»Querfront«? – Benedikt Kaiser im Gespräch

Neben dem Vermächtnis Rolf Peter Sieferles erscheint in der reihe kaplaken ein Band, der zur Überwindung weltanschaulicher Grenzen aufruft. Was hat Benedikt Kaiser sich dabei gedacht? Ein Gespräch über einen Denkanstoß.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

SEZESSION: Quer­front lau­tet der Titel dei­nes kapla­ken-Ban­des. „Quer­front!“ lau­tet ein Vor­wurf, den poli­tisch Akti­ve immer dann zu hören bekom­men, wenn Platz­hir­sche von rechts oder links befürch­ten, daß Gren­zen zwi­schen den Lagern ver­schwim­men. Wes­halb also ein Buch über das „Querfront“-Phänomen?

KAISER: Es ist zual­ler­erst her­vor­zu­he­ben, daß die Ein­stu­fung als „Querfront“-Zeitschrift oder als „Querfront“-Aktivist sel­ten eine Eigen­ti­tu­lie­rung ist. Das Eti­kett stammt zumeist vom poli­ti­schen Geg­ner, um Phä­no­me­ne zu klas­si­fi­zie­ren und angreif­bar zu machen, bei denen die alt­be­währ­te poli­ti­sche Topo­gra­phie über­for­dert bzw. nicht anwend­bar ist. Die­se Phä­no­me­ne schei­nen auf dem Vor­marsch gegen­über den klas­si­schen poli­ti­schen Lagern zu sein.

Glaubt man etwa dem neo­kon­ser­va­ti­ven Maga­zin Cice­ro, ist eine gefähr­li­che „Quer­front in der Mit­te der Gesell­schaft ange­kom­men“, die den west­lich-libe­ra­len Grund­kon­sens von links und rechts glei­cher­ma­ßen unter Beschuß neh­me. Und liest man eine auf­wen­di­ge Stu­die der IG-Metall-nahen Otto Bren­ner Stif­tung (OBS), sieht man den Ver­such der Gewerk­schaf­ter, einen dro­hen­den Sie­ges­zug von anti­west­li­chen und anti­li­be­ra­len „Quer­front-Medi­en“ zu erfin­den, die dabei sei­en, „ein quan­ti­ta­tiv beacht­li­ches und stän­dig wach­sen­des Publi­kum zu errei­chen und zu halten“.

Man sieht also, daß „Quer­front“ sowohl im links­li­be­ra­len als auch im rechts­li­be­ra­len Umfeld auf Skep­sis bis offe­ne Feind­schaft stößt. Aber das sagt noch nichts dar­über aus, ob es eine „Quer­front“ wirk­lich gibt, was sie aus­macht – und ob es sich über­haupt lohnt, sich für eine sol­che einzusetzen.

SEZESSION: Zu den unter „Quer­front“ sub­su­mier­ten Akteu­ren zäh­len dei­ner Auf­zäh­lung nach unter ande­rem der Blog nachdenkseiten.de und der Natio­nal­öko­nom Albrecht Mül­ler, Com­pact und Jür­gen Elsäs­ser, Sahra Wagen­knecht und Oskar Lafon­taine, Lars Mäh­r­holz und Ken Jeb­sen, der Finanz­blog­ger Andre­as Popp und der Ver­le­ger Jochen Kopp, „völ­ki­sche“ Sied­ler und rech­te „Bio-Bau­ern“, teils sogar PEGIDA oder „die Neue Rechte“…

KAISER: Genau. Und das zeigt, wie inhalts­leer die­ser Begriff eigent­lich ist. Wenn all die­se genann­ten Akteu­re, die gänz­lich unter­schied­li­che welt­an­schau­li­che Stand­punk­te ver­tre­ten, „Quer­front“ sind, die es – aus links- und rechts­li­be­ra­ler Sicht – zu bekämp­fen gilt, ist der Begriff inhalts­leer und ver­kommt zur poli­ti­schen Waf­fe, um sich mit den Inhal­ten der jeweils ent­spre­chend Geschmäh­ten nicht aus­ein­an­der­set­zen zu müssen.

Man kann von einem regel­rech­ten Ver­fall einer Begriff­lich­keit spre­chen, da „Quer­front“ nicht immer die inhalts­lo­se Flos­kel gewe­sen ist, um poli­ti­sche Geg­ner als Out­laws ins Abseits zu stel­len. Hier­für emp­fiehlt es sich, die his­to­ri­schen Urgrün­de der Theo­rie und Pra­xis von „Querfront“-Bestrebungen näher anzu­se­hen. Sie lie­gen u. a. in den Trüm­mern der Wei­ma­rer Repu­blik, und ich ver­su­che auf­zu­zei­gen, daß das Phä­no­men der Quer­front – ob in Deutsch­land, Frank­reich, Grie­chen­land oder Ruß­land – man­nig­fal­ti­ge Ent­wick­lun­gen kann­te und zum Teil noch kennt, die mit der heu­ti­gen Flos­kel nichts gemein haben.

SEZESSION: Du gräbst in Sachen Wei­ma­rer Repu­blik auch einen lin­ken Den­ker aus, der heu­te als Para­de-Anti­fa­schist galt, aber noch im Janu­ar 1933 ein Zusam­men­ge­hen mit Ernst Jün­ger, Otto Stras­ser und ande­ren revo­lu­tio­nä­ren Rech­ten anstreb­te. Ein Einzelfall?

KAISER: Nein, auf kei­nen Fall. Es gab in der Wei­ma­rer Lin­ken, auch in der radi­ka­len Lin­ken, immer auch Kräf­te, die – kei­nes­wegs aus­schließ­lich macht­stra­te­gisch ori­en­tiert wie Tei­le der Kom­mu­nis­ten 1923 und 1932 – ein Zusam­men­ge­hen mit dem poli­ti­schen Geg­ner favo­ri­sier­ten, um das libe­ra­le gro­ße Gan­ze zu stö­ren. Das Bei­spiel, das du ansprichst, hat aber noch­mal eine grö­ße­re Bedeu­tung. Gemeint ist Kurt Hil­ler, und die­ser revo­lu­tio­nä­re Pazi­fist schrieb Anfang 1933, daß die Lin­ke und die Rech­te einen jewei­li­gen Selbst­rei­ni­gungs­pro­zeß bräuch­ten, an des­sen Ende eine Koope­ra­ti­on (aka Quer­front) mög­lich wäre.

Stie­ßen die rech­ten Natio­nal­re­vo­lu­tio­nä­re von Jün­ger bis Stras­ser, so Hil­ler, alten Bal­last ab, stie­ßen die lin­ken Sozi­al­re­vo­lu­tio­nä­re um Hil­ler die „Natio­nal­blin­den“ – die Anti­na­tio­na­len – ab, „dann wäre ein Bund mög­lich in Deutsch­land, groß, glän­zend und stark, der end­lich der Mit­tel­mä­ßig­keit, dem Geld­ma­cher­tum, allen Fein­den des Lichts die Macht ent­reißt und den Geist ver­wirk­licht.“ Das war der Hil­ler­sche pathe­ti­sche Sound, klar, aber das war min­des­tens ein Gesprächs­an­ge­bot. Frei­lich kam es zu spät.

SEZESSION: Und war­um inter­es­siert das heu­te noch?

KAISER: Weil das Bei­spiel – und vie­le wei­te­re, vor allem auch aktu­el­le Bei­spie­le fol­gen im kapla­ken-Band – zeigt, daß in poli­ti­schen Aus­nah­me­si­tua­tio­nen Kon­stel­la­tio­nen denk­bar sind, die jen­seits einer fun­da­men­ta­len geis­ti­gen, wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Kri­se gar nicht denk­bar wären. Aber in einem bestimm­ten his­to­ri­schen Moment kann es beson­de­re Ent­wick­lun­gen geben. Und hier­für soll­te man auch inhalt­lich vor­be­rei­tet sein.

Quer­front ist hin­ge­gen ein tak­ti­sches, struk­tu­rel­les und tem­po­rä­res Modell, das in einem his­to­ri­schen Moment auf­grund des Drucks der Ereig­nis­se ent­ste­hen kann; es ist jedoch kein Wert an sich, zumal es – damals wie heu­te – an lager­über­grei­fen­den Pro­jek­ten, ja bereits an blo­ßem Inter­es­se bezüg­lich poli­ti­scher Ele­men­te, die „falsch“, also geg­ne­risch eti­ket­tiert sind, mangelt.

SEZESSION: Kein prä­ven­ti­ves Stre­ben um Ein­heit mit Tei­len der Linken?

KAISER: Kei­nes­wegs, zumin­dest nicht in Deutsch­land. Bei uns ist es die Lin­ke von heu­te gar nicht wert, sich um sie zu bemü­hen. Weder welt­an­schau­lich noch stra­te­gisch. Das schließt natür­lich nicht aus, daß dort auch ehr­li­che Idea­lis­ten mit ver­nünf­ti­gen Stand­punk­ten am Wer­ke sind, aber die­se soll­ten und wer­den dann eben den Weg zu „uns“ fin­den – oder sie blei­ben iso­lier­te Leucht­tür­me inner­halb lin­ker Par­al­lel­wel­ten. Eine Quer­front ist der­zeit nicht mög­lich, nicht nötig, nicht erstre­bens­wert. Ich ver­su­che auf­zu­zei­gen, daß statt des­sen etwas ganz ande­res wich­ti­ger ist: eine Neu­jus­tie­rung und weit­ge­hen­de Pro­fil­schär­fung neu­rech­ter poli­ti­scher Theorie.

SEZESSION: Aha, also wie­der dei­ne sozia­le Fra­ge

KAISER: Ja, defi­ni­tiv. Aber im Grun­de umfaßt der Auf­ruf zu einer welt­an­schau­li­chen Erneue­rung mehr als „nur“ die Beset­zung des sozia­len Fel­des, das die Lin­ke längst begon­nen hat, zu räu­men. Bei den Klü­ge­ren unter unse­ren Geg­ner nimmt man ent­spre­chen­de Ent­wick­lun­gen durch­aus wahr. Man muß dort zäh­ne­knir­schend zur Kennt­nis neh­men, daß es sich bei der sozia­len Aus­rich­tung “kei­nes­wegs ledig­lich um ’sozia­le Dem­ago­gie’ (han­delt), wie so ger­ne von links behaup­tet wird”. Wir sind also auf dem rich­ti­gen Weg.

Was wir aber dar­über hin­aus brau­chen ist ein wah­rer Neu­be­ginn, eine „Neue Rech­te“, die sich gegen kon­ser­va­tiv-sozi­al­dar­wi­nis­ti­sche Kapi­ta­lis­mus­af­fir­ma­ti­on stellt; eine Neue Rech­te, die sich geo­po­li­tisch für eine „Plu­ra­li­sie­rung der Hege­mo­nien“ (Chan­tal Mouf­fe) posi­tio­niert; eine Neue Rech­te, die euro­pä­isch denkt und mehr als nur einen popu­lis­ti­schen Anti-Brüs­sel-Block for­mie­ren möch­te, die die Idee des eini­gen Euro­pas neu und inno­va­tiv, aber rück­ge­bun­den auch an Tra­di­ti­on und Her­kunft betrach­tet; eine Neue Rech­te schließ­lich, die in der Lage ist, die grö­ße­ren Zusam­men­hän­ge beim Gro­ßen Aus­tausch und der aktu­el­len Lage des Finanz­markt­ka­pi­ta­lis­mus zu ana­ly­sie­ren und Gegen­ent­wür­fe zu ent­wi­ckeln – eine sol­che Neue Rech­te hät­te es nicht nötig, auf der lin­ken Sei­te nach Part­nern zu suchen. Sie genüg­te sich selbst und ver­kör­per­te aus eige­ner Kraft und eige­nem Ideen­reich­tum eine intel­lek­tu­el­le Alternative.

SEZESSION: Also kein pau­scha­les Ende von rechts und links, wie es oft­mals ver­kün­det wird, son­dern etwas Neues?

KAISER: Ja. Nicht Ver­schleie­rung oder Leug­nung der sub­stan­ti­el­len Bedeu­tung von rechts und links, son­dern Über­win­dung von angeb­li­chen ideo­lo­gi­schen Gegen­sät­zen, hin zu etwas Neu­ar­ti­gem, zu einer wahr­haft Neu­en Rech­ten, die den Her­aus­for­de­run­gen der mul­ti­plen Kri­sen­si­tua­ti­on Deutsch­lands und Euro­pas über­haupt erst gerecht wer­den kann. Es ist wohl das, was die­je­ni­gen Kräf­te am meis­ten fürch­ten, die den „Querfront“-Vorwurf als poli­ti­sche Waf­fe zur Stig­ma­ti­sie­rung ver­wen­den. Eine „Syn­the­se der Gegen­sät­ze“, die Nor­ber­to Bob­bio ein­mal „kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on“ nann­te, ist jeden­falls heu­te mehr denn je von­nö­ten. Mein Büch­lein Quer­front, das gleich meh­re­re Irr­tü­mer zu die­sem The­men­kom­plex revi­die­ren möch­te, soll in die­sem Sin­ne den Anstoß zu einer not­wen­di­gen Debat­te geben.

_____________________

Bene­dikt Kai­ser: Quer­front, rei­he kapla­ken, Bd. 49, Schnell­ro­da 2017. 96 S., 8,50 €.

Neben die­sem Band erschei­nen in die­ser Woche zwei wei­te­re kapla­ken:
Mar­tin Licht­mesz: Die Hier­ar­chie der Opfer, Schnell­ro­da 2017. 96 S., 8,50 €.
Rolf Peter Sie­fer­le: Finis Ger­ma­nia, Schnell­ro­da 2017. 104 S., 8,50 €.

Die Drei­er­staf­fel gibt es für den Vor­zugs­preis von 20 €, Sie spa­ren also 5,50 € gegen­über dem Einzelkauf. 

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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Kommentare (18)

Frieda Helbig

14. Februar 2017 15:26

Freu mich auf das Büchlein. Wird Zeit, daß aus Kaisers Feder was erscheint. Dürfen wir uns auch bald auf ein Wegner-Werk freuen?

Beste Grüße...

Der_Jürgen

14. Februar 2017 20:46

Obwohl das Thema "Rechts und links" hier schon öfters erörtert wurde, möchte ich dazu noch etwas sagen. Ich persönlich hatte mich vor einigen Jahren  entschieden, die Etikette "rechts" für mich selbst und meine Denkweise abzulehnen, weil ich in vielen Fragen sozialistische, also "linke" Positionen vertrete: Ich bin für die Verstaatlichung der Banken, ein staatliches Monopol auf Geldschöpfung, die Abschaffung des Finanzkapitalismus mit seinem "virtuellen Geld", seinen "Derivaten" und seinen "Hedgefonds" und für eine gelenkte Martwirtschaft.

Inzwischen bezeichne ich mich aber wieder dezidiert als Rechter, denn die von mir verfochtenen Positionen sind ja längst nicht mehr links. Die Linke hat mit dem Kapitalismus, auch seinen räuberischsten Formen, schon vor geraumer Zeit ihren Frieden gemacht, ja noch mehr: Sie ist heute nur noch dessen Hilfs- und Schlägertruppe. Ihr ganzer Hass richtet sich gegen "Rassisten", "Faschisten", "Rechtsradikale" etc., wobei mit diesen Kosewörtern jeder bedacht wird, der für die Bewahrung seines Volkes eintritt. Dieselben "Rassisten", "Faschisten" und "Rechtsradikale" gelten aber auch dem Finanzkapital als Hauptfeind, wenn nicht gar als einziger Feind. Es will ja eine Welt ohne Grenzen, ohne Nationen, ohne nationale Kulturen und Identitäten.

Ich erinnere mich nicht mehr an den Namen jenes linken Esels, der in einem Videostreifen darlegt, dass jede Kritik am Finanzkapitalismus und an den grossen Banken implizit antisemtisch sei, auch wenn der betreffende Kritiker das Wort "Jude" gar nicht in den Mund nehme... Ein Kommentar hierzu erübrigt sich wohl.

Es gibt durchaus noch ein paar bekennende Linke, die weiterhin die Fahne des Antikapitalismus schwenken; mir fallen da auf Anhieb Namen wie Peter Feist und Reinhold Oberlechner ein. Diese Menschen beharren darauf, "Linke" oder gar "Marxisten" zu sein, nehmen aber einen ausgeprägt patriotischen Standpunkt ein. Sie sind selbstverständlich nicht unsere Feinde.

Rechts sein heisst für mich:

1) Betont national und zugleich betont sozial sein. Ein national gesinnter Mensch kann nicht hinnehmen, dass ein Teil seines eigenen Volkes in Armut lebt; er muss also für existenzsichernde Löhne und Renten für alle eintreten. (Zugleich wird er jeden Parasitismus ablehnen und von Arbeitsfähigen, die ihre Stelle verloren haben, verlangen, dass sie notfalls auch eine Arbeit annehmen, für die sie überqualifiziert sind. Ein arbeitsloser Soziologe soll nicht endlos vom Staat durchgefüttert werden, sondern notfalls eben als Verkäufer oder Kassier arbeiten.)

2) Den Menschen so sehen, wie er ist, und nicht, wie er irgendeiner Theorie zufolge sein sollte. Dies bedingt eine Anerkennung der menschlichen Ungleichheit in bezug nicht nur auf körperliche Eigenschaften, sondern auch auf Begabung, Willenskraft und moralische Qualitäten. Die logische Folgerug hieraus ist, dass man als Rechter eine hierarchisch gegliederte Gesellschaft ausdrücklich bejaht. Natürlich ist jede Gesellschaft ihrer Natur nach hierarchisch; die Frage lautet nur, nach welchen Massstäben die Hierarchie konstruiert sein soll. Die richtige rechte Antwort auf diese Frage scheint mir ein Bekenntnis zur Meritokratie zu sein, in dem zumindest theoretisch jeder den Rang einnimmt, der ihm aufgrund seiner Fähigkeiten und seinen Leistungen zukommt.

Benedikt Kaiser hat hundertprozentig recht, wenn er hervorhebt, dass wir Rechten (im oben definierten Sinn) die Linke längst nicht mehr brauchen und es nicht mehr nötig haben, um ihre Gunst zu buhlen. Wer aus dem linken Lager ins unsere wechselt, solluns jedoch als Bundesgenosse herzlich willkommen sein. Wir sind jedoch nicht darauf angewiesen, ihm den Übertritt durch ideologische Konzessionen zu erleichtern.

RMH

14. Februar 2017 21:28

Im Moment muss man zunächst einmal (leider wieder!) feststellen, dass wir noch nicht einmal eine rechte oder patriotische und konservative "Front" haben, sondern nur zerstrittene Haufen.  Querfront hört sich im Moment so ferne an, wie im November 1849 die deutsche Einheit ... Leider!

Ruewald

14. Februar 2017 23:27

@Der_Jürgen

Eine hervorragende und treffsichere Charakerisierung für die "rechte Sicht": national und sozial, Anerkennung der Ungleichheit und Respektierung des Andersseins des Einzelnen in seinem Sein in der Gemeinschaft, meritokratische Hierarchie ...

Dietrich Stahl

15. Februar 2017 00:44

Ein wichtiges Interview. Die Forderungen von Benedikt Kaiser würde ich gern mit einem Ausrufungszeichen zu versehen:

Ich versuche aufzuzeigen, daß stattdessen etwas ganz anderes wichtiger ist: eine Neujustierung und weitgehende Profilschärfung neurechter politischer Theorie. […] Was wir aber darüber hinaus brauchen ist ein wahrer Neubeginn, […] eine Neue Rechte, die die Idee des einigen Europas neu und innovativ, aber rückgebunden auch an Tradition und Herkunft betrachtet; eine Neue Rechte schließlich, […] die in der Lage ist, Gegenentwürfe zu entwickeln […] Überwindung von angeblichen ideologischen Gegensätzen, hin zu etwas Neuartigem, zu einer wahrhaft Neuen Rechten, die den Herausforderungen der multiplen Krisensituation Deutschlands und Europas überhaupt erst gerecht werden kann.

Es ist symptomatisch, daß die erste Strophe der Nationalhymne erstmals seit langem öffentlich in Hawaii – vor einem Tennisturnier – gesungen wird. Trotzdem, Danke Hawii. Immerhin haben einige der deutschen Tennisspielerinnen mit einem Lächeln mitgesungen.

Den Fokus auf das Eigene und die Essenz des Deutschseins, den Erfahrungsschatz der Geschichte und neu gewonnene Ausdrucksmöglichkeiten nutzen, niegedachte Ideen und eine Rückbesinnung auf die geistigen Prinzipien des Lebens – das brauchen wir. Das Tor zu geschichtlich einmaligen Möglichkeiten ist heute schon einen Spalt offen. Es liegt an uns.

Wahrheitssucher

15. Februar 2017 06:14

@ Der Jürgen

Ihre Beiträge sind eigentlich immer das Salz in der Suppe...

Monika L.

15. Februar 2017 09:35

"Wenn diese Leute von »Identität« sprechen, meinen sie nicht die eines Individuums, sondern stets die eines Kollektivs. Die »Identitären« leiten ihr Konstrukt einer kollektiven Identität aus imaginierten Gemeinschaften wie Volk, Nation, dem »christlichen Abendland« oder der gemeinsamen europäischen Kultur ab. "

heißt es in dem verlinkten Beitrag aus der Jungen Welt, 10.2.17

Ich zähle mich zu den eher "rechtsliberalen Skeptikern" des Querfrontgedankens.

Mit Marcello Pera sehe ich die Liberalen allerdings am  Scheideweg der Religion. Marcello Pero übernimmt die " antiliberalen Positionen nicht, die für zahlreiche Faschisten, Nationalsozialisten, Kommunisten eine verhängnisvolle intellektuelle und politische Übung gewesen sind..." Pera schreibt: "Insbesondere teile ich den Einwand nicht, daß der Liberalismus eine Lehre sei, die auf dem Individualismus, dem Egoismus, dem Hedonismus gründe und daß er sich für die Tugenden und das Gemeinwohl nicht interessiere." Pera kritisiert die Gleichsetzung von Liberalismus mit dem Säkularismus. Weshalb der Titel seines Buches lautet: Warum wir uns Christen nennen müssen, Plädoyer eines Liberalen

Sag, wie hältst du es mit der Religion. Hier wird in Europa in Zukunft die Scheidelinie verlaufen...Die Moslems haben damit kein Problem. Allerdings lässt sich mit einigen von ihnen auch eine Querfront denken....

Jürg_Jenatsch

15. Februar 2017 10:26

@ Der Jürgen

Dieser Kommentar ist exzellent gewesen und hat genau das akzentuiert, was auch mir wichtig ist. Ich habe mich bei den Linken, gerade wegen ihrer antinationalen Haltung nie so richtig heimisch gefühlt. Aber auch mit Rechten habe ich meine Probleme, die den Kapitalismus glorifizieren und dem Elend des eigenen Volkes freien Lauf lassen. Man kann nicht das Volk theoretisch hochleben lassen, praktisch aber auf großen Teilen herumtrampeln.

deutscheridentitärer

15. Februar 2017 10:54

Welche Rechten verherrlichen denn den Kapitalismus? Alle in meinen Augen maßgeblichen Denker (Spengler, Jünger), die sich zu Wirtschaftsfragen geäußert haben, haben klar "sozialistische" Standpunkte vertreten. Also da ist doch Konsens im rechten Lager, warum ist das eigentlich dennoch immer so ein großes Thema? Allerdings ist der überbordende (!) Sozialstaat ein riesiges Problem, eine der Hauptursachen der allgemeinen Lähmung und Lethargie. Ein deutscher ("preußischer", wie auch immer), nimmt den Menschen in seiner Eigenverantwortung ernst und forder, wie er fördert. Gutes Geld für Gute Arbeit, und für keine Arbeit kein Geld, damit ist zu dem Thema doch alles gesagt.

RMH

15. Februar 2017 11:37

"Welche Rechten verherrlichen denn den Kapitalismus?"

@deutschidentitärer

"Verherrlichen" ist das falsche Wort. Rechts sein ging in der Vergangenheit immer davon aus, einer bestimmten, einstens bestehenden "Rechts"ordnung anzuhängen, zu welcher immer auch eine bestehende Eigentums- und Besitzordnung gehörte, die akzeptiert, gewahrt und geachtet wurde. Man war damit als Rechter also im wahrsten Sinne des Wortes im "Recht", während der "Linke" eben dieses Recht nicht anerkannt hat und die entsprechenden Verhältnisse zu seinen Gunsten mit allen Mitteln ändern wollte. 

Ein echter "Rechter" achtet daher Besitz und Eigentum und neidet ihn nicht. Ein echter "Rechter" hat immer Bauchschmerzen, bei Begriffen wie Umverteilung. Ein echter Rechter kann Steuern nur akzeptieren, wenn er damit einen echten, staatlichen und ALLEN zu Gute kommenden Zweck damit finanziert, wie bspw. Landesverteidigung, Schulen, innere Sicherheit, Rechtsweg etc.

Der Linke hingegen achtet kein Recht, schon gar nicht ein Eigentumsrecht. Er nimmt sich im Zweifel das von den Habenden, was ihm für seine Zwecke opportun erscheint und dies ist auch einer der Gründe, warum der Volksmund schon seit Jahrzehnten zu sagen pflegt "die Sozis können nicht mit Geld umgehen".

Man könnte das jetzt noch weiter darlegen, würde aber zu weit führen. Ich denke, es wird erkennbar, was gemeint ist. 

deutscheridentitärer

15. Februar 2017 12:17

@RHM

Dem kann ich mich vorbehaltlos anschließen.

Bran

15. Februar 2017 12:54

deutscheridentitärer: Auf unserer Seite tummeln sich schon einige, die der Fraktion der Wirtschaftsliberalen und Libertären angehören und denen der Glaube, dass der Markt schon alles richte, verinnerlicht ist. Für gewöhnlich werden diese  Leute unter dem Begriff "rechts" subsummiert, obwohl ich persönlich finde, dass es eben nicht einfach nur rechts und links gibt, sondern eben auch liberal in seinen verschiedensten Ausprägungen. Bei allen Seiten gibt es gewisse Überschneidungen zu den Anderen, aber gerade an gewissen Grundsatzfragen zeigt sich dann auch wieder die Bruchlinie.

Jürgens Eintrag kann ich aber vollumfänglich unterschreiben.

Schneekette

15. Februar 2017 15:01

Bringen wir die Dinge auf den Punkt: Es gibt Ungleichheit. Das ist Realität. Das ist rechts. Aus der Ungleichheit folgen Hierarchien. Das ist ebenfalls Realität und damit rechts. Nun werden die Dinge komplziert. Alle Libertären und fast alle Rechte interpretieren Ungleichheit als natürliche Ordnung und Hierarchien werden als Hackordnung missverstanden. Dies wird landläufig unter rechts verstanden. Alle Libertären und viele Rechte verstehen unter Hackordnung und Hierarchie dasselbe und bejahen dies ausdrücklich. Es geht um eine Bejubleung der Brutalität. Das ist dämlich. Denn den eigenen Platz in der Hackordnung sieht der so verstanden Rechte natürlich ganz oben. Falls der eigene Platz sich nicht dort finden sollte, wo er "naturgegeben" hingehört", sind die "Anderen", Kommunisten etc. daran schuld. Das ist feige. An den Gedanken, die !Auswirkungen! natürlicher Hierarchien abzumildern, vielleicht sogar den Gedanken, dass es die naturgegebene Aufgabe eines natürlichen "Alphas" primär ist, gerade für andere zu sorgen und Grausamkeit abzumildern - Das wäre klug.

Utz

15. Februar 2017 15:02

Wenn deutschidentitärer sagt: "kein Geld für keine Arbeit", dann sind wir genau bei des Pudels Kern gelandet. Die Frage, die die Rechten trennt, ist ob ich dem Satz "jeder ist seines Glückes Schmid, und wer kein Glück hat, hat es genau so verdient, es sei denn, er ist krank oder behindert" zustimme oder nicht.

Ich kann dem nicht zustimmen. Dazu kenne ich zuviele alleinerziehende Mütter (Vater gestorben, Alkoholiker, verschwunden), die sich mit 2-3 Jobs mehr schlecht als recht über Wasser halten, zu viele hart arbeitende Männer, die als Scheinselbstständige ausgelagert wurden, usw. usf..

Die Lager unterscheiden sich auch bei der Frage, was der Staat dürfen soll, und was nicht. Die einen sehen in ihm ein nutzloses, gefräßiges Raubtier, die anderen sehen in ihm eine Gemeinschaftsaufgabe, in der zwar einige Rädchen schlecht funktionieren und es sogar Korruption gibt, aber der prinzipiell veränderbar ist und sie sehen es als ihre Aufgabe, den Staat dann auch in eine gute Richtung zu verändern.

Was Eigentum anbelangt, sind wir glaube ich einig, daß das Konzept "alles gehört allen" nicht funktioniert. Aber an dem Satz (von Brecht?) "hinter jedem großen Vermögen steht ein großes Verbrechen" ist doch hin und wieder auch was wahres dran. Warum sollte dann (ihm Rahmen) bei den ganz großen Vermögen nicht eine gewisse Umverteilung (über Steuern) stattfinden? 

Schneekette

15. Februar 2017 15:04

Ergänzung:

Der Moment, in dem Menschen auf die Idee kamen,

- in einem natürlichen Loyalitätsrahmen

- eine Gemeinschaft zu entwickeln

- in dem alle ein Mindestmaß partzipieren können

- und denjenigen, die außerhalb dieses Rahmens stehen, keine unnötige Brutalität entgegenzubringen,

war die Erfindung der Zivilisation.

deutscheridentitärer

15. Februar 2017 16:22

"Ich kann dem nicht zustimmen. Dazu kenne ich zuviele alleinerziehende Mütter (Vater gestorben, Alkoholiker, verschwunden), die sich mit 2-3 Jobs mehr schlecht als recht über Wasser halten, zu viele hart arbeitende Männer, die als Scheinselbstständige ausgelagert wurden, usw. usf.."

Sie haben Recht, ich hätte besser geschrieben "kein Geld für Faulheit". Dass unverschuldete Krisen von der Gemeinschaft mitgetragen werden sollen, ist für mich selbstverständlich. Ich will noch anmerken, dass die von Ihnen genannten Beispiele der hart arbeitenden Geringverdiener bekannt sind und diese Fälle auch unter meiner ursprünglichen Aussage nicht gutgeheißen wurde. Ich bin kein Wirtschaftskenner, aber die in der Sackgasse geendeten Lebensläufe die mir als Student in Leiharbeitsfirmen begegnen halte ich für eine perverse Erscheinung.

Rohmer

15. Februar 2017 20:10

Heute das Bändchen von Herrn Kaiser erhalten und sofort durchgearbeitet. Sehr schön! Spricht mir in vielen Punkten aus der Seele. Es gefällt mir auch, dass ein breites Spektrum an linker Literatur zitiert wird, Lenin, Zizek, Honneth etc. Das beweist fundierte Analyse der Gesamtlage und macht einen vollumfänglich befassten Eindruck. 

Ich würde keinesfalls sagen, dass es im rechten Lager Konsens ist, was hier so an Links-Rechts-Synthese geschildert wurde. Die AfD ist doch recht eindeutig wirtschaftsliberal und entspricht in ihrer finanzpolitischen Ausrichtung keinesfalls dem, was hier als vermeintlicher Konsens skizziert wird. 

Und von ungefähr kommt es ja nicht, dass bei der klassischen BRD-Dichotomie seit den 60er Jahren "Konservativ / Rechts" für kapitalistische Unioner steht und "Links" eben für die Antikapitalisten. Ich erinnere mich an einen Ausspruch von Karlheinz Weißmann aus "Unsere Zeit kommt", wo er erzählt, er hätte in den 80ern gar nicht der JU beitreten können, die Herren seien ihm einfach immer eine Spur zu glatt gewesen, eine Spur zu sehr aufs Konto fixiert und auf die Karriere. Ich bin selbst auch mit einem sehr negativen Bild des Konservativen aufgewachsen. Also so komplett aus dem lufleeren Raum kommt dieses Bild wohl nicht. 

destijl

16. Februar 2017 02:44

Sehr lohnende Lektüre:  https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Analysen/Analysen31_KonservRevolution.pdf

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