Rebellion gegen die Lüge

PDF der Druckfassung aus Sezession 57 / Dezember 2013

von Manfred Kleine-Hartlage

Wer eine grundlegende geistig-politische Umwälzung herbeiführen und daher verstehen will,...

wie und war­um sol­che Umwäl­zun­gen zustan­de­kom­men, befra­ge die Geschich­te. Gewiß ist die Geschich­te kein Koch­buch, und sie lie­fert kei­ne Rezep­te, wohl aber gewinnt man aus ihr Erkennt­nis­se. So rich­tig und gera­de­zu banal es ist, daß nie­mand zwei­mal in den­sel­ben Fluß steigt, so sehr schärft das ein­mal Gesche­he­ne den Blick für die Kon­stel­la­tio­nen, in denen poli­ti­sche Pro­jek­te gelin­gen kön­nen oder schei­tern müssen.

Die lin­ke Kul­tur­re­vo­lu­ti­on seit 1968 ver­dankt ihren Erfolg zwei­fel­los einem kom­ple­xen Bün­del von Bedin­gun­gen, von denen hier nur eini­ge kurz gestreift wer­den können:

  • Da war zum einen die welt­po­li­ti­sche Kon­stel­la­ti­on der Domi­nanz zwei­er Super­mäch­te, die sich auf – nur teil­wei­se ein­an­der ent­ge­gen­ge­setz­te – revo­lu­tio­nä­re Ideo­lo­gien stütz­ten und mit­ein­an­der wett­ei­fer­ten, wer die moder­ne­re, und das heißt: die revo­lu­tio­nä­re­re Kon­zep­ti­on habe und daher beru­fen sei, die Mensch­heit in die ver­meint­li­che Selbst­er­lö­sung zu führen.
  • Da war die jahr­zehn­te­lang mit gro­ßem finan­zi­el­lem Auf­wand ver­folg­te Stra­te­gie der um Ame­ri­ka grup­pier­ten glo­ba­len Eli­ten, die Grund­la­gen der euro­päi­schen Kul­tur kapi­ta­lis­mus­ge­recht zu unter­gra­ben. Ent­ge­gen dem Anschein leis­tet die lin­ke Ideo­lo­gie hier­bei gute Dienste.
  • Da war der Oppor­tu­nis­mus inner­halb »kon­ser­va­ti­ver« Orga­ni­sa­tio­nen, die dazu beru­fen gewe­sen wären, der lin­ken Macht­über­nah­me Ein­halt zu gebie­ten. Aber sie frön­ten einer Lei­se­tre­te­rei, bei der die katho­li­sche Kir­che im Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil mit schlech­tem Bei­spiel vor­an­ge­schli­chen war.
  • Und da war schließ­lich der viel­zi­tier­te »Zeit­geist«, der nach »Befrei­ung« von Nor­men rief, die von vie­len Men­schen als über­holt und sinn­ent­leert emp­fun­den wur­den. Ein sol­ches Emp­fin­den stellt sich aber nicht von allein ein. For­men – von der schu­li­schen Dis­zi­plin über den Got­tes­dienst bis hin zur Ehe –, die doch dazu die­nen, die Sub­stanz zu bewah­ren, nicht zu erset­zen, wer­den nicht spon­tan und grund­los als leer emp­fun­den, und die Nei­gung, sich sitt­li­cher Pflich­ten von der ehe­li­chen Treue bis hin zum Dienst am Vater­land zu ent­le­di­gen, ist dem Men­schen von Natur aus eigen; daß sie gera­de von den sech­zi­ger Jah­ren an zeit­geist­be­stim­mend wur­de, ist erklä­rungs­be­dürf­tig und hat (nicht nur, aber eben auch nicht zuletzt) damit zu tun, daß die Wer­te, denen die Gesell­schaft zu fol­gen vor­gab, nicht die waren, denen sie fak­tisch folgte.

Kir­che und Vater­land, Glau­be und Patrio­tis­mus sind nor­ma­ler­wei­se die bei­den Säu­len, auf denen die Wert­ord­nung einer funk­tio­nie­ren­den Gesell­schaft ruht. Der Patrio­tis­mus wur­de aber in Ost und West in dem Maße kom­pro­mit­tiert, wie die Vater­län­der bloß abhän­gi­ge Grö­ßen ideo­lo­gisch defi­nier­ter Impe­ri­en waren.

Ein Staat, der auf­grund sei­ner eige­nen Leit­ideo­lo­gie das Vater­land bloß als Mit­tel zu einem poli­tisch-ideo­lo­gi­schen Zweck ver­steht (und die Inter­es­sen des eige­nen Vol­kes die­sem Zweck not­falls unter­ord­net), muß in den Ver­dacht gera­ten, den Patrio­tis­mus sei­ner Bür­ger zu miß­brauchen. Die zugleich anti­na­tio­na­le und anti­ame­ri­ka­ni­sche Schlag­sei­te der acht­und­sech­zi­ger Lin­ken war eine direk­te Fol­ge die­ses tat­säch­li­chen Miß­brauchs und der inne­ren Unwahr­heit der lei­ten­den Ideo­lo­gie, auf­grund derer ein abhän­gi­ger Vasal­len­staat for­der­te, was nur ein sou­ve­rä­ner Staat hät­te for­dern dürfen.

Die­ser Zusam­men­hang war in Deutsch­land natur­ge­mäß beson­ders aus­ge­prägt, er exis­tier­te aber in abge­schwäch­ter Form in allen euro­päi­schen Ländern.

Kaum weni­ger dra­ma­tisch war der Glaub­wür­dig­keits­ver­lust der Kir­chen, die sich schon in den fünf­zi­ger, erst recht in den sech­zi­ger Jah­ren kaum mehr dazu auf­raf­fen konn­ten, den all­ge­gen­wär­ti­gen und zur Qua­si­re­li­gi­on erho­be­nen Kon­su­mis­mus als prak­ti­zier­te Gott­lo­sig­keit zu brand­mar­ken. Die Kir­chen fan­den sich damit ab, den Sta­tus Quo zu heiligen.

Der Glau­bens­ver­lust der Amts­kir­chen ging Hand in Hand mit ihrem Glaub­wür­dig­keits­ver­lust. Der Ein­druck, hier sei­en mäch­ti­ge Orga­ni­sa­tio­nen zur Siche­rung ihrer Pri­vi­le­gi­en den poli­tisch wie wirt­schaft­lich Mäch­ti­gen mit sen­ti­men­ta­len Phra­sen aus dem Arse­nal eines Glau­bens behilf­lich, den sie selbst längst ver­lo­ren hat­ten, muß­te sich aufdrängen.

Die mar­xis­ti­sche The­se, wonach Reli­gi­on Opi­um für das Volk sei, gewann unter die­sen Umstän­den eine Plau­si­bi­li­tät, die sie vor­her nicht hat­te, und die Kon­zes­sio­nen, die die katho­li­sche Kir­che spä­tes­tens ab dem Zwei­ten Vati­ka­num eben die­sem Mar­xis­mus mach­te, konn­ten den Ver­dacht der poli­ti­schen Pro­sti­tu­ti­on der Kir­che gera­de nicht zer­streu­en, son­dern muß­ten ihn bestätigen.

Da Sitt­lich­keits­nor­men aber in der Reli­gi­on wur­zeln, gerie­ten sie in dem Maße unter Beschuß, wie die Wahr­heit des christ­li­chen Glau­bens von des­sen beru­fe­nen Sach­wal­tern nicht aus­drück­lich, aber impli­zit geleug­net wur­de. Es lohnt sich ein­fach nicht, gott­ge­fäl­lig zu leben, wenn die Gebo­te Got­tes von den Amts­kir­chen selbst wie ideo­lo­gi­sche Fik­tio­nen behan­delt werden.

Kurz und gut: Der »Zeit­geist« der sech­zi­ger Jah­re muß­te ein Geist der Rebel­li­on sein, die natür­li­che Nei­gung des Men­schen zur Norm­über­tre­tung die Ober­hand gewin­nen, weil der Zusam­men­hang von Schutz und Gehor­sam auf poli­ti­schem wie reli­giö­sem Gebiet nicht mehr gege­ben und die­ser Sach­ver­halt durch­schau­bar war – und zwar für prak­tisch jeden, kei­nes­wegs nur für Intellektuelle.

Staat und Kir­che leb­ten im Zustand struk­tu­rel­ler Lüge. Sie hat­ten sich für einen glo­ba­len Kapi­ta­lis­mus pro­sti­tu­iert; fol­ge­rich­tig wuchs dem Mar­xis­mus, der dies dia­gnos­ti­ziert und sogar pro­gnos­ti­ziert hat­te, der Rang einer Leit­ideo­lo­gie zu.

Was kann nun die heu­ti­ge Oppo­si­ti­on, das heißt die Rech­te, von den Erfol­gen ihrer lin­ken Vor­gän­ge­rin lernen?

Eine Unter­wan­de­rungs­stra­te­gie des »lan­gen Mar­sches durch die Insti­tu­tio­nen« muß bereits dar­an schei­tern, daß sie, anders als bei der dama­li­gen Lin­ken, nicht die Rücken­de­ckung stra­te­gisch zen­tral pla­zier­ter Akteu­re genießt, und oben­drein die Lin­ke natur­ge­mäß gera­de mit einer sol­chen Stra­te­gie rech­net und auf ihre Abwehr ein­ge­stellt ist.

Wenn selbst die zahms­ten Wort­mel­dun­gen der Rech­ten noch als Ver­schleie­rung sinis­trer Absich­ten gedeu­tet wer­den, selbst die bie­ders­ten Kon­ser­va­ti­ven noch als ver­meint­li­che Wöl­fe im Schafs­pelz durch die lin­ken Angst­phan­ta­sien geis­tern, so ist die­se para­no­ide Furcht vor der Rech­ten unschwer als Pro­jek­ti­on zu durch­schau­en: Wer sel­ber nur so lan­ge gegen Berufs­ver­bo­te war, bis er die Macht hat­te, der­lei Ver­bo­te zu ver­hän­gen, kann unmög­lich glau­ben, daß ande­re poli­ti­sche Akteu­re es mit ihren libe­ra­len Argu­men­ten ernst mei­nen könnten.

Die Lin­ken hal­ten jeden für einen Betrü­ger, weil sie sich selbst so gut kennen.

Zum ande­ren nimmt das Maß an ideo­lo­gi­scher Indok­tri­na­ti­on mit wach­sen­der Nähe zu den Zen­tren der gesell­schaft­li­chen Ideo­lo­gie­pro­duk­ti­on zu: Da die Wirk­lich­keit natur­ge­mäß rechts ist und ein­fa­che Leu­te, auf deren Indok­tri­na­ti­on man weni­ger Mühe ver­wen­det hat, es daher eben­falls sind (und des­we­gen »der Stamm­tisch« genannt wer­den), sind Men­schen mit höhe­rem Bil­dungs­grad dar­auf kon­di­tio­niert wor­den, ihre eige­nen Ein­sich­ten zu ver­drän­gen, ihren eige­nen Augen nicht zu trau­en, ihre eige­nen Gefüh­le für einen »inne­ren Schwei­ne­hund« zu hal­ten und auf rech­te Argu­men­te unge­fähr so zu reagie­ren wie ein trans­syl­va­ni­scher Bau­er auf das Erschei­nen des Gra­fen Dracula.

Da die Affir­ma­ti­on lin­ker Ideo­lo­gie oben­drein mit hand­fes­ten mate­ri­el­len Gra­ti­fi­ka­tio­nen prä­miert wird und die­se Gra­ti­fi­ka­tio­nen an den Schalt­stel­len der Ideo­lo­gie­pro­duk­ti­on natur­ge­mäß am üppigs­ten aus­fal­len, sind die Eli­ten der letz­te Per­so­nen­kreis, der für eine ideo­lo­gi­sche Alter­na­ti­ve erreich­bar ist.

Für eine rech­te Oppo­si­ti­on kommt daher eine Stra­te­gie von vorn­her­ein nicht in Betracht, die pri­mär dar­auf abzielt, Posi­tio­nen inner­halb der Eli­ten zu beset­zen und von dort aus in die Gesell­schaft hin­ein­zu­wir­ken. Sie ist noch gut bedient, wenn sie die weni­gen Brü­cken­köp­fe, die sie dort noch besitzt, wenigs­tens hal­ten kann, bis bes­se­re Zei­ten kom­men. Dies frei­lich soll­te sie unbe­dingt ver­su­chen, aber ihre Stra­te­gie kann sich dar­in nicht erschöpfen.

Es muß viel­mehr dar­um gehen, das Feld von unten nach oben und von außen nach innen auf­zu­rol­len, das heißt das herr­schen­de Macht­kar­tell von der Peri­phe­rie her unter Druck zu set­zen (was neben­bei gesagt impli­ziert, das Bünd­nis mit der lin­ken Peri­phe­rie nicht zu scheu­en: Es gibt eine klei­ne, aber wach­sen­de Frak­ti­on der anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Lin­ken, die gegen­über rech­ten The­men und Posi­tio­nen kaum noch Berüh­rungs­ängs­te hat).

Dabei gilt es fest­zu­hal­ten, daß mit der Exis­tenz des Welt­net­zes ein Fak­tor ins Spiel gekom­men ist, der grund­sätz­lich jeder Oppo­si­ti­on in die Hän­de spielt, weil er die gesell­schaft­li­che Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung umstruk­tu­riert und dezen­tra­le wie hori­zon­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­on in einem Aus­maß ermög­licht, von dem die Acht­und­sech­zi­ger nur träu­men konnten.

Es bedarf kei­ner Pro­phe­ten­ga­be, vor­her­zu­se­hen, daß wach­sen­de Spe­zia­li­sie­rung und Pro­fes­sio­na­li­sie­rung auf der Pro­du­zen­ten­sei­te, ver­bun­den mit ver­brei­te­ter Ände­rung der Rezep­ti­ons­ge­wohn­hei­ten auf sei­ten der Kon­su­men­ten, alter­na­ti­ven netz­ge­stütz­ten Infor­ma­ti­ons- und Deu­tungs­an­ge­bo­ten ein ste­tig wach­sen­des Gewicht ver­schaf­fen wer­den. Für Eli­ten, deren Macht wesent­lich auf Infor­ma­ti­ons­kon­trol­le beruht, ist die­ser Sach­ver­halt eine Bedro­hung, für oppo­si­tio­nel­le Strö­mun­gen eine Chance.

Eine sol­che Ein­krei­sungs­stra­te­gie läuft dar­auf hin­aus, den Fak­tor »Zeit­geist« in die Waag­scha­le zu wer­fen, dem die Acht­und­sech­zi­ger einen Gut­teil ihrer Erfol­ge ver­dan­ken; die­ser Zeit­geist weht, ent­ge­gen dem Anschein, heu­te kei­nes­wegs mehr von links, und zwar aus den­sel­ben Grün­den, aus denen er es in den sech­zi­ger Jah­ren tat:

Die ehe­mals oppo­si­tio­nel­le Lin­ke ist heu­te die Speer­spit­ze just des glo­ba­len Kapi­ta­lis­mus, dem sie einst den Kampf ange­sagt hat­te, sie ist in das Sys­tem so voll­stän­dig inte­griert, daß sie selbst ein Teil der herr­schen­den Macht­struk­tur ist, und sie ist des­we­gen in die­sel­ben Apo­rien ver­strickt wie damals Kir­che und Staat: Sie ist Teil einer Macht­struk­tur, die Gehor­sam for­dert, ohne Schutz zu bie­ten, und die Ideo­lo­gie, auf­grund derer sie die­sen Gehor­sam for­dert, ist so faden­schei­nig, daß im Ver­gleich zu ihr selbst der Schein- und Ali­bi­kon­ser­va­tis­mus der sech­zi­ger Jah­re noch wie ein Inbe­griff an ideo­lo­gi­scher Kon­sis­tenz wirkt.

Sie ist nicht ein­mal im tra­di­tio­nel­len Sin­ne links, sofern man dar­un­ter ver­steht, die Inter­es­sen des Vol­kes oder wenigs­tens der »Arbei­ter­klas­se« zu ver­tre­ten (wie auch immer man die­se Klas­se heu­te defi­nie­ren würde).

Wie oben schon ange­deu­tet, zwingt die Lin­ke gera­de den Kern ihrer eige­nen Fuß­trup­pen in eine per­ma­nen­te Selbst­ver­ge­wal­ti­gung. Als einer, der es aus eige­ner Erfah­rung weiß, kann ich den Leser nur bit­ten, mir zu glau­ben, daß es aus­ge­spro­chen anstren­gend ist, links zu sein. Die Anstren­gung nimmt in dem Maße zu, wie die rapi­de sich ver­schlech­tern­de gesell­schaft­li­che Wirk­lich­keit den ideo­lo­gi­schen Pos­tu­la­ten hohn­spricht, an die gegen die eige­ne bes­se­re Ein­sicht zu glau­ben man sich ver­pflich­tet wähnt, und sie ist dort am größ­ten, wo man mit Fehl­ent­wick­lun­gen, die ins­be­son­de­re aus der Mas­sen­ein­wan­de­rung resul­tie­ren, in sei­ner täg­li­chen Arbeit kon­fron­tiert wird: also unter Leh­rern, Sozi­al­ar­bei­tern, Sozio­lo­gen, Gewerk­schaf­tern usw.

Die Illu­si­on, allein schon des­we­gen ein guter Mensch zu sein, weil man ja die­se oder jene heh­ren Zie­le ver­tre­te, wird mit einem immer höhe­ren Preis an Selbst­ver­leug­nung bezahlt. Kogni­ti­ve Dis­so­nanz ist etwas, das als schmerz­haft emp­fun­den wird, und just die­se Dis­so­nanz stellt sich ein, wenn man das, was man sieht, nicht mit dem in Ein­klang brin­gen kann, was man glaubt, und das, was man glaubt, nicht mit dem, was man empfindet.

Nie­mand ist von Natur aus ein Feind des eige­nen Vol­kes, nie­mand fühlt sich von Natur aus  durch die mas­sen­haf­te Anwe­sen­heit von Frem­den berei­chert, nie­mand glaubt von Natur aus, zwi­schen Män­nern und Frau­en gebe es kei­ne natür­li­chen Unter­schie­de, nie­mand, der nicht sel­ber homo­se­xu­ell ist, fin­det Homo­se­xua­li­tät von sich aus »nor­mal« oder gar för­derns­wert, nie­mand han­delt von sich aus gegen die eige­nen Inter­es­sen, und erst recht ist nie­mand von Natur aus bereit, die Zukunft sei­ner eige­nen Kin­der für uto­pis­ti­sche Expe­ri­men­te zu ris­kie­ren. Men­schen den­ken nicht von sich aus so, man muß sie dazu zwingen.

Und so gibt es im Kopf der meis­ten Lin­ken unter­halb der bewuß­ten ideo­lo­gi­schen Ebe­ne ein ver­dräng­tes, ein ver­sklav­tes Selbst, das durch den Zwang zu ideo­lo­gi­schem Kon­for­mis­mus min­des­tens so unter­jocht wird wie die acht­und­sech­zi­ger Gene­ra­ti­on sich durch die damals herr­schen­den Kon­ven­tio­nen »unter­jocht« fühl­te. Lin­ke Ideo­lo­gie ist struk­tu­rel­le Lüge.

Also nicht die akti­ve Lüge eines Zyni­kers, son­dern eine Lüge, unter der man lei­det. Die Aggres­si­vi­tät, mit der der »Kampf gegen Rechts« geführt wird, wäre zumin­dest bei Durch­schnitts­lin­ken eine psy­cho­lo­gi­sche Unmög­lich­keit, wenn er sei­ne Ener­gie nicht aus dem ver­zwei­fel­ten Ver­such bezie­hen wür­de, die schmer­zen­de kogni­ti­ve Dis­so­nanz nach der Sei­te der herr­schen­den Ideo­lo­gie hin aufzulösen:

Im »Rech­ten« bekämpft man, was man selbst emp­fin­det, aber nicht wahr­ha­ben darf. Der Kämp­fer gegen Rechts, sofern er nicht ein­fach kri­mi­nell ist, ist ein anony­mer Rech­ter, der sich für links hält, dem aber jeder­zeit eine ideo­lo­gi­sche Depro­gram­mie­rung droht, von der er noch nicht weiß, daß sie eine Befrei­ung wäre.

Die zuneh­men­de Pro­pa­gan­da, die immer absur­de­re Hys­te­rie, die gro­tes­ke Über­re­ak­ti­on selbst auf kleins­te ideo­lo­gi­sche »Ver­feh­lun­gen« bis hin zur bloß ver­se­hent­lich non­kon­for­men Wort­wahl ist aus lin­ker Sicht eine Notwendigkeit.

Auf einer bestimm­ten Bewußt­seins­ebe­ne sind sich sogar die lin­ken Basis­ak­ti­vis­ten, erst recht die Stra­te­gen, voll­kom­men dar­über im kla­ren, daß ihre ideo­lo­gi­sche Domi­nanz auf der Unter­drü­ckung natür­li­cher mensch­li­cher Dis­po­si­tio­nen beruht, und daß sie des­we­gen die Repres­si­on in dem Maße ver­stär­ken müs­sen, wie die Wirk­lich­keit ihre Fik­tio­nen demen­tiert und ihre immer wei­ter auf die Spit­ze getrie­be­ne Zer­stö­rungs­po­li­tik die ihr zugrun­de­lie­gen­de Ideo­lo­gie ad absur­dum führt, wäh­rend ihre eige­nen Anhän­ger unter den Kon­se­quen­zen leiden.

Der »Kampf gegen Rechts« ist ein Zei­chen nicht der Stär­ke, son­dern der laten­ten Schwä­che ihrer Posi­ti­on, und doku­men­tiert, daß der Geg­ner sich die­ser Schwä­che bewußt ist. Es ist die Schwä­che des­sen, der mit Unwahr­hei­ten operiert.

Nie­mand soll­te sich davon täu­schen oder beir­ren las­sen, daß sich an der Ober­flä­che wenig tut. Ich selbst habe schon so vie­le ehe­ma­li­ge Lin­ke die Sei­ten wech­seln sehen, daß ich wage, von einer stil­len Mas­sen­be­we­gung zu spre­chen, und zwar von einer, die die Ten­denz hat, sich selbst zu verstärken.

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