Multikulti konsequent: gated communities

pdf der Druckfassung aus Sezession 13/April 2006

sez_nr_13von Arne M. Schemmerling

In den USA herrscht von jeher und entgegen ihrer Selbstdarstellung als melting pot eine ausgeprägte ethnische und soziale Segregation vor. Diese manifestiert sich vor allem in der Bildung von Ghettos (synonym auch Slums, Favelas oder no go areas), den heruntergekommenen Vierteln der Schwarzen, Puertoricaner und Latinos. In der Geschichte der amerikanischen Großstädte sind derartige Zustände nichts wirklich Neues. So lebten schon 1895 bis zu 24 Prozent der Einwohner New Yorks in als Slums bezeichneten Gebieten. Die heutigen, von Gewaltkriminalität, Bandenkriegen und Drogensucht geprägten Schwarzenghettos entstanden aber erst in den 1960er Jahren, als den Schwarzen per Bürgerrechtsgesetzen die Freizügigkeit gestattet wurde, woraufhin sich deren Oberschicht in die weiß besiedelten Vororte absetzte. Die zurückbleibenden Unterschichten hatten in der Folge mit dem Anwachsen der Kriminalitätsraten, dem sozialen Niedergang, dem Verfall von Bausubstanz und städtischer Infrastruktur zu kämpfen. Im berüchtigten Ghetto Compton/Los Angeles sind in den Bandenkriegen der letzten fünfzehn Jahre etwa zehntausend Jugendliche umgekommen. Komplementär zur Konzentration der Unterschichten in diesen Stadtvierteln steht die Abschottung der zumeist weißen Mittel- und Oberschicht in geschlossenen und bewachten privaten Wohnanlagen mit eingeschränktem Zugangsrecht, den sogenannten gated communities.


Schon um die vori­ge Jahr­hun­dert­wen­de begann in einer ers­ten Sub­ur­ba­ni­sie­rungs­wel­le der Exodus der Ober­schicht aus den Zen­tren der Groß­städ­te, beson­ders im Nord­os­ten der USA, wo die von der Indus­trie ange­lock­ten Nach­kom­men der ehe­ma­li­gen Skla­ven aus den Süd­staa­ten nach­rück­ten. Edgar Rice Bur­roughs (1876–1950), Autor der ers­ten Tar­zan-Geschich­ten, erwarb 1919 ein über zwan­zig Qua­drat­ki­lo­me­ter gro­ßes Anwe­sen bei San Fer­nan­do Val­ley und grün­de­te dort, nicht zuletzt als Reak­ti­on auf die Anwe­sen­heit der Schwar­zen in den Groß­städ­ten, die ursprüng­lich rein wei­ße und noch heu­te bestehen­de Sied­lung Tar­z­a­na. In den 1930er und 40er Jah­ren began­nen sich auch vie­le Hol­ly­wood-Grö­ßen mit Mau­ern und Toren von ihrer Umge­bung abzu­schot­ten. In den 60er und 70er Jah­ren ent­stan­den die ers­ten geschlos­se­nen Rent­ner­sied­lun­gen, die soge­nann­ten sun­ci­ties in Süd­ka­li­for­ni­en. Lei­su­re World, eine der bekann­tes­ten Sied­lun­gen, wur­de in den letz­ten Jah­ren als selbst­ver­wal­te­te Stadt aner­kannt. Im Zuge der Kri­tik an der moder­nen ame­ri­ka­ni­schen Stadt­ent­wick­lung kam es zu einer new urba­nism genann­ten Bewe­gung, die auf das Vor­bild der tra­di­tio­nel­len euro­päi­schen Stadt des 18. und 19. Jahr­hun­derts rekur­rier­te. Ein erfolg­rei­ches Bei­spiel die­ser Bewe­gung und zugleich Mei­len­stein in der Ent­wick­lung von gated com­mu­ni­ties war 1980 die Errich­tung des städ­te­bau­lich-archi­tek­to­nisch am Vor­bild vik­to­ria­ni­scher Bade­or­te ori­en­tier­ten Sea­si­de in Flo­ri­da. Ursprüng­lich als Feri­en­ko­lo­nie und nicht als dau­er­haf­ter Wohn­ort geplant, war die­se Anla­ge gewis­ser­ma­ßen die Neu­erfin­dung der ame­ri­ka­ni­schen Klein­stadt und dien­te als Mus­ter für wei­te­re grö­ße­re Projekte.

Eines davon war die in der archi­tek­to­ni­schen Fach­welt stark dis­ku­tier­te Pri­vat­stadt Cele­bra­ti­on, die 1995 durch den Dis­ney-Kon­zern bei Orlan­do in Flo­ri­da errich­tet wur­de. Dis­ney bezeich­ne­te die Sied­lung groß­spu­rig als „Pro­to­typ für das kom­men­de Jahr­tau­send“. Ab 160.000 Dol­lar hat­te man beim Kauf eines Ein­fa­mi­li­en­hau­ses die Aus­wahl zwi­schen sechs Vari­an­ten im klas­si­zis­ti­schen, fran­zö­si­schen, vik­to­ria­ni­schen, Kolonial‑, Küs­ten- oder medi­ter­ra­nen Stil. Für eben­falls mög­li­che indi­vi­du­el­le Bebau­ung gab es eine 70 Sei­ten fas­sen­de Gestaltungsvorschrift.
Wei­te­re Pro­jek­te sind die in der Umge­bung von Las Vegas gele­ge­nen Pri­vat­städ­te Green Val­ley mit 60.000 Ein­woh­nern oder Sum­mer­lin, deren Gesamt­ent­wurf drei­ßig Dör­fer umfaßt und bis 2015 150.000 Men­schen behei­ma­ten soll.
Die ver­schie­de­nen For­men geschlos­se­ner Sied­lun­gen ver­brei­ten sich in Ame­ri­ka immer rascher. Gegen Ende des 20. Jahr­hun­derts leb­ten bereits etwa neun Mil­lio­nen Ame­ri­ka­ner in 200.000 der­ar­ti­ger Sied­lun­gen. Nach Anga­ben des Inter­es­sen­ver­ban­des Com­mu­ni­ty Asso­cia­ti­ons Insti­tut gab es 2004 etwa ein­und­zwan­zig Mil­lio­nen pri­va­te Wohn­an­la­gen in den USA, von denen unge­fähr 20 Pro­zent einer Zugangs­be­schrän­kung unter­lie­gen, so daß bei ange­nom­me­nen 2,7 Per­so­nen pro Haus­halt inzwi­schen etwa elf Mil­lio­nen Men­schen in gated com­mu­ni­ties leben. Mitt­ler­wei­le befin­det sich nahe­zu jedes zwei­te neu­ge­bau­te Wohn­haus inner­halb einer sol­chen Sied­lung, wobei Kali­for­ni­en, Neva­da und Texas die höchs­ten Zuwachs­ra­ten aufweisen.
Das Wachs­tum der gated com­mu­ni­ties ist aller­dings längst ein welt­wei­tes Phä­no­men. Beson­ders in der Drit­ten Welt und in Schwel­len­län­dern brei­ten sich geschlos­se­ne Sied­lungs­kom­ple­xe immer wei­ter aus. Im Groß­raum Bue­nos Aires leb­ten 2002 schät­zungs­wei­se 20.000 Men­schen in etwa drei­hun­dert Anla­gen, in Ägyp­ten sind es zwei­hun­dert geschlos­se­ne Sied­lun­gen mit bis zu 2.000 Ein­woh­nern. Auch die gigan­to­ma­ni­schen Stadt­pro­jek­te in den rei­chen Golf­staa­ten ent­spre­chen die­sem Mus­ter, zumal dies auch der Tra­di­ti­on isla­mi­scher Städ­te ent­spricht. Im Emi­rat Dubai, wo man sich schon des höchs­ten Hotels und der größ­ten Moschee der Welt erfreut, ent­ste­hen nun auf meh­re­ren hun­dert künst­li­chen Inseln Sied­lun­gen mit Luxus­wohn­an­la­gen, Hotels, Restau­rants und Geschäf­ten für Jet­set, Tou­ris­ten und die ein­hei­mi­sche Ober­schicht, denen man eine (nicht mus­li­mi­schen Ver­bo­ten unter­wor­fe­ne) libe­ra­le Kon­sum- und Lebens­welt bie­ten möch­te. Die­se Pro­jek­te sind jedoch nur der Anfang einer Ent­wick­lung, bei der man die gesam­te Küs­te des Emi­rats in eine ein­zi­ge bebau­te Stadt, genannt „Dubai Water­front“ ver­wan­deln will. Im süd­afri­ka­ni­schen Johan­nes­burg ist die bis­her größ­te gated com­mu­ni­ty namens Sand­ton ent­stan­den. Dort leben auf 142 Qua­drat­ki­lo­me­tern unge­fähr 115.000 aus­schließ­lich wei­ße Bewoh­ner in Vil­len und Ein­fa­mi­li­en­häu­sern, mit Mau­ern und Sta­chel­draht vom benach­bar­ten town­ship Alex­an­dra geschützt, wo sich auf zwei­ein­halb Qua­drat­ki­lo­me­tern angeb­lich 400.000 Schwar­ze drängen.

Auch in Euro­pa gibt es eini­ge Bei­spie­le einer sol­chen Sied­lungs­ent­wick­lung. So erreg­te Mit­te der 1980er Jah­re Mar­gret That­cher eini­ges Auf­se­hen, als sie in eine gated com­mu­ni­ty im Süden Lon­dons zog. Das war eine Anla­ge nach ame­ri­ka­ni­schem Vor­bild, bestehend aus drei­und­zwan­zig Häu­sern, geschützt mit einer hohen Mau­er, kar­ten­be­dien­ba­rem Tor und Video­über­wa­chung. In Süd­frank­reich, beson­ders in der Regi­on Pro­vence-Alpes-Côte d’Azur, wird auf dem Immo­bi­li­en­markt ein mas­si ver Trend zu den dort so genann­ten ensem­les rési­dentiels clo­ses fest­ge­stellt. Bei­spiel­haft dafür ist die Anla­ge von Port Grim­auld in der Bucht von St. Tro­pez. Hier ent­stand, durch­aus pas­send zum geo­gra­phi­schen Kon­text, im tra­di­tio­na­lis­tisch-medi­ter­ra­nen Stil eine Sied­lung auf unzäh­li­gen Inseln einer künst­li­chen Lagu­ne, die neben Hotel­an­la­gen, Feri­en­häu­sern, Vil­len und Eigen­tums­woh­nun­gen auch zahl­rei­che Läden, Bars und Restau­rants beinhal­tet. Boots­ste­ge statt Park­plät­ze und Brü­cken statt Stra­ßen prä­gen das pit­to­res­ke Erschei­nungs­bild. In Deutsch­land stel­len geschlos­se­ne Wohn­sied­lun­gen noch eine Aus­nah­me­erschei­nung dar und die­nen als „Trend­pro­dukt“ eher life­style-Bedürf­nis­sen als hand­fes­ten Sicher­heits­not­wen­dig­kei­ten wie in Ame­ri­ka oder der Drit­ten Welt. Als ein Bei­spiel dafür kann eine Anla­ge der Groth-Grup­pe gel­ten, die am Havel­ufer auf dem Glie­ni­cker Horn, an der Gren­ze zwi­schen Pots­dam und Ber­lin, unter dem Namen „Arka­di­en“ errich­tet wur­de. Sie umfaßt sie­ben Neu­bau­ten, die durch ein bekann­tes kali­for­ni­sches Archi­tek­tur­bü­ro ent­wor­fen wur­den und sich um eine denk­mal­sa­nier­te Vil­la grup­pie­ren. Bei ins­ge­samt 5.600 Qua­drat­me­tern Wohn­flä­che, ver­teilt auf 43 Wohn­ein­hei­ten, besteht die Exklu­si­vi­tät vor allem im „umfang­rei­chen Sicher­heits­und Ser­vice­an­ge­bot“, mit dem der Bau­trä­ger wirbt.
Will man die­se Sied­lungs­form in einer Typo­lo­gie fas­sen, könn­te man dem Vor­schlag von Jan Wehr­heim fol­gen, der am Bei­spiel der USA drei Arten von Sied­lun­gen mit Zugangs­be­schrän­kun­gen unter­schie­den hat.
Einen ers­ten Typus stel­len die voll­stän­dig pri­va­ten Sied­lun­gen dar, die zumeist der geho­be­nen Mit­tel- und Ober­schicht sowie rei­chen Senio­ren als Wohn­sitz die­nen. Die­se auch als life­style & pres­ti­ge com­mu­ni­ties bezeich­ne­ten Anla­gen befin­den sich mehr­heit­lich in den süd­li­chen Bun­des­staa­ten von Kali­for­ni­en bis Texas, vari­ie­ren in den Grö­ßen­ord­nun­gen von ein paar Dut­zend bis zu meh­re­ren hun­dert Häu­sern und die­nen häu­fig nur als Neben­wohn­sitz oder auch als Feri­en­an­la­ge, so daß sie durch Gol­fund Ten­nis­plät­ze, Seen und auf­ein­an­der abge­stimm­te Archi­tek­tur geprägt sind. Gemein­sa­mer Lebens­stil, Sta­tus, Pres­ti­ge und Exklu­si­vi­tät ste­hen im Vor­der­grund der Kauf­mo­ti­va­ti­on ihrer Bewoh­ner. Eine zwei­te Kate­go­rie, die gated new towns oder instand cities, umfaßt kom­plett neu­ge­bau­te Städ­te mit voll­stän­di­ger Infra­struk­tur, diver­sen, teil­wei­se gegen­ein­an­der abge­zäun­ten Wohn­quar­tie­ren für ver­schie­de­ne Ein­kom­mens­klas­sen mit ver­schie­de­nen Bau­sti­len. Hier sind neben Vil­len auch Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser, Schu­len, Kin­der­gär­ten, Biblio­the­ken und Läden zu fin­den. Die Ein­woh­ner­zahl kann meh­re­re 10.000 Men­schen umfas­sen. Den drit­ten Typus bil­den die secu­ri­ty zone com­mu­ni­ties. Sie stel­len kei­ne neu­en Vier­tel oder Städ­te dar, son­dern sind durch nach­träg­li­che Ein­zäu­nung bzw. Zugangs­be­schrän­kung ent­stan­den und sowohl in Innen­städ­ten als auch an der Stadt­pe­ri­phe­rie zu fin­den. Die­se Anla­gen sind nicht grund­sätz­lich pri­va­ti­siert und kön­nen sogar Sied­lun­gen des sozia­len Woh­nungs­baus umfas­sen. Dem­entspre­chend wer­den sie auch von unte­ren Ein­kom­mens­schich­ten bewohnt. Anteils­mä­ßig unge­fähr ein Drit­tel der gated com­mu­ni­ties wer­den jeweils von Ober- und geho­be­ner Mit­tel­schicht, den wohl­ha­ben­den Rent­nern sowie den mitt­le­ren und unte­ren Ein­kom­mens­klas­sen gehalten.

Der wich­tigs­te Grund für die Ent­wick­lung zur gated com­mu­ni­ty ist die Angst vor Kri­mi­na­li­tät und all­täg­li­cher Gewalt. Sie resul­tiert aus der Zuspit­zung sozia­ler und eth­ni­scher Gegen­sät­ze durch wirt­schaft­li­che Umstruk­tu­rie­rung und Mas­sen­zu­wan­de­rung, die zum Anwach­sen groß­städ­ti­scher Unter­schich­ten führt. Die Orga­ne der Staats­macht sind oft nicht fähig oder auch nicht wil­lens, die dort neu ent­ste­hen­den soge­nann­ten „gefähr­li­chen Klas­sen“ in Schach zu hal­ten und effek­tiv gegen Gewalt­kri­mi­na­li­tät, Dro­gen­han­del und Jugend­ban­den vor­zu­ge­hen. Öffent­li­che Räu­me, Stra­ßen, Plät­ze, Ver­kehrs­mit­tel und Parks wer­den in die­sem Zusam­men­hang als „Angst­räu­me“ erlebt. Da pri­va­te Ver­kehrs­mit­tel mitt­ler­wei­le nahe­zu allen zur Ver­fü­gung ste­hen, haben sich die Auf­stands- und Plün­de­rungs­zo­nen bis in die her­kömm­li­chen sub­ur­ba­nen Sied­lun­gen der Mit­tel­schicht aus­ge­dehnt, wie der Rod­ney-King-Auf­stand 1992 in Kali­for­ni­en belegt. Ange­sichts des Ver­sa­gens der Staats­macht ist in Ame­ri­ka von urban fron­tiers oder gar vom „neu­er­li­chen Natur­zu­stand“ die Rede, was dem tra­di­tio­nel­len Miß­trau­en der Ame­ri­ka­ner gegen­über ihrem Staat entspricht.
Eine wei­te­re Rol­le spielt der Gestalt­wan­del der Städ­te. Das tra­di­tio­nel­le Bild der ruhi­gen und har­mo­ni­schen Vor­stadt mit homo­ge­nen Nach­bar­schaf­ten und Nähe zur Natur – jahr­zehn­te­lang der Traum der ame­ri­ka­ni­schen Mit­tel­schicht – hat sich durch immer wei­te­re Zer­sie­de­lung und Migra­ti­on ver­än­dert und sich dem Rest des hete­ro­ge­nen Agglo­me­ra­ti­ons­breis ange­paßt. In den geschlos­se­nen Pri­vat­sied­lun­gen bie­ten Mau­ern und Sicher­heits­diens­te Schutz vor Kri­mi­na­li­tät von außen und gewähr­leis­ten die sozia­le Distanz. Gemein­schaft­li­che Seen, Grün- und Sport­an­la­gen erset­zen die zer­sie­del­te Land­schaft sowie teu­re und gro­ße Grund­stü­cke. Die Homo­ge­ni­tät ihrer Bewoh­ner regelt sich über den Ver­kaufs­preis bzw. die Ver­mark­tungs­stra­te­gie der Ent­wick­lungs­ge­sell­schaf­ten. Inso­fern schei­nen die geschlos­se­nen Pri­vat­sied­lun­gen einen Aus­weg aus der Mise­re zu bieten.
Staat­li­che Akteu­re und pri­va­te Inter­es­sen­ver­bän­de haben ihren Anteil an der Ent­wick­lung. Wäh­rend die Ver­tre­ter der Kom­mu­nen mit nied­ri­gen Steu­er­sät­zen locken und ent­spre­chen­de Flä­chen bereit­stel­len, pro­fi­tie­ren Pro­jekt­ent­wick­ler, Haus­ei­gen­tü­mer­ver­ei­ni­gun­gen, Ban­ken und Ver­si­che­run­gen, die an den Immo­bi­li­en­fi­nan­zie­run­gen inter­es­siert sind, sowie die Sicher­heits­fir­men, die Tech­nik und Per­so­nal bei­steu­ern. Weil sich damit eine Men­ge Geld ver­dient läßt, wird der Bedarf nach Sicher­heit und Abgren­zung geschürt und der Markt aus­ge­wei­tet. Die von den geschlos­se­nen Sied­lun­gen aus­ge­hen­den pri­vat­wirt­schaft­li­chen Sti­mu­li sind nicht zu unter­schät­zen. Neben dem Woh­nungs­bau fal­len nun auch der Bau von Infra­struk­tur, Gemein­schafts­ein­rich­tun­gen, Sicher­heits­an­la­gen sowie deren Ver­wal­tung, Betrieb, War­tung und Instand­hal­tung in pri­vat­wirt­schaft­li­che Verantwortung.

Meist erfolgt die Schaf­fung pri­va­ter Sied­lun­gen über einen Pro­jekt­ent­wick­ler, den deve­lo­per, der einen Ver­ein, eine soge­nann­te Homeow­ner Asso­cia­ti­on, grün­det. Mit­glied­schaft und Stimm­recht im Ver­ein sind für alle Besit­zer bis zum voll­stän­di­gen Ver­kauf der Sied­lung zwin­gend. Der Ver­ein stellt die „Regie­rung“ der Sied­lung dar und ist für die Rege­lung des Lebens in der Anla­ge, die Ver­tre­tung nach außen, die Erhe­bung eige­ner Steu­ern, Abga­ben und Gebüh­ren sowie die Kon­trol­le der Ein­hal­tung der inter­nen Rege­lun­gen zustän­dig. Gera­de die inter­nen Abga­ben, die in der Höhe von meh­re­ren hun­dert bis zu meh­re­ren tau­send Dol­lar pro Haus­halt und Jahr vari­ie­ren, sind ein häu­fig sehr umstrit­te­ner Punkt. Sie die­nen zur Bil­dung von Rück­la­gen für Instand­hal­tungs­maß­nah­men, Neu­an­schaf­fun­gen und gemein­schaft­li­che Aus­ga­ben, wie zum Bei­spiel die Bezah­lung von Sicher­heits­diens­ten, Stra­ßen­rei­ni­gung und Feu­er­wehr, Instand­hal­tung von Mau­ern, Toren und Club­häu­sern oder Unter­halt von Schu­len und Sporteinrichtungen.
Der bei den Sicher­heits­ein­rich­tun­gen betrie­be­ne Auf­wand ent­spricht zum einen den finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten der Sied­lungs­be­woh­ner, zum ande­ren den geo­gra­phi­schen Gege­ben­hei­ten des Stand­or­tes. Beson­ders in sol­chen Anla­gen, wo Zweit­wohn­sit­ze und Feri­en­ein­rich­tun­gen domi­nie­ren, wird auf den Sicher­heits­aspekt beson­de­ren Wert gelegt. Wäh­rend ein­fa­che Zäu­ne, pri­va­te Sicher­heits­diens­te am Tor und Schil­der wie „Durch­gang ver­bo­ten“ oder „Bewaff­ne­te Ver­gel­tung“ als Stan­dard gel­ten kön­nen, setzt sich das Maß­nah­men­spek­trum über Video­über­wa­chung, Infra­rot­sen­so­ren, Bewe­gungs­mel­der bis zu auto­ma­ti­schen Ein­gangs­kon­trol­len fort. Hub­schrau­ber­über­wa­chung, Nin­ja-Patrouil­len und Pol­ler gegen Auto­bom­ben stel­len dage­gen bis­her eher Extrem­bei­spie­le dar. Bezüg­lich des sicher­heits­tech­ni­schen Auf­wan­des spie­len Latein­ame­ri­ka oder Bür­ger­kriegs­ge­bie­te wie Paläs­ti­na eine Vor­rei­ter­rol­le. In den USA domi­niert dage­gen noch die Beto­nung von Eigen­tum und Exklusivität.
Das Woh­nen in die­sen Quar­tie­ren sorgt für Pres­ti­ge­ge­winn, weil Pri­vat­ei­gen­tum und Sicher­heits­tech­nik die sozia­le Abgren­zung sogar gegen­über ande­ren Ange­hö­ri­gen geho­be­ne­rer Schich­ten ermög­licht. Dafür sind die Bewoh­ner auch bereit, sich teil­wei­se sehr restrik­ti­ven Regeln, Richt­li­ni­en und Ver­bo­ten ver­trag­lich zu unter­wer­fen. Die­se CC&Rs (Codes, Covenants and Rest­ric­tions) genann­ten Rege­lungs­wer­ke vari­ie­ren von Sied­lung zu Sied­lung, umfas­sen aber übli­cher­wei­se die gesam­te archi­tek­to­ni­sche Gestal­tung des Hau­ses, indem sie zum Bei­spiel alle sicht­ba­ren Details ein­schließ­lich der Bepflan­zung der Vor­gär­ten, den Stil der Gar­ten­mö­bel oder Art und Anzahl von Haus­tie­ren fest­le­gen kön­nen. Auch das Leben und Ver­hal­ten der Bewoh­ner unter­liegt die­ser For­ma­li­sie­rung der sozia­len Kon­trol­le. Es gibt Fest­le­gun­gen zum Min­dest­al­ter der Bewoh­ner, Begren­zun­gen des Besuchs­rechts von Kin­dern sowie des Auf­ent­halts außer­halb des eige­nen Grund­stücks bei Nacht. Sogar das Küs­sen im Gemein­schafts­be­reich, Wäsche­auf­hän­gen im Vor­gar­ten, Auto­put­zen in der Gara­gen­zu­fahrt, das Anbrin­gen eines Bas­ket­ball­kor­bes usw. kann unter Umstän­den ver­bo­ten sein.

Ver­stö­ße gegen die­se Regeln kön­nen mit Rügen, Geld­bu­ßen oder Pfän­dung geahn­det wer­den. Bezeich­nen­der­wei­se wer­den in der Dis­ney-Stadt Cele­bra­ti­on Inte­gra­ti­ons­kur­se ange­bo­ten, die den Zuge­zo­ge­nen Wer­te und Ver­hal­tens­wei­sen nahe­brin­gen sol­len. Archi­tek­to­nisch wir­ken sich die­se Rege­lun­gen hem­mend auf die indi­vi­du­el­le Gestal­tung aus und erzwin­gen die Anpas­sung des Pri­va­ten an das kol­lek­ti­ve Umfeld bezie­hungs­wei­se den Stil der gemein­schaft­li­chen Anla­gen. Im Ergeb­nis führt dies zu einer (nicht immer unvor­teil­haf­ten) archi­tek­to­ni­schen Uni­for­mi­tät. Indi­vi­du­el­ler Geschmack kann sich in der mobi­len ame­ri­ka­ni­schen Mit­tel­stands­ge­sell­schaft, in der man ein Ein­fa­mi­li­en­haus durch­schnitt­lich drei Jah­re bewohnt, bei einem geplan­ten Haus­ver­kauf hem­mend oder zumin­dest preis­min­dernd auswirken.
Wie sich die Ent­ste­hung von pri­va­ten, geschlos­se­nen Wohn­an­la­gen auf die übri­ge Gesell­schaft aus­wir­ken wird, steht im Zusam­men­hang mit Grö­ße und Anzahl bzw. Ver­brei­tung die­ser Sied­lungs­form. Bei Umfra­gen geben 50 Pro­zent der Ame­ri­ka­ner an, in einer sol­chen leben zu wol­len. Zur Aus­brei­tung trägt auch bei, daß man mitt­ler­wei­le auch im Nied­rig preis­seg­ment ange­kom­men ist. In Sum­mer­lin, einer gated new town bei Las Vegas, wer­den über 200 ver­schie­de­ne Haus­mo­del­le ange­bo­ten. Die Prei­se begin­nen ab 130.000 Dol­lar, was sich auch jün­ge­re Casi­no-Ange­stell­te leis­ten kön­nen, und rei­chen bis zum Seg­ment über 500.000 Dol­lar für die wirk­lich Reichen.
Je mehr Men­schen sich mit­tels pri­va­ter Sied­lun­gen vom Sys­tem der öffent­li­chen Kom­mu­nen abschot­ten, um so grö­ßer wird das poli­ti­sche Gewicht ihrer Inter­es­sen­ver­tre­ter. Für staat­li­che Umver­tei­lungs­maß­nah­men, die vor allem den übrig­ge­blie­be­nen öffent­li­chen Kom­mu­nen nut­zen wür­den, in denen sich die unte­ren Klas­sen und Sozi­al­fäl­le kon­zen­trie­ren, wird es damit eng. Im Bestre­ben, nach außen mög­lichst wenig Steu­ern zu zah­len, kommt man den pri­va­ten Sied­lun­gen auch von öffent­li­cher Sei­te (wie zum Bei­spiel in Hous­ton und Kan­sas City) ent­ge­gen, da ihre wohl­ha­ben­den Bewoh­ner wenig kos­ten, aber dafür viel kon­su­mie­ren. Mitt­ler­wei­le sind etli­che pri­va­te Sied­lun­gen vom Staat als eigen­stän­di­ge Kom­mu­nen aner­kannt. Bedeut­sam erscheint dies auch im Hin­blick auf die loka­le Demo­kra­tie, da sich in den Haus­be­sit­zer­ver­ei­ni­gun­gen das Stimm­recht nicht nach der Anzahl der erwach­se­nen Bewoh­ner rich­tet. Statt des­sen gilt ent­we­der „eine Stim­me pro Haus­halt“ oder das Stimm­recht rich­tet sich nach dem Immo­bi­li­en­wert – nach dem Prin­zip: „one dol­lar – one vote“, wobei Mie­ter kein Stimm­recht besit­zen. Als „the most repre­sen­ta­ti­ve and respon­si­ve form of demo­cra­cy“ bezeich­net die Inter­es­sen­ver­tre­ter­ver­ei­ni­gung Com­mu­ni­ty Asso­cia­ti­on Insti­tu­te die­sen Umstand.
In den Sied­lun­gen kon­sti­tu­iert sich eine Lebens­sphä­re, die zwi­schen dem liegt, was sich als pri­vat oder öffent­lich defi­nie­ren läßt. Auf­grund ihrer ter­ri­to­ria­len Begrenzt­heit, der pri­vat­recht­li­chen Regu­lie­rung ihrer Benut­zung und des aus­ge­such­ten und quan­ti­ta­tiv bestimm­ba­ren Per­so­nen­krei­ses könn­ten die­se Anla­gen auch als Club oder gar „neo­li­be­ra­le Aus­prä­gun­gen von Gemein­schaft“ gedeu­tet werden.
Die Idee der Sicher­heits­zo­nie­rung von Städ­ten rückt damit auf die Tages­ord­nung. Das Leben der Mit­tel- und Ober­schicht ver­la­gert sich in abge­schie­de­ne Wohn­sied­lun­gen, zum Arbei­ten fährt man in Büro- und Gewer­be­parks und die Frei­zeit wird, wenn nicht zu Hau­se, dann in shop­ping­malls und The­men­parks ver­bracht, dazwi­schen bewegt man sich auf gesi­cher­ten high­ways. Damit zeich­net sich hori­zon­tal das Leit­bild der Groß­stadt­ent­wick­lung als Fli­cken­tep­pich aus pri­va­ten Sicher­heits­in­seln, umge­ben von „gefähr­li­chen Räu­men“ ab. Ver­ti­kal bil­den sich zwei Pole her­aus: die life­style & pres­ti­ge com­mu­ni­ties am obe­ren und die öffent­li­chen Räu­me als Armen­ghet­tos, Bür­ger­kriegs- und Plün­de­rungs­zo­nen am unte­ren Ende der sozia­len Hierarchie.

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