Haßfakten: Imperativ der Ungleichheit

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

1978 erschien mit 21jähriger Ver­zö­ge­rung die deut­sche Über­set­zung eines weg­wei­sen­den ame­ri­ka­ni­schen Buchs unter dem Titel Theo­rie der kogni­ti­ven Dis­so­nanz. Der Sozi­al­psy­cho­lo­ge Leon Fest­in­ger beschrieb dar­in einen psy­cho­lo­gi­schen Kom­pen­sa­ti­ons­me­cha­nis­mus, den er wäh­rend sei­ner Feld­for­schung in einer UFO-Sek­te beob­ach­tet hat­te: Beim Auf­tre­ten einer kogni­ti­ven Dis­so­nanz, also dem unan­ge­neh­men Gefühls­kon­flikt, daß die wahr­nehm­ba­re Wirk­lich­keit nicht mit per­sön­li­chen Erwar­tun­gen oder Glau­bens- und Wunsch­vor­stel­lun­gen in Über­ein­stim­mung zu brin­gen ist, blei­ben den betrof­fe­nen Indi­vi­du­en nur zwei Optio­nen – ent­we­der die eige­ne Mei­nung oder die aller ande­ren zu ändern.

Ins­be­son­de­re für Anhän­ger eines kon­kre­ten, geschlos­se­nen Welt­bilds kom­me nur die zwei­te Mög­lich­keit in Fra­ge, da ihre Anfüh­rer in aller Regel Unfehl­bar­keit für sich bean­spruch­ten; dem­ge­mäß neig­ten sie dazu, die Rea­li­tät mit allen Mit­teln in Rich­tung ihrer Glau­bens­sät­ze umzubiegen.

Was auf Erlö­sungs­re­li­gio­nen und Grup­pen von End­zeit­fa­na­ti­kern zutrifft, läßt sich ohne viel Phan­ta­sie auch auf poli­ti­sche Uto­pis­ten anwen­den: Wo immer die Hoff­nun­gen und Ver­spre­chun­gen auf eine mit »neu­en Men­schen« bevöl­ker­te »bes­se­re Welt« hin­aus­lau­fen, ist der Kon­flikt mit dem real exis­tie­ren­den mensch­li­chen »Män­gel­we­sen« (Arnold Geh­len) bereits vorprogrammiert.

Ins­be­son­de­re dort, wo die poli­tisch mach­ba­re Erzie­hungs­ar­beit an Gren­zen der Natur zu sto­ßen droht, wird des­halb meist zur oben genann­ten zwei­ten Mög­lich­keit gegrif­fen – die Tech­no­kra­ten der Gesell­schafts- und Mensch­heits­op­ti­mie­rung wer­den flugs zu Mora­lis­ten, wenn es dar­um geht, unwi­der­leg­ba­re natür­li­che Gege­ben­hei­ten für indis­ku­ta­bel zu befin­den oder in einem Kraft­akt der Pro­jek­ti­on als »sozia­le Kon­struk­te« wegzuerklären.

Ein offen­kun­di­ges Bei­spiel für die­ses Vor­ge­hen in der Bun­des­re­pu­blik lie­fert die Bevöl­ke­rungs­ent­wick­lung: Wäh­rend es über ein Vier­tel­jahr­hun­dert hin­weg gelang, die alar­mie­ren­den wis­sen­schaft­li­chen Pro­gno­sen von Robert Hepps End­lö­sung der Deut­schen Fra­ge (1988) bis hin zu Her­wig Birgs Die aus­ge­fal­le­ne Gene­ra­ti­on (2005) durch Beschwei­gen zu deckeln oder zumin­dest inner­halb des geschlos­se­nen Fach­dis­kur­ses zu hal­ten, hat­te ein »Pro­mi­nen­ter« des polit­me­dia­len Kom­ple­xes wenig Mühe, aus der bevöl­ke­rungs­päd­ago­gi­schen Dog­ma­tik aus­zu­bre­chen: Thi­lo Sar­ra­zins Deutsch­land schafft sich ab sorg­te 2010ff. für ein der­ar­ti­ges Erd­be­ben, weil sich hier Fleisch vom Flei­sche des Estab­lish­ments unver­hofft nicht an die Spiel­re­geln des eta­blier­ten Dis­kur­ses hielt.

Der Geist des voll­um­fäng­lich geschei­ter­ten Gesell­schafts­expe­ri­ments, der damit aus der Fla­sche war und dem Buch rasen­den Umsatz bescher­te, ließ sich wie­der­um nur noch durch mora­li­sie­ren­de Argu­men­te nach­hal­tig bän­di­gen: Gefühl­sur­tei­le wie »dumm und nicht wei­ter­füh­rend« (Ange­la Mer­kel) oder »sprach­lich so was von gewalt­tä­tig« (Sig­mar Gabri­el) stel­len so eine Scha­dens­be­gren­zungs­va­ri­an­te der berüch­tig­ten Sen­tenz Tho­mas de Maziè­res dar: »Ein Teil die­ser Ant­wor­ten wür­de die Bevöl­ke­rung verunsichern.«

Im eng­lisch­spra­chi­gen Raum, ins­be­son­de­re in den USA, ist man – wie so oft – auch dies­be­züg­lich bereits deut­lich wei­ter. Empi­ri­sche Befun­de, die das Gebot der Diver­si­ty des­avou­ie­ren, wer­den dort seit eini­gen Jah­ren ana­log zur Min­der­hei­ten­ge­füh­le ver­let­zen­den Hate speech als Hate facts bezeich­net und als Sakri­le­ge behan­delt. So erschien erst im Febru­ar die­ses Jah­res ein Buch des US-Anthro­po­lo­gen Jona­than M. Marks unter dem Titel Is Sci­ence Racist? (»Ist Wis­sen­schaft ras­sis­tisch?«); eine Fra­ge, die Marks als noto­ri­scher War­ner vor »pseu­do­wis­sen­schaft­li­chem« Sci­en­ti­fic racism für drin­gend gebo­ten hält.

Die Pogrom­stim­mung des eta­blier­ten aka­de­mi­schen Betriebs macht vor kei­nem noch so renom­mier­ten Abweich­ler halt: 2014 muß­te James Wat­son, immer­hin einer der bei­den Ent­de­cker des dop­pel­he­li­ka­len Auf­baus der DNA, im Alter von 86 Jah­ren sei­ne Nobel­preis­me­dail­le von 1962 ver­kau­fen. Wat­son hat­te sich 2007 im Gespräch mit der Sun­day Times beküm­mert dar­über geäu­ßert, daß die objek­tiv fal­sche poli­ti­sche Annah­me von der glei­chen Intel­li­genz aller Men­schen die Zukunfts­chan­cen Afri­kas stark ver­schlech­te­re, war dar­auf­hin zur aka­de­mi­schen »Unper­son« gewor­den und infol­ge­des­sen in gro­ße finan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten geraten.

Trotz der­art abschre­cken­der Bei­spie­le war und ist die anglo­pho­ne, (in bezug auf die eta­blier­ten Dis­kurs­gän­ge­lun­gen) »skep­ti­sche« Wis­sen­schafts­land­schaft beein­dru­ckend gut auf­ge­stellt. Dazu gehö­ren kon­tro­ver­se Psy­cho­lo­gen wie J. Phil­ip­pe Rush­ton (Ras­se, Evo­lu­ti­on und Ver­hal­ten, 2005; vgl. Sezes­si­on 71) oder Kevin Mac­Do­nald, des­sen alle Kon­ven­tio­nen spren­gen­des Werk The Cul­tu­re of Cri­tique (1998, dt. 2013; vgl. Sezes­si­on 55) als Grund­la­ge der gegen­wär­ti­gen rech­ten Kul­tur- und Medi­en­kri­tik in den USA gel­ten kann.

Tat­säch­lich kon­sti­tu­ie­ren die soge­nann­ten Race rea­lists, also die­je­ni­gen For­scher, Publi­zis­ten und Akti­vis­ten, die das Schön­re­den und Weg­lü­gen aller beweis­ba­ren Ras­sen­un­ter­schie­de ableh­nen, mitt­ler­wei­le einen gan­zen non­kon­for­men Wis­sen­schafts­be­trieb: den der Human bio­di­ver­si­ty (kurz HBD), mit wel­chem Ter­mi­nus einer­seits ein Buch­ti­tel des oben genann­ten Jona­than Marks von 1995 augen­zwin­kernd auf­ge­grif­fen und ande­rer­seits das gän­gi­ge Schlag­wort der Diver­si­ty, der Viel­falt, als eben bio­lo­gisch deter­mi­niert und nicht nach Belie­ben gesell­schaft­lich form­bar gegen sei­ne Urhe­ber in Stel­lung gebracht wird.

Eine her­aus­ra­gen­de Stel­lung kommt hier­bei dem New Yor­ker Phi­lo­so­phie­pro­fes­sor Micha­el Levin zu, des­sen empi­ris­ti­sches Grund­la­gen­werk Why Race Mat­ters. Race Dif­fe­ren­ces and What They Mean 1997 nur in einer sehr klei­nen Auf­la­ge erschien und erst 2005 weit­läu­fig zugäng­lich gemacht wur­de. Bereits im Vor­wort redet Levin Tache­les: Das meis­te, was im aka­de­mi­schen Bereich und dar­über hin­aus über Ras­sen­an­ge­le­gen­hei­ten zu hören sei, sei »wenig bes­ser als Astro­lo­gie« und zie­he ähn­lich lan­ge und gewun­de­ne Begrün­dun­gen für unent­weg­te Irr­tü­mer nach sich – und der Grund dafür sei­en die ideo­lo­gi­schen Scheu­klap­pen, die sich die eigent­lich der Wahr­heit ver­pflich­te­te Wis­sen­schaft habe ver­pas­sen lassen.

Er selbst schi­cke sich nun statt des­sen an, das gesam­te Ras­sen­n­ar­ra­tiv der vor­an­ge­gan­ge­nen 60 Jah­re »sturm­reif zu schie­ßen«, und zwar ins­be­son­de­re durch Unter­stüt­zung der The­se, daß Intel­li­genz zum aller­größ­ten Teil erb­lich sei und ver­schie­de­ne Völ­ker dem­ge­mäß ver­schie­de­ne Durch­schnitts-IQs hät­ten. Die­se The­se samt ihrer fun­da­men­ta­len gesell­schaft­li­chen und kul­tu­rel­len Impli­ka­tio­nen war bereits 1994 vom Poli­to­lo­gen Charles Mur­ray und dem Psy­cho­lo­gen Richard Herrn­stein in ihrem gemein­sa­men, eben­so kon­tro­vers auf­ge­nom­me­nen wie ein­fluß­rei­chen Buch The Bell Cur­ve für das Gebiet der Ver­ei­nig­ten Staa­ten auf­ge­stellt worden.

Für den euro­päi­schen Raum ist mit Fug und Recht der eme­ri­tier­te bri­ti­sche Psy­cho­lo­gie­pro­fes­sor Richard Lynn als Vor­rei­ter des HBD-Stand­punkts zu bezeich­nen. Lynn hat im Lau­fe von 50 Jah­ren über 200 Fach­ar­ti­kel und ein knap­pes Dut­zend Bücher über eth­ni­sche Intel­li­genz­un­ter­schie­de ver­öf­fent­licht und ist Lei­ter des Uls­ter Insti­tu­te for Social Rese­arch in Nord­ir­land, das auch einen Gut­teil sei­ner Wer­ke – oft gemein­sam mit dem fin­ni­schen Poli­tik­pro­fes­sor Tatu Vanha­nen – ver­legt hat – dar­un­ter auch in über­ar­bei­te­ter Auf­la­ge das wohl kon­tro­ver­ses­te: Dys­ge­nics. Gene­tic Dete­rio­ra­ti­on in Modern Popu­la­ti­ons (zuerst 1996), wel­ches die Geschich­te der Euge­nik seit dem frü­hen 19. Jahr­hun­dert und die durch die expo­nen­ti­el­le Ver­bes­se­rung der Lebens­be­din­gun­gen seit­her ein­ge­tre­te­ne evo­lu­tio­nä­re Nega­tiv­se­lek­ti­on zum The­ma hat. Lynns unbe­strit­te­nes Meis­ter­werk ist jedoch das in den USA erschie­ne­ne Race Dif­fe­ren­ces in Intel­li­gence. An Evo­lu­tio­na­ry Ana­ly­sis (2. über­arb. Aufl. 2015), die bis heu­te umfang­reichs­te Bestands­auf­nah­me der welt­weit ver­füg­ba­ren Daten über kogni­ti­ve Fähigkeiten.

Von beträcht­li­cher Bedeu­tung für die Resi­li­enz der HBD sind die zahl­rei­chen klei­ne­ren Fach- und Theo­rie­zeit­schrif­ten, die sich kei­ner­lei poli­tisch kor­rek­ten Sprach­re­ge­lun­gen unter­wer­fen und so als Vek­to­ren des als Hate facts geschmäh­ten Wis­sens fun­gie­ren. Zu nen­nen sind vor allem die US-Peri­odi­ka The Occi­den­tal Quar­ter­ly mit Kevin Mac­Do­nald als Chef­re­dak­teur und Richard Lynn als wis­sen­schaft­li­chem Bei­rat sowie Ame­ri­can Renais­sance von Jared Tay­lor (vgl. Sezes­si­on 69). Im Ver­ei­nig­ten König­reich erscheint bereits seit 1961 die anthro­po­lo­gi­sche Vier­tel­jahrs­schrift Man­kind Quar­ter­ly, gelei­tet vom deut­schen Bio­che­mi­ker Ger­hard Mei­sen­berg mit aber­mals Richard Lynn als sei­nem Stellvertreter.

Und in Deutsch­land? Hier sind der Gene­ti­ker und Sozi­al­his­to­ri­ker Volk­mar Weiss (vor allem mit Die IQ-Fal­le. Intel­li­genz, Sozi­al­struk­tur und Poli­tik, 2000) sowie der Anthro­po­lo­ge Andre­as Von­der­ach (ins­bes. Sozi­al­bio­lo­gie. Geschich­te und Ergeb­nis­se, 2012; dem­nächst Gab es Ger­ma­nen?) zu nen­nen. Was das alles soll? Der HBD-Frak­ti­on geht es ins­be­son­de­re um einen grund­le­gen­den Wan­del in der Real­po­li­tik, weg von ega­li­tä­ren Phan­tas­te­rei­en, die nur Span­nun­gen ver­schär­fen, und hin zu einer geziel­ten – und empi­risch fun­dier­ten – Ungleich­be­hand­lung. Den poli­ti­schen Nenn­wert der Hate facts beschreibt Micha­el Levin am prägnantesten:

Erst zu bestim­men, was fair sei, und dann auf die­ser Grund­la­ge die bestehen­den gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se zu atta­ckie­ren, zäumt das Pferd von hin­ten auf. Die rich­ti­ge Vor­ge­hens­wei­se ist, zuerst die Fak­ten zu prü­fen und in ihrem Licht den Zustand der Gesell­schaft zu beurteilen.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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