Nicht nur Knickerbocker für den Chef: Mohlers Briefe an Ernst Jünger

von Adolph Przybyszewski

Armin Mohler war ein elegant schreibender, weltgewandter Intellektueller, eine Spezies, die in der späten...

BRD zwei­fel­los auf die Lis­te der bedroh­ten Arten gesetzt wer­den müß­te. Sein kom­pro­miß­lo­ser Anti­li­be­ra­lis­mus blieb stets gekop­pelt an eine per­sön­li­che Libe­ra­li­tät und Offen­heit, die man bei soge­nann­ten Libe­ra­len kaum, bei den ver­meint­lich Lin­ken der Gegen­wart über­haupt nicht fin­det. So ist es kein Wun­der, daß Moh­ler im Grun­de seit den spä­ten 1960er Jah­ren den groß­west­deut­schen Funk­ti­ons­eli­ten als Schwar­zer Mann die­nen mußte.

Eigen­stän­dig den­ken­den und fra­gen­den Leu­ten gleich wel­cher Cou­leur trat er stets offen und gast­freund­lich ent­ge­gen, unter sei­nen Besu­chern und Kor­re­spon­den­ten fin­den sich illus­tre und sub­stan­ti­ell inter­es­san­te Leu­te aus aller Welt. Moh­lers schrift­li­cher Nach­laß wur­de nach sei­nem Tod ins Deut­sche Lite­ra­tur­ar­chiv nach Mar­bach am Neckar über­führt, an die Sei­te der Nach­läs­se vie­ler, mit denen er Brie­fe gewech­selt hat­te, etwa die der Brü­der Jünger.

Daß jener Moh­ler und die­ser Jün­ger den Nukle­us einer klan­des­tin ope­rie­ren­den deut­schen Rech­ten gebil­det hät­ten, ist ein Topos staats­tra­gen­der For­schung in DDR und BRD seit jeher; ange­sichts des­sen müß­te man es längst als Desi­de­rat betrach­tet haben, die Kor­re­spon­denz die­ser bei­den schwar­zen Soli­tä­re unter den bra­ven deut­schen Scha­fen der Öffent­lich­keit zugäng­lich zu machen.

Es soll­te also Erik Leh­nert, dem Her­aus­ge­ber des nun­mehr zumin­dest in Tei­len vor­lie­gen­den Brief­wech­sels, der Dank nicht nur der Afi­ci­o­na­dos, son­dern auch der uni­ver­si­tä­ren Volks­päd­ago­gik gewiß sein.

Frei­lich hat der Haus­ver­lag Jün­gers alles dafür getan, die­ses Unter­neh­men zu erschwe­ren. Die münd­li­che Zustim­mung der Wit­we Ernst Jün­gers zur Publi­ka­ti­on sei­ner Brie­fe an Moh­ler bei Antai­os hat Klett-Cot­ta, inzwi­schen Inha­ber der ein­schlä­gi­gen Rech­te am Nach­laß, igno­riert und die Druck­ge­neh­mi­gung nicht erteilt.

Eine his­to­risch-kri­ti­sche Aus­ga­be, die auch Jün­gers Brie­fe in vol­ler Län­ge erschließt und kom­men­tiert, bleibt damit lei­der auch nach der ver­dienst­vol­len Lese­aus­ga­be Erik Leh­nerts ein Desiderat.

Zu Wort kommt in der vor­lie­gen­den Edi­ti­on eigent­lich nur Moh­ler, wäh­rend die Schrei­ben Jün­gers in weni­ge Zei­len, manch­mal zu kur­so­risch fürs bes­se­re Ver­ständ­nis, zusam­men­ge­faßt werden.

Neben ein­füh­ren­dem Vor­wort und Anhang prä­sen­tiert der Band, in fünf Abschnit­te geglie­dert, die Kor­re­spon­denz Moh­lers mit Jün­ger von Anfang 1947 bis 1961. Im Anschluß an die jewei­li­gen Abschnit­te fin­den sich die Erläu­te­run­gen des Her­aus­ge­bers: sie schlüs­seln die Zusam­men­hän­ge der Brie­fe knapp auf.

Die Vor­ge­schich­te und der Ver­lauf der Bezie­hung zwi­schen Moh­ler und Jün­ger ist bekannt, Karl­heinz Weiß­mann hat sie bereits umris­sen. Der Brief­wech­sel beleuch­tet nun die Kern­zeit die­ser Zusam­men­ar­beit zwei­er selbst­be­wuß­ter Män­ner, die sich, trotz des deut­li­chen Unter­schie­des in Alter und Erfah­run­gen, bei allem sou­ve­rä­nen Respekt Moh­lers von Anfang an als eine Begeg­nung auf Augen­hö­he erweist.

Frei­lich hat die Kor­re­spon­denz eine wech­seln­de Dich­te und Qua­li­tät: Beginnt sie eher als typi­scher All­tags­brief­wech­sel, der vor allem Ver­lags­be­zie­hun­gen, Rezep­ti­ons­fra­gen und mate­ri­el­ler Unter­stüt­zung Jün­gers aus der Schweiz gewid­met ist – man will in Kirch­horst etwa Kni­cker­bo­cker tra­gen –, schreibt sich Moh­ler 1948 all­mäh­lich frei.

In der Zeit sei­nes Sekre­ta­ri­ats bei Jün­ger in Ravens­burg und Wilf­lin­gen dün­nen die Brie­fe aus; als Moh­ler 1953 für die Schwei­zer Tat nach Paris geht, ver­dich­ten sich Fre­quenz und Sub­stanz der Korrespondenz.

Moh­lers Grund­te­nor hin­sicht­lich des ver­ehr­ten Autors ist schon beim Stu­den­ten klar zu ver­neh­men: So schreibt er 1947 als »Stim­me des Lesers«, daß Jün­ger auf sei­ne »frü­hen Wer­ke kein Recht mehr« habe, sie nicht mehr ihm gehör­ten – dies wird dann auch rund 15 Jah­re spä­ter jene Rezen­si­on Moh­lers prä­gen, die zum Zer­würf­nis zwi­schen dem alten und dem jun­gen Alpha­tier führte:

Als unter dem Lek­to­rat von Lise­lot­te Loh­rer, der zwei­ten Frau Jün­gers, der ers­te Band der zehn­bän­di­gen Werk­aus­ga­be bei Klett erschien, jene frü­hen Wer­ke in über­ar­bei­te­ter Form ent­hal­tend, ver­trat Moh­ler, immer noch respekt­voll, das Recht der Leser auf die wir­kungs­rei­che »Ori­gi­nal­fas­sung« der Texte.

Sein Blick auf den »Chef« blieb stets unbe­stech­lich, Kri­tik wur­de offen geäu­ßert: Die ers­te Lek­tü­re der Strah­lun­gen sei »mit Gefüh­len der Unlust und Unsi­cher­heit ver­bun­den«, schrieb er Jün­ger 1947, mit dem Welt­staat und ande­rem war er gar nicht ein­ver­stan­den, und die Ten­denz zur Kreis­bil­dung um Jün­ger, »der Ver­ein und die Sek­te«, ver­scheu­che »die frei­en Geis­ter«. Der­glei­chen »Frech­hei­ten« fin­den sich zuhauf, so daß sich der Band stre­cken­wei­se recht unter­halt­sam liest.

Auf­schluß­reich ist Leh­nerts Edi­ti­on in jedem Fall: Sie erschließt jenes Netz­werk Jün­gers wei­ter, das sich bereits in den publi­zier­ten Brief­wech­seln mit Schmitt, Nebel, Hiel­scher und Heid­eg­ger deut­lich abzeich­ne­te. Für Jün­ger-Phi­lo­lo­gen, aber auch His­to­ri­ker zur Geschich­te der Nach­kriegs­zeit ist der Band bis auf wei­te­res unverzichtbar.

Armin Moh­ler: Lie­ber Chef … Brie­fe an Ernst Jün­ger 1947–1961, Schnell­ro­da: Antai­os 2016. 556 S., 44 € – hier bestel­len!

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Kommentare (11)

Karl Brenner

23. April 2016 00:15

Was ich sehr interessant finde ist, daß er vorher eine Art "Linker" gewesen war. Es ist also wichtig, den neuen Menschen so schnell wie möglich von der Unmöglichkeit und dem Schaden der Links/Grünen Ideologie zu befreien, und dem rechten konservativen Glauben zuzuführen. Auch um ihrer selbst willen, damit sie sich nicht selber weiter schädigen. So wird das Engagement auch zu einer tiefst christlichen und menschlichen Angelegenheit.

Sabine

23. April 2016 16:02

Sehr schöne Rezension, danke -- wenn leider auch nicht genauer erklärt wird, warum die Jünger-Brief später allesamt irgendwie umgeschrieben worden sind. Wenn eine so wichtige Quelle wie die Briefe Jüngers allesamt nicht im Original vorliegen -- dann bekommt man so seine Zweifel: an derzeit zirkulierden Jüngerbildern wie an Jünger höchst selbst.

Gleichwohl -- solche Stellen wie diese hier -- sind Goldstaub:

Mohler äußert freimütig seine Kritik und begründet sie mit bleibendem Gehalt: »der Verein und die Sekte«, verscheuche »die freien Geister«!!!

Nordlaender

23. April 2016 20:22

@ Karl Brenner

So wird das Engagement auch zu einer tiefst christlichen und menschlichn Angelegenheit."

Mit dem Christentum hatte es der Schweizer Mohler eher nicht so. Und hätte ihm ein konservativer Sozialtechniker mit einer Zuführung gedroht, vielleicht wäre dieser eigenwillige Anarcho dann ja doch ein Linker geblieben.

Andreas Walter

24. April 2016 08:22

@Sabine

Danke, liebe Sabine, das Sie diese Frage entweder wissend rhetorisch oder unschuldig neugierig hier gestellt haben.

Denn sie hat auch mich vorhin nachdenklich, neugierig gemacht, und nach gerade mal 1 Stunde Recherche konnte ich sie mir bereits beantworten.

Herrn Kubitschek möchte ich dazu sagen, dass ich auch ihn jetzt auch wieder ein Stück besser verstehe, ich seinen Schmerz darum mit ihm teile. Bei mir ist es meine Liebe auch zu Globen und Atlanten, zu Karten jeder Art, weshalb ich gerade so erschüttert bin. Karten, wie sie auch in Schulbüchern vorkommen, wenn Sie verstehen was ich meine. Diese Menschen vergehen sich also im Grunde schon an Schulkindern, auch an Unseren, und haben damit die letzten 70 Jahre ein Vermögen gemacht.

Ich werde von Tag zu Tag darum unversöhnlicher, je mehr ich von den Verbrechen mancher Menschen auch an unserem Volk, an mir, an meinen Eltern und Grosseltern erfahre. Die Dimension des Ganzen ist eigentlich unfassbar, und deshalb verdränge ich es wahrscheinlich auch immer wieder.

Ein Besuch in Godenholm ist für jeden eben etwas anderes.

Wahrheitssucher

24. April 2016 13:11

@Andreas Walter

"Ich werde von Tag zu Tag darum unversöhnlicher, je mehr ich von den Verbrechen mancher Menschen auch an unserem Volk, an mir, an meinen Eltern und Grosseltern erfahre. Die Dimension des Ganzen ist eigentlich unfassbar, und deshalb verdränge ich es wahrscheinlich auch immer wieder."

Wir können nur damit leben, indem wir immer wieder verdrängen.

Und damit wir nicht dagegen aufbegehren, wird der Schuldkult gegen uns und in der Folge der "Kampf gegen rechts" u.ä. tagtäglich in immer steigenderem Maße betrieben...

Und wenn sich tatsächlich daran nichts mehr ändern sollte, und man eines Tages an das Ende seiner Tage gekommen sein wird, dann wird einem vielleicht nur der eine Trost bleiben:

Man wird wenigstens nicht dumm und verdummt gestorben sein...

Sabine

24. April 2016 13:44

@Andreas Walter

Sehr geehrter Herr Walter - nehmen Sie mir die Unschuld und ersparen Sie mir eine Stunde Recherche: Am besten natürlich argumentativ, im Zweifelsfalle auch via Link. Daß ich so unmittelbar vor der Wahrheit verschmachten soll, müßte Ihnen doch mißfallen!

Rautenklausner

24. April 2016 13:45

"Daß jener Mohler und dieser Jünger den Nukleus einer klandestin operierenden deutschen Rechten gebildet hätten, ist ein Topos staatstragender Forschung in DDR und BRD seit jeher"

- Könnten Sie mir eventl. verraten, wo es Forschung in der DDR zu Mohler gegeben hat? Einen Mohler-Topos? Wäre ein echtes Desiderat, von mir...

Wahrheitssucher

24. April 2016 17:51

@Andreas Walter

"Ich werde von Tag zu Tag darum unversöhnlicher, je mehr ich von den Verbrechen mancher Menschen auch an unserem Volk, an mir, an meinen Eltern und Grosseltern erfahre. Die Dimension des Ganzen ist eigentlich unfassbar, und deshalb verdränge ich es wahrscheinlich auch immer wieder."

Und wir können nur damit leben, indem wir es verdrängen.
Immer wieder und immer wieder.

Und was geschieht, geschieht damit wir nicht aufbegehren...

Ellen Kositza

24. April 2016 21:31

Liebe Sabine,
wenn ich Ihre Frage richtig verstehe, dann finden Sie die Antwort doch in der Rezension:

"Freilich hat der Hausverlag Jüngers alles dafür getan, dieses Unternehmen zu erschweren. Die mündliche Zustimmung der Witwe Ernst Jüngers zur Publikation seiner Briefe an Mohler bei Antaios hat Klett-Cotta, inzwischen Inhaber der einschlägigen Rechte am Nachlaß, ignoriert und die Druckgenehmigung nicht erteilt."

Darum die Notwendigkeit der Paraphrase!

Corpsstudent

26. April 2016 18:07

An 'Rautenklausner'

Joachim Patzelt nimmt in seinem Buch 'Konservative Theoretiker des deutschen Faschismus - Jungkonservative Ideologen in der Weimarer Republik als geistige Wegbereiter der faschistischen Diktatur"(erschienen im VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin/DDR) mehrfach Bezug auf Armin Mohler

Westdeutsche Lizenzausgabe 1978 erschienen im Pahl-Rugenstein Verlag Köln unter dem Titel "Wegbereiter des deutschen Faschismus"

Andreas Walter

27. April 2016 07:54

@Sabine

Hier noch ein zweites Beispiel, Sabine, wie angeblich seriöse und lediglich dem Anschein nach humanitäre Verlage, die auch Bildungsmaterial und Schulbücher verlegen in Wirklichkeit Gehirnwäsche selbst schon an Kindern betreiben, die Wahrheit seit 70 Jahren manipulativ hintertreiben. Quelle:

https://www.facebook.com/Prof.Dr.Joerg.Meuthen/photos/a.554885501326826.1073741828.554345401380836/617305638418145/?type=3&theater

Dann hier einfach auf die Vorschau klicken und mal ein bisschen schmökern:

https://verlage.westermanngruppe.de/schroedel/anlage/4581109/Wahlprogramm-Was-die-AfD-wirklich-will-Politik-ab-Klasse-7

Gehören tut in diesem Fall der Westermann Verlag mehrheitlich der sogar auf über eine Milliarde Euro Vermögen geschätzten Familie Schaub:

https://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_Schaub

Das sind die Leute, denen wir die Umerziehung aber leider eben auch Täuschung des Deutschen Volkes über sich selbst und seine Geschichte verdanken.

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