Notizen zur Rede von Björn Höcke

"Lea Rosh ist die häßlichste Deutsche dieser Tage. Ihr Wort ist uns Ekel und eine Qual...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

und eine Schan­de ist sie jedem, der fühlt.” Urteil­te Björn Höcke so über die trei­ben­de Kraft hin­ter dem Ber­li­ner Holocaust-Mahnmal?

Halt, nein, eigent­lich war es Chris­ti­an Bom­ma­ri­us in der Ber­li­ner Zei­tung, der im Mai 2005 die­ses har­te Urteil fäll­te, das damals durch­aus kei­ne Min­der­hei­ten­mei­nung war.  Was hat­te den Autor der­art erbost? Die noto­risch exzen­tri­sche Rosh, die mit Vor­na­men eigent­lich Edith heißt (sie fand die­sen Namen laut offi­zi­el­ler Dar­stel­lung „schreck­lich deutsch“ ) und von der Ber­li­ner Stadt­zei­tung tip zur “pein­lichs­ten Ber­li­ne­rin des Jah­res” gekürt wur­de, hat­te im Lau­fe der Ein­wei­hungs­ver­an­stal­tung am 10. Mai 2005 einen ori­gi­na­len “Juden­stern” sowie einen Backen­zahn prä­sen­tiert, den sie angeb­lich auf dem Gelän­de von Bel­zec gefun­den hat­te, und ver­kün­det, die­se Reli­quie fei­er­lich in eine Ste­le des Mahn­mals ein­be­to­nie­ren zu wol­len – ein Ansin­nen, das glück­li­cher­wei­se ver­hin­dert wur­de, nicht zuletzt durch den Ein­spruch von  jüdi­schen reli­giö­sen Autoritäten.

Die­se far­cen­haf­te Anek­do­te illus­triert treff­lich einen Witz, der dem Ver­neh­men nach sei­ner­zeit “in der Ber­li­ner jüdi­schen Gesell­schaft kur­sier­te” und den ich bei Gevat­ter Klo­novs­ky gefun­den habe:

Wer hat einen Dach­scha­den, wäre aber lie­ber meschugge?

Ant­wort: die

“knuf­fi­ge deut­sche Wunsch­jü­din, die sich sel­ber in Lea Rosh umbe­nann­te, um nach­träg­lich sym­bo­lisch auf die Sei­te der Opfer zu wech­seln” (Klo­novs­ky).

Zwar hat die 1936 gebo­re­ne und pro­tes­tan­tisch erzo­ge­ne Rosh ledig­lich einen jüdi­schen Groß­va­ter auf­zu­wei­sen, hat jedoch eine gan­ze Kar­rie­re dar­aus gemacht, sich als all­zu deut­sche Über-Jüdin und Holo­caust-Hohe­pries­te­rin in Sze­ne zu set­zen, qua­si als wan­deln­des Amal­gam aus Täter­schuld­stolz und Opfer­pri­vi­leg. Auch so kann deutsch-jüdi­sche Sym­bio­se funk­tio­nie­ren, mit dem Worst of bei­der Sei­ten in Per­so­nal­uni­on. Daß eine Figur wie Rosh, ein Pro­dukt der Nach­kriegs-Bun­des­re­pu­blik eben­so wie Clau­dia Roth oder der gleich­alt­ri­ge Horst Mahler, Haupt­in­itia­to­rin des Mahn­mal-Pro­jek­tes war, ist kein Zufall und soll­te zu einem Tie­fen­blick einladen.

Um das Geld für das Mahn­mal zusam­men­zu­trom­meln, ließ Rosh sei­ner­zeit in der Nähe des Bran­den­bur­ger Tores ein Rie­sen­pla­kat mit dem Slo­gan “Den Holo­caust hat es nie gege­ben” auf­hän­gen, das eine böse schuld­ver­drän­gen­de und daher gründ­lich zu ver­mie­sen­de Berg‑, Wald- und See­i­dyl­le zeig­te.  Baal Mül­ler schrieb 2001 in der Jun­gen Frei­heit einen tref­fen­den Kom­men­tar über die impli­zi­te Bot­schaft die­ses Plakates:

Beson­ders hin­ter­häl­tig ist die durch die alpi­ne Idyl­le auf dem Pla­kat ange­reg­te Asso­zia­ti­ons­ket­te, die eine Ver­bin­dung zwi­schen baye­ri­schem (Rest-)Konservatismus, deut­schem Kon­ser­va­tis­mus über­haupt und der Leug­nung des Holo­caust kon­stru­iert. Die unter­schwel­li­ge Bot­schaft die­ser agi­ta­ti­ven Sug­ges­ti­on ist ein­deu­tig: Nicht die tat­säch­li­chen Neo­na­zis sind die eigent­lich gefähr­li­chen Holo­caust-Leug­ner, son­dern die­je­ni­gen, die sich mit die­ser beson­ders sym­bol­träch­ti­gen, “typisch deut­schen” See­len­land­schaft iden­ti­fi­zie­ren, die so bos­haft hei­mat­treu­en, beharr­lich volks­tüm­li­chen und volks­tü­meln­den Durch­schnitts­deut­schen, jene fast aus­ge­stor­be­ne Spe­zi­es also, die man in unse­rem Land frei­lich mit der Lupe suchen muß.

Auch die wochen­end­li­che Fahrt ins gebir­gi­ge Nah­erho­lungs­ge­biet ist also irgend­wie anrü­chig, weil “typisch deutsch”; Natur und Land­schaft sind gefähr­lich, weil ihr unbe­schwer­ter Genuß dazu bei­trägt, den Holo­caust “zu ver­drän­gen”. Der “volks­tüm­li­che” Deut­sche, der ange­sichts des Holo­caust noch hei­ter und unbe­schwert zu sein wagt, ist ein Dorn im Auge der Tugend­wäch­ter, ist anrü­chig, gefähr­lich und daher unter päd­ago­gi­sche Auf­sicht zu stellen.

Eva Men­as­se kri­ti­sier­te in der FAZ die “auto­ri­tä­re Päd­ago­gik” und den “Gesin­nungs­ter­ror” die­ser Art von Kam­pa­gne, die den Holo­caust zu einem PR-“Spielball” mache. Das Maga­zin der Süd­deut­schen Zei­tung faß­te damals die gän­gi­ge, lager­über­grei­fen­de Kri­tik an Rosh zusammen:

Dampf­wal­ze Lea, Holo­caust-Kas­san­dra, Wunsch­jü­din, Ober­leh­re­rin mit mora­lisch erho­be­nem Zei­ge­fin­ger, Mut­ter aller Mahn­ma­le. Fana­tisch, herrsch­süch­tig, ein­schüch­ternd, igno­rant, unnah­bar. […] Lea Rosh hat den Holo­caust inkar­niert, obwohl sie kei­ne Jüdin ist. (Wenn sie eine wäre, wür­de sich kein Mensch über sie auf­re­gen.) In all den Jahr­zehn­ten der Beschäf­ti­gung mit Nazis und Holo­caust ist ihr dabei die Distanz abhan­den gekom­men. Der Holo­caust, sagt sie, habe sie vergiftet.

Es war also kei­nes­wegs bloß die natio­nal­kon­ser­va­ti­ve Pres­se, der auf­fiel, daß Rosh offen­bar reich­lich meschug­ge ist und ihre Moti­va­tio­nen und Inten­tio­nen nicht ganz koscher waren. In ers­ter Linie woll­te sie wohl sich selbst und ihrer Mis­si­on ein Denk­mal set­zen. Thors­ten Hinz (ali­as “Doris Neu­jahr”) dia­gnos­ti­zier­te eine “Melan­ge aus Betrof­fen­heit, Sen­dungs­be­wußt­sein, Groll, Grö­ßen­wahn, aus Kom­pen­sa­ti­ons- und Rache­be­dürf­nis”, und sah im sym­bol­po­li­ti­schen Pro­jekt des Mahn­mals eine Art ver­spä­te­ten “Sieg” Hit­lers, der zum nega­ti­ven Zen­trum der natio­na­len Sinn­stif­tung wird:

Deutsch­land hat sich mit dem gigan­ti­schen Ste­len­feld im Her­zen der Haupt­stadt bereits fest­ge­legt. Es besagt: Der Juden­mord kam aus der Mit­te des deut­schen Vol­kes! Er ist das zen­tra­le, sinn­stif­ten­de Ereig­nis sei­ner Geschich­te, das alle Berei­che tran­szen­diert. Bun­des­tags­prä­si­dent Thier­se behaup­tet, es wer­de von der “gan­zen deut­schen Gesell­schaft” errichtet. […]

Über die Mahn­mal-Initia­to­rin Lea Rosh höhnt der His­to­ri­ker Götz Aly, sie ver­kör­pe­re nicht das “bes­se­re”, son­dern das “dum­me” Deutsch­land. Wolf­gang Thier­se galt in der Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, sei­ner Arbeits­stel­le in der DDR, als “Mau­er­blüm­chen”. Nun will er auf dem Mau­er­strei­fen ein Zei­chen spä­ten Beken­ner­muts pflan­zen. Alt-Bun­des­prä­si­dent Richard von Weiz­sä­cker hat sich bis heu­te nicht ehr­lich dazu erklärt, wie­so sein Vater Depor­ta­ti­ons­pa­pie­re für Ausch­witz abzeich­ne­te. Und Jan Phil­ipp Reemts­ma ent­stammt einer Fami­lie, die die Natio­nal­so­zia­lis­ten mit Spen­den bedacht und im Gegen­zug gut ver­dient hat.

Nur Salo­mon Korn kommt ehr­lich zur Sache: Das Mahn­mal sol­le “ein öffent­li­ches Ärger­nis blei­ben – ein Pfahl im Fleisch der Erin­ne­rung”. Es ste­he für die Absa­ge an jeden “Rest an unge­bro­che­nem Natio­nal­be­wußt­sein”. Mit Deutsch­land sei nur noch eine “’nega­ti­ve’ Iden­ti­fi­zie­rung” erlaubt, denn sei­ne neue­re Geschich­te sei ein “blu­ti­ger Oze­an”. Auch die Pro­to­koll­stre­cke für inter­na­tio­na­le Staats­gäs­te sol­le am Denk­mal vor­bei­füh­ren. Aus Korns For­mu­lie­run­gen spricht das – aus sei­ner Bio­gra­phie begreif­li­che – Res­sen­ti­ment gegen das “Täter­volk”. Juden sind in der Ver­gan­gen­heit oft durch Sym­bo­le gede­mü­tigt wor­den. Korns Wunsch ist es, die Demü­ti­gung umzu­keh­ren. Doch wem kann es nüt­zen, die­sen Wunsch zu erfüllen?

Das Mahn­mal soll­te also exakt den Zweck erfül­len, den Höcke in sei­ner Rede ansprach. Man kann ihm des­we­gen also kaum einen Vor­wurf machen. Ande­re Natio­nen errich­ten ihrem Ruhm Denk­mä­ler, die Deut­schen ihrer Schan­de, noch dazu mit­ten in ihrer Haupt­stadt. Das ist in der Tat “sin­gu­lär”. Die­se Mei­nung hielt bis­lang offen­bar auch die Bun­des­re­gie­rung für dis­kus­si­ons­wür­dig. So fin­det sich auf bundesregierung.de ein am 5. Sep­tem­ber 2016 erschie­ne­ner Text zur “Denk­mal­kul­tur in Deutsch­land”, in dem der bri­ti­sche Kunst­his­to­ri­ker Neil Mac­Gre­gor ohne Bean­stan­dung zitiert wird:

Dass nach 1990, als das wie­der­ver­ein­te Deutsch­land sei­ne Rol­le in Euro­pa und der Welt vor­sich­tig neu defi­nier­te, das lang umstrit­te­ne Holo­caust-Mahn­mal – nach mehr als zehn  Jah­ren des Debat­tie­rens und Strei­tens, nach Wett­be­wer­ben mit meh­re­ren hun­dert ein­ge­reich­ten Ent­wür­fen und nach mehr­fa­cher Über­ar­bei­tung des letzt­lich aus­ge­wähl­ten Pro­jekts – zum bedeu­tends­ten Denk­mal in Ber­lin wur­de, das hat für sich genom­men schon hohe Sym­bol­kraft. Neil Mac­Gre­gor hat anhand die­ses Bei­spiels auf eine Beson­der­heit deut­scher Denk­mal­kul­tur auf­merk­sam gemacht. Er ken­ne, schrieb er im Buch zu sei­ner Aus­stel­lung „Deutsch­land. Erin­ne­run­gen einer Nati­on“, er ken­ne „kein ande­res Land, das in der Mit­te sei­ner Haupt­stadt ein Mahn­mal der eige­nen Schan­de errich­tet hätte.“

Die Deut­schen bestehen gewis­ser­ma­ßen dar­auf, Cham­pi­ons und Welt­meis­ter des Täter­tums zu sein, was ein kom­ple­men­tä­res jüdi­sches Gegen­stück hat, das etwa die “Insi­de­rin” Tova Reich in ihrem sati­ri­schen Roman Mein Holo­caust bos­haft karikierte.

Die Fra­ge nach der ästhe­ti­schen Form des Denk­mals geriet im Vor­feld stel­len­wei­se zur veri­ta­blen Far­ce. Der Kass­ler Künst­ler Horst Hoh­ei­sel reich­te einen Vor­schlag ein, der man­che der expli­zi­ten wie impli­zi­ten Inten­tio­nen des Pro­jekts auf eine logi­sche sym­bo­li­sche Spit­ze trieb:

Hoh­ei­sels Ent­wurf Denk­mal für die ermor­de­ten Juden Euro­pas (1995) sah vor, dass sich in unmit­tel­ba­rer Nähe zum Wett­be­werbs­ge­län­de befin­den­de Bran­den­bur­ger Tor abzu­rei­ßen, es zu Staub zu zer­mah­len und das Gra­nu­lat auf dem Gelän­de für das Mahn­mal zu zer­streu­en. Anschlie­ßend soll­te das Gelän­de mit Gra­nit­plat­ten zuge­deckt werden.

Ande­re abge­lehn­te Ent­wür­fe beweg­ten sich im Bereich des Kit­sches, der Gro­tes­ke oder gar der unfrei­wil­li­gen maka­bren Komik. Man woll­te all­zu gran­di­os, all­zu bedeu­tungs­voll, all­zu kryp­to-sakral sein. Daß man sich für ein gan­zes Fuß­ball­feld aus Beton­blö­cken ent­schied, hat­te einen thea­tra­li­schen Bei­geschmack: das größ­te Ver­bre­chen aller Zei­ten – so das offen­bar zugrun­de­lie­gen­de Kal­kül –  bedarf auch eines ent­spre­chend gro­ßen Denk­mals, und zwar im buch­stäb­li­chen, quan­ti­ta­ti­ven Sin­ne. Das war ein wenig naiv und gewalt­sam gedacht, ziel­te auf maxi­ma­le ästhe­tisch-rhe­to­ri­sche Überwältigung.

Die­ser ein­drucks­vol­le Ent­wurf für ein geplan­tes Denk­mal für die Opfer des Sta­li­nis­mus in Mos­kau fällt ange­sichts der geschätz­ten immer­hin 20 Mil­lio­nen ver­gleichs­wei­se beschei­den aus, wür­de man die­se quan­ti­ta­ti­ve Den­ke über­neh­men; er ähnelt dem Ber­li­ner Denk­mal inso­fern, als er stim­mi­ger­wei­se Ele­men­te tota­li­tä­rer Archi­tek­tur ver­wen­det. Hier ist ein ande­rer Gedenk­ort am Lub­jan­ka-Platz zu sehen, der sich mit einem ein­zi­gen Stein­block begnügt. Der gro­ße Unter­schied ist, daß die Rus­sen nie­mals auf die Idee kämen, ein sol­ches Denk­mal auf den Roten Platz zu stel­len, eben­so­we­nig, wie sie sich die all­jähr­li­chen Fei­ern zum Sieg der Roten Armee am 9. Mai ver­mie­sen las­sen wür­den. Und das ist ihr gutes Recht. Kei­ne Nati­on der Welt soll­te ihre Schand­ta­ten zum Zen­trum ihrer Iden­ti­tät machen, wie es die Deut­schen tun.

Rosh ist übri­gens auch eine Kron­zeu­gin für den direk­ten, kau­sa­len Zusam­men­hang zwi­schen dem “Schuld­kult” und der lau­fen­den Flücht­lings­po­li­tik, die offen­sicht­lich eine stark reli­giö­se Dimen­si­on hat und iro­ni­scher­wei­se den ara­bi­schen Anti­se­mi­tis­mus zum Mas­sen­im­port­ar­ti­kel gemacht hat. Im Febru­ar 2016 ließ Rosh in der Welt eine Anzei­ge mit fol­gen­dem Wort­laut schal­ten:

Wir schaf­fen das! Frau Bun­des­kanz­le­rin! Sie haben unser Land ver­wan­delt. Man hat kei­ne Angst mehr vor Deutsch­land, im Gegen­teil: man will nach Deutsch­land. Nach den Schre­cken, den Unta­ten, die von Deutsch­land aus­gin­gen, ist das auch für uns eine neue wun­der­ba­re Erfahrung.

Alex­an­der Men­schig schrieb auf “Ach­se des Guten”:

Ich fra­ge mich aber, ob nicht viel­mehr eine Art reli­giö­ser Maso­chis­mus, eine mora­lisch erhöh­te Form des pro­tes­tan­ti­schen Schuld­ab­baus, im Zen­trum einer (psy­cho­lo­gi­schen) Ana­ly­se ste­hen müss­te. Denn das laut­star­ke, wenn­gleich aktu­ell lei­ser wer­den­de „Refu­gees Wel­co­me“, ist in sei­ner abs­trak­ten Hyper­mo­ral der Aus­druck für eine letz­te, meta­phy­si­sche Grö­ße die nicht mehr hin­ter­frag­bar ist: die eige­ne und kol­lek­ti­ve Schuld, die nun, ange­sichts des Zustroms der Elen­den und Benach­tei­lig­ten der Erde, abge­gol­ten wer­den kann.

Egal, ob fun­da­men­ta­lis­ti­scher Mos­lem, isla­mis­ti­scher Ter­ro­rist, reak­tio­nä­rer Patri­arch oder gewalt­tä­ti­ger Kri­mi­nel­ler, alle Men­schen sind in Deutsch­land ohne Anse­hen der Per­son will­kom­men. In einer qua­si reli­giö­sen Kol­lek­tiv­n­eu­ro­se nimmt der „Flücht­ling“ (aktu­ell: der Schutz­su­chen­de) den Sta­tus des Unan­tast­ba­ren ein des­sen empi­ri­sche Gestalt nicht the­ma­ti­siert wer­den darf.

Aus die­sem Grund wird auch Kri­tik an den domi­nie­ren­den For­men der Gedenk­po­li­tik als eine Art Sakri­leg oder Blas­phe­mie wahr­ge­nom­men, und ent­spre­chend kopf­los fal­len häu­fig die Reak­tio­nen aus. Björn Höcke hat “Jeho­va gesagt”, wie in der klas­si­schen Sze­ne aus Mon­ty Python’s “Leben des Bri­an”.  Eben­so reflex­ar­tig hat man ihn beschul­digt, daß sei­ne Kri­tik am Ber­li­ner Mahn­mal impli­zie­re, daß er jeg­li­ches Geden­ken an den natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Geno­zid ablehne.

Wie zu erwar­ten, hat die Lügen‑, Lücken- und wohl auch Lum­pen­pres­se ihrem Namen mal wie­der alle Ehre gemacht, indem sie Höckes Aus­sa­gen völ­lig ver­dreh­te. Die FAZ etwa titel­te: “AfD-Poli­ti­ker Höcke nennt Holo­caust-Geden­ken eine ‘Schan­de’ ”, was spä­ter zu “AfD-Poli­ti­ker Höcke nennt Holo­caust-Mahn­mal eine ‘Schan­de’ ” abge­än­dert wur­de und noch immer eine kla­re Falsch­be­haup­tung war.

Per­sön­lich den­ke ich, daß es selbst­ver­ständ­lich ein Denk­mal für die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus in ange­mes­se­ner Form geben soll und muß. Auf einer rein ästhe­ti­schen Ebe­ne fin­de ich auch das Ber­li­ner Mahn­mal nicht gänz­lich miß­lun­gen. Es ist zumin­dest “inter­es­sant”, was frei­lich in der Kunst schon eine Schwund­stu­fe ist. Es ist ein durch­aus ein­drucks­vol­les Erleb­nis, durch die end­lo­sen Laby­rin­the der stei­ner­nen Ste­len zu wan­dern. Dies sah auch Thors­ten Hinz so:

Kei­ner­lei Vor­wurf trifft den Archi­tek­ten Peter Eisen­man. Sein wal­len­des Ste­len­feld nimmt For­men und Ele­men­te aus Sal­va­dor Dalís Gemäl­de “Die Auf­lö­sung des Behar­rens der Erin­ne­rung” auf. Dalís akku­ra­te Qua­der, “die mit uner­bitt­li­cher Gleich­form gegen Geschicht­lich­keit oder Nost­al­gie der Erin­ne­rung” ange­hen (Lin­de Sal­ber) und einen schrof­fen Kon­trast zu den wei­chen For­men der Mee­res­wel­len und der wie Camen­berts aus­ein­an­der­flie­ßen Uhren bil­den, sind von Eisen­man zu einer dia­lek­ti­schen Ein­heit ver­schmol­zen wor­den. Das ist höchst ein­druck­voll, doch es bleibt die Anmu­tung eines Friedhofs.

Ich sehe es als eine legi­ti­me Deu­tung des Holo­caust – wenn nicht gar der tota­li­tä­ren Unter­drü­ckung über­haupt – im Geis­te einer nega­ti­ven Theo­lo­gie, mit womög­lich bewuß­ten Anklän­gen an Kafka.

Wie tief sich die inten­dier­te Erschüt­te­rung tat­säch­lich aus­ge­wirkt hat, läßt sich schwer sagen. Ver­mut­lich war sie letz­ten Endes nur gering. Schon bald wur­de das Mahn­mal zur Tou­ris­ten­at­trak­ti­on, zum Tum­mel­platz und Erleb­nis­park für Kin­der und Jugend­li­che, zum öffent­li­chen Uri­nal oder zum Schwu­len­treff­punkt. Inzwi­schen ist es zum Ber­li­ner All­tag gewor­den; man hat sich schlicht und ein­fach dar­an gewöhnt.

Wir soll­ten uns bewußt sein, daß all die tief­sin­ni­gen poli­ti­schen, geschicht­li­chen, geschichts­po­li­ti­schen, theo­lo­gi­schen, zivil­re­li­giö­sen, ideo­lo­gie­kri­ti­schen, natio­nal­psy­cho­lo­gi­schen und sons­ti­gen “Dis­kur­se”, die wir von links bis rechts über das Pro­blem der “Monu­men­ta­li­sie­rung der Schan­de” (Mar­tin Wal­ser), der Hier­ar­chi­sie­rung der Opfer oder der nega­tiv defi­nier­ten natio­na­len Iden­ti­tät füh­ren, den meis­ten Men­schen unzu­gäng­lich und unver­ständ­lich sind.

Man kann die Pro­ble­ma­tik völ­lig nüch­tern dar­stel­len, wie es Götz Kubit­schek getan hat, aber die­se Tie­fen­schich­ten wer­den immer nur eine klei­ne Min­der­heit ernst­haft inter­es­sie­ren, und vie­le müs­sen erst ihre “Jehova”-Reflexe über­win­den, ehe sie über­haupt erst mit dem Nach­den­ken begin­nen. Schon gar nicht inter­es­sie­ren sie jene, die nun Höcke aus sei­nen Wor­ten einen Strick dre­hen wol­len und über die güns­ti­ge Gele­gen­heit jubeln, ihn als Bil­lard­ku­gel zu benut­zen, um die AfD ein­zu­lo­chen. Höcke hat wie gesagt an ein Tabu im buch­stäb­li­chen – reli­giö­sen und sakra­len – Sin­ne, gerührt, und ein paar Reiz­wör­ter haben genügt, eine Flut aus Affek­ten aus­zu­lö­sen, die jede ratio­na­le Debat­te ersäuft.

Das The­ma der Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung und Geschichts­po­li­tik war noch vor zehn Jah­ren ein weit­aus grö­ße­res Anlie­gen im natio­nal­kon­ser­va­ti­ven Lager als heute:

Es gab hier end­lo­se Auf­ar­bei­tun­gen der weni­ger oder nur ein­sei­tig beleuch­te­ten Kapi­tel des 2. Welt­krie­ges wie etwa alli­ier­te Kriegs­ver­bre­chen, Bom­ben­krieg, Flucht und Ver­trei­bung, Ursa­chen des 2. Welt­kriegs, die Prä­ven­tiv­kriegs­the­se oder den “kau­sa­len Nexus” (E. Nol­te) zwi­schen Faschis­mus und Kom­mu­nis­mus. Klä­run­gen die­se Art waren einer der wesent­li­chen Schwer­punk­te etwa der Jun­gen Frei­heit, die auch in die­ser Hin­sicht heu­te deut­lich weni­ger enga­giert ist, als sie es einst war.

Erik Leh­nert erin­ner­te vor ein paar Mona­ten dar­an, wie groß etwa die all­ge­mei­ne, kaum hin­ter­frag­te Soli­da­ri­tät mit Mar­tin Hoh­mann vor nun­mehr vier­zehn Jah­ren war. Wer damals auf­merk­sam mit­ge­le­sen hat, was etwa Thors­ten HinzKarl­heinz Weiß­mann, Ernst Nol­te, Ste­fan Scheil und spä­ter viel­leicht auch Licht­mesz zu die­sem The­ma zu sagen hat­ten, weiß, daß man es sich hier kei­nes­wegs leicht gemacht hat. Kei­ne rea­lis­ti­sche Ein­schät­zung der Lage kann ver­ken­nen, daß sich Deutsch­land im Griff eines fata­len “natio­nal­ma­so­chis­ti­schen” Selbst­ver­ständ­nis­ses befin­det, und daß die­ses his­to­risch betrach­tet selbst­ver­ständ­lich mit dem Trau­ma des Natio­nal­so­zia­lis­mus, der bei­spiel­lo­sen Nie­der­la­ge von 1945 wie auch der anschlie­ßen­den “Umer­zie­hung” in Ost und West zu tun hat.

Man begibt sich hier indes auf ein kom­ple­xes Ter­rain, des­sen Ambi­va­lenz nur weni­ge ertra­gen kön­nen. Da ich von Björn Höcke weiß, daß er ein lang­jäh­ri­ger JF- und Sezes­si­on-Leser ist, gehe ich davon aus, daß auch er durch die­se Schu­le gegan­gen ist, wes­halb ich sei­ne Rede mit ande­ren Ohren höre, als jene, die ihm nun (mal wie­der) “natio­nal­so­zia­lis­ti­sche” Apo­lo­gie unter­stel­len. Den­noch möch­te ich fest­hal­ten, daß ich sowohl sein Auf­tre­ten als auch sei­ne oft miß­glü­cken­de Wort­wahl und sein Pathos nicht für beson­ders ziel­füh­rend halte.

Gewiß ist es wich­tig, daß einer das dezi­diert patrio­ti­sche Ter­rain hält, auf dem er sei­nen ker­nig ver­tei­dig­ten Pos­ten bezo­gen hat. Die­ser Abschnitt des poli­ti­schen Spek­trums ist uner­läß­lich und soll­te von guten Hän­den und Köp­fen ver­wal­tet wer­den. Den­noch wären mehr Par­tei­dis­zi­plin, Ego-Rück­nah­me und tak­ti­sche Rück­sicht gera­de jetzt weit­aus ange­brach­ter als pol­tern­de Vor­stö­ße in die­sem Stil. Das ist nicht nur eine Geschmacks­fra­ge. Wer mit Voll­dampf vor­aus auf ein Minen­feld galop­piert, muß damit rech­nen, daß ihm eini­ge Spreng­sät­ze um die Ohren flie­gen wer­den. Und wenn sie ihn am Ende zer­fet­zen, sind immer noch genü­gend Minen da, die das Gelän­de unbe­tret­bar machen. Minen­ent­schär­fung die­ser Art soll­te kei­ne Kami­ka­ze-Akti­on, son­dern eher ein gedul­di­ges und ver­ant­wor­tungs­be­wuß­tes Mika­do­spiel sein.

Bevor wir uns über die Reak­tio­nen auf Höcke empö­ren, soll­ten wir uns ins Bewußt­sein rufen, was ande­re so an ihm empört. Unser jewei­li­ges Vor­wis­sen, unse­re Wahr­neh­mun­gen, unse­re mora­li­schen Urtei­le und Schwer­punk­te, unse­re Emp­fin­dun­gen, unse­re Ein­schät­zun­gen der Lage unter­schei­den sich oft radi­kal von­ein­an­der, eben­so unse­re Gra­de der Intel­li­genz oder der Dis­kurs- und Artikulationsfähigkeit.

Wir auf der Rech­ten haben den Vor­sprung, daß wir uns die­ser Unter­schie­de stär­ker bewußt sind, im Gegen­satz zu vie­len, die nie ihre Bla­se ver­las­sen haben und nicht imstan­de sind, sich ein Den­ken “außer­halb der Kis­te”, vor allem außer­halb der ver­meint­lich zwin­gen­den Dicho­to­mie Schuld­kul­t/NS-Glo­ri­fi­zie­rung über­haupt vor­zu­stel­len. Auf sie wir­ken Höckes Sät­ze und Wort­wahl wie rote Knöp­fe, die star­ke Affek­te, Emo­tio­nen und Abwehr­re­fle­xe aus­lö­sen, die Gedan­ken und Vor­stel­lun­gen pro­vo­zie­ren, die sie nicht ein­ord­nen kön­nen, wes­halb die Nazi-Schub­la­de oft all­zu rasch auf­ge­macht wird.

Ich spre­che hier nun weni­ger von den pro­fes­sio­nel­len Hohe­pries­tern, Pro­fi­teu­ren, Anti­fan­ten, Ideo­lo­gen, Berufs­be­wäl­ti­gern, patho­lo­gisch Fixier­ten und ähn­li­chen. Den wenigs­ten Men­schen kann man ihre Reak­ti­on auf Höckes Tabu­brü­che zum Vor­wurf machen. Sie haben das Pro­blem nie anders ken­nen­ge­lernt, und sie emp­fin­den ehr­li­che mora­li­sche Empö­rung und Abscheu, vie­le frei­lich reflex­ar­tig, ohne vor­her das Gehirn ein­zu­schal­ten oder genau hin­zu­hö­ren. Sie sind durch jah­re­lan­ge Gehirn­wä­sche tat­säch­lich von der unver­gleich­li­chen Allein­schuld Deutsch­lands über­zeugt und haben gelernt, die deut­schen Opfer des Krie­ges als weni­ger bedeu­tend oder als ver­dien­te Süh­ne anzusehen.

Sie sehen nicht, daß dies oft zu einem Zynis­mus führt, der von außen nicht weni­ger “wider­lich”, “eklig” und mora­lisch ver­kom­men wirkt, als das, was sie selbst anpran­gern oder glau­ben, anzu­pran­gern. (Beson­ders nie­der­träch­tig wird es, wenn die Rela­ti­vie­rung von Kriegs­ver­bre­chen gegen das eige­ne Volk stre­ber­haf­te Züge annimmt, wie etwa bei die­sem Zeit­ge­nos­sen hier.) Sie haben oft kein Bewußt­sein dafür, Gläu­bi­ge einer säku­la­ren Reli­gi­on zu sein. Das Holo­caust-Nar­ra­tiv bie­tet ihnen einen mora­li­schen Halt und Kompaß, Din­ge, ohne die kei­ne Gesell­schaft und kein Mensch exis­tie­ren kann. Die­je­ni­gen, die am tiefs­ten und unbe­wuß­tes­ten im “Schuld­kult” ste­cken, ihn qua­si ein­ge­fleischt haben und als sol­chen kaum mehr wahr­neh­men, sind in der Regel auch die­je­ni­gen, die sei­ne Exis­tenz am vehe­men­tes­ten leug­nen. Gleich­zei­tig empö­ren gera­de sie sich beson­ders hef­tig, wenn sich ande­re ihm verweigern.

Fol­gen­de Reak­tio­nen auf Höckes Rede sind mir in den letz­ten Tagen begegnet:

  • Frisch kon­ver­tier­te Kon­ser­va­ti­ve und ten­den­zi­el­le AfD-Sym­pa­thi­san­ten, die mehr oder weni­ger so geschockt waren, daß sie augen­blick­lich bereit waren, die­ser Par­tei abzu­schwö­ren, solan­ge sie Höcke noch dul­det. Bei man­chen hat­te ich den Ein­druck, daß sie noch nie mit einem sol­chen Ton­fall oder Den­ken in Berüh­rung gekom­men sind, und erst­mal tüch­tig abge­schreckt waren.
  • Gemä­ßig­te Patrio­ten, die Höcke des Grö­ßen­wahns oder gar der “Per­fi­die” bezich­ti­gen und glau­ben, er spie­le bewußt mit Reiz­wör­tern, um zu zün­deln und zu pro­vo­zie­ren, zu wel­chem Zweck auch immer.
  • Der Vor­wurf, Höcke wie auch gene­rell das nationale/identitäre/neurechte Lager betrei­be eine Art NS-Nekro­man­tie und ver­su­che etwas wie­der­zu­be­le­ben, das 1945 unwi­der­ruf­lich per Sui­zid zugrun­de­ge­gan­gen sei (nicht der NS, son­dern das deut­sche Volk an sich war gemeint).
  • Der Vor­wurf, Höcke leh­ne gene­rell ein Geden­ken für die Opfer des NS ab, kaschie­re nur sei­ne “Ver­ach­tung” ihres Schick­sals, wol­le womög­lich gar den NS reha­bi­li­tie­ren, sich der deut­schen Schuld und Aus­ein­an­der­set­zung nicht stel­len usw. In die­sem Zusam­men­hang fällt oft das Wort “Anstand”. Bei­spiel­haft ist etwa die­ser Zwit­sche­rer hier, der der Ansicht ist, Höcke stel­le sich “bewußt auf die Sei­te derer, die aus der Sho­ah nichts ler­nen und kei­ne Ver­ant­wor­tung für den Mas­sen­mord über­neh­men wol­len”. Wobei es hier wohl eher um die Fra­ge geht, was man nach der Ansicht gewis­ser Exege­ten “aus der Sho­ah zu ler­nen” hat und was nicht, was es kon­kret bedeu­tet, “Ver­ant­wor­tung für den Mas­sen­mord zu übernehmen”.
  • Ande­re wie­der kön­nen oder wol­len hin­ter dem Denk­mal kei­ne bös­wil­li­gen oder anti­deut­schen Absich­ten erken­nen: Es die­ne doch nur dem gerech­ten Geden­ken an die ermor­de­ten Juden, sei­ne Grö­ße und Pla­zie­rung sei der Grö­ße des Ver­bre­chens ange­mes­sen, und es eig­ne sich doch ganz gut, sofern man indi­vi­du­ell die­ser Opfer geden­ken möch­te. Es sei doch kein “Schuld­kult”, sich mit der Geschich­te und dem “von deut­schen Bar­ba­ren zuge­füg­ten Leid” zu beschäftigen.
  • Man­che ver­wie­sen auf diver­se Denk­mä­ler für die Opfer des Kommunismus/Stalinismus in ande­ren Län­dern und leug­ne­ten, daß sich das Ber­li­ner Denk­mal in irgend­ei­ner Wei­se von ihnen unterscheide.
  • Einer mein­te, Höcke sei selbst­be­zo­gen, bezie­he also das Denk­mal nur auf sich und die Deut­schen, und den­ke nicht an jene, denen es geden­ken soll. Die­se Selbst­be­zo­gen­heit sei “schänd­lich” und bedür­fe einer “Ent­schul­di­gung”.

Das ist nur eine Stich­pro­be von nega­ti­ven Reak­tio­nen, die wohl deutsch­land­weit ziem­lich typisch und in der Mehr­zahl sind. Jeder, der Höcke ver­tei­digt oder eine ähn­li­che geschichts­po­li­ti­sche Kri­tik übt wie er, muß mit iden­ti­schen Unter­stel­lun­gen und Anschul­di­gun­gen rech­nen. Das kann auch über­aus häß­lich und bis zum Äußers­ten irra­tio­nal wer­den.  Wenn die Affekt­la­wi­ne erst­mal los­ge­tre­ten ist, dann ist in der Regel jede Hoff­nung auf eine ech­te, sach­li­che Debat­te vergebens.

Manch­mal zweif­le ich dar­an, ob es noch irgend­ei­ne Ret­tung für die Deut­schen aus ihrer Ver­blen­dung und ihren Lebens­lü­gen geben wird. Sie waren schon immer ein Volk, das wie die Rus­sen oder die Juden für reli­giö­se, mora­li­sche oder gar mes­sia­ni­sche Pas­sio­nen äußerst emp­fäng­lich ist. In einer Sache bin ich mir jedoch inzwi­schen sicher: Jeder Fron­tal­an­griff à la Höcke ist auf real­po­li­ti­schem oder par­tei­po­li­ti­schem Gebiet zum Schei­tern ver­ur­teilt. Er wird gewiß sein Publi­kum fin­den, aber kaum mehr­heits­fä­hig sein. Auf letz­te­res nun kommt es an. Die Zeit rennt uns davon. Wenn die AfD nicht bald stärks­te Kraft im Land wird, kön­nen wir Deutsch­land als Hei­mat­land der Deut­schen ein für alle mal abschrei­ben. Man wird aber kaum auf dem geschichts­po­li­ti­schen Pferd ans Ziel kom­men. Ich stim­me in die­ser Hin­sicht also Micha­el Paul­witz zu:

Eine Alter­na­ti­ve, die eine poli­ti­sche Wen­de her­bei­füh­ren will, muß für brei­te Schich­ten der Bevöl­ke­rung wähl­bar sein. Dafür muß sie, statt Schlach­ten der Ver­gan­gen­heit zu schla­gen, die Miß­stän­de in den Mit­tel­punkt stel­len, an denen unser Gemein­we­sen heu­te krankt: Die fort­ge­setz­ten Rechts­brü­che der Eta­blier­ten bei Euro-„Rettung“, Ener­gie­wen­de und Mas­sen­ein­wan­de­rung, die Demon­ta­ge des Rechts­staats, der gras­sie­ren­de Ver­lust an Ord­nung, Frei­heit, Sicher­heit, Gemein­sinn und bür­ger­li­chen Tugenden.

Das bewegt die Bür­ger, damit muß die Wen­de begin­nen und nicht mit geschichts­po­li­ti­schen Paro­len, die die wenigs­ten nach­voll­zie­hen kön­nen, von denen die meis­ten abge­sto­ßen wer­den und die dem Estab­lish­ment so einen will­kom­me­ne Vor­wand lie­fern, um vom eige­nen Ver­sa­gen abzulenken.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (60)

Lyrurus

20. Januar 2017 09:02

Vielen Dank für diese gute Aufbereitung des Themenkomplexes.

In der nächsten Zeit werden wir uns also in Diskussionen nicht nur mit Schießbefehl auf Frauen und Kinder, der Ablehnung von Boateng in der Nachbarschaft, sondern auch mit dem Denkmal der Schande konfrontiert sehen.

Das macht es nicht einfacher und kostet wieder viel Zeit und Arbeit, um dies für die Verunsicherten zu erläutern und einzuordnen (wobei vorliegender Text sicher hilfreich sein wird; daher möchte ich anregen, für Texte wie diesen die Art der Verfügbarkeit zu überdenken) . Dazu kommt die mit den Begleitumständen verbundene Frustration der Aktiven. Das ist vermutlich das Schlimmste. 

Mein Fazit: Überlegtes strategisches Handeln sieht anders aus. Dabei hatte ich kurz den Eindruck, daß Höcke - und der Rest der AfD-Führung - sich ihrer Verantwortung inzwischen bewußt seien und entsprechend handeln. Auch das ist rechte Inkompetenz. 

Augustin

20. Januar 2017 09:47

Vielen Dank für diese kluge und besonnene Einordnung in die strategische Lage der AfD.

Ein gebürtiger Hesse

20. Januar 2017 10:43

Schade, daß man im Heute nicht aus der Zukunft lernen kann. Hätte Höcke diese intensive Analyse und "Weiterdenkung" seiner Rede schon Anfang der Woche lesen können, hätte er sie kaum auf die gleiche Weise gehalten (oder zumindest das Jehova-Wort durch ein anderes ersetzt). Aber wer weiß, ob die Sache nicht auch noch ihr Gutes hat. Eine ewig verhinderte notwendige Auseinandersetzung mit Negativ-Zentren der eigenen (kollektiven UND persönlichen) Identität bedarf stets aufs Neue der Anstoßung. Dies durch einen schmerzhaften Stich zu tun, und sei es ins Wespennest, hat sicher all die hier erkannten Nachteile. Und dennoch: von nix kommt nix. Vielleicht gibt es landauf landab in diesen Tagen ja doch Leute, in denen die Höcke-Worte einen Schalter des Gesundwerdenwollens anknipst. Diese Hoffnung mag zu romantisch sein, aber es schadet nichts, sie zu haben.

Hartwig aus LG8

20. Januar 2017 11:05

""Wenn die AfD nicht bald stärkste Kraft im Land wird, können wir Deutschland als Heimatland der Deutschen ein für alle mal abschreiben.""

Herr Lichtmesz, dieser Ansicht bin ich nicht. Eine Neujustierung der Welt unter Trump und Putin, ein Siechtum der EU, ein Bedeutungsverlust Deutschlands als Vorposten einer entwerteten NATO, vielleicht eine Globalisierungspause (die dem Exportweltmeister wehtun könnte) - all das wird Anpassungen erzwingen.

Man hat gesehen, zu welchem Richtungswechsel England in der Lage ist unter einer etablierten Partei. Man kann sehen, zu welchem Richtungswechsel die USA fähig sind unter dem Logo einer etablierten Partei. Eventuell wird man ähnliches in Frankreich sehen können unter Villon.

Ich denke, "Schnellroda" muss eine Denkfabrik bleiben. Die AfD wird eine Rolle spielen. Aber der Richtungswechsel wird nicht an Höcke scheitern, und schon gar nicht von Petry, Meuthen oder Gauland abhängen.

Abt Knittel

20. Januar 2017 11:16

Der Wirt, in dessen Gaststätte Höckes Auftritt stattfand, hat laut SPON von gestern Abend die Saalmiete von 2000€ an einen "Aktivisten"gespendet.Dieser beabsichtigt, ein Schiff zu kaufen um noch mehr Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten.

Woher der plötzliche Sinneswandel ? Spiegel erklärt es nicht.Die Welt erwähnt,dass die Fassade der Räumlichkeit nächtens mit 40 Farbbeuteln verunziert wurde.Ob es noch weitere massive Einschüchterungen seitens der bekannten Eingreiftruppe gab, darüber wurde nichts verlautbar.

SPON frohlockt unter "Wie Höcke indirekt Flüchtlingen hilft".

Ebi

20. Januar 2017 11:34

Tja ja, die Anschlußfähigkeit... Und schon gefriert das Wasser...

RMH

20. Januar 2017 11:52

Ich finde den Schluss, den Lichtmesz unter Zitierung von Paulwitz gezogen hat, gut.

Ich habe im anderen Strang schon geschrieben, dass ich Sympathien für Höcke habe, wie wohl die meisten hier. Aber er ist "all in" mit seiner Politikerkarriere gegangen und sollte nun vom Geschichtslehrer-Dasein Abstand gewinnen. Er ist nicht irgendein Hinterbänkler oder ein Mitglied eines rechten Think-Tanks (gibt es so etwas eigentlich?), welches auch einmal quer oder à rebours in öffentlichen Reden bewusst dicker auftragen kann. Er steht mit an der Spitze eines AfD-Landesverbandes und ist der Vorsitzende einer Landtagsfraktion - da muss er selbst bei einem Heimspiel immer an die nächsten Auswärtsspiele denken, an die Beobachtung, die ihm widerfährt und dass die Bretter eben dick sind und gebohrt werden wollen und man sie nicht mit einem Handkantenschlag zerschlagen kann.

Das Entschärfen der "Minen" sollte er daher dringend anderen überlassen, da gibt es sicher genug dafür. Er muss nicht mehr das ganze Feld beackern. Er muss die Wahl 2017 zusammen mit allen anderen von der AfD gewinnen! Und da gilt es in der Tat die aktuellen Themen zu bearbeiten und den Menschen Hoffnungen zu machen.

 

Graddör

20. Januar 2017 12:01

Ich denke, man sollte die normalen Deutschen nicht unterschätzen. Hysterische  Twitterer,  Lügenpresse  und  Ralf  Stegner sind nicht das deutsche Volk. Ich kenne jedenfalls niemanden, dem dieses ständige Einhämmern  mit der Schuldkeule  nicht zuwider ist. Wer braucht diese Lauen, welche wegen dieser Rede die ARD nicht wählen? Und was wählen die denn dann? Anstatt am mutigen Höcke rumzumäkeln, sollte doch jetzt erst recht rhetorisch draufgehauen werden auf die  Hohepriester des Schuldkultes. Höcke sprach mal davon, dass wir Deutschen unsere Männlichkeit wiederfinden sollten. Für mich heißt männlich sein keinen Millimeter zurückzuweichen. In diesem Sinne: Keinen Fußbreit den Schuldkultisten !        

Rheinländer

20. Januar 2017 12:02

Lieber Herr Lichtmesz,

vielen Dank für diese hervorragende Analyse!

Ich muß sagen, daß ich politisch selten so viel gelernt habe wie die vergangenen Tage. Und im patriotischen Lager hat Höckes Rede, egal wie man zu ihr steht, wichtige und notwendige Diskussionen angestoßen.

Was Höcke und auch andere nicht berücksichtigt haben, ist die seelisch-emotionale Seite der Menschen, der Wunsch nach innerem Frieden, gefühlter Gerechtigkeit und Wiedergutmachung von Unrecht. Und dieser Wunsch wird von der offiziellen Vergangenheitsbewältigung durchaus bedient, nur leider auf eine destruktive Art und Weise.

Wie Kubitschek gegenüber einem  Kommentator erwähnte, hat der Schuldkult nämlich auch ordnende, alltagsentlastende, identitäts- und verbindungsstiftende Wirkung.

Und die kann man den Menschen nicht einfach so wegnehmen, ohne ihnen zeitgleich etwas Gleichwertiges als Ersatz anzubieten.

Denn dann reagieren sie hilflos, können das Gesagte nicht einordnen, entwickeln eine kognitive Dissonanz und fallen dann auf die medialen Narrative herein.

Die entscheidende Frage könnte also sein:

Kann die Neue Rechte ein Vergangenheitsbewältigungsnarrativ entwickeln, das den derzeitigen Schuldkult ersetzt und auch noch "attraktiver" als dieser ist ? Das also auf BEIDE Seiten eingeht, Opfer und Täter, aus unterschiedlichen  Perspektiven ?

Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist das, was der Kommentator marodeur unter Kubitscheks Artikel schrieb:

"Über kurz oder lang wird nur mitspielen, wer eine Kerze im "Nie-wieder-Tempel" anzündet. Erst wenn wir uns des Kults bemächtigen, kontrollieren wir seine Kraft."

Nun, bemächtigen im Sinne von eine Übernahme 1:1 sollten wir ihn uns nicht, wohl aber berücksichtigen und mitdenken, welche Bedürfnisse er befriedigt.

Was also setzen wir dem Schuldkult entgegen, was ordnend, alltagsentlastend und verbindungsstiftend wirken könnte ? Bzw. durch was ersetzen wir ihn ?

Georg Kurz

20. Januar 2017 12:16

Sehr geehrter Herr Lichtmesz,

vielen Dank für den Artikel. Insbesondere, was auf der zweiten Seite steht, halte ich für elementar. Politische Publizistik hat oftmals zwei Aufgaben: Einmal die, die bereits überzeugt sind, zu radikalisieren, und einmal neue Leute zu überzeugen. Derzeit halte ich die zweite Aufgabe für die klar wichtigere, und insbesondere ein Parteipolitiker kann sich meines Erhabens nur zweiteres erlauben.

Vor allem ist es wichtig, immer zu versuchen, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen. Wie kommt das, was ich sage, bei einem anderen an? Wie kommt es bei einem Betonschädellinken an (nicht ganz so wichtig) und wie bei einem politisch nicht allzu Interessierten, der dem Hauptstrom hinterherläuft (sehr wichtig!)? Das möchte ich anhand eines Beispiels der Linken erläutern: Wenn eine Lann Hornscheidt fordert, selbst die Bezeichnung »Professor*in« sei immer noch zu sexistisch, stattdessen sei der (das?) »Professx« angebracht, wird das auch beim Durchschnittsdeutschen Belustigung bis Verachtung hervorrufen. Für unsereins ist das natürlich auch eine schöne Steilvorlage, den Feminismus/Genderismus in toto zu diskreditieren. Derartige Steilvorlagen sollten wir aber unserem Feind nicht ohne Not anbieten.

So lange es noch viele Leute gibt, die gegenüber der Merkel-Regierung Verachtung empfinden, die die schlimmen Folgen der Masseneinwanderung durchaus sehen und diese beenden wollen, aber trotzdem die AfD »ganz schön rechts« und damit »unwählbar« finden (diese Ansicht habe ich schon sehr häufig gehört), ist eben das behutsame Vordringen in die feindlichen Linien geboten.

nordlicht

20. Januar 2017 12:24

Zitat Lea Rosh: "Wir schaffen das!  Frau Bundeskanzlerin! Sie haben unser Land verwandelt!"  Ja...sie hat unser Land verwandelt.  Ich bin jeden Tag mehr erschüttert; daß  ich miterleben muß, wie eine  Ideologie  zusehends ein  ehemals demokratisches Land verwandelt und  politische Kräfte mit ihrem mediengestützten Meinungsmonopolismus dazu täglich ihren Beitrag leisten. Frau Rosh sieht wohl ein anderes Land...oder sie möchte ein anderes Land.

Sozialpatriot

20. Januar 2017 13:05

Über weite Strecken sehr gute Analyse, vor allem, was die unterbewussten zivilreligiösen Motive der Höcke-Kritiker angeht.

Was den Schluss angeht, bin ich aber nicht Ihrer und Paulwitz' Meinung. Die Geschichtspolitik ist so zentral zur Erklärung dafür, warum Deutschland in der Europa- und Migrationspolitik so einen Kurs fährt und warum diese Politik die Schlechteste aller EU-Regierungen ist.

Nur wenn diese Geschichtspolitik verändert wird und die breite Masse des Volkes wieder zu gesunden Menschenverstand zurückkehrt, kann sich etwas dauerhaft grundlegend ändern.

Schlechte Presse ist besser als gar keine Presse. Viele werden sich aus Neugier wohl zum ersten Mal mit dem anderen Blick auf die gesamte deutsche Geschichte beschäftigen und ein Nachdenkprozess wird beginnen.

Höcke führt nur das konsequent weiter, was nicht nur Rudolf Augstein und Martin schon gesagt haben. Auch Alfred Dregger sagte:

"Deutsche Geschichte besteht nicht aus 12, sondern 1200 Jahren." und

"Mit dem Nationalmasochismus muss endlich Schluss sein.

 

 

Ein gebürtiger Hesse

20. Januar 2017 13:07

Die von Rheinländer gestellte Frage ist so zentral, daß sie nochmal wiederholt werden soll:

Kann die Neue Rechte ein Vergangenheitsbewältigungsnarrativ entwickeln, das den derzeitigen Schuldkult ersetzt und auch noch "attraktiver" als dieser ist ?

Hierzu eine Vorbemerkung: die Vergangenheitsbewältigung als solche (und mit diesem Begriff bezeichnete) kann überhaupt kein Narrativ sein, schon weil wir, wenn wir uns auf sie einließen, unter falscher, weil von fremder Seite aufgepropfter Flagge segeln würden. Positive, also auf Lebenswerte ausgerichtete Identität wie sie etwa Höcke vorschwebt, ist so kaum oder gar nicht zu haben.

Und jetzt eine Antwort auf die Frage, aus fünf aus der Hüfte geschossenen Begriffen bestehend: Schläue (siehe die Antaios-Schlange), Bauchgefühl, Glauben, Tat und innere Lebenshöhe (über die Henry de Montherlant letzte Dinge schreibt in dem "Brief eines Vaters an seinen Sohn", der diesen Band abschließt: https://antaios.de/gesamtverzeichnis-antaios/reihe-kaplaken/1090/nutzloses-dienen?c=73 ) sind Grundlagen für alles, was von unserer Seite aus Vorbild und überhaupt BILD werden kann. Das Narrativ, also eine sinngebende Erzählung, kann womöglich, ja ich denke wahrscheinlich, erst hieraus entstehen. Darum haben wir uns aktiv zu kümmern.

Neidhardt

20. Januar 2017 13:15

Einer der scharfsinnigsten Texte der letzten Jahre, heute für einige Wenige ein Schlüssel zum Verständnis einer pathologisch gewordenen Publizistik, morgen für Historiker ein Kompendium zur ideologiegeschichtlichen Durchdringung eines Zeitalters. 

interzonesk

20. Januar 2017 13:26

Höcke redet und - alle Fragen bleiben offen

Martin L. beschreibt einen erinnerungspolitischen Zeitbogen und landet bei Fragen von "Strategie und Taktik". 

Die "Linke", die nicht auf Karl Marx gehört hatte, der nichts von Sozialismus in einem Land hielt  - für den sollte der Kapitalismus weltweit erst die "Drecksarbeit" machen und die Welt vereinheitlichen - hatte das Taktik- und Strategieproblem als Frage des "Zeitpunktes" (der Kräfteverhältnisse) immer schon an der "Backe": als bündnispolitische Frage, ... als "Geschichtspolitik" ....10 Schrittchen vor, 11 Hamburger Aufstände zurück, Strom in die Jurte und Lenin einbalsamiert als pragmatischer Körperhüllenfetisch für die "dumme" Umgebung....Gramsci wollte gar mit dem Bewußtsein das Sein verändern...

Für "Bürgerliche", die auf die Autonomie des Individuums, Vernunft und auf Geschichte als offener Prozeß  - bei aller gesellschaftlichen Bedingtheit des Menschen - setzen, sind "linke Strategien" (Meuten- und Generalsekretärsdruck, Partei neuen Typus, vereinheitliche Geschichtsbilder, seid bereit - immer bereit ....) nicht möglich. 

Linke sind auch einfach zu relevanzblind: 

Die "Berliner",  die sich ewig und drei Tage billige Wohnungen aussuchen konnten, fühlen  inzwischen die Zuwanderungen, die Mieten steigen. Statt über "no nation, no border" nachzudenken, rennen sie Andrej Holm hinterher, weil es "Gentrifizierung" sei... Björn Höcke verdammt man - a la "Gentrifizierung" - wegen irgendwelchen bevölkerungspolitischen Theorien statt auf den "schlagenden" demographisch-afrikanischen Gesamtzusammenhang zu achten.

Kurz: 

Die Autonomie der "Subsysteme", die AfD ist voll davon, ist auch eine Folge fragmentierten bürgerlich-deutschen Bewußtseins, wird sich nicht steuern lassen, so gut Martin Lichtmesz zu lesen ist. 

Es bleibt noch bei Martin Luther. Jeder pflanze - freundlich - sein Apfelbäumchen im Bewußtsein seiner Zeit und Verantwortung auch mit dem Wissen, das Geschichte ein 

"dialektischer" Prozeß sein kann incl des "Wunders" der Wiedervereinigung.

Siddharta

20. Januar 2017 13:28

Ein Kult ist nur dann ordnend, sinnstiftend oder alltagsentlastend, solange er sich gegen Dissonanzen immunisieren lässt. Man kann Wilkomirskis "Bruchstücke" hartnäckig als Autobiographie lesen. Eines Tages wird man sich jedoch mit einer Lebenslüge auseinander setzen müssen. Dieses Thema lässt sich nicht oberflächlich oder beiläufig streifen. Deshalb würde ich diese Kiste vorerst nicht aufmachen.

Der Gehenkte

20. Januar 2017 13:30

Ganz wichtig, den historischen Kontext noch einmal aufzuzeigen!

Ich habe mittlerweile die Hoffnung Höcke aufgegeben - er wird nie ein Politiker werden, zumindest nicht an vorderster Front. Und das mag ihn sogar ehren, denn seine Einsicht in den kommenden Opportunismus und sein "Schwur", daran nicht teilzuhaben, sind wohl ernst zu nehmen. Aber Aufrichtigkeit rächt sich in der Politik in der Regel. Bedauerlich, aber Realität. Ohne Zynismus geht es nicht - das ist ja der Grund, weshalb man ab einer gewissen Intelligenz die Politik meidet: „Nicht die Politiker sind beschränkt, sondern die Beschränkten werden Politiker“, meinte Günther Anders und in diesem Sinne ist Höcke wahrscheinlich keiner.

Oder doch?: Vor allem sollte man lernfähig sein und nicht drei Mal den gleichen Fehler begehen.

"Wenn die AfD nicht bald stärkste Kraft im Land wird, können wir Deutschland als Heimatland der Deutschen ein für alle mal abschreiben."

Wenn das tatsächlich die Kondition ist, dann wäre es aussichtslos. Die AfD wird nicht über das Viertel hinauskommen. Viel wahrscheinlicher ist doch, daß die anderen Parteien nach und nach die Ideen und Forderungen der AfD übernehmen werden und auch das müßte als Erfolg gefeiert werden, denn es geht nicht um die AfD - wie es auch nicht um Höcke geht -, sondern um unser Land! Wäre die AfD nur das Boot, um das andere Ufer zu erreichen, dann könnte man sie dort am Ufer liegen lassen. Man nimmt das Boot - das ist eine alte Buddha-Legende - am anderen Ufer nicht mit. 

In diesem Sinne hat Höcke recht, wenn er die AfD als letzte evolutionäre Chance begreift - solange sie Bewegungspartei bleibt, ist sie das, sobald sie im Establishment angekommen ist, gilt Buddhas Regel.

 

 

Gustav Grambauer

20. Januar 2017 13:48

"Persönlich denke ich, daß es selbstverständlich ein Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus in angemessener Form geben soll und muß."

Gibt es doch, ein zentrales, allerdings nach den persönlichen Vorstellungen von Helmut Kohl kurz vor dem in Rede stehenden fertiggestellt, somit ein stoßender Kontrapunkt für Frau Rosh & Co.

https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Wache

und darüber hinaus tausende (!) dezentrale, man google nur mal "berlin denkmal vvn" oder zähle allein mal die entsprechenden Tafeln hier durch:

https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/nc/gedenktafeln/person/

Berlin ist Weltrekordhalter in der Anzahl progressiver, oft antifaschistischer Denkmale, und dabei überproportional oft für Juden, selbst wenn man die Demmingschen Stolpersteine herausgerechnet läßt!

"Dennoch möchte ich festhalten, daß ich sowohl sein Auftreten als auch seine oft mißglückende Wortwahl und sein Pathos nicht für besonders zielführend halte."

Ich höre bei Höcke folgende Mischung heraus:

- aus der althergebrachten Selbstverständlichkeit so zu aufzutreten, wie seinerzeit einmal ein Strauß oder Wehner unangefochten für ihren Habitus aufgetreten sind. Höcke mag Jahrgang `72 sein, aber er gehört, vielleicht auch durch seinen Vater vermittelt, innerlich nicht der Generation Golf / Wetten-Daß an, so wie eine Petry oder ein Pretzell. Allein dafür ist er für das "Sozialistische Kollektiv" das "Schwarze Schaf".

- aus dem Kitzel am Schmerz über den Untergang seiner alten Welt

- aus dem - wohl bei ihm aus dem tiefsten Inneren kommenden - Ekel gegenüber den heute gängigen süß-klebrigen Farcen der Nieder-Moderation sowie

- aus der entsprechenden Lust an Selbstbehauptung und Provokation.

Ich habe die Rede in vollen Zügen genossen, sie markiert für mich einen Durchbruch. Politisch mag sie unklug gewesen sein, für die geistige Atmosphäre war sie ein reinigendes Gewitter nach einem kaum noch zu ertragenden Schwüle-Stau. Mittendrin habe ich für mich mit unsagbarer Erleichterung gedacht: jetzt müssen auch wir hier keine Befürchtungen mehr haben, daß uns die "Weltgesellschaft" in die FEMA-Särge steckt.

"Manchmal zweifle ich daran, ob es noch irgendeine Rettung für die Deutschen aus ihrer Verblendung und ihren Lebenslügen geben wird."

Lieber Martin, damit sowie überhaupt mit Deinem letzten Absatz gehe ich eher mit Hartwig aus LG8 mit als mit Dir. Auch Höcke war auf einer tieferen Ebene nur getragen von der jetzt überall wiederkehrenden (christlich gesprochen: michaelischen) Welle der (Re-)Konquistadoren-Mentalität (Trump zu Diekmann: "I love to get things done"), die schon für paralysiert gehalten worden war, und die der wahre Grund des Entsetzens der ewigen Bedenkenträger, Zeigefingerheber und Ausdiskutierer ergo Fassadenschieber aus dem therapeutisch-geschützten Raum ist. Ich weiß nicht, warum genau sich Michael "mit dem feurigen Schwert aus dem Munde" so lange zurückgezogen hatte (obwohl es das Zeitalter seiner Regentschaft ist), aber jetzt ist er wieder da und sorgt bei seinen Opponenten bereits für blanke Nerven wie der Fuchs im Hühnerstall.

- G. G.

Westpreuße

20. Januar 2017 13:55

Herr Lichtmesz,

eine wirklich gelungene Darstellung Ihrerseits. Abwägend, klug, dieses und jenes bedenkend, gefällt mir sehr. Und etliche weiterführende Gedanken! Aber wer wird das lesen von den "humanitären Menschheitsgenossen" auf der anderen Seite der Barrikade? Ich meine jetzt nicht die Bezahlschranke, sondern die Denkschranke. Man muß immer wieder bereit sein, seine eigenen Gedanken zur Disposition zu stellen. Sie notfalls dann auch zu ändern, anzupassen...(Gottfried Benn: Erkenne die Lage...).

Zum Denkmal, Mahnmal in Berlin: Es ist richtig, daß der ermordeten Juden (und anderer) in Berlin gedacht wird.  Das sind wir ihnen schuldig. Ich habe dieses Stelenfeld nie als bedrückend empfunden; nur einfach zu monströs wie die Taten, auf die sich das Denkmal bezieht...Ich glaube auch nicht, daß das Denkmal von jungen Leuten als bedrückend empfunden wird: Eher:...boh...ey...cool...echt krass...kuckma...(so oder ähnlich mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört). 

Das ist die eine Seite. Aber was ist mit der anderen Seite? Die Unfähigkeit zu trauern, so Alexander Mitscherlich. Das aber mal auf das Leiden und die Verluste (Menschen, Land, Werte...) der Eigenen / des Eigenen bezogen. Aber Mitscherlich meinte es ja ganz anders...

Zu Herrn Höcke: Ich halte ihn für einen Nationalromantiker, der durchaus diskussionswürdige Themen zur Sprache bringt. Aber sie verunglücken ihm sprachlich. Dauernd rutscht er aus und muß sich hinterher korrigieren, richtigstellen, erklären: So habe ich es doch nicht gemeint...!

Es gibt Themen in Restdeutschland, die sind ein Minenfeld (Kommentar oben). Es ist heikel, dieses Minenfeld so "treudeutsch-naiv" wie Herr Höcke zu betreten. Ich kenne ihn nicht. Ist er denn so gebildet-naiv? Weiß er nicht, wie seine Worte ihm ausgelegt werden..? Das ist ihm nun schon etliche Male passiert. Ich halte ihn auch nicht für einen überzeugenden Rhetoriker. Kommt mir immer etwas komisch vor, wenn ich ihn höre. Auch die Reaktion seiner Zuhörer fand ich nicht angemessen. Viel Begeisterung, nun ja; etwas viel Rummelplatz-Stimmung. Ich weiß aber auch nicht, wie man diesen ganzen Themenkomplex angemessen in der Öffentlichkeit aufnehmen sollte, wenn einem das Herz aufgeht...

Die Bundestagswahl im September wird in den westlichen Bundesländern entschieden. Ich befürchte, wenn Herr Höcke (und andere) sich noch weitere Klöpse  wie gehabt erlauben, läuft der Wähler dort der AfD davon bzw. wählt das für ihn kleinere Übel, was eben das größere ist: Lieber doch nicht AfD..! Es hat auch keinen Sinn, die Menschen als umerzogen, gehirngewaschen, denkfaul, wohlstandsverwahrlost, sich selbst identitätsferne usw. zu beschimpfen. Die AfD hat nur dieses Wählerpotential. Dieser im Wesenskern konservative Wähler sollte angesprochen werden. Weitergehende, tiefergehende Gedanken mögen in Schnellroda und anderswo gedacht und in die politische Diskussion eingebracht werden: Schau mal, so kann man auch denken. Versuch's doch auch mal, raus aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit (Immanuel Kant)...Diese Gedanken gehen doch jetzt (!) schon ihren Weg. Wie Hefe im Brotteig.  Weiter so bitte...

Herr Lichtmesz, insgesamt eine sehr hilfreiche Analyse zur Lage. Nicht nur dankend, sondern auch anerkennend meinerseits gelesen! Ich lese hier, habe ich mir antiquarisch besorgt: Eberhard Ortbandt: Deutsche Geschichte/ Lebenslauf des deutschen Volkes/ Werdegang des Deutschen Reiches; über 800 Seiten. Über Herrn Orthbandt habe ich wenig gefunden im Internet. Er war wohl ein Gymnasiallehrer(?) in den 1950-er, 1960-er Jahren. Vor Jahren las ich mal einen Artikel über ihn, sezession, blaue narzisse, Junge Freiheit; ich weiß es nicht mehr. Wunderbares Werk; die Höhen und Tiefen unseres Volkes beschreibend. Erster Satz seines Vorwortes (Tübingen 1960): "Das Schicksal, das unserem Volk widerfährt, betrifft uns alle."---Grüße von der Weichsel

 

marodeur

20. Januar 2017 14:10

@Graddör

"Ich kenne jedenfalls niemanden, dem dieses ständige Einhämmern mit der Schuldkeule  nicht zuwider ist."

Wo leben Sie eigentlich? Auf anderen Blogs und Kommentarspalten liest auch man ständig solche Aussagen. Es scheint überall in Deutschland Zonen zu geben, in denen ausschließlich Patrioten leben. Bin ich denn der einzige, der tagtäglich umgeben ist von sogenannten "Linksliberalen"? Gehen Sie bitte mal raus aus Ihrer Filterblase.

Lichtmeszs zerknirschtes Fazit am Ende trifft 100% zu. Höckes Rede bringt in Summe den Verlust von Sympathie, Wählern und Nerven. Wir haben in der AfD-Ortsgruppe ehemalige Linke und Gewerkschafter, die schon letztes Jahr angekündigt haben, die Partei zu verlassen, wenn Höcke an Einfluß gewinnt. Der Verfassungsschutz ist unterwegs und wird bald genug Anscheinsbeweise zusammen tragen, um den Sack zuzumachen. Eine Gegenargumentation ist aussichtslos, da "Denkmal der Schande" einfach zu dankbar ist, um sich daran abzuarbeiten. Ich bewundere die Foristen hier, die auch noch glauben, die Aktion hätte vielleicht Wählerstimmen gebracht. Ich glaube, das besagte Minenfeld hat eine Kettenreaktion ausgelöst, die sich gerade durch unsere Stellungen bombt.

Sven Jacobsen

20. Januar 2017 14:25

Martin Lichtmesz hat es geschafft, auf nur zwei Seiten verdichtet die komplexe Thematik und die gesellschaftlichen Gegensätze darzustellen; insofern ist es zurecht ein Premium-Artikel. Nach der Lektüre findet man sich in einer etwas bedrückten Stimmung wieder. Wählen wir als Bezug den Inhalt der bekannten Rede Martin Walsers und die ihr folgenden Diskussionen oder das in der breiten Öffentlichkeit Gesagte zum Mahnmal in Berlin. Es scheint, als würde man hinter der Wortwahl der damaligen Diskussionen zurückbleiben müssen, als würde die Reizschwelle immer sensibler eingestellt werden – zweifellos ein intellektueller Rückschritt, denn kein ernstzunehmender Mensch zweifelt an der Notwendigkeit, sich der deutschen Geschichte wachsam zu erinnern. Kein ernstzunehmender Mensch wünscht sich die NS-Diktatur zurück. Die politische Korrektheit ist jedoch so über alle Maßen bedrückend geworden, dass praktisch die wichtigste Tätigkeit darin zu bestehen scheint, das gesamte Internet sowie alle Interviews und öffentlichen Auftritte auf den politisch korrekten Wortgebrauch zu belauern. Und diejenigen, die das tun, nehmen sich das Recht, ausgewählte Aussagen auf jeden Fall öffentlich zu interpretieren (!) und ihre Interpretationen anschließend zur Grundlage von verbindlichen Sanktionen zu machen. In der Folge wird die besagte Reizschwelle noch feinfühliger gesetzt, sodass für die Deutschen die intellektuelle Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und der eigenen Sprache zum absurden kulturellen Risiko wird.

Heinrich Brück

20. Januar 2017 14:49

Muß vorausschicken, bin weder Minenentschärfer noch Mikadospieler. Und in diesem Zusammenhang dürfen die Minen leider nicht gesprengt werden.

Diese Geschichtspolitik ist den Deutschen eingepflanzt; nachvollziehbar auch die Beschreibung der Vorgehensweise in der Behandlung des Schuldkults. Gleichzeitig gibt es ein Zeitproblem wegen der "demographischen Entwicklung". Der Schuldkult ist in meinen Augen eine Krankheit, in diesem Fall politische Schwäche und Unzulänglichkeit - die AfD überhaupt wählen zu können.

Höcke sprach die Krankheit an, versuchte sprachlich antibiotisch dagegen vorzugehen, und die multiresistenten Keime in Bewegung geraten sind und ihren Standpunkt vertraten. Das Gegengift als Mikadospiel?

Das Minenfeld zu entschärfen, ohne die Minenleger darauf aufmerksam zu machen, und gleichzeitig das Wählerpotenzial der AfD zu erhöhen, bleibt ein zeitlicher Widerspruch; diese Falle wurde sehr gezielt verankert.

Der NS generierte eine Stärke, die, wie in diesem Fall, auch in die falsche Richtung lief. Das Problem nur, wenn politische Stärke an sich schon falsch assoziiert wird.

Im eigenen Land in einem dermaßen beschriebenen Minenfeld leben zu müssen, der Nationalstolz jeden Tag ein bißchen mehr zerfetzt werden darf, ist unmöglich.

Die BRD wird negativ in die Geschichte eingehen, dieses Urteil ist sicher. Und damit können sich viele nicht anfreunden, weil sie schon wieder besiegt wurden. Höckes Ausführungen wurden nicht widerlegt.

stimmviech

20. Januar 2017 15:37

Ohne Aufarbeitung der Reeducation,Abkehr vom Schuldkult und Hinwendung zu Deutscher Geschichte und Kultur wird selbige nicht zu retten sein. Eine weitere weichgespülte CDU brauchen wir nicht,wir brauchen eine Höcke AFD. Der Autor und die Kommentatoren verkennen,daß Ficki-Ficki und der leider zu erwartende weitere Terror die Gutmensch-Wohlfühlblase bricht. Dann suchen die aus der Gehirnwäsche erwachenden nach Antworten für ihr Elend.Diese Antworten liefert Höcke in seiner großen und für die nächsten Jahre wegweisenden Rede.

Andrenio

20. Januar 2017 16:48

Hier die Taktierer in der AfD, alle das Messer im Gewande für den potentiell gefährlichsten innerparteilichen Konkurrenten, dort eine Lichtgestalt mit klarem Blick auf die Ursachen der tiefen seelischen Erkrankung unseres Volkes.

Was soll man mehr dazu sagen?

Jeanne d'Arc ist sogar den Märtyrertod gestorben, hat aber zur Rettung ihres Heimatlandes entscheidend beigetragen. Nicht auszuschließen, dass Björn Höcke dasselbe Schicksal ereilt. Wenn staatlich gekaufte Horden schon jetzt vor fast nichts zurückschrecken, warum vor dem politischen Mord anhalten.

Wir haben bereits die Mördergrube, vor der der deutsche Papst im Bundestag warnte. Das Attentat in Berlin war eine falsche Flaggenaktion. Man schaue sich nur das erste Foto bei BBC an. Was kommt als nächstes? 

Wilhelm

20. Januar 2017 18:28

Wir müssen die "Schlachten der Vergangenheit" (Zitat Paulwitz am Ende des Artikels) schlagen und mit dem Narrativ der Umerziehung aufräumen, weil wir nur dadurch die Kräfte frei setzen können, die wir brauchen, um den Kampf gegen die Mißstände in der Gegenwart gewinnen zu können. Außerdem müssen wir die "Mediokratie" (Vaclav Klaus) als Hauptgegner der Selbstbefreiung erkennen und ihr die Aura von Wahrheitsanspruch, Moralität und Gutmenschentum nehmen durch Aufdecken der inszinierten Fakes und Lügengeschichten. Daran wird gearbeitet und es gibt Fortschritte. Das läßt hoffen.

Solution

20. Januar 2017 19:22

Ich finde persönlich nicht, daß wir ein Denkmal für "die Opfer des Nationalsozialismus" brauchen. Warum auch?

Statt dessen sollte man Denkmäler bauen, die positiv besetzt sind und an die herausragenden Persönlichkeiten und Ereignisse unserer Geschichte erinnern. Das Herrmanns-Denkmal oder die Bismarck-Türme sind so ein Beispiel aus vergangenen Zeiten, wo man noch normal im Kopf war.

H. M. Richter

20. Januar 2017 19:49

Es kommt, wie zu erwarten war: Es wird der härteste und schmutzigste Wahlkampf werden, den dieses Land bisher gesehen hat. Die AfD-Führung wäre gut beraten, Höcke jetzt nicht im Regen stehen zu lassen. Gauland hat dies begriffen, andere offensichtlich nicht.

Auch wäre ratsam, jetzt zum Gegenangriff überzugehen und den Berliner Kurier ("Er ist wieder da" v. 19.01.2017) sowie die Hamburger Morgenpost ("Er ist wieder da" v. 19.01.2017) u. a. mit Schadenersatzklagen zu konfrontieren, deren Höhe nicht hoch genug sein kann.

Siehe: https://meedia.de/2017/01/19/er-ist-wieder-da-und-schande-so-heftig-kritisieren-b-z-mopo-und-berliner-kurier-die-mahnmal-rede-von-afd-mann-bjoern-hoecke/

Bekanntlich begeht eine üble Nachrede (§ 186 StGB), wer eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die zur Herabwürdigung geeignet ist und die nicht erweislich wahr ist. Wenn o. g. Medienberichte rechtlich unwidersprochen bleiben, dann Gnade Gott, was die nächsten Wochen und Monate noch an ähnlichen Auswüchsen bringen werden.

Denn: Wer sich zum Kohl machen läßt, darf sich nicht wundern, wenn er gefressen wird. Dies würde aber nicht nur Höcke selbst betreffen, sondern selbstredend die gesamte AfD ... Dann könnte es tatsächlich so kommen, daß wir Deutschland als Heimatland der Deutschen ein für allemal abschreiben (s. o.) können.

Die zugesprochenen Entschädigunssummen sollte Höcke als Spende geeigneten Empfängern zukommen lassen.

Ralf H.

20. Januar 2017 20:08

Adrenio: Volle Zustimmung. Ich habe diese Leisetreterie, diese Rücksicht auf die Unsicheren, die vielleicht, eventuell, möglicherweise ja doch, oder auch nicht, die AfD wählen wollen, könnten und die der ach so politisch dumme, naive Herr Höcke jetzt wieder verschreckt in ihre Wohlfühlhalblinksblase getrieben hat, so was von satt. Dann halt nicht, dann sollen sie ihr Kreuzchen woanders machen und mit den Folgen klarkommen! 

Stein

20. Januar 2017 20:13

Höcke hat alles richtig gemacht. Wenn die AFD tatsächlich Alternative sein will, heißt es, permanent Tabus zu brechen, immer und immer wieder. Kartenhaus oder Djenga, Metaphern für das herrschende System gibt es derer viele. Wenn Unbequemlichkeit dazu führt, daß die AFD bei der BTW nur 10 und nicht 15 % holt, isses auch Wurscht, hat auf die Regierungsbildung eh keinen Einfluß. Wichtiger ist, daß die AFD nicht zu einer CDU von vor zehn Jahren wird, sondern sich zu einem ernstzunehmenden Stachel entwickelt.

E.

20. Januar 2017 20:50

Zitat: "In einer Sache bin ich mir jedoch inzwischen sicher: Jeder Frontalangriff à la Höcke ist auf realpolitischem oder parteipolitischem Gebiet zum Scheitern verurteilt. Er wird gewiß sein Publikum finden, aber kaum mehrheitsfähig sein. Auf letzteres nun kommt es an. Die Zeit rennt uns davon. Wenn die AfD nicht bald stärkste Kraft im Land wird, können wir Deutschland als Heimatland der Deutschen ein für alle mal abschreiben. Man wird aber kaum auf dem geschichtspolitischen Pferd ans Ziel kommen."

Dies ist genau meine Meinung. Wer in diesem entscheidenden Wahljahr einen entscheidenden Wandel zur Rettung Deutschlands als Land der Deutschen erreichen will, möge sich nicht in selbstbefriedigender Theorieakrobatik ergehen, die den potentiellen AfD-Wähler (und das sind viele) nicht erreicht oder gar abschreckt und dem Gegner nur Futter gibt.  - Er möge sich vielmehr die heutige Inaugurationsrede von Herrn Trump als neuen US-Prösidenten durchlesen und anhören und statt "Amerika" und "Amerikaner" die Wörter "Deutschland" und "Deutsche" gebrauchen. Dann gäbe es Hoffnung für einen Wandel in Deutschland.

Der_Jürgen

20. Januar 2017 21:14

Zunächst einmal: Ich bin froh, dass sich Martin Lichtmesz nach langer Pause wieder zu Wort meldet. Vermutlich bin ich nicht der einzige Leser, der anfing, sich Sorgen um ihn zu machen. Nun aber zur Sache:

Ich halte ungemein viel von Björn Höcke, bin aber der Ansicht, dass die verhaltene Kritik, die Felix Menzel auf der Blauen Narzisse geäussert hat

https://www.blauenarzisse.de/hoecke-in-dresden-es-musste-zum-skandal-kommen/

sowie die am Schluss des Lichtmesz-Artikels zitierten kritischen Bemerkungen von Michael Paulwitz zumindest verständlich sind. Vom Standpunkt seiner Partei aus war Höckes Rede kontraproduktiv, weil sie dem Feind willkommene Munition lieferte und die AFD vermutlich mehr Stimmen kosten als ihr neue Wähler zutreiben wird. Parteipolitisch wäre es acht Monate vor der Bundestagswahl am klügsten, sich auf das Thema Nummer eins, die Einwanderungskatastrophe, zu konzentrieren.

Andererseits versteht man auch 

@Andrenio und @Stein

wenn sie angesichts der Tatsache, dass die AFD ohnehin nicht die absolute Mehrheit holt und selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass sie die stärkste Partei wird, von einer gegnerischen Koalition in die Opposition verwiesen werden wird, der Ansicht sind, man müsse jetzt aufs Ganze gehen. In der Tat: Ob die AFD im Herbst nun 15 oder 25% Wählerstimmen einheimst, sie kommt nicht an die Regierung, und bis 2021 sind durch fortgesetzte Masseneinwanderung demographische Realitäten geschaffen, die nicht - oder nur mit extremer Gewalt - rückgängig zu machen sind. 

Wenn sich Höcke als neuer Winkelried kühn opfern will, darf er allerdings nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Diejenigen AFD-Leute, die es für nötig hielten, mit den Schakalen zu heulen und sich von Höcke zu distanzieren, haben bewiesen, dass von ihnen ausser Opportunismus, Anbiederung an das System und Karrieredenken nichts zu erwarten ist. Auch Sahra Wagenknecht hat sich mit ihrer Strafanzeige gegen Höcke als Parteigängerin des antideutschen Systems erwiesen.

Wilhelm

20. Januar 2017 22:10

Wir müssen die "Schlachten der Vergangenheit" (Zitat Paulwitz am Ende des Artikels) schlagen und mit dem Narrativ der Umerziehung aufräumen, weil wir nur dadurch die Kräfte frei setzen können, die wir brauchen, um den Kampf gegen die Mißstände in der Gegenwart gewinnen zu können. Außerdem müssen wir die "Mediokratie" (Vaclav Klaus) als Hauptgegner der Selbstbefreiung erkennen und ihr die Aura von Wahrheitsanspruch, Moralität und Gutmenschentum nehmen durch Aufdecken der inszinierten Fakes und Lügengeschichten. Daran wird gearbeitet und es gibt Fortschritte. Das läßt hoffen.

Monika L.

20. Januar 2017 22:53

Danke für diese hervorragende Analyse. Ich fühle mich verstanden. Mein eher linker Sohn schickte mir nach dem erneuten Höcke-Ausfall eine mail mit folgendem link

https://www.der-postillon.com/2017/01/7-zitate-hoecke.html

und schrieb, "dass er nicht wisse, ob er lachen oder weinen solle". "Das wisse ich auch nicht", antwortete ich ihm. Ich  bin es langsam leid, solche politischen Unbeholfenheiten argumentativ klarzustellen. Das funktioniert kaum auf der Ebene der Vernunft. Und schwer auf der Gefühlsebene.

Ja, ich gestehe. Mich hat es geärgert, dass Herr Höcke kaputtmacht, was so mühsam aufgebaut wird. Nochmal richtig Zwist in die Familien bringt. So etwas kurz vor der Wahl. Und der Drops ist gelutscht. Ja, ich hatte Magenkrämpfe. Stolpere. Bin wütend. Will loyal bleiben.

Umso  angenehmer bin ich überrascht, dass Herr Lichtmesz in einer so vertracktem Lage den Überblick behält. Und zu Hochform aufläuft. Das ist ermutigend. Danke. Für diesen Premium-Beitrag hat sich das Abo schon gelohnt.

Der_Neugierige

20. Januar 2017 22:56

Die Frage ist, hat die AFD den Mut eine 180 Grad Wende zu vollziehen? Gibt es die AFD überhaupt? der liberale Flügel distanziert sich ja von Höcke. Was für mich auch in dieser Rede wichtig war ist, das Höcke sehr deutlich vor Postenjäger gewarnt hat. Diese scheinen sich einen Platz an der Sonne sichern zu wollen. Ich glaube nicht, das die AFD bald 51% der Stimmen bekommt. Nicht bei diesen Medien in der BRD. Es geht nur noch um Schadensbegrenzung, mehr ist nach meiner Ansicht nicht mehr drin.

Rabenfeder

21. Januar 2017 04:35

 

Ich sehe ein, dass das deprogramming von Kultopfern keine leichte Aufgabe ist; schon gar nicht, wenn dem Kult keine Mehrheitsgesellschaft entgegensteht, sondern der Kult nach Jahrzehnten beinahe uneingeschränkter Dominanz noch immer die Medien- und Deutungshoheit über diese Mehrheitsgesellschaft ausübt, wenn auch mit deutlichen Rissen im Gebälk.

 

 

Ich habe mal gelesen, dass gutes deprogramming nicht nur die Konfrontationsmethode (d.h. man konfrontiert den zu de-programmierenden möglichst hart und direkt mit seiner Kult-Vergangenheit) einschließt, sondern dass es wichtig ist, gerade eingedenk der sinnstiftenden Aspekte eines Kultes/einer Sekte, die den Suchenden ja nicht nur illusionär sondern durchaus handfest Gemeinschaft, „einen moralischen Halt und Kompaß“ und dergleichen bieten können, auch diesen wichtigen Teil beinahe jeder Kultkarriere einfühlsam und verständnisvoll zu würdigen.

 

 

Aber diese einleuchtende Heil-Methode (oder Taktik) bedeutet ja nicht, dass der Heiler gleich eigene Kerzen im Kulttempel anzündet und vor dem Kult mitfühlend auf die Knie fällt.

 

Gelegentlich muss ein Heiler den Heilbedürftigen schon noch mit auch unangenehmen Wahrheiten konfrontieren, oder nicht?

 

 

 

Vielleicht ist ja auch so mancher vermeintlicher Heiler viel tiefer vom Kulte berührt, als er glaubt.

 

 

 

Wie dem auch sei: Es dürfte den meisten durchaus einleuchten, dass es zur erfolgreichen De-Programmierung beider Kräfte bedarf, der versöhnlichen und der unversöhnlichen, der weichen und der harten Methode.

 

Es ist ja verständlich, dass in einem alternden Volke die furchtsamen Kräfte stärker wiegen als jugendlicher Wagemut, aber die versöhnlichen Heiler sollten den unversöhnlichen Heilern nicht immer in die Parade fahren, sondern den jeweils anderen Part als ebenso bedeutsam anerkennen. Dies gilt selbstverständlich auch im umgekehrten Fall.

 

 

Auch Rechte dürfen sich der good cop – bad cop Methode bedienen...

 

 

 

Dass im übrigen die härtere Speerspitze, die Avantgarde meist zum geeigneten Zeitpunkt dem hohen Ziele geopfert wird, ist ein alter Hut. Aber man sollte erst opfern, wenn dieses Opfer Sinn macht und dabei Acht geben, an welchem Altar geopfert wird!

 

 

Unser sinnloses und furchtsames, verkrümmtes Selbst-Opfer (gestern Dingens, wie hieß der AFD-„Antisemit“ noch gleich? , heute Höcke, morgen …) ist Kult-Werk, grotesk und sicher nicht heilsam.

 

 

 

 

 

Wenn eines Tages die eigene Ansicht, ja die eigene heiligste Überzeugung zur einzig gültigen Wahrheit erklärt wird, hat ein Mann von Geschmack und Charakter ihr umgehend den Rücken zu kehren.“

 

 

 

Michael Klonovsky

 

sophia_

21. Januar 2017 08:42

Fantastischer Artikel, erstklassig aufbereitet, differenzierte Analyse. Es war dies mein erster Artikel, den ich von Ihnen gelesen habe, aber sicher nicht der letzte.

Freiheit der Gedanken und Differenzierung lassen einen aufatmen in Zeiten wie diesen. Solch interessante Betrachtungen fern von Einheitsideologie und moralischem Zwang sind ein Angebot zum Denken. Angebot angenommen, Abo abgeschlossen.

Monika L.

21. Januar 2017 09:44

Auch in der taz wird auf der Metaebene diskutiert. Immerhin. Man beachte die Leserbriefe:

https://www.taz.de/Bjoern-Hoecke-und-das-Holocaust-Mahnmal/!5376704/

 

Lars Waldgaenger

21. Januar 2017 10:12

Höcke trifft der mediale Dampfhammer für eine provokante und zugleich rhetorisch zielsicher platzierte Unnötigkeit. Dass er diesen hat kommen sehen, ihn bewusst herausgekitzelt hat, ist offensichtlich.

Wer nun allerdings meint, dass ein solcher Tabubruch kurz vor der Wahl wertvolle Wählerstimmen koste verkennt, dass den Medien völlig gleichgültig ist, wer aus dem zutiefst verhassten Lager was, wann und wie tatsächlich gesagt hat. Was sich nicht zur Unkenntlichkeit verdrehen oder verbiegen lässt, wird notfalls erraten oder frei erfunden. Die Nazikeule kracht mit gnadenloser Präzision auch ohne jede Steilvorlage auf alles nieder, was auch nur im Ansatz irgendwie"rechts" riecht und droht, im September die 5%-Hürde zu überschreiten.

ALD

21. Januar 2017 11:45

Ein grandioser Artikel! Danke, Herr Lichtmesz. Das war eine Lesefreude erster Güte. Hier steckt der Geist der Kompromißbereitschaft, der "Einheit in der Vielheit" drin.

Wissen Sie, meine innere Stimme der Vernunft wünscht sich einen Lichtmesz als kulturpolitischen Sprecher in der Partei DM (Deutsche Mitte). Die Linie dieser Partei war von Anfang klar und unmißverständlich. Sie ist konservativ und zukunftsweisend zugleich. Sie entspricht geradezu in idealer Weise dem Geist, der diesem Artikel zugrunde liegt. Bei der AFD hat sich in so kurzer Zeit so vieles überschlagen. Kurzfristig wird sie sicher eine Wirkung entfalten, aber langfristig wird sie nur kleinere Justierungen innerhalb des maroden System ermöglichen.

DM ist die Partei der Zukunft und der Tradition. Möge sie die zum Aufstieg notwendige Aufmerksamkeit erhalten...

Johann Sebastian

21. Januar 2017 11:53

Sehr geehrter Herr Lichtmesz,

hervorragend! Einerseits sollte Verständnis für Herrn Höckes Anliegen und Inhalte, andererseits Empathie gegenüber der Befindlichkeit der traumatisierten und/oder gehirngewaschenen Deutschen vorhanden sein. „Wer Politik treibt, erstrebt Macht“. Max Webers Binsenweisheit sollte Ausgangspunkt für die Beurteilung von Höckes Rede sein. Eine Partei wie die AfD sollte sich auf ein so umfangreich wie nötiges und so klein wie mögliches Narrativ EINIGEN. Allein die mangelnde Einigkeit stellt eine Demonstration mangelhafter Zielgerichtetheit dar. Dass ein solches Narrativ mittlerweile nicht mehr vollends verteufelt wird, sondern vorsichtig von allmählich mehr Gegnern toleriert wird, liegt v.a. in der Entwicklung der letzten beiden Jahre begründet und mag mit dem langen Artikel von Tobias Rapp über Götz Kubitschek im SPIEGEL exemplarisch belegt werden.

Das Ziel der AfD und eigentlich aller Deutschen muss aber sein, den Rechtsstaat dort wiederherzustellen, wo er nicht mehr existiert, und diejenigen explizit zu schützen, denen es rechtlich garantiert ist, der Souverän zu sein (die Problematik der Souveränität nach 1945 wird hier ausgeblendet). Das Erstreben von Macht wird der wahrhaft Gebildete ablehnen, aber er muss sich auch eingestehen, dass seine Bildung ein Luxusprodukt des machtvollen Wirkens vieler mächtiger sowie tapferer Vorfahren und noch lebender Mitmenschen ist. Nicht alle Macht, aber die Macht in unserer konkreten Lage wäre gut, so partiell sie bereits auf europäischer Ebene wäre. Der Zweck heiligt nicht jedes Mittel, aber man muss demjenigen, der den Stall ausmistet, zugestehen, dass er etwas den Stallgeruch annimmt und sich beschmutzt. Der Besen sorgt nicht nur für kluges Entlarven, sondern arbeitet auch mit dem Instrumentalisieren, wie es der Gegner virtuos beherrscht.

Die eigentliche Drecksarbeit machen aber andere: 1864 waren es die Eiderdänen, die Bismarck instrumentalisierte, 1870 instrumentalisierte derselbe, nur kurz am Boden liegend, einen in dem Moment idiotischen französischen Nationalstolz, 2015 retteten Frau Merkel und die Silvesternafris die AfD. Die Fehler oder falschen Dispositionen der Anderen sind Humus und Dünger bzw. Stallmist für den eigenen Erfolg. Die AfD muss möglichst skandalfrei (Scheidungen mit vielen geschädigten Kindern tolerieren die Gegenwartsdeutschen) und seriös ihre Arbeit verrichten und v.a. das thematisieren, was uns vom oben genannten Ziel entfernt. Dass sie zunehmend integrativ auch für merkwürdige Bündnispartner (gemeinsamer Nenner: der Gegner) sein muss, versteht sich von selbst, da nur der Verrückte meint, er könne mal schnell sein Hirnwäscheprogramm verwirklichen und z.B. geistige Klone Bismarcks schaffen.

Ein Volk wie die Deutschen 2017, ohnehin mit einem problematischen Nationalcharakter ausgestattet, das auf der Couch liegt, wird man, realistisch betrachtet, derzeit kaum therapieren können, indem man mit ihm die Vergangenheit aufarbeitet (was überhaupt nicht gegen die Notwendigkeit umfangreicher historischer Forschungen und Klarstellungen spricht – in parteifernen und nicht taktisch, sondern wissenschaftlich geprägten Nischen), sondern kann allenfalls noch vom Suizid abgebracht werden. Der Schuldkult mag noch so ekelhaft in vielen Ausprägungen sein, doch müssen die Gläubigen mit ihren Ängsten und Konditionierungen ernst genommen werden. Die Schnittmenge mit den Gläubigen ist hinsichtlich der zwölf Jahre ausreichend groß, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, so unwahrscheinlich es weiterhin erscheinen mag.

Über Plan B (Diaspora) kann zu gegebener Zeit beratschlagt werden.

Der_Jürgen

21. Januar 2017 15:19

Man gestatte mir, mich hier nochmals zu Wort zu melden. 

Der von Martin Lichtmesz zitierte Michael Paulwitz warnt die Rechte davor, "die Schlachten der Vergangenheit zu schlagen". Genau dies tut das herrschende System aber unentwegt.

Benno

21. Januar 2017 15:37

Höcke lag in der Sache also richtig. Nur hätte er aus taktischem Kalkül auf eine solche Rede verzichten sollen, bis man sich im Bundestag etabliert hat. Ich weiss nicht, welches der richtige Weg ist. Wenn sich Leute wie Höcke zurückhalten, wird dann je jemand in der AFD die Mienenräumpanzer auffahren, die nötig sind, um dieses Mienenfeld zu räumen, oder wird man, da man ja nun mal im Bundestag ist, erst recht nicht an dieser ungesunden Gedenkkultur in der BRD rütteln, um das bislang erreichte nicht zu gefährden?

ML hat mit seiner Rückblende klar aufgezeigt, dass sich das Feld der akzeptablen Meinungen zu diesem Themenkomplex immer mehr zu verengen scheint. Oder kommt es nur darauf an, wer etwas sagt? Dann muss man darauf warten, dass die Systemparteien umschwenken. Das werden sie aber nicht machen.

Auf alle Fälle zeigen allein schon die Reaktionen auf Höckes Rede, dass er mit seiner Auffassung voll ins Schwarze getroffen hat. Es ist schier unglaublich, welch unfreie Debattenkultur in der BRD herrscht. Ohne Isegorie ist die Demokratie aber tot.

Stil-Blüte

21. Januar 2017 16:26

Als Kontrast empfehle ich jedem Berlinbesucher, jedem Berliner ohnehin, den Ort des 'ewigen Friedens', der ein jüdischer Friedhof nun einmal ist, da er keine 'Fristenlösung' wie die christlichen Friedhöfe kennt, den größten jüdischen Friedhofs Europas (Gründung Mitte des 19. Jhd.), in Berlin-Weißlensee mit über 115.000 Grabstellen, also doppelt so vielen Gebeinen, da in einer Grabstelle meistens Familien gebettet wurden, zu besuchen.

Das ist ein lebendiger Ort der stillen unspektakulären Trauer, gleichzeitig ein lebendiger Ort der jüdischen Geschichte in Berlin bis in das 12jährige Reich hinein (heimliche Begräbnisse bis 1945), aber vor allem über das 12jährige Reich bis in unsere Tage hinausreichend. Die oft sehr prächtigen Gruften erzählen uns viel über das Verhältnis von Juden und Deutschen    d a v o r   und weisen in unsere und über unsere Zeit der guten Verbindung zwischen Deutschen und Juden hinaus. Eine Gedenkstelle für die ermordeten Juden gibt es dort ebenfalls. Man kann stundenlang in dem weiten Areal umhergehen und mit sich und der Welt Frieden schließen. Wie jeder Friedhof, auch dies ein Ort der Geschichte, der Kultur-, Architekturgeschichte, der über die einzelnen Verstorbenen hinausweist. In der DDR sollte mitten durch den Friedhof eine neue Straße gebaut werden. Ein Glück, daß das unterbunden wurde. Wie, wäre eine Recherche wert. Wer sehen kann, der sehe. Wer lesen kann, der lese. 

 

Wer es nicht so weit entfernt haben möchte, ein weiterer ewiger Ort des Friedens, der nicht geschändet wurde, ist der kleinere und ältere jüdische Friedhof in Berlin in der Schönhauser Allee. Auf beiden Friedhöfen liegen Persönlichkeiten begraben, die es in Deutschland vor und nach dem 12jährigen Reich zu großem Ansehen gebracht haben. Im letzteren z. B. Max Liebermann.

Zu dem hier besprochenen Denkmal möchte ich daran erinnern, daß der Architekt eine viel freiere In-Besitznahme durch die Besucher erwartet bzw. gewünscht hatte. Was er konkret gemeint hat, weiß ich nicht. Ob er sich Über- die-Steine -hüpfen, sich darauf sonnen, Versteckspielen in den Gängen, kleine Steine auf den jüdischen Grabsteinen, wie üblich bei jüdischen Gräbern, hinterlassen, vorgestellt hat?  Was ich weiß, daß er sich den Sieg des Lebens über den verordneten Tod gedacht hat, und zwar jeglichen Lebens, auch des deutschen.    

 

CCCED

21. Januar 2017 17:43

Zwei Standpunkte kommen in diesem Kommentarstrang und auch in den Kommentaren zu Kubitschecks Artikel: Björn Höcke und das »Denkmal der Schande« zum Vorschein:

1. Es ist zumindest strategisch unklug dieses Thema in Wahlkampfzeiten auf den Tisch zu bringen, da man nur verlieren könne. Auch wenn eine Revision wünschenswert wäre (aus welchen Gründen auch immer), wäre es doch ein Fehler sie anzustreben, da man in der derzeit herrschenden Machtkonstellation zertrümmert werde.

2. Es ist unerläßlich, zuerst an dieser Wunde zu genesen: nur dann könne der Körper der deutschen Nation wieder geheilt werden. Solange diese schwärende Wunde wie eine Monstranz an zentraler Stelle vorangetragen werde, werde dadurch ja auch eine Wiederbesinnung auf die deutsche Identität unmöglich gemacht. Wie soll so einem jungen Menschen die Annahme seines deutschen Erbes und die Fortführung in die Zukunft hin als etwas Gutes und Sinn gebendes erscheinen?

Diese Situation ist ein Dilemma par excellence: Beide Standpunkte sind richtig und scheinen sich auszuschließen. Was können wir tun?

Herr Lichtmesz, Sie lassen zum Ende Ihres Artikels das Pendel zum ersten Standpunkt hin ausschlagen. In der Konsequenz zweifeln Sie dann daran ob es noch eine Rettung für uns (die?) Deutsche(n) geben wird.

Ich sehe keine Lösung für dieses Dilemma. Es wird in absehbarer Zeit keine Lösung geben. Wir müssen also weiter das tun, was wir in den letzten Jahrzehnten tun: uns durchwursteln. Auch eine Deutsche Tugend übrigens.

Das meint: beide Wege akzeptieren. Auch hier getrennt marschieren und gemeinsam schlagen. Den Reibungsverlust, der aus diesem Thema erwächst, als Kollateralschaden einplanen. Die meisten werden dieses Thema meiden, ihre Welle wird etwas weiter am Strand aufwärts fluten. Andere werden den Felsblock angreifen, die Gischt spritzt dann hoch hinauf, die Welle wird gebrochen. Sehen wir nicht dieses Schauspiel seit etlichen Jahrzehnten oder nehmen selbst teil?

Raskolnikow

21. Januar 2017 17:58

Ahoi, geliebte Gemeinde!

Es hülfe sicher, wenn man zunächst einmal feststellt, daß die Reaktionen auf Björn Höcke, auch Eure hier, in dieser Form nur in Deutschland möglich sind. Ja, ich bin frech genug, zu behaupten, in 195 der etwa 200 Nationen dieser Erde hätte diese Rede im Parlament gehalten werden können. Man lese sie einmal vor dieser Leinwand! Und schon tut sich die Zwickmühle auf: Ist Höcke vorzuwerfen, in einem Irrenhaus nicht bekloppt daherzureden? Sollte sich die fuchsschlaue AfD die Clownsnase aufsetzen und listig neue Wähler unter den Narren rekrutieren?

Mir persönlich reicht es ja zu, meinen Frieden zu haben und mich mit meiner Lektüre nebst einer Ration Naschwaren in die Büsche zu schlagen, um dort von den wichtigen Dingen auf Gottes Erde zu erfahren. Aber es geht ja wohl um die gehetzte Mehrheit und die mag es nun mal umschmeichelt zu werden. Also redet irre, führt die Veitstänze auf, wälzt Euch wie Fallsüchtige und besorgt Euch Pappnasen! Und gewinnt die Wahlen!

Aber bitte vergesst nicht, daß Ihr nur so tut, als wärt Ihr narrs!  Und wer von Euch genug vom Mummenschanz hat, ist eingeladen in meinem glänzenden Turm, der uneinnehmbaren Bastion gegen den siechen Brodem, auszuruhen und meinem Gesang zu lauschen, hier oben hört uns die Meute nicht. Ich bin gern Euer Pestpatron...

Wenn einer wie Höcke einmal die Clownsnase vergißt anzulegen oder versehentlich ein klares Wort spricht, müssen wir, bei allem Wählerfang, nicht über ihn herfallen. Überlassen wir das den echten Irren...

Kaukasische Grüße,

R.

Ludovicus

21. Januar 2017 18:17

Ich fand den Artikel von M. paulwitz überhaupt nicht gut, und frage mich dazu nur: Wes Brot ich ess, in fast jeder Jungen Freiheit sind die Klöpse von D. Stein  gegen die kritische AfD Fraktion zu lesen. Schlimm. Es wurde übrigens in der Jungen Freiheit heftig zensiert zu diesem Thema.

Gestern las ich 2 Artikel auf achgut:

https://www.achgut.com/artikel/die_leiden_des_bjoern_hoecke/P20#section_leserpost

https://www.achgut.com/artikel/kurzer_nachtrag_zu_hoecke

Bei beiden Artikeln waren die Leserbriefe überwiegend NICHT kritisch zu Hoecke, sondern kritisch zum Schuldkult, der m.E. die entscheidende Barriere ist, wer anders als ein irres schuldkultvolk ließ sich so etwas wie die Invasion freudig vorsetzen, frage ich.

Die utopische Vorstellung von M. Lichtmesz, die AfD würde die stärkste Kraft werden können, kontrastiert merkwürdig mit seiner ängstlichen Kritik an Höcke.

 

Der Feinsinnige

21. Januar 2017 18:18

Vielen Dank für den so nachdenklichen Artikel. Ich bin erleichtert, daß auch und gerade hier die Rede von Björn Höcke differenziert und auch kontrovers diskutiert wird.

Zunächst vorausgeschickt: Als Abonnent der Sezession vom ersten Heft an und Leser von SiN seit einigen Jahren melde ich mich hier und heute erstmals zu Wort. Ich bin seit Höckes erster Erfurter Demonstration eigentlich überzeugter Anhänger dieses Politikers und bin bereits vielfach persönlich auf seinen Veranstaltungen und Demonstrationen anwesend gewesen, so auch Dienstag in Dresden. Es ist für mich immer wieder ein (positives und hoffnungsvolles) Erlebnis, die „Höcke, Höcke“-Sprechchöre zu hören und die Begeisterung der Anwesenden in mich aufzunehmen. Ähnliches habe ich in meinem Leben einzig und letztmals in Passau bei Franz-Josef Strauß erlebt (1985 und 1986).

Gerade weil ich die Atmosphäre bei einer Rede Höckes persönlich einschätzen kann, möchte ich an den bereits oben vom Leser „Der Jürgen“ in Bezug genommenen Artikel von Felix Menzel aus der „Blauen Narzisse“ anknüpfen. Menzel merkt an, daß sich das Thema der Geschichtspolitik nicht zum Wahlkampfthema eigne und daß es „an der völlig falschen Stelle zum völlig falschen Zeitpunkt“ aufgegriffen worden sei. Dies ist aus meiner Sicht genau das Kernproblem:

Als langjähriger Leser von JF, Sezession etc. weiß ich selbstverständlich um die theoretische Wichtigkeit des Themas, wie wir Deutsche mit unserer Geschichte und insbesondere mit den dunklen 12 Jahren und den in dieser Zeit geschehenen Verbrechen umgehen bzw. wie wir dies in bezug auf die vielen helleren Zeiten und Ereignisse unserer Geschichte gewichten sollten.

Angesichts der derzeit herrschenden politischen und medialen Verhältnisse in unserem Land und angesichts der dramatischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, halte ich es jedoch für völlig verfehlt, ausgerechnet das Thema der Geschichtspolitik als Mittel zur Provokation und Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. Daran kann man sich derzeit eigentlich nur verheben und – das ist entscheidend - „Normalbürger“, die weder Sezession, noch JF lesen, sondern sich (wenn überhaupt) aus den etablierten Medien informieren, abschrecken. Herr Lichtmesz hat dies sehr gut dargestellt. Ich habe selbst solcherart Reaktionen im Bekanntenkreis bereits gehört.

Dem Normalbürger brennen die Masseneinwanderung und ihre Folgen und immensen Kosten auf den Nägeln, die Kriminalität, der Zerfall und die Verwahrlosung des öffentlichen Raumes, die Folgen der Euro-Rettung. Mit diesen Themen lassen sich Wahlen bestreiten und auch gewinnen. Gerade auch von einem eigentlich so hervorragenden Redner wie Björn Höcke. Wenn die AFD die von Höcke ins Visier gefaßten 51 % erst einmal hat, kann man sich immer noch öffentlich Gedanken um eine Neujustierung des Geschichtsverständnisses der Deutschen machen. Bis dahin sollte man sich wohl darauf beschränken, immer wieder darauf zu bestehen, daß auch eine so schwere historische Schuld wie der Holocaust keine moralische Pflicht Deutschlands zur Selbstzerstörung zur Folge hat.

Und: Der geeignete Ort für solche Diskussionen ist nicht ein Bierzelt oder Brauhaus, nicht ein Marktplatz, wo die Menschen sich von einem Politiker mitreißen und begeistern lassen wollen. Dies gilt nicht nur – wie ich durchaus meine – aus Gründen der hier unbedingt erforderlichen intellektuellen Gründlichkeit, die an solchen Orten nur schwer herzustellen ist (schlagwortartige und polemische Äußerungen sind gerade bei diesem Thema Gift, wie gerade die Aufregung um einzelne Formulierungen Höckes zeigt), sondern auch aus Gründen einer taktischen oder auch strategischen Klugheit, die den politischen Gegnern in Medien und Politik nicht auch noch die von allzu vielen als problematisch empfundenen Bilder von begeisterten patriotisch empfindenden Menschen liefern sollte, die nur zusätzlich zur Diffamierung eingesetzt werden können und auch eingesetzt werden.

Ich hoffe, daß Björn Höcke den derzeitigen politischen und medialen Wirbel (den er eventuell sogar bewußt provoziert hat?) übersteht, fürchte aber, daß er sich diesmal ernstlich verhoben haben könnte, was ich um der Sache willen, nämlich der Rettung Deutschlands aus der derzeitigen Krise, außerordentlich bedauern würde.

Abronsius

21. Januar 2017 19:54

Alles perfekt und vortrefflich, höchst wichtig und richtig. Aber der Kern dieser Angelegenheit ist die Frage, was die AfD sein und werden soll und was nicht. Durch diese Rede hat Höcke der Lügenpresse wieder Gelegenheit gegeben, die Worte "AfD", "Höcke", "Nazi" und "Holocaust" in eine Schlagzeile zusammenzubringen. Heute plärren die üblichen Verdächtigen nach dem Verfassungsschutz (JF). Der thüringische VS-Präsident hat sich bereits geäußert.

Also fährt wieder einigen tausend AfD-Mitgliedern und Interessenten der Schreck in die Glieder, weil sie vor einen Abgrund gestellt werden: Es reicht ein Federstrich eines Beamten, und deine Existenz ist vernichtet. Und anhand der ID wissen wir, daß der VS offenbar keine rechtlichen Gründe braucht, um diesen Federstrich zu tun (jedenfalls wurden insoweit keine tagenden Gründe genannt). Ich weiß; wenn man Berufsschreiber und bürgerlicher Sorgen enthoben ist, pellt man sich ein Ei darauf. Hab ich als Student auch getan. Man muß aber schon sehr hart gesotten sein, um, vielleicht noch mit Familie, dieses ständige Leben in Existenzangst zu ertragen. Du hast doch nichts verbrochen! Die meisten werden verrückt oder scheren vorher aus. Ich habe erwachsene Männer gesehen, Lehrer, Polizisten, Referendare, aufgelöst und zitternd: "Oh Gott, wenn das rauskommt, daß ich hier bin." Man kann sich das nicht vorstellen. Wir haben keine freiheitlich-demokratische Grundordnung; sie ist demokratisch, aber nicht freiheitlich. Die Mechanismen der Herrschaftssicherung, die von den Etablierten installiert wurden, sind barbarisch. Und das ist natürlich Kalkül; gerade im psychologischen Bereich sind die Linken ja sehr interessiert.

Der AfD droht in der Folge insoweit eine "NPD-isierung", als daß sozial integrierte Leute fernbleiben, und sich nur noch Querulanten, Eigenbrödler und - ja, Rechtsradikale sammeln. Dann ist die Partei geliefert, und genau das ist das Kalkül der Etablierten. Dies zu bewirken ist die wirkliche Aufgabe des Verfassungsschutzes. Und zu diesem Zweck werden Informationen gesammelt. Die vorliegende Holocaust-Rede war ein Mosaiksteinchen dazu, so harmlos und gut gemeint sie auch gewesen sein mag.

Schon jetzt fallen AfD-Funktionäre immer wieder durch inkompetente Äußerungen auf. Wenn ich z. B. lese, daß man der Personalnot beim BAMFl doch begegnen könne, indem man 4500 arbeitslose Juristen als Beamte im gehobenen Dienst einstellt, dann hat der Urheber dieser Äußerung offenbar keine Ahnung, weder vom Jurastudium, noch von der öffentlichen Verwaltung. Eine Partei, die staatlich relevant werden will, muß aber Ahnung von diesen Dingen haben. Der Gegner hat Ahnung.

Der Feinsinnige

21. Januar 2017 21:37

Ich denke, ich habe mich oben an einer Stelle meines obigen Kommentars undeutlich ausgedrückt, daher diese kleine Korrektur bzw. Klarstellung:

Man sollte, so habe ich meine obigen Ausführungen gemeint, nicht die Bilder von begeisterten Patrioten, die einen Politiker beklatschen und feiern, an sich vermeiden (dann dürfte ich selbst solche Veranstaltungen ja nicht besuchen), sondern lediglich, daß solche Bilder mit dem Thema der Geschichtspolitik und insbesondere dem Thema der Gewichtung der Erinnerung an die Zeit zwischen 1933 und 1945 in Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang nützt dem Anliegen, Deutschland zu retten und zu erhalten, nichts, sondern schadet viel.

Nemo Obligatur

21. Januar 2017 22:13

Brillianter Artikel von Herrn Lichtmesz. Ich würde sagen, wer zu dem Thema "Höcke und das Denkmal der Schande" diesen Artikel nicht gelesen hat, der gar nichts gelesen. Aber unter uns: Wie viele werden das überhaupt sein? Das bedauerliche ist, dass nur sehr wenige bereit sind, den Autoren der Sezession oder der NR überhaupt zuzuhören. Und dank Herrn Höcke sind es jetzt noch ein paar weniger. Ein Bierzelt ist eben kein Seminarraum.

Cacatum non est pictum

21. Januar 2017 22:58

@Monika L.

"Danke für diese hervorragende Analyse. Ich fühle mich verstanden. Mein eher linker Sohn schickte mir nach dem erneuten Höcke-Ausfall eine mail mit folgendem link

https://www.der-postillon.com/2017/01/7-zitate-hoecke.html

und schrieb, 'dass er nicht wisse, ob er lachen oder weinen solle.' 'Das wisse ich auch nicht', antwortete ich ihm. Ich  bin es langsam leid, solche politischen Unbeholfenheiten argumentativ klarzustellen. Das funktioniert kaum auf der Ebene der Vernunft. Und schwer auf der Gefühlsebene.

Ja, ich gestehe. Mich hat es geärgert, dass Herr Höcke kaputtmacht, was so mühsam aufgebaut wird. Nochmal richtig Zwist in die Familien bringt. So etwas kurz vor der Wahl. Und der Drops ist gelutscht. Ja, ich hatte Magenkrämpfe. Stolpere. Bin wütend. Will loyal bleiben."

Werte Monika, ich würde getrost hohe Geldsummen darauf setzen, dass weder Ihr Sohn noch Sie selbst Höckes Rede in Gänze gesehen haben, obwohl sie ja im Internet abrufbar ist. Gleiches dürfte für den Großteil der "Rechten" gelten, die dem Thüringer AfD-Sprecher nun einer nach dem anderen von hinten ins Kreuz springen. Wenn Sie sich ein fundiertes Urteil bilden wollen, dürfen Sie der Mühe nicht entgehen, den etwa 47-minütigen Ausführungen Höckes zu lauschen. Hauen Sie aber auf ihn ein, ohne zu wissen, worüber Sie da sprechen, dann ist der Begriff "schäbig" für Ihr Vorgehen allzu milde gewählt. Ein paar aus dem Kontext gerissene Zitate, veröffentlicht von einem Satiremagazin, erhellen den Sachverhalt jedenfalls nicht.

Wenn Sie ergründen möchten, woher Ihr Beißreflex möglicherweise kommt, habe ich eine Lektüreempfehlung: Lesen Sie Manfred Kleine-Hartlages Kolumne "Die Kultur des Verrats". Sie ist ebenfalls im Internet zu finden und legt auf äußerst hellsichtige Art und Weise die Denkstrukturen des klassischen Konservativen offen. Kleine-Hartlage erläutert, warum die Rechten über ihre eigenen Füße stolpern, sobald sie in die Opposition geraten; er spricht dabei von einer "Hierarchie des Spuckens und Bespucktwerdens", mit der sich die Tumulte in unserem Lager seit Höckes Rede astrein erklären lassen.

"Zwist in die Familie", wie Sie schreiben, bringen die Rechten also auch ganz ohne Björn Höcke. Man muss nur einen konditionierten politischen Reiz setzen: Der Pawlowsche Reflex im rechten Lager folgt zuverlässig auf dem Fuße. Es ist keine Kunst vorauszusehen, dass der Gegner diese bewährte Taktik auch fürderhin zur Anwendung bringen wird; völlig egal, über wie viele Stöckchen Sie die AfD-Granden noch springen sehen wollen. Der Forist "Lars Waldgaenger" hat das weiter oben sehr treffend formuliert.

@Der_Jürgen

"Der von Martin Lichtmesz zitierte Michael Paulwitz warnt die Rechte davor, 'die Schlachten der Vergangenheit zu schlagen'. Genau dies tut das herrschende System aber unentwegt. Es stellt weit über neunzigjährige Männer dafür vor Gericht, dass sie während des Krieges in Auschwitz stationiert waren (dass sie dort irgendwelche Missetaten begangen hätten, wird schon gar nicht erst behauptet; ihr einziges 'Verbrechen' war, dort gewesen zu sein), zerrt eine 88-jährige vor den Kadi, weil sie die offizielle Version der Geschehnisse an jenem Ort hinterfragt, schickt Schulkinder zwecks Traumatisierung nach Auschwitz und entsendet Lehrer zur Ausbildung als Missionare der neuen Zwangsreligion nach Yad Vashem. 

Das System schlägt, um Paulwitz zu paraphrasieren, also Tag für Tag 'die Schlachten der Vergangenheit', aber gegen einen wehrlosen Gegner, dem nicht nur das Schwert aus der Hand geschlagen, sondern dazu noch die Hände und Füsse gebunden und der Mund zugeklebt wurde."

Das haben Sie schön zusammengefasst. Vielleicht geht ja dem einen oder anderen Leser Ihrer Zeilen ein Licht auf, wenn er sich diesen unglaublichen Irrsinn vor Augen hält. Ein Irrsinn, der beendet gehört.

"Diese Leuten täten gut daran, sich in Erinnerung zu rufen, was General Lebed bei einem Besuch in der Gedenkstätte Dachau ins Besucherbuch schrieb: 'Man soll nicht mit Pistolenkugeln auf die Vergangenheit schiessen, weil sie sonst mit Kanonenkugeln zurückschiesst.'"

Das Zitat war mir unbekannt, aber ich ich halte es für sehr tiefsinnig. Vielen Dank.

Übrigens lese ich Ihre Beiträge wirklich gern. Das habe ich schon in meiner Zeit als "stiller Mitleser" bei SiN getan. Wenn über einem Wortbeitrag Ihr Synonym steht, kann man davon ausgehen, dass sich darunter ein präzise formulierter, solider und ausgewogener Text befindet, aus dem sich meist Erkenntnisse gewinnen lassen.

Gustav Grambauer

21. Januar 2017 23:24

Meine Mutter, 84 Jahre, unnachahmlich, läßt für die Diskussion mitteilen: "Das  68er-Jungvolk soll doch bei dem Höcke nicht so ein Theater aufführen, gerade die haben`s nötig! Die tun so etepetete, aber die wissen doch ganz genau, daß sich ihre Überväter früher gegenseitig darin übertreffen wollten, wer der größte Bürgerschreck ist!".

Stil-Blüte

"In der DDR sollte mitten durch den Friedhof eine neue Straße gebaut werden. Ein Glück, daß das unterbunden wurde. Wie, wäre eine Recherche wert."

Honecker hatte sich von irgendwem einflüstern lassen, US-Präsident Bush senior würde ihn gern im Weißen Haus empfangen, damit wollte er sein Land noch vor dem möglichst lange auszusitzenden Untergang krönen. Sich für besonders pfiffig haltend dachte der Idiot, er könne den Weg dorthin sogar noch dadurch abkürzen, daß er sich bei den Juden einschleimt.

Also ließ er in Ostberlin in aller Pracht und mit allem Prunk die Neue Synagoge wieder aufbauen, obwohl das Volk schon kalauerte:

"Für den Wartburg keine Schraube /

Keine Bretter für die Laube /

...".

Sein entsprechender Versuch, die Gemeinde wieder künstlich und sogar mit einem aus den USA eingeflogenen Rabbiner zu reaktivieren war einerseits ein Rohrkrepierer, weil sich kaum jemand dorthin hingezogen fühlte, andererseits ein Stich ins Wespennenst, weil die Konkurrenz (Adass Jissroel) in ihrem Neid äußerst pikiert reagierte und dies auch auf allen Kanälen im Westen kundtat. Ich komme zum Punkt: dann ließ er noch ausgerechnet die FDJ (!) Subbotniks

https://de.wikipedia.org/wiki/Subbotnik

auf dem besagten jüdischen Friedhof durchführen. Auch das war ein Rohrkrepierer, denn es waren nicht mehr die 20er Jahre des Genickschusses für Befehlsverweigerung, auch war Sommer (wenn ich mich noch recht erinnere 1986) und die Freibäder hatten geöffnet ... Drei Jahre später mußte er Gregor Gysi zum WJC nach New York schicken, damit dieser dort dafür wirbt, daß das Weltjudentum seinen Einfluß für den Erhalt der DDR geltend macht. (Die haben wohl nur gelacht.)

(Die Lenin-Subbotniks waren bei Todesstrafe verpflichtend. Sie waren von den Bolschewiken u. a. dazu eingeführt worden, die Thora-treuen Juden zu demütigen und in ihrer Religiosität zu brechen, welche bekanntlich am Sabbat (-> rus. Sonnabend = "Subotta" -> "Subottnik") die Arbeit ruhen lassen müssen. Ein Großteil der Alten Garde bestand aus Juden, die damit auch auf ihre eigenen mehr oder weniger orthodoxen Elternhäuser abzielten.)

- G. G.

Simplicius Teutsch

21. Januar 2017 23:32

Lieber Raskolnikow,

 meine Verehrung! Wollte eben einen eigenen Kommentar zu den vielen interessanten und klugen Kommentaren beisteuern, da habe ich erst den Ihren gelesen.

 Nun, ich denke, Sie haben treffsicher und mit der richtigen Munition alles gesagt, was zu sagen ist.

 Nicht dass Sie denken, ich bin ein Säufer, aber jetzt spare ich mir einen eigenen Kommentar und - es ist ja Wochenende - mache mir eine Flasche dunkles Köstritzer auf (auch wenn ich ein Wessi bin); ein König Ludwig Dunkel ist übrigens auch ein Genuss.

Prost! - O ist das gut.

 

Corvusacervus

21. Januar 2017 23:44

Martin Lichtmesz hat alles Notwendige hinreichend gesagt. Herr Höcke muß sich entscheiden, ob er Politik machen oder zweideutig reden will. Ich kann sehr gut verstehen, daß wir uns in Deutschland extrem darüber ärgern, nicht wie Trump in den USA durch eigentliches und provokatives Reden Politik machen, im konkreten Fall eine Präsidentschaftswahl gewinnen zu können. Das ist ärgerlich, aber es ist nun mal so. Wenn Herr Höcke es aber versuchen möchte, durch provozierendes Reden Politik zu machen und Wahlen zu gewinnen, muß er zügig besser reden lernen und vor allem muß er Zweifel an seiner Gesinnung nicht durch Zweideutigkeit nähren, sondern durch Nachdenklichkeit und Vielschichtigkeit erschüttern. Dazu kommt eine gewisse unelegante und selbstreferentielle Art des Auftretens. Man hat immer die Sorge, er packt gleich wie bei Anne Will wieder sein deutsches Fähnlein wie ein Schnupftuch aus. Herr Höcke behindert, daß aus grassierender Verdrossenheit mit der Merkelei, die bis weit in die Kohorten der Nichtwähler und Wähler der Bundestagskartellparteien reicht, alternatives Wahlverhalten wird.

Brettenbacher

21. Januar 2017 23:48

Höckes Rede war ein Ruck!

Daß nun ein Zucken von jenen(r) kommt , von denen(der) wir dachten, daß sie keine Mucker seien(sei), enttäuscht sehr.

Aber Koblenz entzückt. Das dann doch wieder.

Totum simul.

Martin S.

22. Januar 2017 00:19

Um das System zu entlarven ist es gar nicht nötig, dass sich AfD-Politiker über die richtige Art des Gedenkens theoretisch produzieren.  Es genügt doch schon, wenn sie an den üblichen öffentlichen Holocaust-Gedenkritualen teilnehmen. Allein die laute Empörung der Berufsbetroffenen darüber, dass sie IHRE Betroffenheitsveranstaltungen mit  angeblichen "Rassisten, Ausländerfeinden, Antisemiten" von der AfD teilen müssen, wird  das System wirkungsvoller entlarven als jede noch so provokante Rede. 

Abgesehen davon gibt es derzeit tatsächlich wichtigere Themen als Fragen der Gedenkkultur. Das ist eher ein Thema für die Zeit, wenn ein künftiger deutscher Donald Trump die Kanzlerschaft angetreten hat ...

Beste Grüße

Martin S.

Monika L.

22. Januar 2017 08:20

"Es hülfe sicher, wenn man zunächst einmal feststellt, daß die Reaktionen auf Björn Höcke, auch Eure hier, in dieser Form nur in Deutschland möglich sind. Ja, ich bin frech genug, zu behaupten, in 195 der etwa 200 Nationen dieser Erde hätte diese Rede im Parlament gehalten werden können. Man lese sie einmal vor dieser Leinwand! "

Rakolnikow

Hallo, huhu,

Der Pemium-Artikel lockt den Premium-Kommentator aus den Büschen hervor.

Man muß nicht frech sein, um zu behaupten, dass in 195 der etwa 200 Nationen dieser Erde diese Rede im Parlament gehalten werden könnte. Das hatte ich auch meinem Sohn so ähnlich gesagt. Er meinte darauf: " Dann soll der arme Höcke doch nach Frankreich oder UK auswandern. "

Das Volk kann leider nicht auswandern, jedenfalls nicht das deutsche. So schlagen sich einige halt in die Büsche. Habe das auch schon überlegt.

Gruß R.

 

Paracelsus

22. Januar 2017 09:27

Vielen Dank für den wieder einmal hervorragenden Artikel. Ich möchte über den hinteren Teil der folgenden Sätze von Martin Lichtmesz weiterdenken:

„Jeder Frontalangriff à la Höcke ist auf realpolitischem oder parteipolitischem Gebiet zum Scheitern verurteilt. Er wird gewiß sein Publikum finden, aber kaum mehrheitsfähig sein. Auf letzteres nun kommt es an. Die Zeit rennt uns davon. Wenn die AfD nicht bald stärkste Kraft im Land wird, können wir Deutschland als Heimatland der Deutschen ein für alle mal abschreiben.“

In meinen Worten: Es kommt darauf an, die Mehrheit, das ist die politische Macht im Staate, zu gewinnen. Aber es besteht großer Zeitdruck: Wenn die AfD nicht bald die politische Macht gewinnt, wird Deutschland unwiderruflich nicht mehr das Heimatland der Deutschen sein.

Wo aber werden sie leben, die Deutschen? Wandern sie aus? Werden sie alle heimatlos? Finden sie eine neue Heimat?

Oder muss dieses Land geteilt werden, mit anderen Völkern? Wird es ein Vielvölkerstaat? Wie würden Deutsche in einem Vielvölkerstaat auf dem jetzigen deutschen Boden leben? Welche Völkerschaften würden sich herausbilden?  

Das Untergangsgefühl, das Gefühl der Machtlosigkeit ist dann gerechtfertigt, wenn man sich vorstellt, dass immer die Mehrheit entscheidet: dann kann jetzt noch letztlich von Deutschen entschieden werden; bei Zunahme des Anteils von Menschen „mit Migrationshintergrund“ werden immer mehr deren politisch-kulturell-wirtschaftlichen Gestaltungsideen verwirklicht. – Die Situation ruft also nach dem Überdenken dieser Gesellschaftsgestaltung, und der Begriff „Vielvölkerstaat“ ist ein Versuch, eine andere als die Einheitsperspektive zu denken.

Ich bin zwiegespalten, ob ich dem Zeitdruck-Untergangsgefühl zustimmen soll, oder doch Hoffnung haben darf. Aber auf was? – Letztlich hängt alles davon ab, ob Deutsche noch Deutsche sein wollen, das heißt (in meinem Sinn), ob sie die auf sie gekommene Kultur weiter pflegen wollen, und sich in ihrer Kultur (und diese mit sich) weiter entwickeln wollen. Das ist möglich, auch in einem weniger kulturell einheitlichen Land, sofern die einzelnen Völkerschaften sich gegenseitig respektieren würden. Wobei man nicht wissen kann, ob das gelingt. In den vergangenen Jahren gab es bekanntlich viele Beispiele, wie gerade anhand der ethnisch-kulturellen Grenzen leicht Konflikte erzeugt werden können. („Erzeugt“ meint zunächst nicht einen Hinweis auf einen „verschwörenden“ Akteur im Hintergrund, sondern: durch Anwendung von menschlichem Wollen.) Und die Umsiedlung von Menschen aus aller Herren Länder nach Deutschland ist die tatkräftige Organisation von ethnischen, kulturellen und sozialen Verwerfungen, die leicht in handfeste Konflikte eskalieren können (und jetzt schon, wie bekannt, in Gewaltverbrechen insbesondere an Frauen gemündet sind.)

Also, der Gedanke vom Ende des Heimatlandes der Deutschen erzeugt Druck. Ist die Alternative Machtübernahme versus Untergang aber wirklich stimmig? Kann nicht schon morgen das Zauberwort erklingen, das die Welt zu singen beginnen lässt? Was könnte progressiv angegangen werden?

Beispiel Gedenkkultur. Wer hat Erfahrungen damit, dass die derzeit gepflegte Gedenkkultur an die Zeit den Nationalsozialismus in Deutschland ihn/sie wirklich menschlich angeregt, zu einem tief ergreifenden Erlebnis geführt hat? Ein Erlebnis, was in einem selbst die moralischen Kräfte gestärkt hat, dass man sich entschloss, mehr Menschenfreundlichkeit in seinem Leben zu leben?  – Ich neige dazu anzunehmen, dass solche Erlebnisse eher selten sind. Dass Überforderung, Mitschuldgefühl, Selbstentwürdigung als Verantwortlicher usw. eintritt, oder auch Desinteresse… Oder dass man sich bemüßigt fühlt, „gegen Rechts“ zu sein, und so sich eine weiße Weste zulegt.

Besteht also eine noch unerledigte Aufgabe, eine Kultur der Erinnerung selbst und aktiv zu pflegen, an diese Zeit großer Menschenfeindlichkeit, an das, was damals geopfert wurde? Sozusagen eine Erinnerungskultur „von rechts“, die erkennt: da ist eine die Menschen stärkende Form des Gedenkens erst noch zu entwickeln. Wo man alle Opfer ehrt, gleich welcher Religion oder Volkszugehörigkeit sie sind. Erinnerung ohne Schuldkult. Dass man die Singularität eines jeden durch Gewalt vorzeitig beendeten Lebens ehrt. Dass man aufhört, aufzurechnen, wer mehr Leute umgebracht hat...  Man möchte die jüdischen Brüder und Schwestern vom Zentralrat ermuntern zu erkennen, dass ein zerknirschter Deutscher von heute, (der im Sinne Hannah Arendts moralisch verwirrt ist), für sie kein aufrechter Partner sein kann. Sie selbst leben ja in der Not, von Geburt an zu den moralisch Guten zu gehören, was sie polar zu dem Deutschen heraushebt aus der wirklichen Moralität, die nicht angeboren ist, sondern nur durch eigenes Handeln, Fühlen und Denken zu erringen ist.

Ich verstehe diesen Beitrag als ein stammelndes, suchendes Fragen. Man möge die Unfertigkeit verzeihen.

Adam

22. Januar 2017 10:18
@ Der_Jürgen
Der von Martin Lichtmesz zitierte Michael Paulwitz warnt die Rechte davor, "die Schlachten der Vergangenheit zu schlagen". Genau dies tut das herrschende System aber unentwegt.
 
 
Sehr richtig. Und zum Beweis legt die Universität Greifswald einen Tag nach der hervorragenden Rede von Höcke (ich war dabei) den Namen Ernst Moritz Arndt ab.

Martin Lichtmesz

22. Januar 2017 11:09

Ich danke den Kommentatoren für die guten Beiträge. Zwei Dinge möchte ich rasch anmerken:

1. Inhaltlich habe ich wenig (einiges aber doch) an Höckes Rede auszusetzen. Diejenigen, die ihm einen Strick daraus drehen wollen, sind meistens so oder so der AfD feindlich gesinnt, und ihnen ist jeder beliebige Vorwand recht. 

2. Der Einwand gegen Paulwitz trifft absolut zu, daß es vorrangig das herrschende System ist, das nicht müde wird, ununterbrochen die "Schlachten der Vergangenheit" zu schlagen. Das ist gewissermaßen zum konstitutiven Ritual geworden, das zwanghaft wiederholt werden muß. Wobei ja nicht einmal mehr um irgendetwas gekämpft werden soll, man fordert einfach die permanente rituelle Affirmation des Schlachtenergebnisses. Mit diesen Dingen wird ständig Politik gemacht, insofern ist es etwas heuchlerisch, sich darüber zu empören, wenn jemand wie Höcke zum Gegenangriff ansetzt oder sich auch nur Widerspruch oder Kritik erlaubt. Früher habe ich oft Kritik an der JF gehört, warum sie sich denn soviel mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen beschäftige, ob das nicht "rückwärtsgewandt" usw. sei. Das hat mich immer etwas gewundert, wird doch z.B. gegen den Spiegel mit seinen regelmäßigen einschlägigen Stories dieser Einwand nie erhoben.

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.