Birgit Kelle: »Endlich sagt’s mal eine!«

aus Sezession 57 / Dezember 2013

Sezession: Frau Kelle, wie sieht eine »Frau von heute« nach Ihren Wünschen aus?

Kelle: Wie eine Frau, die es schafft, ihren Weg zu gehen, ihr Glück zu suchen und im Idealfall sogar zu finden, ohne sich von der Gesellschaft oder gar anderen Frauen vorschreiben zu lassen, welches das zugeteilte Häppchen Glück für sie zu sein hat. Mein persönliches Wunschbild für die »Frau von heute« ist so betrachtet völlig irrelevant, denn es geht nicht darum, meine Vorstellungen für andere zu definieren, sondern jeder Frau die Möglichkeit zu schaffen, ihr eigenes Wunschbild zu werden.

Sezession: Sie haben sich also selbst beschrieben? War es ein langer oder bloß ein schwieriger Weg dorthin?

Kel­le: Sie gehen also davon aus, daß ich mein eige­nes Ide­al bereits erreicht habe? Manch­mal, nach einem lan­gen Fami­li­en­tag und Schreib­tisch­ar­beit bis in die Nacht, bin ich nicht ganz sicher, ob mein Wunsch­bild und ich uns nicht ein biß­chen ent­frem­det haben. Zumin­dest wür­de ich heu­te sagen: Ich weiß, was ich will und ich for­de­re es auch ein. Für die­sen Satz habe ich aller­dings eini­ge Jah­re gebraucht.

Sezes­si­on: Ins­ge­samt klingt das nach jener Wahl­frei­heit, von der jeder in Deutsch­land und in der gesam­ten west­li­chen Hemi­sphä­re mehr als genug vor­fin­det. Geht es nicht viel­mehr um die – mei­net­hal­ben frei­wil­li­ge – Rück­bin­dung in die Fest­le­gung als Frau, also dar­um zu akzep­tie­ren, daß es noch immer die Frau­en sind, die die Kin­der krie­gen und die über die­ses Schick­sal nicht frei dis­po­nie­ren sollten?

Kel­le: Mir gefällt der Begriff der »Rück­bin­dung« nicht. Wir keh­ren mit unse­rem Wunsch, Kin­der zu bekom­men, nicht zurück. Wir haben uns nie davon gelöst. Wir waren immer Frau­en, wir sind Frau­en und wir wer­den es immer blei­ben. Sie bedie­nen sich hier der Rhe­to­rik der Alt­fe­mi­nis­tin­nen, die ja immer wie­der besorgt einen back­lash der Frau­en zurück an den Herd und in die Fami­lie kri­ti­sie­ren. Auch sie igno­rie­ren, daß die Mehr­heit der Frau­en die tra­di­tio­nel­le Rol­le der Frau als Ehe­frau und Mut­ter nie ver­las­sen hat und auch nie ver­las­sen woll­te. Die Wahl­frei­heit, von der Sie mehr als genug sehen, fin­de ich aller­dings nur auf dem Papier. Wenn einer Frau gesell­schaft­li­che Äch­tung als »Heim­chen am Herd«, beruf­li­ches und damit finan­zi­el­les Aus und Alters­ar­mut dro­hen, weil sie sich heu­te noch dafür ent­schei­det, Kin­der vor Kar­rie­re zu set­zen, dann ist sie nicht frei in ihrer Ent­schei­dung, son­dern wird nahe­zu genö­tigt, sich in ein zuge­teil­tes Rol­len­mo­dell einzufügen.

Sezes­si­on: Sehen Sie, genau des­halb sprach ich von »Rück­bin­dung«: Gera­de weil etli­che Frau­en sich genö­tigt sehen, einem Bild jen­seits ihres Kin­der­wun­sches zu ent­spre­chen, ist die Ent­schei­dung gegen den Vor­rang der Kar­rie­re eine nicht im Sin­ne der Mei­nungs­ma­cher voll­zo­ge­ne Besin­nung auf etwas, das immer galt – eine »Rück­bin­dung« eben …

Kel­le: Zurück kann ich nur, wenn ich schon mal weg­ge­gan­gen bin. Wer immer dort geblie­ben ist, wo er war, geht nicht zurück, son­dern bleibt, wo er ist. Ich akzep­tie­re die Rich­tung zurück nicht, wie bereits dar­ge­legt, denn sie erin­nert mich zu sehr an die vor­wurfs­vol­len Anfein­dun­gen durch Frau­en, die nicht begrei­fen wol­len, dass ich nicht die­sel­be Rich­tung ein­schla­ge, die sie mir vor­ge­ben wollen.

Sezes­si­on: In Ihrem Buch schla­gen Sie einen selbst­be­wuß­ten Ton an: Mei­nen Sie, daß Sie eigent­lich für eine Mehr­heit spre­chen, die nur auf­grund media­ler Ver­zer­rung als abge­häng­te Min­der­heit erscheint?

Kel­le: Ja, das glau­be ich in der Tat nach den mehr als 1000 Zuschrif­ten, die mich im Lau­fe der Jah­re erreicht haben. Und mög­li­cher­wei­se war genau die­se Erkennt­nis, dass wir die schwei­gen­de Mehr­heit im Land sind, der Punkt, an dem ich auf­ge­hört habe, dar­auf Rück­sicht zu neh­men, was wohl ande­re über mich und mei­ne Mei­nung denken.

Sezes­si­on: Wor­an liegt es Ihrer Mei­nung nach, daß in die­sem Fal­le eine Min­der­heit den öffent­li­chen Kampf um die Rol­le der Frau prägt? Liegt dies am Zugang zum Macht­ha­ber, also: am Zugang zu den Medien?

Kel­le: Nicht nur am Zugang zu den Medi­en, son­dern auch zur Poli­tik. In bei­den Fel­dern domi­nie­ren Frau­en, die ent­we­der selbst kin­der­los sind, oder das Lebens­mo­dell »Kin­der ja, aber Kar­rie­re geht wei­ter mit Hil­fe von Fremd­be­treu­ung«, favo­ri­sie­ren. Also der Typus von der Ley­en und Co. Nun ist mir per­sön­lich ja egal, wie ande­re Leu­te ihr Fami­li­en­le­ben gestal­ten. Das Pro­blem beginnt aber, wenn sie neben ihrem eige­nen Weg kei­ne ande­ren Wege zulas­sen. Ges­tern erst »twit­ter­te« mir die Chef­re­dak­teu­rin eines Fami­li­en­ma­ga­zins zu, mein Frau­en­bild ver­ur­sa­che bei ihr »gro­ße kör­per­li­che Schmer­zen«. Manch­mal habe ich das Gefühl, es geht gar nicht mehr um die Gleich­be­rech­ti­gung zwi­schen Mann und Frau. Hier wird die Deu­tungs­ho­heit über das ein­zig rich­ti­ge Frau­en­le­ben mit allen Mit­teln ver­tei­digt, und wer in den Medi­en Prä­senz hat, domi­niert die Debatte.

Sezes­si­on: Über wel­che Kanä­le der Gegen­öf­fent­lich­keit ver­fü­gen Sie?

Kel­le: Na, offen­sicht­lich inzwi­schen über eini­ge. Es hat zwar ein paar Jah­re gedau­ert, aber ich kann mich der­zeit nicht dar­über beschwe­ren, medi­al igno­riert zu wer­den. Das Inter­net ist hier übri­gens ein groß­ar­ti­ges Medi­um. Es bricht die Domi­nanz von Chef­re­dak­teu­ren und Res­sort­lei­tern oder gar Leser­brief­re­dak­teu­ren. Jeder kann sich arti­ku­lie­ren und es über sozia­le Netz­wer­ke tei­len. Wenn Sie ein­mal das Bei­spiel mei­ner Kolum­ne »Dann mach doch die Blu­se zu« zur Sexis­mus-Debat­te bei The Euro­pean, Freie Welt und kath.net im Janu­ar die­sen Jah­res neh­men: Die­ser Arti­kel gegen die twit­ter-Offen­si­ve #auf­schrei, den ver­mut­lich kein Print­ma­ga­zin zu die­sem Zeit­punkt gedruckt hät­te, weil sich die deut­schen Medi­en damals gera­de einig waren, daß wir Frau­en doch alle Opfer und alle Män­ner Täter sei­en – die­ser Arti­kel ist inner­halb weni­ger Tage über 170000 Mal im Inter­net in sozia­len Netz­wer­ken wie Twit­ter und Face­book geteilt wor­den. Von sol­chen Leser­zah­len träumt so man­ches Print­me­di­um. Man kann also über das Inter­net die Schwei­ge­spi­ra­len durchbrechen.

Sezes­si­on: Auch mit Ihrem Buch – das sicher­lich aus PR-Grün­den den­sel­ben Titel trägt wie Ihr Auf­satz vom Janu­ar die­ses Jah­res – schei­nen Sie die Miß­ach­tungs­mau­er zu durch­bre­chen. Wer kauft das, wer ist der Durchschnittsleser?

Kel­le: Genau kann ich das natür­lich nicht sagen, der Han­del mel­det mir ja kei­ne Steck­brie­fe. Anhand der zahl­rei­chen Zuschrif­ten, die ich bekom­me, sind es vie­le Müt­ter und Haus­frau­en. Ihre Brie­fe sind wie ein gro­ßes Auf­at­men, daß sie end­lich zur Kennt­nis genom­men wer­den. Wirk­lich vie­le ent­hal­ten den Satz: »Sie spre­chen mir aus der See­le«. An zwei­ter Stel­le sind es Fami­li­en­vä­ter oder Ehe­paa­re, die gemein­sam schrei­ben und mir ihre Lebens­ge­schich­ten und Fami­li­en­fo­tos zusen­den. Sie berich­ten von ihrem Fami­li­en­glück, von den finan­zi­el­len Ent­beh­run­gen, die sie aber jeder­zeit wie­der für die Fami­lie in Kauf neh­men wür­den. Vie­le älte­re Frau­en schrei­ben mir die Höhe ihrer Ren­te, nach­dem sie drei, vier oder mehr Kin­der groß­ge­zo­gen haben. Das ist eine Schan­de für unser Land! Dann schreibt noch die Grup­pe der Sin­gle­frau­en, die ger­ne Fami­lie hät­te, sich aber einem unge­heu­ren Druck aus­ge­setzt sieht, beruf­lich erfolg­reich zu sein, und Mühe hat, einen Mann zu fin­den, der eine Fami­lie grün­den will. Nicht uner­heb­lich ist übri­gens auch die Zahl der Zuschrif­ten von The­ra­peu­ten und Erzie­he­rin­nen, die von Kin­der­schick­sa­len berich­ten, die sich in Krip­pen, Kitas und Arzt­pra­xen abspie­len. Sie alle sehen, wohin die­se ver­meint­li­che Fami­li­en­po­li­tik hin­führt, sie sehen die Pro­ble­me, berich­ten von Über­for­de­rung der Kin­der. Der Stoff wür­de für ein zwei­tes Buch reichen.

Sezes­si­on: Die Wochen­zei­tung Jun­ge Frei­heit bewirbt Ihr Buch inten­siv, Sie selbst schrei­ben dort und nah­men jüngst den Ger­hard-Löwen­thal-Preis für Jour­na­lis­ten ent­ge­gen. Sehen Sie in die­ser Zei­tung und deren Umfeld (wozu ich als poli­ti­schen Arm die AfD rech­ne) eine kom­men­de Größe?

Kel­le: Das sind zwei Fra­gen auf ein­mal. Die Jun­ge Frei­heit ist wich­tig als Medi­um, das sich nicht dem media­len Main­stream unter­wirft. Wir brau­chen für einen ernst­haf­ten Dis­kurs in Deutsch­land wider­strei­ten­de Posi­tio­nen gera­de auch in den Medi­en und soweit ich weiß, wird die JF dafür mit ste­tig stei­gen­den Leser­zah­len belohnt. Ob die AfD eine kom­men­de Grö­ße in unse­rem Land dar­stel­len wird, muß sich noch zei­gen, das kann ich nicht bewer­ten. Zu vie­le Par­tei­en haben sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren neu for­miert und nach kur­zer Zeit wie­der erle­digt. Daß es die AfD aber inner­halb so kur­zer Zeit fast auf Anhieb in den Bun­des­tag geschafft hat, zeigt, daß es in der Bevöl­ke­rung doch eine gro­ße Unzu­frie­den­heit gibt mit den eta­blier­ten Par­tei­en, in denen vie­le The­men eben nur »alter­na­tiv­los« gelöst werden.

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