzt. Durch die­ses Gesetz wur­de gere­gelt, daß ein Bau­ern­hof zwi­schen 7,5 und 125 Hekt­ar beim Tod des Besit­zers unge­teilt an einen ein­zi­gen, ras­sisch selek­tier­ten Erben über­ge­hen muß­te. Obwohl es vie­ler­lei Wider­stand gegen die­se Neu­re­ge­lung gab, war Hit­ler ein hef­ti­ger Befür­wor­ter: Jede wei­te­re Dis­kus­si­on wur­de verboten.

Daß nun Blut, also Ras­se, Abstam­mung, Sip­pe, für die Natio­nal­so­zia­lis­ten wich­tig war, muß nicht mehr gesagt wer­den. Mark Bas­sin (Lon­don) unter­sucht in sei­nem Bei­trag die Anstren­gun­gen, die eini­ge unter­nah­men und unter­neh­men muß­ten, um auch dem geo­lo­gi­schen Begriff »Boden« und den dar­aus abge­lei­te­ten Begrif­fen Hei­mat, Land­schaft und Kul­tur­land­schaft zu ihrem Recht zu ver­hel­fen. In wel­chem Maß und wie ist das Wesen eines Volks ver­bun­den mit geo­gra­phi­schen Fak­to­ren wie Kli­ma, Boden­be­schaf­fen­heit, Vege­ta­ti­on, natür­li­chen Res­sour­cen, Mee­res­nä­he, Bevölkerungsverteilung?

Bereits in der völ­ki­schen Peri­ode, die dem Natio­nal­so­zia­lis­mus vor­aus­ging, beschäf­tig­te man sich mit den ange­bo­re­nen Merk­ma­len und den Umwelt­fak­to­ren. Fried­rich Rat­zel, Begrün­der der poli­ti­schen Geo­gra­phie und damals ein ein­fluß­rei­cher kon­ser­va­ti­ver Natio­na­list, erkann­te den Zusam­men­hang zwi­schen den Lebens­um­stän­den als Ursa­che und dem Volks­cha­rak­ter als Folge.

»Raum« war für ihn ein so wich­ti­ger Fak­tor, daß er selbst die schein­bar wert­lo­sen Sand­wüs­ten in Afri­ka als mög­li­che Kolo­nien und damit als »Lie­fe­ran­ten« für Raum sah. Inner­halb der völ­ki­schen Bewe­gung beschränk­ten die meis­ten jedoch ihren Lebens­raum auf den Heimatboden.

In den zwan­zi­ger Jah­ren gewann die Paro­le »Blut und Boden« Raum, wobei das Blut ein­deu­tig der wich­ti­ge­re Fak­tor war. Laut der gemä­ßig­ten Ver­si­on leg­ten die Umge­bungs­fak­to­ren die Ras­se­merk­ma­le fest. So hät­ten die Juden ihre typi­schen Ras­se­merk­ma­le durch ihr ursprüng­li­ches Wüs­ten­mi­lieu erhal­ten. In der Fol­ge habe dann auch das Blut – ent­lang die­ser boden­ge­präg­ten Grund­le­gung – die ent­schei­den­de Rol­le gespielt.

Hit­ler selbst behaup­te­te in den drei­ßi­ger Jah­ren, daß ein ärm­li­ches geo­gra­phi­sches Milieu die eine Ras­se zu Höchst­leis­tun­gen sti­mu­lie­ren kön­ne, für eine ande­re aber bit­te­re Armut und unan­ge­paß­te Nah­rung bedeu­ten kön­ne. Und Wal­ter Dar­ré war ein Prot­ago­nist der Theo­rie, wonach die Umwelt­fak­to­ren durch Ras­se­fak­to­ren abge­löst wür­den. Es ver­wun­dert nicht, daß die Ideen von Rat­zel im Drit­ten Reich auf wenig Bei­fall rech­nen konn­ten, zumal er oft den »Ras­sis­mus« kritisierte.

Weni­ger bekannt als Dar­ré ist Alwin Sei­fert, der tat­säch­lich als »grü­ner Natio­nal­so­zia­list« bezeich­net wer­den kann. Er leb­te von 1890 bis 1972, hat­te vier ver­schie­de­ne poli­ti­sche Sys­te­me erlebt und erklär­te, daß er über die Zei­ten hin­weg immer die glei­chen Ideen ver­tre­ten habe.

Tho­mas Zel­ler nennt ihn in sei­nem Bei­trag »The most pro­mi­nent envi­ron­men­ta­list in the Third Reich«. Er hat­te den eher sym­bo­li­schen Titel des »Reichs­land­schafts­an­walts« und muß­te, eben­so wie Haus­ho­fer, fort­wäh­rend um sei­ne Bezie­hung zum Sys­tem rin­gen. Sei­ne Umwelt­vi­si­on war anthro­po­zen­tris­tisch, aber viel­leicht doch ehr­li­cher und tief­ge­hen­der als bei Darré.

Sei­fert war nicht von Wild­nis oder Natur, son­dern von Land­schaft ideo­lo­gisch inspi­riert. Land­schaf­ten muß­ten ent­wor­fen, gestal­tet und not­falls auch geheilt wer­den. Als Land­schaft bezeich­ne­te er den kul­tu­rel­len Raum, in dem Men­schen und Natur auf­ein­an­der ein­wirk­ten. Wenn die­se Inter­ak­ti­on har­mo­nisch war, wer­de die Land­schaft anzie­hend und schön. Wenn die­se Bezie­hung jedoch gestört war, wer­de sie häßlich.

Sei­fert, der sich selbst nicht als einen tra­di­tio­nel­len Natur­schüt­zer sah, woll­te bei den mensch­li­chen Ein­grif­fen in die Land­schaft ziem­lich weit gehen. Indus­tria­li­sie­rung und Moder­ni­sie­rung soll­ten ruhig ihren Platz haben, wenn die »See­le« nur aus­ge­nom­men sei. Eine wich­ti­ge Rol­le in der Land­schafts­ge­stal­tung spiel­te für ihn natür­lich der Land­bau. 1930 wur­de Sei­fert zum Adep­ten der Stein­erschen Anthroposophie.

Die öko­no­mi­sche Depres­si­on der frü­hen drei­ßi­ger Jah­re war auch für Archi­tek­ten wie Sei­fert eine har­te Zeit. Er fand beim Auto­bahn­bau Beschäf­ti­gung – Fritz Todt, der Chef­inge­nieur des Pro­jekts, wur­de als Haupt­red­ner bei einer Zusam­men­kunft von Natur­schüt­zern ein­ge­la­den. Obwohl er den Land­schafts­schutz beim Auto­bahn­bau fak­tisch ver­wei­ger­te, ver­sprach er den­noch, die­sen gebüh­rend zu berücksichtigen.

Bei der glei­chen Ver­samm­lung äußer­te sich Sei­fert über die »Ver­al­te­te Roman­tik« der tra­di­tio­nel­le­ren Natur­schüt­zer. Er wur­de offi­zi­el­ler Bera­ter von Todt und konn­te 15 eige­ne Mit­ar­bei­ter anstellen.

In der Zeit bis 1941, als das Auto­bahn­pro­jekt been­det war, gab es kon­ti­nu­ier­lich Strei­te­rei­en zwi­schen ihm und den eher kon­ven­tio­nel­len Inge­nieu­ren. Die Land­schafts­ar­chi­tek­ten woll­ten Stra­ßen in gebo­ge­nen For­men so wie in und um die gro­ßen Natur­re­ser­va­te in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Die Inge­nieu­re hin­ge­gen woll­ten gera­de Stra­ßen, so wie es bis dahin Norm gewe­sen war, und konn­ten sich damit über­wie­gend durchsetzen.

Das hin­ge­gen rief die Land­schafts­ar­chi­tek­ten auf den Plan, ange­führt von Sei­fert selbst, sich ideo­lo­gisch zu posi­tio­nie­ren. Sie wehr­ten sich gegen »Ein­wan­de­rer« in das Öko­sys­tem, exo­ti­sche und impor­tier­te Pflan­zen, die das ein­hei­mi­sche öko­lo­gi­sche Gleich­ge­wicht zu stö­ren droh­ten – ein The­ma, das auch heu­te noch aktu­ell ist. Sei­fert agier­te sehr geschickt und ver­stand es, die öffent­li­che Mei­nung auf sei­ne Sei­te zu bringen.

Sei­fert wand­te sich auch gegen eine »Ver­step­pung« oder »Ver­wüs­tung« des Lan­des, die durch von den Inge­nieu­ren geleg­te Drai­na­gen und den damit ein­her­ge­hen­den zu schnel­len Was­ser­ab­fluß ver­ur­sacht wür­den. Däm­me wur­den ange­legt, Was­ser­läu­fe begra­digt. Das führ­te zu Über­schwem­mun­gen strom­ab­wärts, wäh­rend gleich­zei­tig strom­auf­wärts Tro­cken­heit auf­trat. Sei­fert schil­der­te die­se Zusam­men­hän­ge sehr holis­tisch-öko­lo­gisch. Der mecha­ni­sche Blick auf die Natur müs­se durch einen intui­tiv-respekt­vol­len ersetzt wer­den. In sei­ner orga­ni­schen Visi­on war die Natur ein Gan­zes, wor­in vom kleins­ten Tau­trop­fen bis zum gan­zen Uni­ver­sum alles mit­ein­an­der ver­wo­ben war.

Eini­ge Beam­te und Wis­sen­schaft­ler waren so erbost über die Aus­füh­run­gen Sei­ferts z. B. zum Was­ser­haus­halt, daß Dar­ré Todt anwies, Sei­fert zum Schwei­gen zu brin­gen. Auch von des­sen Aus­füh­run­gen zum Stein­erschen bio­dy­na­mi­schen Land­bau hielt er nichts. Doch Todt wei­ger­te sich und auch Rudolf Hess unter­stütz­te Sei­fert. Nach Hess’ Eng­land-Flug 1941 wur­den die Rudolf-Stei­ner-Schu­len und der bio­dy­na­mi­sche Land­bau verbannt.

Sei­fert war mit sei­ner Kri­tik an den Was­ser­we­gen und hydro­elek­tri­schen Kraft­wer­ken weni­ger erfolg­reich als mit sei­ner Land­schafts­ar­chi­tek­tur. Es gelang ihm aber, ein Stau­damm­pro­jekt in den Alpen, das gan­ze Täler geflu­tet hät­te, zu verhindern.

Die Fra­ge bleibt ste­hen: Wie grün waren die Natio­nal­so­zia­lis­ten? Die Ant­wort kann nicht sehr spek­ta­ku­lär aus­fal­len, denn die Fra­ge ähnelt der, ob ein Glas halb­voll oder halb­leer sei. Die Natio­nal­so­zia­lis­ten beschlos­sen eine Rei­he sehr natur­ge­rich­te­ter und tier­freund­li­cher Maß­nah­men. Auf der ande­ren Sei­te gab es die moder­nis­ti­sche und tech­no­kra­ti­sche Sei­te und die Rück­sichts­lo­sig­keit gegen das Leben und den Lebens­raum jener, die nicht dazu­ge­hö­ren sollten.

Deut­lich ist, daß die Natio­nal­so­zia­lis­ten kei­ne über­zeug­ten Grü­nen waren. Aber wer war das schon, lau­tet viel­leicht die Gegen­fra­ge. Lud­wig Kla­ges viel­leicht, imer­hin ver­trat er schon zwei Jahr­zehn­te zuvor radi­kal-öko­lo­gi­sche Stand­punk­te. Und Mar­tin Heid­eg­ger war zwar ein Sym­pa­thi­sant der Natio­nal­so­zia­lis­ten, wur­de aber immer grü­ner und eben wegen des Tech­no­kra­ti­schen-Moder­nis­ti­schen ging er auf Abstand – ihm waren die Natio­nal­so­zia­lis­ten nicht grün genug.

Blut und Boden – so anrü­chig das auch klin­gen mag – blei­ben wich­ti­ge Phä­no­me­ne für jene, die heu­te nach nicht-öko­no­mi­schen Wer­ten suchen. Wer unter »Blut« Ver­wandt­schaft ver­steht, wird heut­zu­ta­ge bei Richard Hunt und sei­ner Bewe­gung »Alter­na­ti­ve Green« fün­dig. Hunt sieht das idea­le Zusam­men­le­ben in Dör­fern mit nicht mehr als 500 Ein­woh­nern. Das Zusam­men­le­ben auf Ver­wandt­schaft zu grün­den, ist in Natio­nal­staa­ten wie Eng­land, Deutsch­land oder Frank­reich gar nicht so weit her.

Boden, als Syn­onym für geo­gra­phi­sche, bio­lo­gi­sche und kli­ma­to­lo­gi­sche Fak­to­ren, spielt in der zwar beschränk­ten, aber in Ame­ri­ka nicht unwich­ti­gen grü­nen Bewe­gung des »Bio­re­gio­na­lis­mus« ein Rolle.

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