Diese recht simple Parole speist sich gleichermaßen aus der auch von D’Souza aufgegriffenen Unterstützung der Sklaverei durch die frühen Demokraten als auch aus der Annahme, daß die modernen Demokraten Minderheiten durch Wohlfahrtsprogramme auf einem minderwertigen Lebensstandard hielten, statt sie zur Selbsthilfe zu animieren. Entgegen der landläufigen Ansicht war sie jedoch nie an die urbane schwarze Bevölkerung als mögliche Klientel gerichtet, sondern sollte ursprünglich vor allem zur Rückversicherung der republikanischen Wählerbasis dienen.
Diese war im Zuge der nach Bürgerrechtsbewegung und erzwungener Desegregation seit den 1970ern vermehrt einsetzenden White-flight-Absetzungsbewegung der weißen Bevölkerung hinaus aus städtischen Ballungsräumen und hinein in die Vorstädte subjektiv anfälliger für den Rassismusvorwurf geworden (der mindestens in der Form des sogenannten Umweltrassismus bis heute fortbesteht, wonach Schwarze und Hispanics etwa deutlich häufiger in der Nähe von Mülldeponien leben würden als Weiße).
Man mag dieses simpel gestrickte Narrativ belächeln; es hat jedoch einen nahen Verwandten in der scheinbaren Binsenweisheit, daß heute Linke und Antifa die »neuen« oder »wahren« Faschisten seien. Dieser gedankliche Kurzschluß ist sehr bequem für jeden, der sich als Opfer von Unterdrückung durch diese politischen Gruppen sieht. Gleichzeitig bietet man dem Gegner damit eine weit offene Flanke, weil sich die unzulässigen Verkürzungen und Kategorienfehler des »Arguments« – falsche Gleichbehandlung von Gesellschaftsformen (Faschismus, Nationalsozialismus) und Staatsformen (Demokratie) sowie politischen Philosophien (Liberalismus) und internationalrechtlichen Phrasen (Menschenrechte), die jeweils unterschiedlichen semantischen und politischen Feldern angehören und einander überhaupt nicht berühren – leicht ausnutzen lassen. Das gilt im Umkehrschluß natürlich ebenso für den Faschismusvorwurf von links, der jedoch in der Regel unhinterfragt bleibt. Alle polemische Sophisterei tritt jedoch in den Hintergrund, wo eine derart eindimensionale Weltsicht wissenschaftlich unterfüttert wird.
Das beschriebene »Mein Gegner ist der (wahre) Faschist« findet sich in der Politiktheorie in Form des sogenannten Hufeisenmodells, das das traditionelle Achsenmodell von links bis rechts aufgrund seiner »zu starken Vereinfachung« zu einem nach unten geöffneten Kreis umbiegt – diese graphische Darstellung soll insbesondere verdeutlichen, daß die politischen Ränder (die »Extreme«) einander wesentlich näher stünden als der Mitte, intellektuell gern in die Blaise Pascals Pensées entlehnten Worte »Die Extreme berühren sich« gekleidet. Dieser Verbildlichung des Verhältnisses politischer Einstellungen zueinander wird naturgemäß jeder instinktiv zustimmen, der sich selbst zur bürgerlichen (liberalen) »Mitte« zählt und eine Abneigung gegenüber Gewalt hegt.
Von Linksauslegern hingegen wird sie auf zweierlei Weise attackiert: Einerseits beinhalte sie eine unzulässige Gleichsetzung gewisser handfester Methoden, ohne dabei zu beachten, daß es Linksextremisten in letzter Instanz um den Schutz und die Gleichberechtigung von Menschen gehe, während Rechtsextremisten im Gegenteil auf Unfreiheit, Diskriminierung und »gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit« ausseien. Andererseits sei sie eine Falschdarstellung zum Machterhalt der in Wahrheit selbst latent »faschistischen« bürgerlichen Gesellschaft – das Hufeisen wird dabei quasi um 90 Grad im Uhrzeigersinn gedreht, so daß die Lücke im Ring (das gänzlich aus dem politischen Spektrum Herausfallende) die radikale Linke trifft und auf der gegenüberliegenden Seite Anlaß für die Rede vom »Extremismus der Mitte« gegeben ist.
Daß das Hufeisenmodell zum Machterhalt der »Mitte« dient, springt spätestens auf den zweiten Blick ins Auge. Um so verwunderlicher ist es, daß nur wenig Kritik daran von rechts laut geworden ist. Das mag aus der grundsätzlichen Neigung Konservativer und klassischer Rechter zum Bürgertum herrühren. Die Notwendigkeit dieser Kritik wird gleichwohl immer drängender, da die »Mitte« aufgrund fortschreitender Destabilisierung ihres ehemals als Ende der Geschichte bejubelten (Welt-)Gesellschaftsmodells zunehmend um sich schlägt.