Der FAZ-Leninist Dietmar Dath und die „Schmarotzmonster“

Ungeachtet stetig sinkender Auflage leistet sich die selbsternannte „Zeitung für Deutschland“ die Beschäftigung eines bekennenden Leninisten in der Feuilletonredaktion.

Diet­mar Dath, so heißt der FAZ-Kom­mu­nist, setzt sei­ne jour­na­lis­ti­schen Schwer­punk­te bei The­men wie Wis­sen­schafts­kul­tur, elek­tro­ni­sche Lebens­aspek­te, Sci­ence-Fic­tion, schreibt auch sonst viel, sogar Roma­ne: Die liest jedoch fast kei­ner, weil sie zu eli­tär und ver­spon­nen sind. Es wäre wirk­lich über­trie­ben zu befürch­ten, der spä­te Lenin-Jün­ger könn­te – außer bei sei­nem Arbeit­ge­ber – wirk­li­chen Scha­den anrichten.

In der FAZ-Aus­ga­be vom 3. Novem­ber 2017 durf­te Dath nun die ers­te Sei­te des Feuil­le­tons für sei­nen lan­gen Text mit der zwei­deu­ti­gen Über­schrift „Der rech­te Lohn“ bean­spru­chen. Illus­triert ist das mit einem knal­lig-mar­tia­li­schen Pro­pa­gan­da-Bild der kom­mu­nis­tisch domi­nier­ten Inter­na­tio­na­len Bri­ga­den aus dem Jahr 1937. Die hat im Spa­ni­schen Bür­ger­krieg bekannt­lich gegen die natio­na­len Kräf­te gekämpft und verloren.

Doch damit beschäf­tigt sich Dath nicht. Viel­mehr sucht er Ant­wort auf die selbst­ge­stell­te Fra­ge: „Wie links und inter­na­tio­na­lis­tisch ist die sozia­le Fra­ge noch?“ Bevor wir erfah­ren, war­um sich aus­ge­rech­net ein Kom­mu­nist eine Fra­ge stellt, die für sei­nes­glei­chen eigent­lich gar kei­ne sein kann, bringt er betrüb­li­che Bei­spie­le feh­len­den rich­ti­gen Bewusst­seins in der euro­päi­schen Arbei­ter­klas­se in Erin­ne­rung. Dath zitiert ankla­gend einen fran­zö­si­schen kom­mu­nis­ti­schen Par­tei­funk­tio­när, der einst seufz­te: „Was wol­len wir machen? Die Arbei­ter­klas­se ist halt ras­sis­tisch, kolo­nia­lis­tisch und imperialistisch“.

Da unser Lenin 2.0 die­ses Pro­blem als „nicht neu“ bezeich­net, ahnen wir nun schon, was ihn umtreibt. Mit Sei­ten­hie­ben gegen Intel­lek­tu­el­le, Klein­bür­ger und die deut­sche Sozi­al­de­mo­kra­tie macht der Autor dann auch deut­lich, mit wem er nichts zu tun haben will. Dath hält es lie­ber mit dem toten Karl Marx, der schon in einem Brief an Abra­ham Lin­coln Ende 1864 das Dilem­ma der unglei­chen Ent­wick­lung auf der Welt erkannt haben soll: Ent­we­der resul­tie­re aus der Glo­ba­li­sie­rung ein uner­träg­li­cher Abgrund zwi­schen Gewin­nern und Ver­lie­rern. Oder es wer­de die – noch zu erkämp­fen­de – soli­da­ri­sche (kom­mu­nis­ti­sche) Welt­ge­sell­schaft geben.

Jetzt kön­nen wir uns den­ken, war­um der Redak­teur eine Vor­lie­be für Sci­ence Fic­tion hat. Denn in die­sem Gen­re wird ja ganz ger­ne von künf­ti­gen Welt­ge­sell­schaf­ten, meist aller­dings uner­freu­li­chen Cha­rak­ters, fabu­liert. Für Dath ist klar, daß nur der Total­kom­mu­nis­mus die Mensch­heit ret­ten wird. Lei­der gibt es kei­ne Pro­to­kol­le von Redak­ti­ons­kon­fe­ren­zen der FAZ, in denen der hage­re Wel­ten­ret­ter sei­ne Kol­le­gen agi­tiert – nicht gänz­lich erfolg­los übrigens.

Doch gibt es arge Hin­der­nis­se auf dem Weg ins irdi­sche Para­dies: Da ist aller­or­ten eine fehl­ge­lei­te­te Arbei­ter­klas­se, die zum Bei­spiel jüngst in Deutsch­land und Öster­reich beson­ders ger­ne AfD oder FPÖ wähl­te. Und da ist auch der libe­ra­le „Lieb­lings­teu­fel“ Götz Kubit­schek. Der ver­ant­wor­te die Web­site Sezes­si­on, in der von einem Poli­tik­wis­sen­schaft­ler namens Bene­dikt Kai­ser zu lesen gewe­sen sei, es gehe nun „um eine For­cie­rung einer authen­tisch sozia­len Aus­rich­tung bei dem Bewusst­sein für die Bedeu­tung der popu­la­ren Klas­sen und des tat­säch­li­chen Mittelstandes“.

Die­se Quer­front-Ter­mi­no­lo­gie bringt Dath so in Rage, daß sich ein län­ge­res Zitat aus sei­nem Text lohnt:

Man ver­steht die­se Rech­te nur, wenn man sie als Schma­rotz­mons­ter in den Blick nimmt, das sei­ne fau­len Eier in inhalt­lich aus­ge­höhl­te und äußer­lich ver­här­te­te lin­ke Kon­struk­tio­nen legt und dann auf die Hit­ze sozia­ler Kon­flik­te baut, die sei­ne gefrä­ßi­gen Jun­gen aus­brü­ten sollen.

Daths Empö­rung klingt echt, denn daß die Kubit­scheks „Kader­ar­beit“ und die „Mobi­li­sie­rung der öko­no­misch Unselb­stän­di­gen“ zu betrei­ben wagen – sowas ver­stößt pro­vo­ka­tiv gegen das lin­ke Copy­right. Dabei, so schreibt er, habe „die Rech­te in Euro­pa seit 1789 ein­fach kei­ne eige­ne Idee hervorgebracht“.

Das ist eine äußerst wage­mu­ti­ge Behaup­tung, die einer nähe­ren Über­prü­fung gewiß wert ist. Doch selbst wenn Daths Behaup­tung rich­tig sein soll­te, gäbe es einen wich­ti­gen Unter­schied zwi­schen der Rech­ten und der Lin­ken: Die klügs­ten Rech­ten könn­ten künf­tig durch­aus noch eige­ne Ideen und Idea­le ent­wi­ckeln. Doch selbst für die intel­li­gen­te­ren Lin­ken sind alle Ideen und Idea­le zu erbar­mungs­los von der Wirk­lich­keit bla­miert wor­den, um auch nur die gerings­te Hoff­nung auf ihre erfolg­rei­che Wie­der­ge­burt zu hegen.

Nach­dem es der in Zorn ent­brann­te FAZ-Kom­mu­nist den „Schma­rotz­mons­tern“ ordent­lich besorgt hat, wen­det er sich wie­der sei­nen ande­ren Tod­fein­den zu, also der Sozi­al­de­mo­kra­tie. Die, so schreibt er, sei dar­an schuld,

dass mehr Lohn­ab­hän­gi­ge und Arbeits­lo­se für Pegi­da auf die Stra­ße gehen oder AfD wäh­len, als seit Schrö­der je gegen die Auf­wei­chung des Flä­chen­ta­rif­rechts, die Ver­be­trieb­li­chung und Zer­split­te­rung der Lohn­aus­ein­an­der­set­zun­gen und Sozi­al­kür­zun­gen aus die Stra­ße gegan­gen sind.

War­um das nicht so sehr im Ver­sa­gen der Sozi­al­de­mo­kra­tie begrün­det ist, hät­te Dath bes­ser gewußt, wenn er außer Lenin auch mal die eige­ne FAZ lesen wür­de. Am 16. Okto­ber 2017 wur­de dort ganz­sei­tig ein sehr lesens­wer­ter Auf­satz des Osna­brü­cker Poli­tik­wis­sen­schaft­lers Armin Schä­fer unter der pro­gram­ma­ti­schen Über­schrift „Kul­tur statt Öko­no­mie“ abge­druckt. Schä­fer stellt fest, wie sehr sich die alten Fron­ten zwi­schen „Links“ und „Rechts“ ver­än­dert haben und kommt zu dem Schluß: „Uni­ver­sel­len oder kos­mo­po­li­ti­schen Ein­stel­lun­gen ste­hen par­ti­ku­la­ris­ti­sche oder kom­mu­ni­ta­ris­ti­sche Ein­stel­lun­gen gegenüber.“

Schlich­ter for­mu­liert: Es geht den ein­fa­chen Leu­ten, also den lohn­ab­hän­gi­gen Mas­sen, eben nicht nur um Geld und sozia­le Absi­che­rung, son­dern auch und nicht zuletzt um natio­na­le und kul­tu­rel­le Iden­ti­tät. Was sagt unser Lenin 2.0 dazu? Er donnert:

Wer außer­dem glaubt, die „Iden­ti­tät“ von Men­schen wäre die gene­ti­sche Zuge­hö­rig­keit zu irgend­ei­ner Eth­nie …, wer also ver­gisst, dass die mensch­li­che Iden­ti­tät aus der Sum­me der Wün­sche, Zie­le, Zwe­cke, Erleb­nis­se, des Wis­sens und Gewis­sens von Indi­vi­du­en inner­halb wirk­li­cher wirt­schaft­li­cher und sozia­ler Zusam­men­hän­ge besteht, kriegt im Fall eines Sie­ges die­ses Schwach­sinns ent­we­der die Nati­on als ein vom Welt­markt abge­schnit­te­nes Volks­ge­fäng­nis für Auto­chtho­ne oder muss den Rest der Welt zu Raub­zwe­cken mit Wun­der­waf­fen unterwerfen.

Dath ist Jahr­gang 1970. Er dürf­te also wäh­rend sei­ner prä­gen­den Frei­bur­ger Schul­jah­re in den acht­zi­ger Jah­ren von pro­gres­si­ven Lehr­kräf­ten den Natio­nal­so­zia­lis­mus gleich mehr­fach als die ulti­ma­ti­ve Höl­len­fahrt der Welt­ge­schich­te indok­tri­niert bekom­men haben. Auch bei ihm hat das zu jenem nicht vom aller­ge­rings­ten Zwei­fel berühr­ten „Anti­fa­schis­mus“ geführt, der hier­zu­lan­de epi­de­misch ver­brei­tet ist. Nur so las­sen sich Sät­ze wie die­ser erklären:

Die Rech­ten haben, wie immer kei­ner­lei pro­duk­ti­ven Plan; sie kön­nen sie­gen und erobern, nie pro­du­zie­ren und ver­wal­ten, des­we­gen geht es mit ihnen immer aus wie 1945.

Da möch­te man seuf­zen: Nur eini­ge wirk­lich ver­stan­de­ne Sei­ten aus Rolf Peter Sie­fer­les Werk Epo­chen­wech­sel – und selbst Dath könn­te klü­ger sein. Aber sowas liest der FAZ-Lenin nicht mal heim­lich unter der Bett­de­cke. Statt des­sen ver­brei­tet er sowas:

Gewerk­schaf­ten und lin­ke Par­tei­en wer­den hier­zu­lan­de Tür­kisch, Kur­disch, Ara­bisch, afri­ka­ni­sche und asia­ti­sche Spra­chen ler­nen müs­sen. Das ist sogar wich­ti­ger als das Reden mit Rechten.

Ein ech­ter Scherz­bold ist er halt auch, der lis­ti­ge Diet­mar: Fräu­lein Kip­ping lernt Sua­he­li, die Wagen­knecht kur­di­sche Dia­lek­te – wir­kungs­vol­ler läßt sich die Links­par­tei nicht lahmlegen.

Der Rest des Tex­tes ist dann Gejam­mer über eine Lin­ke, die immer ver­liert, also über sei­nes­glei­chen. Dabei geht es argu­men­ta­tiv ein wenig arg wirr zu, denn wir lesen plötz­lich von Jesus, dem Chris­ten­tum und dem römi­schen Kai­ser Kon­stan­tin. Ver­mut­lich war Dath Katho­lik, bevor er Leni­nist wur­de. Dar­auf deu­tet jeden­falls auch der letz­te Satz sei­nes Arti­kels hin:

Wenn es die­sen Mar­xis­ten näm­lich nicht gelingt, den Abhän­gi­gen zu ver­mit­teln, dass nicht erst Nächs­ten­lie­be, son­dern schon sim­pels­tes Eigen­in­ter­es­se sie zur Soli­da­ri­tät anhält, dann wäre es für die Welt wahr­haf­tig bes­ser, sie bekehr­ten sich zur katho­li­schen Soziallehre.

Das klingt ziem­lich bit­ter und auch ziem­lich arro­gant. Aber schließ­lich ist auch nicht jeder Kom­mu­nist in FAZ-Diens­ten, son­dern nur einer, Daths Diet­mar. Jedoch könn­ten wir den letz­ten Satz vor­sich­tig hoff­nungs­voll so wer­ten, daß der Ver­fas­ser aus ver­ständ­li­cher Ver­zweif­lung über den Bank­rott der mar­xis­ti­schen Kir­che dem­nächst (wie­der) in den Schoß der Una Sanc­ta zu über­wech­seln erwägt.

Viel­leicht schafft es der Redak­teur, der dar­über gewiß ein Buch schrei­ben wird, dann end­lich auch mal auf die Best­sel­ler­lis­te. Lei­der ist das im Land der „Schma­rotz­mons­ter“ und unfä­hi­gen Lin­ken mit Daths post­le­ni­nis­ti­scher Bekennt­nis­li­te­ra­tur ein­fach nicht mög­lich. Wie nett, daß wenigs­tens die FAZ dafür noch ein Plätz­chen frei hält.

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Kommentare (20)

Thomas S.

7. November 2017 15:38

Möglicherweise ist sich Dath nicht der Tatsache bewusst, dass es sich bei katholischen Soziallehre nicht nur um eine christlich verbrämte Variante des Marxismus oder der Sozialdemokratie handelt.

Die Soziallehre befürwortet etwa den Nationalstaat als auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhenden abendländischen Gegenentwurf zu imperialen Staatsgebilden. Als Erweiterung der natürlichen Gemeinschaft der Familie beruhe er auf Bindungen, die das gemeinsame Verfolgen des Gemeinwohls fördern würden, wie es Johannes Paul II. beschrieben hatte.

Die Soziallehre bewertet Migration zudem sehr zurückhaltend und ist sich iher Risiken bewusst. Auf diesen Gedanken beruht die im Katechismus der Katholischen Kirche festgehaltene Position, der zufolge Migranten als Gäste auch Verpflichtungen gegenüber ihren Gastgebern hätten, etwa „das materielle und geistige Erbe seines Gastlandes dankbar zu achten, dessen Gesetzen zu gehorchen und die Lasten mit zu tragen.“

Johannes Paul II sagte in diesem Zusammenhang, dass Staaten sittlich verantwortlich seien, eine “Kontrolle der Zuwanderungsströme unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls durchzuführen. Die Aufnahme muß immer unter Einhaltung der Gesetze erfolgen und daher, wenn nötig, mit der Ausschaltung von Mißbräuchen einhergehen.“ Es müsse zudem das „besondere kulturelle Erbe jeder Nation bewahrt werden“.

Dath wird also noch einen weiten geistigen Weg zurücklegen müssen, bevor er mit der Soziallehre argumentieren kann.

Roland W.

7. November 2017 16:34

Dath hat tatsächlich nur einen guten SF geschrieben. Das ist die "Abschaffung der Arten".  Alles danach schien mir nur Schrott zu sein. Und ansonsten gilt bei ihm - wie bei so vielen anderen - der von Waldstein-Satz "Die Linke war noch nie so dumm."

Maiordomus

7. November 2017 16:58

@ Das letzte Zitat des Leninisten Dath gegen Schluss des Hauptartikels ist in der Tat hochinteressant. Desgleichen bringt @Thomas S. mit Berufung auf Papst Johannes Paul II. eine bedenkenwerte differenzierende Ergänzung. Statt sich über den Opportunismus der Kirchenoberen zu ärgern, lohnt es sich durchaus, mit der nun selbst von einem Leninisten als eine Art Strohhalm als interessant bezeichneten katholischen Soziallehre sich auseinanderzusetzen. 

Die genannte Soziallehre, 1891 konstituiert durch die Enzyclica "Rerum novarum" von Papst Leo XIII., kurz nach der Verurteilung der kapitalistischen Freimaurerei (1880) durch den selben klugen und weisen Papst, ist in der Tat eine Abrechnung mit dem Liberalismus bei gleichzeitiger Aequidistanz zum Sozialismus, wobei jedoch das bereits im obigen Artikel genannte Subsidiaritätsprinzip nicht etwa eine katholische Errungenschaft ist, sondern auf den deutschen Protestanten Johannes Althusius aus Ostfriesland zurückgeht.

Man muss nicht extra katholisch werden, um die Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu reflektieren und daraus Konsequenzen für eine vernünftige Sozialpolitik zu ziehen, die nichtsdestotrotz an der Eigenverantwortung und natürlich auch am Grundsatz des Privateigentums betr. Produktionsmittel festhält. Im Zweifelsfall soll jedes soziale Problem eher gesellschaftlich als staatlich gelöst werden, nicht zuletzt übrigens auch die Asylpolitik, die im Prinzip ganz der Nächstenliebe jenseits von Steuergelderverwendung überlassen werden sollte, wodurch etwa auch der Gedanke des Kirchenasyls Sinn erhalten würde, wobei es dort freilich ohne Obergrenze sicher nicht abgeht. Hingegen sind Landesverteidigung, Sicherheitspolitik und etw die Bewahrung des Landes vor Eroberung, z.B. islamischer Eroberung, klassische Staatsaufgaben. Immer abgelehnt hat jedoch die Kirche den Brutalkapitalismus, wiewohl schon nach der Wahl von Papst Martin V. in Konstanz vor genau 600 Jahren (11. Nov. 1417) mit der Lockerung des Zinsverbotes ein historischer Kompromiss mit dem Frühkapitalismus geschlossen wurde, gewiss auch deshalb, um das Geldverleihen nicht zu einer rein jüdischen Angelegenzeit zu machen und den Bankhäusern von Florenz, Siena und anderswo Sukkurs zu bieten. Die Christliche Soziallehre wurde weiterentwickelt, so unter Papst Pius IX. durch die Enzyklika Quadragesimo anno 1931, später durch Mater et Magistra von Papst Johannes XXIII. und Populorum Progression von Papst Paul VI., auf welchen Text sich zum Teil Befreiungstheologen gestützt haben. Natürlich gab es neben konservativen Interpretationen dieser Soziallehre, so weiland einst durch den "Rheinischen Merkur", stets auch christlichsoziale und christlichsozialistische Interpretationen, für die ein gewisser Spielraum vorhanden war.

Vom Subsidiaritätsprinzip her ist aber die katholische Soziallehre nicht mit Sozialdemokratie zu verwecheln, wiewohl nicht vergessen sein dürfte, dass es neben dem Prinzip der Subsidiarität noch dasjenige der Solidarität gibt, welches ebenfalls verpflichtend ist. Es genügt also nicht, sich ausschliesslich auf Selbstverantwortung zu berufen.

Der wohl bedeutendste neuere Denker der christlichen Soziallehre war und bleibt der deutsche Jesuit Oswald von Nell-Breuning, bei dem die gelegentliche Sezession-Mitarbeiterin und Foristin Monika Leiser noch studiert hat. Es bleibt aber ein nicht kleines Problem, dass die christlich-katholische Soziallehre heute weder an katholischen Schulen noch bei der Ausbildung von Theologen noch angemessen vermittelt wird und in der Regel zum Beispiel bei Jungpolitikern der christdemokratischen Parteien in Europa kaum mehr vorausgesetzt werden kann. Am allerweitesten ist, auch von ihrer Biographie her, Angela Merkel von diesen alternativen Konzepten zu Sozialismus und Liberalismus entfernt. Dabei hat jedoch der gelernte Christdemokrat Juncker immerhin an Sonntagsreden zugunsten der Europäischen Union auch schon das Subsidiaritätsprinzip als zur EU passend und angemessen bezeichnet, wiewohl etwa die Griechenlandrettungspolitik kaum je etwas damit zu tun hatte.

Eines muss aber schon klar sein: Ohne dass die katholische Soziallehre ähnlich internationalistisch ist wie der Leninsche Kommunismus oder wenigstens trotzkistische Sozialismus, auch nicht so internationalistisch wie der globalisierte Totalfreihandel einschliesslich des Freihandels mit billigen Arbeitskräften, so ist die katholische Soziallehre aber bei weitem nicht  nicht nationalistisch oder national orientiert. Noch spannend ist es, ein Standardwerk über "Staat und Kirche in Katalonien und Aragon während des Mittelalters" zu lesen, welches 1931 im stockkatholischen Münster in Westfalen erschienen ist. Es geht in jenem Buch, am Beispiel der Grenze zwischen Katalonien, Navarra und Kastilien,  grundsätzlich um die Frage nach Staatsgrenzen. Im letzten Abschnitt des 398 Seiten starken Buches des grossen katholischen Gelehrten Johannes Vincke, damals Professor an der Universität Freiburg im Breisgau, lesen wir:

"Die Erscheinung, dass die Kirche in steigendem Masse den staatlichen Wünschen betreffs Angleichung der kirchlichen an die politischen Grenzen entgegenkam, bedeutet aber nicht, dass sie selbst sich ihrer Rechte in diesen Fragen begeben hat. Sie lernte es allerdings bei dem Vordringen des Individualismus im öffentlichen und privaten Leben, ihre Interessen besser gewahrt zu sehen, wenn sie Reibungsflächen mit dem Staate möglichst beseitigte. (...) Und für die Kirche, die sich über die ganze Welt erstreckt, die überhaupt keine Grenzen kennt, ist die Frage der Provinzialgrenzen viel nebensächlicher als für den Staat, den lebenslänglich seine Grenzen zu schmerzen pflegen."

Interessant ist, auch das wohl eine Erklärung des Befundes, dass sich die katalonischen Bischöfe und Äbte derzeit in der Frage der klar nationalistischen Abspaltung Kataloniens eher zurückhalten und in einer Verlautbarung zur illegalen Volksabstimmung vom 1. Oktober  gemahnt  haben, man solle darauf verzichten, "unumkehrbare Entscheidungen" zu fällen. Dabei ging es interessanterweise eher um die Abgrenzung Katalonien/Spanien als etwa um die Rückeinwanderung der Muslime, die man vor Jahrhunderten aus dem eigenen Herrschaftsbereich vertrieben oder zwangsbekehrt hat. In Sachen Flüchtlingspolitik gebärdet sich Katalonien, trotz gewaltiger Jugendarbeitslosigkeit, wohl aus propagandistischen Gründen  gegenüber der EU als grosszügiger als der Rest Spaniens, so wie in Italien bekanntlich Papst Franziskus propagandistisch die sogenannten bedingungslose und nicht näher hinschauende Nächstenliebe als wichtiger hinstellt wie die Gebetsaufrufe seiner Vorgänger nach 1453 (Fall von Byzanz) gegen islamische Eroberungen.

Der Hinweis, sich mit der Soziallehre der katholischen Kirche auseinanderzusetzen ist nicht damit zu verwechseln, dass sich die Führung dieser Institution seit jeher in der Praxis natürlich opportunistisch zu verhalten pflegt. Hochaktuell scheint mir die Aussage des deutschen Professors aus dem Jahre 1931, dass den "Staat seine Grenzen lebenslänglich zu schmerzen pflegen". Mit anderen Worten: Wenn die Frage nach den Grenzen den Staat nicht mehr schmerzt, hört er auf, ein Staat zu sein. Nicht nur Dath, @ Thomas S, sondern wir alle müssen wohl noch einen weiten geistigen Weg zurücklegen, bevor wir mit der Soziallehre argumentieren können. Für Nichtkatholiken könnte es überdies sinnvoll sein, statt bei kirchlichen Texten etwa bei der Grundlegung des Naturrechts durch Samuel Pufendorf anzusetzen.

Detlef Neustadt

7. November 2017 17:15

Dietmar Dath in der FAZ! Wie gut, daß der schnellstmöglich entsorgte Frank Schirrmacher das nicht mehr miterlebt.

Maiordomus

7. November 2017 17:19

@ Man beachte den Satz, bei dem oben aus Versehen ein doppeltes "nicht" für ein Missverständnis sorgen könnte. Es muss lauten: "Die katholische Soziallehre ist aber bei weitem nicht nationalistisch oder national orientiert."

Mit anderen Worten: die rein national Denkenden in diesem Lager hier werden sich an der katholischen Soziallehre immer zu reiben haben,  wiewohl dieselbe, etwa im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip, dem Solidaritätsprinzip und dem Freiheitsprinzip auf jeden Fall vernünftige und diskutable Elemente enthält, die man gegen die schlimmsten Missstände der heutigen Politik ins Feld führen könnte. Vor allem müsste man sich nicht in der Art von Lucke und Henckel nach dem sogenannten Neoliberalismus orientieren, der heute notabene im Vergleich zu den Zeiten eines Wilhelm Röpke einigermassen entartet scheint.

Thomas S.

7. November 2017 18:03

@Maiordomus

Die Soziallehre ist m.E. keinesfalls gegen die Nation gerichtet, sondern nur gegen ihre Verabsolutierung. Johannes Paul II. sprach sogar von einer „Theologie der Nation“, die bereits im Alten Testament angelegt sei, in dem Stämme und Nationen der Träger des Geschehens seien.

In "Erinnerung und Identität" schreibt Johannes Paul II. ausführlich über das katholische Verständnis des Nationalstaates, den zu schützen für ihn eine Forderung des Gebotes sei, Vater und Mutter zu ehren. Einige Auszüge:

„Die Nation ist tatsächlich die große Gemeinschaft der Menschen, die durch verschiedene Bindungen, vor allem aber durch die Kultur, vereint sind. [...] Die Nation existiert durch die Kultur und für die Kultur. Und gerade aus diesem Grunde ist sie die große Erzieherin der Menschen, damit diese in der Gemeinschaft mehr sein können. Die Nation ist die Gemeinschaft, deren Geschichte über die des einzelnen Individuums und der einzelnen Familie hinausgeht.“

„Patriotismus bedeutet Liebe zu allem, was zum Vaterland gehört: zu seiner Geschichte, seinen Traditionen, seiner Sprache und seiner eigenen Beschaffenheit. Es ist eine Liebe, die sich auch auf die Werke der eigenen Landsleute und auf die Früchte ihres Geistes erstreckt. Jede Gefahr, die das große Gut des Vaterlands bedroht, wird zu einer Gelegenheit, diese Liebe zu überprüfen.“

„Der Begriff ‚Vaterland‘ verbindet sich mit dem Begriff und der Realität von ‚Vater‘ (pater). Das Vaterland ist in gewisser Weise gleichzusetzen mit dem Erbe (patrimonium), d.h. mit der Gesamtheit der Güter, die wir als Hinterlassenschaft von unseren Vätern empfangen haben. [...] Das Vaterland als Patrimonium des Vaters kommt von Gott, zugleich kommt es in gewissem Maße auch von der Welt."

Thomas Martini

7. November 2017 18:03

*Daths Romane, so der Spiegel, handelten von „Darwin, Marx, Fantasy, Heavy Metal, Zombies und Gentechnik.*

Wer würde so etwas nicht gerne über sich lesen?

Das ist jetzt kein Witz, aber in der katholischen Kirche warten sie auf Typen wie Dietmar Dath. Selbst der amtierende Papst gilt heute als Kommunist, was Dath einige Bonuspunkte einbringen könnte, sollte er den heiligen Entschluß fassen, in den Schoß der katholischen Kirche zu kriechen. Vielleicht wird dann aus Bruder Dietmar, seinem geistigen Vorbild Lenin und seiner Vorliebe für Science-Fiction folged, noch eine Art "Dath Vader".  

Zur Zeit aber weisen die Zitate des Mannes immer noch dieses infantile Element auf, das immer bei allen Bundesdeutschen zur Geltung kommt, denen alles streng verdächtig ist, was in der BRD als rechts erscheint. Irgendwo lauert immer noch ein Nazi, irgendwo gibt es immer noch einen rechtsextremen Sumpf trocken zu legen. Und sie halten sich für selbstbestimmt, kritisch, frei, womöglich für "gebildet". <- Bitte an der Stelle noch einmal die Aussagen von Dietmar Dath überfliegen; das war jetzt ein Witz.

Dabei möchte ich mich heute einmal entschuldigen, für meine Zurückhaltung, was die Buchbestellungen bei Antaios angeht. Das Angebot ist sehr gut, und es gibt zahlreiche Bücher, die ich liebend gerne schon gelesen hätte. Leider fehlte dafür bisher die Zeit, und ich habe genügend Bücher zu Hause, die nur darauf warteten, gelesen zu werden.

Passend zum Weg in die Una Sancta, wühle ich mich zur Zeit wieder durch den Wälzer "Wider Willkür und Machtrausch" von Emmanuel Johannes Reichenberger. Das wäre eine Lektüre, die das vermeintlich heile Weltbild der allermeisten BundesbürgerInnen, gleich ob links, rechts, alt, jung, hetero, lesbisch oder schwul, nachhaltig zusammenklappen ließe, bloß wem sage ich das; die wenigsten Zeitgenossen würden es verkraften.

Im Gegensatz zu den heutigen Daths und Böhmermanns, denen man für ihren "Widerstand" und KgR in der BRD auf die Schultern klopft, kann für Herr Reichenberger ein weites Zeugnis seines Widerstands gegen den echten Hitler und die echten Nationalsozialisten abgegeben werden, die demokratische Anerkennung blieb ihm jedoch versagt. Als Neonazi hat man den katholischen Priester nach dem Krieg verunglimpft. Dafür gibt es ein passendes Wort in der deutschen Sprache: Frechheit.

Dieser Umgang seitens des Staates und des Auslands, mit Deutschen, die sich für das Lebensrecht und die Freiheit des deutschen Volkes einsetzen, zieht sich seit 1945 wie ein roter Faden durch die deutsche Geschichte.

Statt E.J.R., den ich eigentlich zu zitieren beabsichtigte, passt hier eine Textzeile aus dem Rapsong "Verständnis" des Rappers Curse wie die Faust auf's Auge:

"Das Leben ist hart, doch alles geht seinen Weg, wie gehabt, Menschen ändern sich nie, nur der Ort und der Tag. Wenn alles fehlt, bleibt mir immer noch mein Wort, das ich hab, doch manchmal weiß ich nicht, ob irgendeiner hört, was ich sag."

Thomas S.

7. November 2017 18:11

P.S. Auch der vielgeschmähte Papst Franziskus teilt das positive Bild der Nation der katholischen Soziallehre vollständig. Erst vor wenigen Tagen sagte er:  Ohne Wurzeln „kann man nicht leben: ein Volk ohne Wurzeln oder ein Volk, das sich nicht um seine Wurzeln kümmert, ist ein krankes Volk“.

https://bundsanktmichael.org/2017/10/05/papst-franziskus-ein-volk-ohne-wurzeln-ist-ein-krankes-volk/

Maiordomus

7. November 2017 18:57

@Martini. In Buenos Aires galt der dortige Erzbischof Bergoglio, der zwar bei weitem weniger verdiente als ein durchschnittlicher Geistlicher etwa im Kanton Zürich, keinesfalls als Kommunist, war jüngeren Jesuiten, selbst noch in der Schweiz, längst nicht links genug. Aber es bleibt dabei, dass für den südamerikanischen und übrigens auch spanischen Klerus soziale Fragen wichtiger bleiben als dogmatische Angelegenheiten. Nicht mal der berühmte linke Erzbischof Dom Helder Camara Pessoa aus Recife in Nordostbrasilien ging je als Kommunist durch, startete als junger Priester noch ganz rechts. Der Kommunismus wurde  von den Pius-Päpsten, etwa Pius XI. (er gab 1931 die Enzyklika Quadragesimo Anno heraus, nicht Pius IX.) und Pius XII., schon deshalb klar verurteilt, weil es  bekanntlich nie grössere Massenmorde an Priestern und Klerikern gab wie durch Linke im spanischen Bürgerkrieg, die Gesamtopferzahl beträgt deutlich über 6000 usw. Rein ideologisch ist es mit Sicherheit absurd, den gegenwärtigen Papst als Kommunisten hinzustellen. Eher hat er etwas von Giovanni Guareschis  Don Camillo an sich, der sich letztlich mit dem kommunistischen Bürgermeister Peppone trotz beinahe satirischer Meinungsverschiedenheiten noch gut verstand. Das waren nun mal die Verhältnisse in Italien, der Urheimat der Bergoglios, nach dem 2. Weltkrieg. Aus derselben Mentalität heraus mochte dann Papst Johannes XXIII. den Kommunismus nicht mehr verurteilen.

 

 

marodeur

7. November 2017 19:40

Auf die Frage nach seiner Poetik antwortete der Autor, er schreibe Texte, „die nicht davon handeln, wie es ist, sondern davon, wie es sein sollte, wie es hoffentlich nicht sein wird oder wie es ganz neutral sein könnte. Und das sind nun mal spekulative oder phantastische Texte.“

Das scheint auch gleichzeitig das zentrale Motto der FAZ zu sein. Aber wen interessiert das noch. Anscheinend liest ja nicht mal der Verfassungsschutz bis zum Feuilleton.

Der Gehenkte

7. November 2017 22:44

Tut mir leid, wenn ich hier wieder den Meckerer spielen muß, aber der Artikel zeugt leider von ziemlicher Unkenntnis des Werks dieses linken Intellektuellen. Selbst seine Science-Fiction werden hier falsch widergegeben - dies sind durchaus keine U- sondern Dystopien, die sich der Verselbständigung der Maschinerie widmen, der theoretischen Arbeit Thomas Wagners ("Robokratie") vergleichbar und im Kern nicht auch konservativ.

Offensichtlich kennt Herr Hübner auch "Der Implex" nicht, Daths Hauptwerk. Es stimmt, es ist an vielen Stellen unerträglich verschwurbelt, die Sprache sperrig und widerspenstig - das ist z.T. schlechter Stil, z.T. bewußte Kryptisierung -, dennoch ist es ein maßgebliches Werk und eines der sehr wenigen linken Produkte, die zu lesen lohnen kann. Dort findet man übrigens auch die Beschreibung der Differenz zwischen den "Begründern des theoretischen Kommunsimus" und den "Launen und Denkschwächen des Proletariats". Das Buch als solches ist mißlungen, aber es bleibt eine Fudngrube origineller Gedanken.

Dath versucht vor allem die Dialektik als Methode und Prinzip zu rehabilitieren und bezieht sich nicht nur auf Lenin, sondern auch auf aufregende Denker wie Hans-Heinz Holz, Peter Hacks und Wolfgang Harich (den auch Peter Feist zu seinen Lehrmeistern zählt).

Im Übrigen halte ich diesen zynischen und vulgären PI-News-Ton auf Sezession für unpassend!

Unabhängig davon sagt das natürlich nichts über den besprochenen Artikel.

Fritz

7. November 2017 23:11

Immer wieder erstaunlich, dass diese Leute denken, die Migranten aus der III. Welt seine irgendwie ihre Verbündeten oder Gesinnungsgenossen. Dabei wollen die genau das Gegenteil, nämlich so leben wie die Europäer, sprich: die Früchte des Kapitalismus mit genießen. Sie müssten nur mal mit denen reden.

Herr K.

7. November 2017 23:28

Gefällt mir wunderbar der Artikel, bisweilen wirklich unterhaltsam.

Ich frage mich nur - wozu? Wozu dieser dieser prästalinistischen Flachflöte wertvolle Aufmerksamkeit des Dirigenten schenken? Wäre nicht eher die Frage "Wie schafft es die IB auch in der Breite als Jugendbewegung anzukommen?" oder "Wie schaffen es Konservative immer wieder als langweilig wahrgenommen zu werden?" interessant?

RMH

7. November 2017 23:41

"Im Übrigen halte ich diesen zynischen und vulgären PI-News-Ton auf Sezession für unpassend!

Unabhängig davon sagt das natürlich nichts über den besprochenen Artikel."

Was denn jetzt?

Ich persönlich begrüße das Veröffentlichen von Gastbeiträgen ausdrücklich, weil es zur Perspektiverweiterung beiträgt und einen vulgären Ton kann ich bei Herrn Hübner nicht wahrnehmen  - auch nicht bei seinen regelmäßiger erscheinenden Artikeln bei pi.

Zur weiteren Perspektiverweiterung führen oftmals dann auch die Debattenbeiträge gerade infolge solcher Gastbeiträge. Von daher: Gerne mehr Gastbeiträge - das rechte Maß hält die Sezession ohnehin.

Maiordomus

8. November 2017 00:07

@Der Gehenkte. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass der hier als Leninist bezeichnete Dietmar Dath interessanter sein könnte als andere FAZler, welche in der Sprache der 68er allenfalls eher als "Scheissliberale" durchgehen könnten. Immerhin löst er hier eine möglicherweise anregende Debatte aus.

Obi Wan Kenobi

8. November 2017 00:45

Dank an Wolfgang Hübner für einen Gastbeitrag, in dem ich persönlich nicht einmal Spurenelemente eines "zynischen und vulgären PI-News-Ton" zu erkennen vermag.

Die Kritik am jüngsten FAZ-Artikel von Dietmar Dath ist vollauf berechtigt. Dieser ist nämlich ein ziemlich undifferenzierter Rundumschlag nicht nur gegen die Neue Rechte, sondern auch gegen die "westliche Arbeiterbewegung", die Sozialistische Zweite Internationale, die französische PCF, gegen die Sozialdemokratie und marxistische Pharisäer. Allen gemeinsam wirft Dath vor, immer noch in den aus seiner Sicht überlebten Kategorien der Nationalstaatlichkeit zu denken. Wenn Dath seine eigene Argumentationsfigur konsequent durchhalten würde, dann müsste er freilich sein Idol Lenin mit auf die Anklagebank setzen, der eben kein reiner Kosmopolit war (und als solcher den Russischen Bürgerkrieg auch auch gar nicht hätte gewinnen können), sondern ein Inter-Nationalist, der zwar weltrevolutionär dachte, aber für den die Völker am Ende doch die Subjekte der Geschichte blieben - die Völker, denen Lenin sogar explizit gewisse Qualitäten zuwies, wobei Deutsche und Juden besonders gut wegkamen.

Es ist intellektuell schon schwach, rechtes Denken auf den Wunsch zu reduzieren, "ein vom Weltmarkt abgeschnittenes Gefängnis für Autochthone" zu schaffen oder gleich Angriffskriege "mit Wunderwaffen" zu führen. Das Ganze paart sich bei Dath immer mit der Pose des allwissenden Salonbolschewisten, der freilich auch nichts dagegen hat, als erklärter "Leninist" seine monatliche Geldüberweisung von der tiefbourgeoisen FAZ zu erhalten. Und was ist sein alternativer Ansatz? Die Linken sollen afrikanische und asiatische Sprachen erlernen, um besser in den Kreisen der Zuwanderer agitieren zu können - gerade hier wird Dath aber seine von allen letzten Resten eines irgendwie national, ethnisch, kulturell oder konfessionell gebundenen Denkens reingewaschenen Wunschkommunisten auch nicht finden.

 

Cubist

8. November 2017 17:05

Dank an Gustav Grambauer und den Gehenkten für die fundiertn Anmerkungen zum Artikel und an dessen oberflächlicher Wertung von Dath -- ich schließe mich an, der obige Artikel ist leider, um es vorsichtig zu sagen, ein Beispiel für eine gewisse intellektuelle Oberflächlichkeit mit der, eben nicht nur auf linker Seite, ideologische Gegner auf's Korn genommen und verächtlich gemacht werden. Sprich: Die Vorwürfe des Artikelverfassers gegenüber Dath sind reichlich unterkomplex; oder anders gesagt (in Anlehnung eines Ausspruchs Sloterdijks): Der Verfasser hat noch ein paar tausend Seiten Lektüre-Rückstand zu Dath. Denn Dath ist ganz sicher einer der linken Gegner, die es im Gegensatz zu vielen vielen anderen wirklich zu lesen lohnt und wo eine Auseinandersetzung stimulierend sein kann. Schade, dass diese wichtige Debatte nicht von Lichtmesz, der wenigstens die popculturelle Codierung und Daths Ästhetik im Blick gehabt hätte, oder Sommerfeld, die systemtheoretisch gestählt sicherlich intellektuell mit Dath auf Augenhöhe argumentieren kann, geführt wurde.

Im übrigen: Dath hat wunderschöne "Romane" geschrieben: Dirac, Pulsarnacht oder Die Salzweißen Augen etc. Warum für einen Rechten gerade die Bestellerliste ästhetisches oder formales Argument für oder gegen den intellektuellen Wert eines Autors sein soll, erschließt sich mir nicht.

Kositza: Jetzt verschnurpseln Sie aber, Cubist, die Aussage von Wolfnag Hübner, der nämlich schrieb: "Die liest jedoch fast keiner, weil sie zu elitär und versponnen sind." Objektiv: Die "Romane" sind Ladenhüter, obwohl sie reichlich (und oft wohlwollend) rezensiert wurden. Subjektiv (meinetwegen, wiewohl ich Hübners Ansicht teile): "elitär und versponnen." Daß es gegen einen Autor spräche, das seine Werke sich nicht bestsellen, sagt niemand!

Rainer Gebhardt

8. November 2017 20:54

Der entscheidende Satz von Dath ist dieser: "Gewerkschaften und linke Parteien werden hierzulande Türkisch, Kurdisch, Arabisch, afrikanische und asiatische Sprachen lernen müssen. Das ist sogar wichtiger als das Reden mit Rechten."

Übersetzt heißt das: Tschüß Arbeiterklasse (oder das, was davon noch übrig ist) und 'Willkommen Migranten und Flüchtlinge'.

Anders gesagt: Die Linken haben sich mangels Basis in der wertschöpfenden Schicht ein neues 'revolutionäres Subjekt' auserkoren. Es spricht arabische und afrikanische Dialekte, nomadiesiert als ein prekäres, halbalphabetisertes und nach Millionen zählendes Heer um den Globus - Ziel Europa.
Wir können davon ausgehen, dass sich der linke Haß auf die politisch unzuverlässigen deutschen Arbeiter und Mittelschichtler noch steigern wird und sie im Denken der neuen Linken wieder die ihnen schon von Sinowjew und der Komintern zugedachte Rolle einnehmen werden: der kleinbürgerlich-reaktionäre Steigbügelhalter des Faschismus.  

 

Der_Jürgen

8. November 2017 21:11

Hoffentlich beherzigen die Linken den Vorschlag dieses profunden Denkers und stürzen sich auf afrikanische Sprachen. Am besten wäre, sie würden sich die Idiome der Kho und San (Hottentotten und Buschmänner) aneignen bzw. anzueignen versuchen. Bis sie die Klicklaute beherrschen, werden einige Jahrzehnte vergehen, und ihnen wird die Zeit für politische Aktivitäten gänzlich fehlen. Das wäre wirklich toll.

Fritz

8. November 2017 23:23

@Rainer Gebhardt. Ich habe das ja oben schon geschrieben: Das wird nichts, die Migranten sind zu mindestens 95% konservativ, familienorientiert und religiös. Über Frauenrechte oder Homosexualität denken die völlig anders als die deutschen Linken. Ich kenne so einige Migranten über die Kirchengemeinde meiner Frau. Verstehe nicht, dass die Linken das nicht merken, sie scheinen wirklich keinerlei konkreten Kontakt mit Migranten zu haben.

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