Sonntagsheld (37) – Ireland unfree…

... shall never be at peace.

So sprach unser Sonn­tags­held vor 102 Jah­ren am Grab des iri­schen Wider­stands­kämp­fers Jere­mi­ah O’Donovan Ros­sa, ein Jahr spä­ter soll­te er sei­nen Wor­ten Taten fol­gen las­sen. Wer ist der Mann, der 1916 in Dub­lin die iri­sche Repu­blik aus­rief und mit sei­nem Tod den letz­ten Pin­sel­strich unter ein Kunst­werk setz­te, das bis heu­te fortwirkt?

Pádraig Hen­ry Pear­se, irisch Pádraig Anraí Mac Pia­rais, wur­de am 10. Novem­ber 1879 als Sohn einer Irin und eines Bri­ten in der Dub­li­ner Gre­at Bruns­wick Street gebo­ren. Heu­te, fast auf den Tag genau 138 Jah­re spä­ter trägt die Stra­ße sei­nen Namen. Um zu ver­ste­hen, wie sich Pear­se die­se Ehre ver­dien­te, hilft ein rascher Blick in die Zeit sei­nes Wirkens:

Im Jahr 1900, zu der Zeit als Pear­se sei­nen Abschluss an der Roy­al Uni­ver­si­ty of Eng­land mach­te, hat­ten sich die Iren inner­halb eines bit­te­ren Jahr­hun­derts eini­ge weni­ge Frei­heits­rech­te gegen­über dem bri­ti­schen Hege­mon bekämpft: Die Herr­schaft bri­ti­scher Land­lords über die von ihnen abhän­gi­gen iri­schen Bau­ern war im Rück­gang, die natio­na­lis­ti­schen Kräf­te in Irland began­nen, unter­stützt von finanz­star­ken Exi­lan­ten in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, sich nach meh­re­ren geschei­ter­ten Rebel­lio­nen und par­la­men­ta­ri­schen Vor­stö­ßen erneut zu kon­so­li­die­ren und mit der immer lau­ter wer­den­den For­de­rung nach dem soge­nann­ten Home Rule Act beweg­ten sich die­se Erfol­ge lang­sam aber sicher in Rich­tung kon­kre­ter poli­ti­scher Entscheidungen.

Die iri­sche Wider­stands­be­we­gung die­ser Zeit war jedoch nicht nur eine Frei­heits­be­we­gung im poli­ti­schen Sin­ne, sie hat­te sich tat­säch­lich über­haupt erst im Wind­schat­ten kul­tu­rel­ler und meta­po­li­ti­scher Orga­ni­sa­tio­nen wie der 1893 gegrün­de­ten Gae­lic League fir­mie­ren können.

Wäh­rend in den gro­ßen Metro­po­len des Wes­tens die Dich­ter des Fin de Siè­cle ihre Ent­frem­dung in die Welt hin­aus­schrie­ben, waren gro­ße Tei­le Irlands nicht etwa durch Indus­tria­li­sie­rung und das Her­auf­däm­mern der Moder­ne aus ihrer eige­nen Kul­tur und Geschich­te her­aus­ge­spült wor­den, son­dern stan­den unter einem regel­rech­ten Iden­ti­täts­ver­bot. Durch eine Rei­he von Repres­si­ons­maß­nah­men und nicht unwe­sent­lich auch durch die mas­si­ve Bevöl­ke­rungs­de­zi­mie­rung infol­ge der Gre­at Fami­ne genann­ten Hun­gers­not Mit­te des 19. Jahr­hun­derts war die iri­sche Spra­che, das Gäli­sche, fast voll­stän­dig ausgestorben.

Auch, wenn die Dra­ma­tik die­ser Ent­wick­lung gele­gent­lich über­trie­ben wird, steht fest, dass zum Ende des 19. Jahr­hun­derts ein Groß­teil der öffent­li­chen Ange­le­gen­hei­ten auf Eng­lisch ver­han­delt wur­den und die iri­sche Spra­che ein mas­si­ve Mar­gi­na­li­sie­rung erfah­ren hatte.

Das Gefühl die­ses Ver­lus­tes und die Erkennt­nis des revo­lu­tio­nä­ren Poten­zi­als, das in die­sem Gefühl lag, war es, das iri­sche Natio­na­lis­ten ver­an­lass­te, ihre Arbeit auf die Wie­der­ent­de­ckung der iri­schen Kul­tur, Geschich­te und Tra­di­tio­nen zu fokus­sie­ren. Dabei schaff­ten sie es, die Strahl­kraft der vor­christ­li­chen Mythen aus Irlands heroi­schem Zeit­al­ter neu zu ent­fa­chen, ohne dabei die immer noch star­ke katho­li­sche Iden­ti­tät der Iren ernst­haft anzu­grei­fen. Statt­des­sen stand am Ende die­ser Ent­wick­lung eine frucht­ba­re Syn­the­se die­ser bei­den Tra­di­ti­ons­strän­ge. Pear­se war viel­leicht nicht der wich­tigs­te, sicher jedoch der bekann­tes­te Kopf die­ser Bewe­gung und wäh­rend in Deutsch­land die Jugend­be­we­gung zag­haf­te Ver­su­che iden­ti­tä­rer Erneue­rung wag­te, wur­de in Irland Kul­tur­re­vo­lu­ti­on gemacht.

Bereits 1908 grün­de­te Pear­se mit der St. Enda‘s School eine Lehr­an­stalt, an der iri­sche Jun­gen eine zwei­spra­chi­ge Erzie­hung genie­ßen soll­ten. Unter­rich­tet wur­de – neben den übli­chen Fächern –   iri­sche Geschich­te, auch ver­such­te Pear­se in sei­nen Schü­lern die­sel­be Begeis­te­rung für die Sagen der iri­schen Vor­ge­schich­te zu wecken, die ihn bereits in jun­gen Jah­ren ange­trie­ben hat­te. Das Pro­jekt war ein Erfolg: Als Pear­se am Oster­mor­gen 1916 gemein­sam mit sei­nen Kame­ra­den das Gene­ral Post Office in Dub­lin stürm­te, kämpf­ten 15 Schü­ler von St. Enda‘s an sei­ner Seite.

In sei­nem gan­zen poli­ti­schen und lite­ra­ri­schen Wir­ken hat­te Pear­se stets die Not­wen­dig­keit des Opfers betont. Mit einer fast über­ir­di­schen Begeis­te­rung und einer regel­rech­ten Fröm­mig­keit hat­te er sein gan­zes Leben lang auf den Tag hin­ge­ar­bei­tet und hin­ge­schrie­ben, an dem er fröh­li­chen vor sich hin­pfei­fend durch die Gän­ge des Kil­main­ham Jail zu sei­ner Hin­rich­tung schritt.
Damit hat er nicht nur bei sei­nen Befür­wor­tern und Nach­fol­gern einen blei­ben­den Ein­druck hinterlassen:

Charles Blacka­der, der Vor­sit­zen­de des Kriegs­ge­rich­tes, das Pear­se zum Tod ver­ur­teil­te, notier­te später:

„I have just done one of the har­dest tasks I have ever had to do. I have had to con­demn to death one of the finest cha­rac­ters I have ever come across. The­re must be some­thing very wrong in the sta­te of things that makes a man like that a rebel. I don’t won­der that his pupils ado­red him.“

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Kommentare (4)

Franz Bettinger

12. November 2017 23:51

Die Strahlkraft der vorchristlichen Mythen? "The Crock of Gold" heißt ein Büchlein von James Stephens, geschrieben 1912. Ich habe noch nie was gelesen, das mich von der ersten bis zur letzten Seite dermaßen fesselte. Ich las es in der Hütte eines Freundes in einer einzigen Nacht auf der Coromandel Halbinsel und zwar meiner Frau vor, die Vorlesen normalerweise nicht ausstehen kann, aber diesmal sprachlos und aufmerksam blieb. Ein irisches Märchen über die verdrießliche Verwobenheit und andauernde Beschäftigung des Menschen mit der Welt seiner Gedanken. Logik und Gerechtigkeit? Das seien Irrtümer der Schöpfung, der Natur oder der Evolution. Die Dominanz dessen, was einige Vernunft nennen, über die Intuition versklave die Menschheit. Weisheit sei die Sorglosigkeit eines Pan und die Furchtlosigkeit des furchtlosen Denkers oder auch die kindliche Freude beim Spiel. Für mich eine große Augen-öffnende humorige Story, brillant und auch auf Englisch gut verständlich geschrieben; gefährlich für die zivilisierte Welt und deshalb wahrscheinlich (fast) vergessen. 

sven31699

13. November 2017 01:05

Tiocfaidh ár lá

Cacatum non est pictum

13. November 2017 01:46

Charles Blackader, der Vorsitzende des Kriegsgerichtes, das Pearse zum Tod verurteilte, notierte später: „I have just done one of the hardest tasks I have ever had to do. I have had to condemn to death one of the finest characters I have ever come across. There must be something very wrong in the state of things that makes a man like that a rebel. I don't wonder that his pupils adored him.“

Von den Scharfrichtern der Geschwister Scholl wird ähnliches kolportiert. Im Angesicht des Todes mit erhobenem Haupt und geradem Rücken zum Schafott zu schreiten, weist jemanden als Märtyrer aus, der genau weiß, daß er seinen Platz in der Geschichte gefunden hat.

Preußischblau

15. November 2017 09:16

Easter, 1916

I have met them at close of day   
Coming with vivid faces 
From counter or desk among grey   
Eighteenth-century houses. 
I have passed with a nod of the head   
Or polite meaningless words,   
Or have lingered awhile and said   
Polite meaningless words, 
And thought before I had done   
Of a mocking tale or a gibe   
To please a companion 
Around the fire at the club,   
Being certain that they and I   
But lived where motley is worn:   
All changed, changed utterly:   
A terrible beauty is born. 
 
That woman's days were spent   
In ignorant good-will, 
Her nights in argument 
Until her voice grew shrill. 
What voice more sweet than hers   
When, young and beautiful,   
She rode to harriers? 
This man had kept a school   
And rode our wingèd horse;   
This other his helper and friend   
Was coming into his force; 
He might have won fame in the end,   
So sensitive his nature seemed,   
So daring and sweet his thought. 
This other man I had dreamed 
A drunken, vainglorious lout. 
He had done most bitter wrong 
To some who are near my heart,   
Yet I number him in the song; 
He, too, has resigned his part 
In the casual comedy; 
He, too, has been changed in his turn,   
Transformed utterly: 
A terrible beauty is born. 
 
Hearts with one purpose alone   
Through summer and winter seem   
Enchanted to a stone 
To trouble the living stream. 
The horse that comes from the road,   
The rider, the birds that range   
From cloud to tumbling cloud,   
Minute by minute they change;   
A shadow of cloud on the stream   
Changes minute by minute;   
A horse-hoof slides on the brim,   
And a horse plashes within it;   
The long-legged moor-hens dive,   
And hens to moor-cocks call;   
Minute by minute they live:   
The stone's in the midst of all. 
 
Too long a sacrifice 
Can make a stone of the heart.   
O when may it suffice? 
That is Heaven's part, our part   
To murmur name upon name,   
As a mother names her child   
When sleep at last has come   
On limbs that had run wild.   
What is it but nightfall? 
No, no, not night but death;   
Was it needless death after all? 
For England may keep faith   
For all that is done and said.   
We know their dream; enough 
To know they dreamed and are dead;   
And what if excess of love   
Bewildered them till they died?   
I write it out in a verse— 
MacDonagh and MacBride   
And Connolly and Pearse 
Now and in time to be, 
Wherever green is worn, 
Are changed, changed utterly:   
A terrible beauty is born.

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