Machtarithmetik, Machtautismus (I)

Natürlich wittern die üblichen Verdächtigen die nächste Machtergreifung an allen Ecken und Enden; kennt man ja.

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Nun aber kon­zer­tiert und plan­voll von FPÖ und AfD gemein­sam – das ist neu, und damit bet­telt das öster­rei­chi­sche Blog “Kon­trast” um Klicks.

Das übri­gens schon seit einer Woche, aber offen­bar bis­lang nicht so erfolg­reich, daß sich die fro­he Kun­de son­der­lich weit ver­brei­tet hät­te. Gäbe es nicht mit Zufalls­al­go­rith­men arbei­ten­de Nach­rich­ten­sam­mel­sei­ten, wäre der Arti­kel auch an mir völ­lig vorbeigegangen.

Zum Inhalt in aller Kür­ze: »Der 7‑Punk­te-Plan: So will die FPÖ die Kon­trol­le im Staat erlan­gen«, ver­spricht die Über­schrift. Die Inter­net­adres­se des Arti­kels aller­dings, der soge­nann­te Slug, weist einen etwas ande­ren ursprüng­li­chen Titel aus, der den Ver­ant­wort­li­chen dann viel­leicht doch ein wenig zu sehr mit dem sprich­wört­li­chen Zaun­pfahl gewun­ken war…

So oder so ist natür­lich bei­des völ­li­ger Blöd­sinn, denn die FPÖ braucht nicht »nach der Macht« zu grei­fen oder sie erlan­gen zu wol­len – sie ist seit Dezem­ber 2017 Mit-Regie­rungs­par­tei, und als sol­che hat sie kraft des Wäh­ler­wil­lens die Macht ein­fach (zumin­dest einen Teil von ihr). Ob es den “kon­trast-rei­chen” Damen und Her­ren nun paßt oder nicht – Autorin Kath­rin Glö­sel ist ihrer­seits pri­vat wacke­re Kämp­fe­rin gegen Patri­ar­chat, Iden­ti­tä­re und noch vie­le ande­re hoh­le Phra­sen sowie für die Bröt­chen nie­de­re Pres­se- und Recher­che­mit­ar­bei­te­rin der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­la­ments­frak­ti­on in Wien, dem­entspre­chend also eher nicht mit o.g. Ver­hält­nis­sen einverstanden.

Damit ist die Kat­ze eigent­lich auch schon aus dem Sack, denn bei dem auf den ers­ten Blick unauf­fäl­li­gen Nach­rich­ten­por­tal “Kon­trast” han­delt es sich um eine Cor­po­ra­te-media-Publi­ka­ti­on der SPÖ, qua­si eine digi­ta­le Kun­den­zeit­schrift der öster­rei­chi­schen Sozi­al­de­mo­kra­tie. Um so drol­li­ger nimmt sich das Alarm­ge­schrei aus, das Frau Glö­sel nun über einen Stra­te­gie­vor­trag des ober­ös­ter­rei­chi­schen FPÖ-Man­da­tars Elmar Pod­gor­schek beim Unter­neh­mer­emp­fang der Thü­rin­ger AfD-Frak­ti­on anstimmt. Einen Vor­trag übri­gens, den die AfD selbst ver­öf­fent­licht hat – soviel also zur übli­chen Verschwörungsriecherei.

Net­ter­wei­se wird die Rede von Genos­sin Glö­sel gleich auf den ver­spro­che­nen »7‑Punk­te-Plan« (wohl mit dank­ba­rer Anleh­nung an ein­schlä­gi­ge Pro­gram­me mit 25 oder auch 14 Punk­ten) ein­ge­dampft, die sich für den unbe­darft-sozi­al­dem­li­chen Leser recht kühn ausnehmen:

1. Kabi­net­te und Unter­neh­men einfärben;
2. die Jus­tiz “umpo­len”;
3. den Ver­fas­sungs­schutz lahmlegen;
4. Bun­des­heer und Exe­ku­ti­ve auf Linie halten;
5. Medi­en kon­trol­lie­ren – kri­ti­sche Jour­na­lis­ten einschüchtern;
6. eige­ne Medi­en gründen;
7. als Eli­te über Eli­ten schimpfen

Gar schröck­lich; am bes­ten soll­ten die tap­fe­ren Recken von “Kon­trast” gleich geschlos­sen in den Unter­grund gehen. Wird aber wohl eher nicht pas­sie­ren, denn bis­lang lebt es sich im SPÖ-Par­la­ments­klub (den es trotz die­ses sinis­tren Plans aus irgend­wel­chen Grün­den immer noch gibt) anschei­nend doch ganz prima.

Spaß bei­sei­te: Erst ein­mal vom apo­ka­lyp­ti­schen Wort­ge­klin­gel befreit, sind die­se angeb­lich pro­jek­tier­ten Maß­nah­men natür­lich ganz selbst­ver­ständ­lich und völ­lig legi­tim. Abge­se­hen vom bekann­ten Grund­te­nor »Oh mein Gott Unter­gang der Demo­kra­tie weh­ret den Anfän­gen« geht es hier­bei, für den unauf­ge­reg­ten Leser unschwer erkenn­bar, doch um nichts wei­ter als das klei­ne Ein­mal­eins der Macht­kon­so­li­die­rung und ‑siche­rung einer regie­ren­den poli­ti­schen Kraft – es müs­sen ja nicht immer Par­tei­en sein.

Dem steht nun aller­dings die zumin­dest nach außen hin zur Schau gestell­te Auf­fas­sung der ehe­ma­li­gen Macht­ha­ber ent­ge­gen, wonach ihre eige­ne nun­mehr von der Oppo­si­ti­ons­bank aus betrie­be­ne Ver­tei­di­gung der media­len und ander­wei­ti­gen Luft­ho­heit “bedroht” sei, mit­hin eben kei­ne Macht­po­li­tik, son­dern viel­mehr ein Aus­druck der Frei­heit – der Frei­heit von meta­po­li­ti­scher Konkurrenz.

Dazu nun in die­sem Netz­ta­ge­buch die ein­schlä­gi­gen Ein­sich­ten Carl Schmitts etwa über soge­nann­ten Plu­ra­lis­mus oder legi­ti­me Macht­si­che­rung sowie spe­zi­ell für die Gemenge­la­ge bei “Kon­trast”, wo man sich natür­lich selbst für gänz­lich anders als etwa “Unzen­su­riert” oder die Zur Zeit hält, auch das hoch­in­ter­es­san­te Inne­re Pres­se­frei­heit als Ver­fas­sungs­pro­blem des Schmitt-Schü­lers Wer­ner Weber zu bemü­hen, ist als Bespie­len der übli­chen Kla­via­tur eigent­lich zu einfach.

Las­sen wir es also blei­ben und brin­gen sogar der hier viel­leicht mit­le­sen­den Kath­rin Glö­sel (sol­che Zeit-Genos­sen goo­geln regel­mä­ßig ihre eige­nen Namen) noch etwas Neu­es bei, indem wir den angeb­lich qua­si natio­nal­re­vo­lu­tio­nä­ren Geheim­tips des Elmar Pod­gor­schek spa­ßes­hal­ber einen hin­sicht­lich “his­to­ri­scher Ver­ant­wor­tung” und sons­ti­gem Bla­bla gänz­lich unver­däch­ti­gen Den­ker gegen­über­stel­len, der in den USA pos­tum u.a. durch sei­ne Adep­ten Barack Oba­ma und Hil­la­ry Clin­ton gro­ßen Ein­fluß gewon­nen hat und auch in der Alt­Right stark rezi­piert wur­de, aber im deutsch­spra­chi­gen Raum – abge­se­hen von ober­fläch­li­chem Nach­be­ten und Name-drop­ping – sträf­lich unbe­ach­tet geblie­ben ist, näm­lich Saul Alinsky.

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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