Kositza stellt vor: »Die Roten«

Die Frankfurter Buchmesse steht vor der Tür, alle Vorbereitungen gehen in die Endphase – aber natürlich gibt es auch weiterhin interessante Neuerscheinungen anderer Verlage, die einen Blick wert sind.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

In ihrer neu­es­ten Buch­be­spre­chung wid­met sich Ellen Kositza einer Neu­erschei­nung aus Frank­reich, dem dies­jäh­ri­gen Ehren­gast der Buch­mes­se. Der Ver­fas­ser, Carl Ader­hold, ist im deutsch­spra­chi­gen Raum erst­mals 2011 mit sei­nem Roman Fische ken­nen kei­nen Ehe­bruch her­vor­ge­tre­ten; in sei­nem neu­en, auto­bio­gra­phi­schen Werk ver­ar­bei­tet er vier Gene­ra­tio­nen der eige­nen Fami­li­en­ge­schich­te, die vor allem vom Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen deut­schem und fran­zö­si­schem Erbe geprägt ist. 

Die Roten beginnt mit einer Rück­kehr – sowohl ins Eltern­haus als auch in die eige­ne Kind­heit und Jugend. Von dort geht es wei­ter, den win­dungs­rei­chen Weg der Fami­lie Ader­hold durch die Geschich­te der bei­den “feind­li­chen Nach­barn” längs des Rheins von 1864 an ent­lang. Zum ver­bin­den­den Ele­ment wird dabei die sozia­lis­ti­sche Grund­hal­tung der Fami­lie: Die Ader­holds suchen sich über Jahr­zehn­te hin­weg ihre fami­liä­re, lin­ke Kern­uto­pie zu schaffen.

Carl Ader­hold (der Vor­na­me ist natür­lich durch das kom­mu­nis­ti­sche Leit­ge­stirn inspi­riert) wächst mit der Vor­ga­be auf, die Unge­rech­tig­keit der Welt im Klei­nen und Kleins­ten per­sön­lich wett­zu­ma­chen. Die Schwa­chen und Armen unter sei­nen Mit­schü­lern wer­den ihm zum Auf­trag, ganz beson­ders dann, wenn es sich um Migran­ten­kin­der han­delt. Von der Dok­trin abwei­chen­de Lek­tü­re, etwa Tim und Strup­pi, gibt es daheim nur unter der Bett­de­cke – aber es gibt sie.

Die Roten wird so zur Chro­nik des Abschieds von einem fami­liä­ren Mythos, der von der per­sön­li­chen Geschich­te in das rea­le, poli­ti­sche Leben aus­zu­grei­fen such­te und dabei zwangs­läu­fig schei­tern muß­te. Es geht damit nicht zuletzt auch um die Suche nach Iden­ti­tät in einer Welt, die sich rasant und ganz anders als geplant ver­än­dert hat – ein Abschied von der fol­gen­lo­sen, aber dafür um so auto­ri­tä­re­ren Gesin­nungs­ethik der Wohlmeinenden.

Ader­holds bel­le­tris­ti­sche All­tags­be­ob­ach­tun­gen über lin­kes Schei­tern stel­len in gewis­ser Wei­se das fran­zö­sisch-lite­ra­ri­sche Gegen­stück zu Ellen Kositz­as eige­nen Moment­auf­nah­men in der nun bald in ihr fünf­tes Jahr gehen­den Kolum­ne Das war’s. So ist es nur fol­ge­rich­tig, daß Die Roten nun von Kositza bespro­chen wird. Inter­es­sier­ten wird sich auf der Buch­mes­se die Gele­gen­heit bie­ten, das The­ma noch zu ver­tie­fen – Sie wis­sen ja, Hal­le 3.1, Stand G 82. Nun aber Film ab!

Carl Ader­hold: Die Roten, Zürich 2017. 362 Sei­ten, 24 Euro.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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