Blinde Flecken? Antwort auf Ijoma Mangold

Ijoma Mangold hat in der ZEIT unser Buch "Mit Linken leben" besprochen und mit seinem ungleichen Buchmessenzwilling "Mit Rechten reden" verglichen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Dabei ist ers­te­res, ich wie­der­ho­le es zig­mal, kei­ne “Reak­ti­on” auf letz­te­res, wie Man­gold behaup­tet, son­dern hat eine völ­lig unab­hän­gi­ge Genese.

Er attes­tiert Som­mer­feld und mir “einen schar­fen Blick für die blin­den Fle­cken der links­li­be­ra­len Öffent­lich­keit”, meint aber, daß auch unser Buch vie­le die­ser blin­den Fle­cken habe. Er nennt zwei davon, und ich möch­te im fol­gen­den dar­auf antworten.

Man­gold schreibt:

Dass Som­mer­feld und Licht­mesz aller­dings allen, die ihre Posi­tio­nen zurück­wei­sen und bekämp­fen, das Eti­kett “links” anhän­gen, ist der Punkt, an dem sie es sich am ent­schie­dens­ten zu ein­fach machen.

Das ist in die­ser Form schlicht­weg unzu­tref­fend und wirft die Fra­ge auf, wie sorg­fäl­tig Man­gold denn unser Buch tat­säch­lich gele­sen hat. Er bringt hier einen Ein­wand, den wir von Anfang an vor­aus­ge­se­hen und berück­sich­tigt haben.

In der Tat muß er hier mit einem Hand­schlag das kom­plet­te ers­te Kapi­tel über­blät­tert haben, in dem wir uns aus­führ­lich der Fra­ge wid­men, wer nun “die Lin­ken” und die “Rech­ten” eigent­lich sei­en, wor­auf wir nicht nur eine, son­dern – je nach Per­spek­ti­ve oder Kon­text – meh­re­re Ant­wor­ten geben.

Unter ande­rem beto­nen wir, daß nie­mand gänz­lich “links” oder “rechts” sei, daß wir alle mehr oder weni­ger eine “mixed eco­no­my” von Über­zeu­gun­gen und Inter­es­sen sind.

Wir haben die The­se auf­ge­stellt, daß die Bruch­li­nie der “Pola­ri­sie­rung” weni­ger zwi­schen “Rech­ten” und “Lin­ken” als zwi­schen “Rea­lis­ten” und “Uto­pis­ten” ver­läuft; hin­zu kom­men die Punk­te “Vertrauen/Mißtrauen” in die Mas­sen­me­di­en und poli­ti­schen Eli­ten sowie die Prä­fe­renz des Natio­nal­staats oder ande­rer “iden­ti­tä­rer” poli­ti­scher Ein­hei­ten gegen­über supra­na­tio­na­len Struk­tu­ren, dem Glo­ba­lis­mus und dem damit eng ver­bun­de­nen Multikulturalismus.

Vor allem beschrei­ben wir “die Lin­ke” als ein Syn­drom aus Vor­stel­lun­gen, Sen­ti­ments und Begrif­fen, das in unse­rer Gesell­schaft selbst die Köp­fe und die Spra­che (nicht immer das Leben und kon­kre­te Ver­hal­ten) jener bestimmt, die sich selbst nicht als bewußt als “links” verorten.

Armin Nas­sehi schrieb: “Links oder wenigs­tens links­li­be­ral zu sein, ist durch­aus erwart­bar – womög­lich gar ein Nor­mal­fall des Argu­men­tie­rens”. Unser Buch könn­te also auch hei­ßen: “Leben mit der lin­ken Ideo­lo­gie”, die wir im wesent­li­chen mit dem iden­ti­fi­zie­ren, was Rolf Peter Sie­fer­le als „huma­ni­tä­ren Uni­ver­sa­lis­mus“ bezeichnete.

Wir schrei­ben dazu unter anderem:

Alle Welt argu­men­tiert heu­te links oder links­li­be­ral; dies ist der »Nor­mal­fall«. Wie oft sind uns Leu­te begeg­net, die sich für mit­tig hiel­ten und de fac­to knall-lin­ke Über­zeu­gun­gen vor­brach­ten! Dar­un­ter man­che, die es allen Erns­tes für abwe­gig hiel­ten, die ZEIT als »lin­kes« Blatt zu bezeichnen.

Wenn sich etwa der scharf »gegen Rechts« enga­gier­te Jurist Maxi­mi­li­an Stein­beis her­aus­nimmt, zu sagen: »Wen ich für rechts­ra­di­kal hal­te, den darf ich auch rechts­ra­di­kal nen­nen« (verfassungsblog.de, 13. Novem­ber 2012), dann sind wir so frei, den Spieß umzu­dre­hen: »Links« ist für uns dann ein­fach jemand, der wie ein Lin­ker redet, denkt, argu­men­tiert, han­delt, egal, wie er sich selbst bezeich­nen mag.

Links ist, »Binnen‑I«s zu benut­zen, egal ob sich die­se ideo­lo­gi­sche Sprach­ver­ge­wal­ti­gung bis ins hin­ter­letz­te Pro­vinz­nest durch­ge­setzt hat. Links ist die Par­tei­nah­me für die »Homo-Ehe«, egal was für sexu­al­mo­ra­li­sche Ansich­ten man sonst noch hegt. Links argu­men­tiert jeder, der Deutsch­land für ein Ein­wan­de­rungs­land hält und den Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus unter­stützt– egal, ob er nun Mit­glied der Grü­nen oder der CDU ist.

Zwar spre­chen wir von “Lin­ken” aus Grün­den der Grif­fig­keit oft ver­knappt und pole­misch, aber unser Begriff der Lin­ken ist durch­aus ein ana­ly­ti­scher. Ver­ein­facht gesagt: Daß wir, die Autoren, Rech­te sind, ist allen klar, und wir machen es der “links­li­be­ra­len Öffent­lich­keit” auch ein­fach, weil wir uns selbst so nen­nen (obwohl wir uns dar­un­ter oft etwas ande­res vor­stel­len als die­se Öffentlichkeit).

Aber daß Mil­lio­nen von Men­schen, die sich für sonst­was hal­ten, de fac­to lin­ken Denk­mus­tern, Kli­schees, Deu­tungs­rah­men, Prä­mis­sen, Refle­xen fol­gen, das muß man erst her­aus­ar­bei­ten, und das haben wir ver­sucht. Wir zei­gen auf, was genau die Denkmuster/Dispositive der Macht/Ideologeme sind, die für ein bestimm­tes Den­ken, Spre­chen und Han­deln wesent­lich sind (z.B. eben Gleich­heit, Uto­pis­mus, Radi­kal­uni­ver­sa­lis­mus, “Anti­fa­schis­mus”, NS-Fixie­rung, Ver­trau­en in die Mas­sen­me­di­en, Globalismus).

Und die­se nen­nen wir “links”, nicht nur auf­grund einer ideen­ge­schicht­li­chen Her­lei­tung, son­dern weil sie oppo­si­tio­nell (binä­rer Code) zu unse­ren genau gegen­tei­li­gen Denk­mus­tern usw. sind. Das hat nota­be­ne auch damit zu tun, daß wir auf der ande­ren Sei­te den Begriff “rechts” (posi­tiv) erwei­tern und ihm die­sel­be Spann­wei­te geben wol­len, wie sie heu­te dem Begriff “links” zuge­dacht wird.

Es ver­hält sich eben nicht so, wie Man­gold unter­stellt: daß wir die Welt in Freund und Feind ein­tei­len, ohne das gro­ße und viel­fäl­ti­ge Mit­tel­feld und all die ande­ren Posi­tio­nen quer dazu (z.B. Libe­ra­le, Liber­tä­re, Quer­front­ler, Links­na­tio­na­lis­ten, Unpo­li­ti­sche) erken­nen zu können.

Es gibt aber, wenn man so ana­ly­siert wie wir, in der heu­ti­gen poli­ti­schen Welt allent­hal­ben (also eben auch in die­sem “Mit­tel­feld” und den vie­len Libe­ra­lis­mus­spiel­ar­ten) deut­lich erkenn­ba­re und domi­nan­te Ele­men­te von lin­ker Ideo­lo­gie. Auch west­lich-kul­tu­rel­le Wer­te wie »Ega­li­ta­ris­mus, Grund­rech­te, Sozi­al­staat«  (Sla­voj Žižek) oder die Ideo­lo­gie der Menschenrechte
sind vor­wie­gend lin­ker Her­kunft (und wir leh­nen wohl­ge­merkt nicht pau­schal alles ab, was von “links” kommt, son­dern akzep­tie­ren vie­les davon als legitim).

Dadurch hat die Lin­ke inner­halb unse­res poli­ti­schen Wert- und Koor­di­na­ten­sys­tems einen star­ken Feld­vor­teil. (Heu­te erle­ben wir jedoch, wie sich der Uni­ver­sa­lis­mus die­ser Wer­te in unge­bun­de­ner und radi­ka­li­sier­ter Form gegen den Wes­ten selbst wen­det und sei­ne Sub­stanz aufzehrt.)

Lin­ke z.B. wol­len kei­ne Glo­ba­lis­ten sein, und Glo­ba­lis­ten kei­ne Lin­ken – aber sie sind es nun mal und zie­hen an ein und dem­sel­ben Strang (S. 71–74)! Und da liegt das Ärger­li­che, viel­leicht Pro­vo­zie­ren­de, aber durch­aus Prä­zi­se, unse­rer Idee.

Wir stel­len außer­dem fest, daß die Begrif­fe “links” und “rechts” im herr­schen­den Dis­kurs nicht pari­tä­tisch ver­wen­det wer­den, son­dern meis­tens in einer wertenden/abwertenden Wei­se. Was “rechts” ist, wird im herr­schen­den Dis­kurs nicht von den Rech­ten (also jenen, die sich auch selbst so nen­nen) selbst defi­niert, son­dern in der Regel von weit links.

Auch eher bür­ger­lich-libe­ra­le Intel­lek­tu­el­le wie Man­gold über­neh­men häu­fig blind und unbe­se­hen, was ihnen von inter­es­sier­ter links­extre­mer Sei­te vor­ge­kaut wird (ein Über­maß an mora­li­sie­ren­der poli­ti­scher Kor­rekt­heit ging aller­dings auch ihm auf den Keks).

Das Wort “rechts” wird als Stig­ma oder Bann­wort ver­wen­det, sobald man bestimm­te Mei­nun­gen ver­tritt, Sprach­re­ge­lun­gen ver­letzt oder auch nur Tei­le des domi­nan­ten links­li­be­ral-glo­ba­lis­ti­schen Nar­ra­tivs in Fra­ge stellt. Die “poli­ti­sche Kor­rekt­heit” als Bann­zo­ne und Herr­schafts­in­stru­ment exis­tiert rea­li­ter mit oft erheb­li­chen Fol­gen für alle, die gegen sie ver­sto­ßen; sie ent­stammt aller­dings der lin­ken Ideo­lo­gie­kis­te, und man muß sich fra­gen, war­um gera­de sie so eine Macht in unse­rer Gesell­schaft erlangt hat.

“Rech­te” (oder gar “Nazis”) wer­den von ihr am lau­fen­den Band per Fremd­de­fi­ni­ti­on erzeugt, was eine knall­har­te Macht­fra­ge ist: Wer “rechts” genannt wird, soll mora­lisch dis­kre­di­tiert und in letz­ter Instanz vom Dis­kurs aus­ge­schlos­sen werden.

Auf den Sei­ten 47–50 unse­res Buches haben wir einen aus­führ­li­chen Kata­log von Posi­tio­nen ange­legt, die heu­te als »rechts« gel­ten, die mit­hin auch dann so ein­ge­ord­net wer­den, wenn die­je­ni­gen, die sie ver­tre­ten, sich selbst durch­aus nicht als Rech­te sehen.

Es geht hier also kei­nes­wegs um das Son­der­in­ter­es­se von, sagen wir, “Neu­en Rech­ten” im Ver­hält­nis zu ihren Geg­nern, son­dern um einen viel fun­da­men­ta­le­ren Dis­sens um die Wirk­lich­keit und Zukunft unse­rer Natio­nen, ja letz­ten Endes der gesam­ten west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on überhaupt.

Wenn nun Man­gold behaup­tet, “Licht­mesz’ und Som­mer­felds Buch lebt von der Feind­fi­xie­rung”, dann hat er nichts davon ver­stan­den, dann hat er noch nicht ein­mal ver­stan­den, was die­se “Spal­tung” oder “Pola­ri­sie­rung” bedeu­tet, von der heu­te über­all die Rede ist.

Man kann nicht über nur eine Sei­te des Kon­flik­tes sagen: »Wenn es sie nicht gäbe, wären wir nicht gespal­ten”, oder so tun, als ob “Feind­bil­der” eine Ein­bahn­stra­ße wären. Zu einer “Pola­ri­sie­rung” gehö­ren eben zwei Pole, die ein­an­der bedin­gen und hervorbringen.

Wir sagen es bereits im Vor­wort: Lin­ke Ideen brin­gen rech­te Ideen her­vor und vice ver­sa. Man­gold scheint völ­lig zu über­se­hen, daß unser Buch vor allem eine Defen­siv- und Abwehr­an­lei­tung ist, und zwar gegen rea­le, akti­ve poli­ti­sche Geg­ner und Fein­de – und nicht bloß “Feind”-Bilder (gleich zu Beginn nen­nen wir Hei­ko Maas und die von ihm ini­tier­ten Maß­nah­men “gegen Rechts”.)

Wie wir an unzäh­li­gen Bei­spie­len zei­gen, ver­hält sich die lin­ke Ideo­lo­gie aggres­siv und ist stark abhän­gig vom Feind­bild des “Rech­ten”, den sie immer wie­der von neu­em beschwö­ren und ent­stel­len muß, um sich zu rechtfertigen.

Im Vor­wort schrie­ben wir:

Den gene­rell selbst­re­flek­ti­ons­schwa­chen Lin­ken fehlt dafür [die pola­ri­sie­ren­de Wir­kung ihrer Poli­tik] noto­ri­scher­wei­se das Bewußt­sein, sie betrach­ten Oppo­si­ti­on gegen ihre schö­nen Ideo­lo­gien und Taten, die sie für selbst­ver­ständ­lich hal­ten, als uner­klär­li­che Nie­der­tracht. Zugleich bedür­fen sie der »Rech­ten« (oder dem Stroh­mann, den sie sich gebas­telt haben), um sich selbst eine Legi­ti­ma­ti­on, einen Sinn, einen Gegen­satz zu geben.

So gese­hen wer­den die Lin­ken uns schon allein des­halb nicht los, weil sie am lau­fen­den Band Rech­te pro­du­zie­ren, nomi­nell durch ihre sich stets erwei­tern­den ideo­lo­gi­schen Defi­ni­tio­nen eben­so wie fak­tisch-prak­tisch durch ihre Gleich­schal­tungs­an­ma­ßun­gen und die Fol­gen ihrer Politik.

Abge­se­hen davon, daß man nie eine Idee ohne ihren Gegen­ent­wurf betrach­ten kann, ist es eine genaue Umkehr der Tat­sa­chen, wenn Man­gold schreibt, “das rech­te Den­ken braucht das lin­ke Feind­bild, sonst geht ihm sehr schnell die Luft aus”.

Dafür soll­te auch nur eine mar­gi­na­le Kennt­nis der heu­ti­gen lin­ken Lite­ra­tur genü­gen, die sich wie beses­sen um ech­te oder ima­gi­nier­te “Rech­te” und angeb­lich “faschis­ti­sche” Gefah­ren dreht. Man soll­te sich auch anse­hen, wodurch denn eigent­lich die mul­ti­kul­tu­ra­lis­ti­sche wie auch glo­ba­lis­ti­sche Agen­da begrün­det und legi­ti­miert wird - näm­lich mit dem Pro­jekt der end­gül­ti­gen Über­win­dung von Natio­nal­so­zia­lis­mus, Faschis­mus, Natio­na­lis­mus, “Ras­sis­mus” und ande­ren reak­tio­nä­ren Gespens­tern durch eine Art Menschheitsdemokratie.

Unser ein­sa­mes rech­tes Gegen­buch, das ers­te sei­ner Art, zu einem gro­ßen Teil aus der Not­wehr gegen die Zumu­tun­gen und Über­grif­fe des “anti­fa­schis­ti­schen” Framings gebo­ren, fällt da nur gering in die Waag­scha­le. Es sagt aber indes eben­so viel über uns, über die Lage, über gewis­se Tat­sa­chen wie über die Linke.

Man­gold ver­schweigt all die­se für unser Buch essen­ti­el­len The­sen, unter­stellt uns aber gleich­zei­tig “blin­de Fle­cken” und einen Man­gel an “intel­lek­tu­el­ler Red­lich­keit” (den habe ich bei ihm auch schon kon­sta­tiert; sei­ne Atta­cke auf Akif Pirincci war nicht von Erkennt­nis­in­ter­es­se, son­dern von einem Wil­len zur Dif­fa­mie­rung getrieben).

Mir scheint aller­dings, daß der Pla­net, den er bewohnt (die Echo­kam­mer des links­li­be­ra­len, mit der Welt und sich selbst selt­sam zufrie­de­nen Main­stream­feuil­le­tons), so weit von uns wie von der poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Wirk­lich­keit die­ses Land ent­fernt ist, daß er vie­le Din­ge, die wir geschrie­ben haben, offen­bar noch nicht ein­mal im Ansatz kapiert hat.

Indiz dafür ist sein Kom­men­tar zu einer wei­te­ren Lis­te in unse­rem Buch: “Womit man Lin­ke ‘trig­gern’ kann”. Wun­der­lich ist, daß er behaup­tet, daß wir uns nur in die­sem Kapi­tel “aus der Deckung” wagen würden.

Es gibt kei­ne “Deckung”; unser Buch ist von der ers­ten bis zur letz­ten Sei­te mit offe­nem Visier geschrie­ben (aber stel­len­wei­se aus dem ein­fa­chen Grund eher all­ge­mein gehal­ten, weil wir für ein brei­tes Spek­trum von Rech­ten und nicht für uns per­sön­lich sprechen.)

Man­gold scheint die Ansich­ten auf unse­rer Trig­ger-Lis­te für unse­re eige­nen zu hal­ten, was sie jedoch nur teil­wei­se sind. Sie ist kein Bekennt­nis unse­rer­seits, son­dern ledig­lich eine (erprob­te) Bei­spiel­lis­te von Aus­sa­gen, die als “rechts” gel­ten und die bei Lin­ken oft hef­ti­ge Reak­tio­nen auslösen.

Uns inter­es­siert an die­ser Stel­le weni­ger, ob sie zutref­fen oder nicht, wir wol­len ein­fach ein paar Bei­spie­le geben, wor­über sich Lin­ke ärgern.

Man­gold ver­kennt nicht nur den eher augen­zwin­kern­den und iro­ni­schen Cha­rak­ter der Lis­te, er behan­delt die Aus­sa­gen auch so, als hät­te wir sie an die­ser Stel­le zur Debat­te gestellt. Es ist etwas selt­sam, daß er gera­de hier ein­hakt, wäh­rend er viel bedeu­ten­de­re Punk­te unse­res Buches igno­riert. Also:

Ärgern kön­ne man Lin­ke, wenn man erklä­re, dass Trans­se­xu­el­le “see­lisch krank” sei­en und “eher eine The­ra­pie als eige­ne Toi­let­ten” bräuch­ten. Aber woher wis­sen denn die angeb­li­chen Freun­de der Abwei­chung so genau, dass der Trans­se­xu­el­le unter sei­ner geschlecht­li­chen Iden­ti­tät leidet?

Er ver­wech­selt hier 1. “Abwei­chung” (im Sin­ne von sexu­el­ler Devi­anz) mit Non­kon­for­mis­mus, den wir aller­dings auch nicht um jeden Preis glo­ri­fi­zie­ren (S. 54–56), und was 2. die Fra­ge betrifft, woher wir denn so genau wüß­ten, ob Trans­se­xu­el­le unter ihrer geschlecht­li­chen Iden­ti­tät lei­den, dann ant­wor­ten wir:

Von ihnen sel­ber, da sie ja den enor­men Lei­dens­druck an ihrer bio­lo­gi­schen Geschlechts­iden­ti­tät als Begrün­dung ange­ben, sich als das ande­re Geschlecht zu ver­klei­den oder sich gar die Geni­ta­li­en ampu­tie­ren oder ver­stüm­meln zu las­sen (was eine ziem­lich extre­me Maß­nah­me ist, oder?).

Davon abge­se­hen sind psy­chi­sche Stö­run­gen unter Trans­se­xu­el­len sehr häu­fig und die Selbst­mord­ra­ten vor und nach der Umope­ra­ti­on sehr hoch. Aus all die­sen Umstän­den könn­te man viel­leicht irgend­wie zu der Ansicht gelan­gen, daß Trans­se­xu­el­le “see­lisch krank” sei­en (ich sel­ber den­ke, daß dies auf die Mehr­heit zutrifft, es aller­dings womög­lich sel­te­ne Aus­nah­men gibt.)

Aber wie gesagt – das stel­len wir alles im Buch gar nicht zur Debat­te, ich ant­wor­te hier ledig­lich, weil Man­gold danach fragt.

Man­gold weiter:

Ärgern kön­ne man Lin­ke auch, “wenn man der Ansicht ist, dass Opa in Ord­nung war”. Ein völ­lig lee­rer Satz: In Ord­nung sind Indi­vi­du­en, nicht kol­lek­ti­ve Gruppen.

Das war ein Witz, eine Anspie­lung, die er nicht ver­stan­den hat.

Wei­ter: “Wenn man dezent dar­auf hin­weist, dass der Kom­mu­nis­mus min­des­tens zehn­mal mehr Men­schen­le­ben auf dem Gewis­sen hat als sämt­li­che faschis­ti­sche Regimes zusam­men.” Nie­mand in der Wis­sen­schaft bestrei­tet dies.

Wer hat denn behaup­tet, daß das irgend­je­mand in der Wis­sen­schaft bestrei­tet? Die­se Tat­sa­che hat sich aller­dings ins­be­son­de­re unter NS-fixier­ten, “anti­fa­schis­ti­schen” Lin­ken kaum her­um­ge­spro­chen, und sie wer­den durch die­se Aus­sa­ge zuver­läs­sig getriggert.

“Wenn man der Ansicht ist, dass es objek­ti­ve Kri­te­ri­en gibt, die gute von schlech­ter Kunst unter­schei­den.” Lei­der tei­len uns die Autoren die­se “objek­ti­ven Kri­te­ri­en” nicht mit, dabei wären wir sehr dank­bar dafür, es wür­de man­ches ver­ein­fa­chen […]. Die natür­li­che Ord­nung, von der die Rech­te träumt, kann von ihr nur beschwo­ren, aber nicht begrün­det wer­den. So leicht kommt man ledig­lich mit gro­ßer Klap­pe aus dem Rela­ti­vis­mus näm­lich nicht heraus.

Hier hat Man­gold nicht kapiert, daß der Akzent auf der Beru­fung auf objek­ti­ve Kri­te­ri­en liegt, wodurch sich Rela­ti­vis­ten und Ega­li­ta­ris­ten aller Cou­leur zuver­läs­sig pro­vo­ziert fühlen.

Es han­delt sich hier­bei in ers­ter Linie um eine schlich­te empi­ri­sche Beob­ach­tung: Man­che lei­den­schaft­li­che Gleich­heits­apos­tel has­sen es mit beson­de­rer Inbrunst, wenn man die Ansicht ver­tritt, daß es in der Kunst eine Rang­ord­nung und Hier­ar­chie gibt, Kri­te­ri­en, die einen Velaz­quez über einen, sagen wir, Mee­se stellen.

Nun über das The­ma selbst zu debat­tie­ren, wäre ein völ­lig ande­res Faß, das unser Buch natür­lich nicht auf­ma­chen kann und will.

Was die Bemer­kung über die “natür­li­che Ord­nung, von der die Rech­te träumt” betrifft, so scheint uns Man­gold für reich­lich naiv zu hal­ten. Ich lade ihn ein, die gro­ße Klap­pe wie­der zuzu­ma­chen und einen Blick in mein Buch “Kann nur ein Gott uns ret­ten?” zu wer­fen, danach höre ich mir gern wei­te­re Beleh­run­gen an.

Der zwei­te “blin­de Fleck”, den er uns attes­tiert, ja der “größ­te blin­de Fleck im Den­ken der Rech­ten” über­haupt, sei in unse­rer Rede vom “Schuld­kult” und “Natio­nal­ma­so­chis­mus” zu fin­den. Wir wür­den nicht sehen,

dass der Umgang der Deut­schen mit ihrer his­to­ri­schen Schuld ein sou­ve­rä­ner, reflek­tier­ter und des­halb selbst­be­wuss­ter ist. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit der eige­nen Ver­gan­gen­heit nennt man nicht Maso­chis­mus, son­dern Geschichtsbewusstsein.

Nun, das ist kein “blin­der Fleck” im eigent­li­chen Sin­ne, also einer, den man nicht sehen kann oder nie­mals gese­hen hät­te. Wir sind eben­so wie der Rest unse­rer Gene­ra­ti­on mit der offi­zi­el­len Prä­ten­ti­on auf­ge­wach­sen, daß die “Aus­ein­an­der­set­zung mit der eige­nen Ver­gan­gen­heit”, wie sie in Deutsch­land und Öster­reich jahr­zehn­te­lang betrie­ben wur­de, “Geschichts­be­wußt­sein” (oder “Ver­ant­wor­tung”) bedeute.

Wir sind aller­dings zu dem Schluß gekom­men, daß es sich hier­bei eben doch um “Maso­chis­mus” und ein fata­les natio­nal­psy­cho­lo­gi­sches Syn­drom han­delt, das eine ech­te His­to­ri­sie­rung und eine ech­tes, umfas­sen­de­res Geschichts­be­wußt­sein ver­hin­dert (nie­mand kann dies so vor­treff­lich ana­ly­sie­ren wie Thors­ten Hinz: hier und hier.)

Auch das haben wir in unse­rem Buch aus­ge­führt (S. 83–88). Die Behaup­tung, “daß der Umgang der Deut­schen mit ihrer his­to­ri­schen Schuld ein sou­ve­rä­ner, reflek­tier­ter und des­halb selbst­be­wuß­ter” sei, erscheint uns ange­sichts der Pra­xis und der Fol­gen die­ses “Umgangs” (der Züge einer Zivil­re­li­gi­on hat) als Teil des Syn­droms selbst.

Man­golds Bespre­chung ist ten­den­zi­ell wohl­wol­lend, aber ober­fläch­lich, wenn nicht sogar etwas denk­faul und vor­ei­lig in ihren posi­ti­ven wie nega­ti­ven Urteilen.

Ein paar Funk­si­gna­le sind auf dem ande­ren Pla­ne­ten ange­kom­men, aber die Wel­len­län­ge ist zu fremd, um eine kohä­ren­te Bot­schaft durch­drin­gen zu las­sen. Viel­leicht ist aber auch ein­fach das Emp­fangs­ge­rät noch nicht rich­tig jus­tiert worden.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (12)

Wahrheitssucher

23. Oktober 2017 15:09

Sehr geehrter Herr Lichtmesz,

Sie bezeichnen ihr hervorragendes Werk als "unser einsames rechtes Gegenbuch". In diesem Zusammenhang sei auf den verstorbenen Norbert Borrmann verwiesen: "Warum Rechts? Vom Wagnis rechts zu sein. Eine Streitschrift".

ML: Ja, wir erwähnen es in MLL bei unseren Literaturverweisen.

Monika L.

23. Oktober 2017 15:54

Zu den blinden Flecken. Mely Kiyak hat ja bereits erwähnt, dass es zwar " Befürworter einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Rechten gibt", dass es aber " wenige Personen gibt, die kenntnisreich mit den Chefdenkern der Neuen Rechten reden können." Da gibt es sicher einen großen Nachhilfebedarf !

Was aber ist mit den rechten Denkern, die vermeinen, bei rechten Denken blinde Flecke zu entdecken ? Konkrekt, ich habe Probleme, wenn negativ von der "Menschenrechtsideologie" gesprochen wird. Warum ? Weil für die Dissidenten des damaligen Ostblocks die Berufung auf die Menschenrechte ein zentrales Argument im Kampf gegen ein totalitäres System war. Hier fehlt mir die Rezeption. Auf linker und auf rechter Seite. Vaclav Havel schreibt in seinem Buch ' Versuch in der Wahrheit zu leben': " Die historische Erfahrung lehrt uns, dass in der Regel nur jener Ausweg für den Menschen wirklich sinnvoll ist, der ein Element einer gewissen Universalität enthält, der also nicht nur einen partiellen, nur einer bestimmten Gruppe zugänglichen und auf andere nicht übertragbaren Ausweg bildet..."

Konkret: Worin könnte zum Beispiel die Universalierbarkeit einer Idee wie des Ethnopluralismus bestehen ? Die es durchaus gibt. Es sei denn, man hielte Universalismen generell für eine europäische Idee.

In einem Aufsatz von 1987 ( !) setzt sich der polnische Philosoph Leszek Kolakowsky ( Der Götzendienst der Politik) mit diesem Problem auseinander. Er schreibt etwa:" Wenn wir unsere Großzügigkeit in der Anerkennung kultureller Vielfalt so weit ausdehnen, dass sie alle Normen von Gut und Böse einschließt, wenn wie zum Beispiel behaupten, dass die Idee der Menschenrechte ein europäischer Begriff sei - ungeeignet und unverständlich für Gesellschaften mit anderen Traditionen - , wollen wir dann darauf hinaus, dass es Amerikanern stark mißfalle, gefoltert und in ein Konzentrationslager verfrachtet zu werden, während es Vietnamesen, Iranern und Albanern nichts ausmache oder ihnen sogar gefalle ? .....Oder, um es ganz vereinfacht auszudrücken: sollen wir erklären, daß der Unterschied zwischen einem Vegetarier und einem Kannibalen nur eine Geschmackssache sei ?" Es gibt " Realien", die einen ethischen Universalismus begründen. Die Umsetzung in eine konkrete Politik stellt sich im Zeitalter weltweiter Wanderunsströme und Masseneinwanderung ( heftiger Kulturzusammenprall) natürlich unter völlig neuen Prämissen. Hier geht es vor allen um Gerechtigkeit.  Wer und was darüber entscheidet, wer ins Wohlstandsparadies hineindarf. Und ob es sich überhaupt um das Paradies handelt. 

Starhemberg

23. Oktober 2017 15:56

Bester Wahrheitssucher, vielen Dank für Ihre Erinnerung an das hervorragende Buch des leider viel zu früh verstorbenene Bormann! Siehe dazu auch den Kommentar von Manfred Kleine-Hartlage vom 27. 2. 2012 hier auf dieser Seite.

Aber wie auch immer - jedes gelungene Buch über unsere Gedankenwelt ist zu begrüssen....

Wahrheitssucher

23. Oktober 2017 16:40

@ Monika L.

Zu den "Menschenrechten":

Kann es sein, daß das Problem darin besteht, daß sie letztlich nicht einklagbar sind? Vor wem oder was? Und von daher zur Durchsetzung ganz anderer Interessen postuliert werden? Nicht von ungefähr heißt es in der Rechtssprechung: "Im Namen des Volkes..." Also: Wo kein Volk, da keine Möglichkeit zur Durchsetzung dieser Rechte?

Dazu Zitat Raskalnikow: "Kein Mensch wird frei geboren! Allein aus der Geburt folgen keine Rechte! Alles, was wir sind, kommt aus der Gnade. Wir sind also nicht mehr, aber auch nicht weniger als Teil der Perseität (will heißen: das Durch-sich-selbst sein, das nur von sich abhängt) des Ganzen.  (Aus: "Mit Linken leben, Unser Tugendkatalog, Punkt 1,  S. 318)

Der_Jürgen

23. Oktober 2017 16:47

@Monika L.

Sie schneiden eine kapitale Frage an, auf die ich ebenso wenig eine befriedigende Antwort finde wie viele andere, nämlich die, ob es objektive Kriterien zur Beurteilung kulturspezifischer Bräuche gibt und ob die "Menschenrechte" ein ideologisches Konstrukt europäischer Aufklärer sind.

Haben die Hindus ein Recht, ihre Witwen zu verbrennen? Alexander Dugin als radikaler Relativist bejaht die Frage in seinem Buch "Internationale Beziehungen" ausdrücklich. Vermutlich würde auch Alain de Benoist sie mit ja beantworten. Haben die Afrikaner das Recht, ihre Mädchen der bestialischen Prozedur der Beschneidung auszusetzen? Dürfen die Mauretanier, bei denen heute noch ca. 20% der Bevölkerung Sklaven sind,, an der Sklaverei festhalten; ist jede Kritik an dieser eine eurozentrische Einmischung?

Bei aller Einsicht in die Unmöglichkeit, Kulturen objektiv zu werten (ein Wertender legt zwangsläufig die Massstäbe seiner eigenen Kultur an, die natürlich subjektiv sind) kann ich diese Fragen nicht bejahen. Mein Herz sträubt sich ebenso hiergegen wie mein Verstand. 

Insofern habe ich genau wie SIe Probleme mit dem pauschal herablassenden Begriff der "Menschenrechtsideologie". Doch unter "Menschenrechten" verstehen die Liberalen und Linken ja nicht, oder nicht in erster Linie, den Schutz indischer Witwen vor Verbrennung oder afrikanischer Mädchen vor Beschneidung oder mauretanischer Schwarzer vor Versklavung, sondern den Verzicht der weissen Menschheit auf die Wahrung ihrer EIgenart, ja ihrer Existenz. Unter "Menschenrechten" verstehen sie das Recht des aussereuropäischen Immigranten, sich bei uns niederzulassen, von uns durchgefüttert zu werden und selbst dann nicht abgeschoben zu werden, wenn er mit Drogen dealt.

Nicht zu den Menschenrechten gehören für die Liberalen und Linken beispielsweise das Recht unserer eigenen Völker auf SIcherheit und Geborgenhei oder das Recht unserer Kinder, in Schulen zu gehen, wo man vernünftig unterrichten kann, weil jeder Schüler und jede Schülerin die Unterrichtssprache versteht.

Es dreht sich also alles um die Frage, wie man die "Menschenrechte" definiert. Und hier gibt es keine Brücke zwischen uns und unseren Gegnern

Jedenfalls kann es, wie Sie richtig festhalten, nichts schaden, wenn wir unsere Überzeugungen gelegentlich kritisch überprüfen und nach Schwachstellen abklopfen. Auch der von mir hoch geschätzte Raskolnikow, der so gerne über die Menschenrechtsodeologie spöttelt, wäre, geriete er im Donbass in ukrainische Gefangenschaft, sicherlich heilfroh, wenn er nach der Genfer Konvention behandelt würde und seine Wächter davon Abstand nähmen, ihm die Knochen zu brechen oder ihn verhungern zu lassen.

Hartwig aus LG8

23. Oktober 2017 16:51

Alles, was sich gegeneinander aufbringen lässt, sperren Marxisten am liebsten eng zusammen und treiben es gegeneinander. Klassen, Rassen, Geschlechter, Religionen. Eine entsprechende, auf jedenfall "triggernde" Antwort der Rechten könnte heißen: "Mehr Apartheid wagen".

Wenn Sie mich fragen, so sollten wir versuchen, viele der verbrannten Begriffe zu reaktivieren, durchaus neu und mit etwas Ironie und Witz. Vielleicht gibt es das ja schon in Ihrem Buch, was ich bislang noch nicht gelesen habe.

RMH

23. Oktober 2017 17:57

Wenn man die ganze Entwicklung sich jetzt schon ein paar Jahre angeschaut hat, denn stellt man für sich selber fest, dass alles, was von den sog. Quality Papers (oder auch MSM) oberflächlich abgebügelt wird, vermutlich höchst interessant sein muss, da es eben zum einen ausnahmsweise einmal nicht totgeschwiegen wurde und zum anderen eben pflichtgemäß vom Lohnschreiber abgebügelt wurde. Ebenso erkennt man dann mit der Zeit auch die entsprechenden Autoren und Verlage und wird damit inspiriert, sich näher mit diesen und den entsprechenden Programmen zu befassen.

Das ist übrigens auch so eine Regel, wie man mit "Linken" lebt. Vermutlich findet sich sinngemäßes in dem Buch, welches ich noch nicht lesen konnte. Zusammengefasst daher: Die Zeit liefert Erwartbares und die für den ernsthaft alternativen Leser wichtigen Gütekriterien wie Durchbrechung des Totschweigebanns mit anschließendem oberflächlichen Abbügeln des Werkes wurden erfüllt = Kaufempfehlung!

Peter Schmitz

23. Oktober 2017 18:33

Ich würde die Frage nach der ethischen Beurteilung fremder Kulturen folgendermaßen beantworten:

Die Menschheit teilt sich in viele verschiedene Rassen und Völker, die alle ihre eigene Entstehungsgeschichte haben. Daraus ergibt sich eine Verschiedenheit an Mentalitäten, Weltanschauungen und traditionellen Problemlösungsstrategien, in Verbindung mit volkspsychologischen und volkscharakterlichen Eigenarten, die sich entsprechend in der Lebensweise bemerkbar machen. So sind manche Völker korrupter als andere, manche grausamer, alle haben unterschiedliche kriminelle Energie und sind unterschiedlich leistungsfähig (auf allen vorhandenen Gebieten).

Ich denke, was das Treiben auf diesem Erdball angeht, steht hier jedem nur eine beobachtende Position zu. Werten und regulieren muß und kann jedes Volk nur im eigenen Territorium. Alles andere ist schon aufgrund der mangelnden Machbarkeit müßig. Wir wären sehr viel weiter, wenn wir akzeptieren würden, daß alle ihre eigenen Maßstäbe haben und wir da mittendrin unser eigenes - Lebensraum wie Lebensweise - verteidigen müssen.

Hier bei uns zählen unsere Maßstäbe, zuhause soll jeder auf seine Weise unglücklich sein. Wir können die Welt nicht retten, nicht einmal verbessern. Wir können nicht einmal wissen, ob unsere Sichtweise die "korrekte" ist. Wir können im besten Falle über uns selbst bestimmen und uns selbst behaupten.

Gegenwärtig läuft aber das genaue Gegenteil: Wir wollen alle anderen überall auf der Welt zum Guten erziehen (oder tun wenigstens so) und lassen im eigenen Erdenwinkel jeden tun und lassen was er will. Gesunde Bescheidenheit bei gesundem Selbstbewußtsein ist hier wohl der Schlüssel.

Coriolan

23. Oktober 2017 18:46

@Wahrheitssucher

"Kann es sein, daß das Problem darin besteht, daß sie letztlich nicht einklagbar sind? Vor wem oder was?

Und von daher zur Durchsetzung ganz anderer Interessen postuliert werden?"

Dazu kann es unter Vernunftbegabten keine zwei Meinungen geben. Die Genese der Menschenrechte ist zu verräterisch. Immerhin wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von Eleanor Roosevelt verkündet. 

@Monika L.

Ganz einfach formuliert: Die Menschenrechte sind ein Herrschaftsinstrument, um Kriegsverbrechen und Militarismus legitim erscheinen zu lassen.

Exempel:

Die Serben begehen im jugoslawischen Bürgerkrieg angeblich "Menschenrechtsverletzungen". In der BRD will die Regierungspartei Bündnis90/Die Grünen die "Menschenrechte" geachtet sehen, und stimmt für den Krieg, um die "Menschenrechtsverletzer" und ihre Unterstützer mit Bomben in die Luft zu sprengen.

"Konkrekt, ich habe Probleme, wenn negativ von der "Menschenrechtsideologie" gesprochen wird. Warum ? Weil für die Dissidenten des damaligen Ostblocks die Berufung auf die Menschenrechte ein zentrales Argument im Kampf gegen ein totalitäres System war."

Betrachtet man dieses Argument im rechten Licht, stärkt es nur jene, die Teufelswerk in den Menschenrechten erkennen. Dissidenten, die sich gegenüber totalitären Regimen auf Menschenrechte berufen, genießen dadurch keinen besonderen Schutz, im Zweifel erfahren sie noch mehr Unterdrückung.

Meine Anregung wäre es, endlich komplett von der englisch-amerikanischen Denkweise wegzukommen, und sich entweder genauer mit den Ursprüngen der Menschenrechte zu beschäftigen, oder aber besser noch mit einem Rechtswesen, das diesen Namen verdient.

*Aequat omnes cinis. Impares nascimur, pares morimur!* (Seneca)

GeS

23. Oktober 2017 19:05

Tatsächlich ist "linkes" Denken etwas historisch Neues. Es ist mir ein Rätsel, wie man auf die Idee kommen kann, dass "rechtes Denken ein linkes Feindbild braucht". Es ist wohl eher genau anders herum. Die Grundlage alles rechten Denkens kann problemlos schon der Ilias entnommen werden. Dafür braucht man keinen Marx, geschweige denn Maas. Die Linke hingegen ist historisch als "Anti-Bewegung" geboren. Als Kräfte der unbedingten Progression geht es ihr ja gerade um die Überwindung des Bestehenden. Allerdings bedeutet das, dass das "Links-Liberale" des Mainstreams nichts mit "Links" zu tun hat. Das was wir heutzutage erleben müssen, ist wohl eher die Verbindung von Feigheit und Mittelmäßigkeit mit geistiger Bequemlichkeit und Entscheidungsschwäche. Die meisten Leute, die heute dem Mainstream im "Kampf gegen Rechts" folgen, tun dies schlicht aus Herdentrieb und ohne jegliche Reflektion. Dies macht doch den Reiz der "Neuen Rechten" aus. Für eigenständige Denker, "rebellische Herzen und Rebellen aus Treue". Die auf der richtigen Seite stehen wollen, auch wenn dies nicht die Gewinnerseite sein sollte. Ich habe in letzter Zeit den Eindruck, dass dies viele linke Intellektuelle auch fühlen und dass dies eine der Gründe ist, weshalb sie sich insbesondere an "Schnellroda" und der "IB" abkämpfen. Und nicht an den ja durchaus auch noch vorhandenen "wirklichen" Nazis.  

Karlemann

24. Oktober 2017 01:00

Mangold schreibt: "Dass Sommerfeld und Lichtmesz allerdings allen, die ihre Positionen zurückweisen und bekämpfen, das Etikett "links" anhängen, ist der Punkt, an dem sie es sich am entschiedensten zu einfach machen."

Das ist in dieser Form schlichtweg unzutreffend[..]

-> Keine Argumente & Selbsthysterisierung. Es zeigt sich: Die realitätsfernen Linken in ihren hermetisch abgeschlossenen Gruppen kreisen nur noch erotischtisch um sich selber, und landen unvermeidlich im solipsistischen Nirwana.

Monika L.

24. Oktober 2017 10:34

Die geistige (die reale sowieso) Herausforderung besteht darin, wie Gleichheit und Gerechtigkeit zu vereinbaren sind. Und ob sie überhaupt zu vereinbaren sind. Auf dieser Erde.

"Wir sind alle Migranten", meint Mohsin Hamid, der Verfasser  des Buches " Exit West". Es ist so etwas wie der Anti-Raspail. Und genauso beklemmend.

https://www.nzz.ch/feuilleton/wir-sind-alle-migranten-ld.1323576

Wir sind alle Migranten, aber: Es gibt privilegierte Migranten, die mit Yacht und Jetski den Ausgang West suchen und andere,, die sich beschweren , dass die verschiedenen Gruppen verschieden behandelt werden. Es gibt z.B. auch Syrer in Salzgitter, denen es zu viel wird mit den eigenen Landsleuten im Exil West. Weil es dann eben kein Exit mehr ist.

Das erinnert mich an den alten Witz zur Apartheid: In einem Bus in Südafrika stritten sich schwarze und weiße Kinder darum, wer wo sitzen darf. Genervt schickt der Busfahrer alle Kinder vor die Tür und sagt: Ruhe, ihr stellt euch jetzt vor, daß ihr alle grün seid. Und jetzt einsteigen. Die Dunkelgrünen nach hinten, die hellgrünen nach vorne". Will heißen: In der Praxis ist Gleichheit nicht einfach zu realisieren. Selbst wenn wir uns vorstellen, dass wir alle bunt sind. Es gibt immer noch schöne Bunte und weniger schöne Bunte.

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