Tabubruch und Zukunftsszenario

pdf der Druckfassung aus Sezession 12 / Januar 2006

sez_nr_12von Andreas Vonderach

Anthropologie ist wieder in Mode. Lange Zeit aus der Öffentlichkeit verbannt, hat sich das Thema der Unterschiede zwischen den Völkern und Kulturen wieder einen festen Platz in den Wissenschaftsspalten der Zeitungen erobert. Dieser neuen Aufmerksamkeit tragen zwei vor wenigen Monaten erschienene Übersetzungen aus dem Amerikanischen Rechnung.


Der Ares Ver­lag in Graz hat das Buch Ras­se, Evo­lu­ti­on und Ver­hal­ten des kana­di­schen Psy­cho­lo­gen J. Phil­ip­pe Rush­ton her­aus­ge­bracht (Graz und Stutt­gart, geb, 416 S., 34.90 €). Von allen eta­blier­ten Wis­sen­schaft­lern, die sich mit Ras­sen­un­ter­schie­den beschäf­ti­gen, gilt Rush­ton als der anstö­ßigs­te. In sei­ner „Theo­rie der gene­ti­schen Ähn­lich­keit“ wei­te­te er das aus der Sozio­bio­lo­gie bekann­te Kon­zept der gene­tisch begrün­de­ten Ver­wand­ten­be­vor­zu­gung auch auf eth­ni­sche Grup­pen aus. Das heißt nicht weni­ger, als daß die Bevor­zu­gung der eige­nen Grup­pe und die Ableh­nung frem­der Ras­sen (auch) eine gene­ti­sche Wur­zel hat. Unmit­tel­bar aus den sozio­bio­lo­gi­schen Prä­mis­sen abge­lei­tet, trifft die­se Theo­rie unter Bio­lo­gen inzwi­schen zuneh­mend auf Akzep­tanz. Noch weit­aus bri­san­ter ist Rush­tons bereits 1984 for­mu­lier­te „dif­fe­ren­ti­el­le K‑Theorie“. Danach wird das aus der Tier-Sozio­bio­lo­gie stam­men­de Kon­zept unter­schied­li­cher Repro­duk­ti­ons­stra­te­gien, der r- und der K‑Strategie, auf den Men­schen ange­wandt. Die r‑Strategie besteht dar­in, mög­lichst vie­le Nach­kom­men zu zeu­gen, in deren Auf­zucht aber nur wenig zu inves­tie­ren. Arten, die die r‑Strategie ver­fol­gen, haben eine rasche Indi­vi­du­al­ent­wick­lung, eine kür­ze­re Lebens­span­ne, sind früh sexu­ell aktiv und weni­ger intel­li­gent. Bei der ent­ge­gen­ge­setz­ten K‑Strategie geht es dar­um, nur weni­ge Nach­kom­men zu zeu­gen, aber viel in deren Auf­zucht zu inves­tie­ren. Zoo­lo­gen haben gra­du­el­le Unter­schie­de hin­sicht­lich des r / K‑Kontinuums auch bei unter­schied­li­chen Varie­tä­ten (Ras­sen) von Arten gefun­den. Der Mensch ist ein extre­mer Ver­tre­ter der K‑Strategie. Nach Rush­ton bestehen auch zwi­schen den Haupt­ras­sen des Men­schen ten­den­zi­el­le Unter­schie­de. So wer­den Negri­de ver­hält­nis­mä­ßig früh geschlechts­reif, bekom­men klei­ne­re Babys, die sich als Kin­der schnel­ler ent­wi­ckeln, sind extra­ver­tier­ter, sexu­ell akti­ver, haben mehr Tes­to­ste­ron und grö­ße­re Geni­ta­li­en. Auf der ande­ren Sei­te ste­hen die Mon­go­li­den (Asia­ten), die weni­ger sexua­li­siert sind, klei­ne­re Geni­ta­li­en und weni­ger Tes­to­ste­ron haben, intro­ver­tier­ter sind und den höchs­ten durch­schnitt­li­chen IQ auf­wei­sen. Die Euro­p­i­den neh­men eine Mit­tel­stel­lung zwi­schen Negri­den und Mon­go­li­den ein. Die IQ-Unter­schie­de zwi­schen den Ras­sen wer­den von Rush­ton somit als im Zuge von unter­schied­li­chen Repro­duk­ti­ons­stra­te­gien evo­lu­iert ange­se­hen. Die stär­ke­re KPrä­gung der Euro­pä­er und Ost­asia­ten sei als Anpas­sung an das eis­zeit­li­che Kli­ma Nordeu­ra­si­ens nach der Aus­wan­de­rung aus Afri­ka entstanden.
Kein Wun­der, daß Rush­tons Theo­rie weit­hin mit Empö­rung auf­ge­nom­men wur­de und er zum „Pro­fes­sor of hate“ avan­cier­te. Die in der wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on gegen die dif­fe­ren­ti­el­le K‑Theorie vor­ge­brach­ten Ein­wän­de konn­ten zwar die ihr zugrun­de lie­gen­den Fak­ten und auch die Logik ihrer Argu­men­ta­ti­on nicht wider­le­gen, wohl aber ihre Reich­wei­te in Fra­ge stel­len. So sind die von Rust­hon ange­führ­ten Heri­ta­bi­li­täts- und Kor­re­la­ti­ons­ko­ef­fi­zi­en­ten oft nicht sehr hoch. Und wenn auch die Erb­lich­keit der Intel­li­genz gesi­chert ist, so ist es doch beim gegen­wär­ti­gen Stand der For­schung nicht mög­lich zu sagen, wie stark jeweils die Gene oder die Umwelt zu den Popu­la­ti­ons­un­ter­schie­den bei­tra­gen. Gleich­zei­tig ist die Varia­bi­li­tät inner­halb von Bevöl­ke­run­gen grö­ßer als die Unter­schie­de zwi­schen ihnen. Und so sicher das Sexu­al­ver­hal­ten eine gene­ti­sche Grund­la­ge hat, so sicher ist auch sei­ne star­ke Prä­gung durch kul­tu­rel­le Ein­flüs­se. Letzt­lich geht es Rush­tons Theo­rie wie den meis­ten auf den Men­schen ange­wand­ten Theo­rien der Sozio­bio­lo­gie: Sie hat ihre Plau­si­bi­li­tät, ist aber kaum beweis­bar. Wer im Zusam­men­hang gesell­schaft­li­cher Fra­gen auch gene­ti­sche Sach­ver­hal­te berück­sich­ti­gen will, ist bes­ser bera­ten, die dif­fe­ren­ti­el­le K‑Theorie bei­sei­te zu las­sen, will er nicht in die Lage kom­men, mit der Hoden­grö­ße argu­men­tie­ren zu müssen.

Das ande­re Buch stammt von dem ame­ri­ka­ni­schen Geo­gra­phen und Gene­ti­ker Jared Dia­mond. Der hat bereits mit sei­nem Buch Arm und Reich auf ein­drucks­vol­le Wei­se gezeigt, wie eine kau­sa­le und nicht bloß deskrip­ti­ve Uni­ver­sal­ge­schich­te aus­se­hen kann. In sei­nem neu­en Buch Kol­laps. War­um Gesell­schaf­ten über­le­ben oder unter­ge­hen (Frank­furt a. M.: S. Fischer, 703 S., geb, 22.90 €) geht er der Fra­ge nach, wel­che Ursa­chen zum Zusam­men­bruch von Gesell­schaf­ten füh­ren und war­um es ande­ren Gesell­schaf­ten gelingt zu über­le­ben. Sei­ne Metho­de ist die ver­glei­chen­de. In meh­re­ren Kapi­teln beschreibt er den Wer­de­gang ein­zel­ner Kul­tu­ren. Er nennt fünf Fak­to­ren, die für das Über­le­ben von Kul­tu­ren aus­schlag­ge­bend sind: Umwelt­schä­den, Kli­ma­ver­än­de­run­gen, feind­li­che Nach­barn und fried­li­che Han­dels­kon­tak­te zu Nach­bar­völ­kern. Der fünf­te Fak­tor schließ­lich ist die Fähig­keit der Gesell­schaft, auf Ver­än­de­run­gen bei die­sen Fak­to­ren zu reagie­ren. In ein­präg­sa­mer Wei­se schil­dert Dia­mond, wie zum Bei­spiel die Oster­in­su­la­ner ihre Lebens­grund­la­ge durch die Ent­wal­dung ihrer Insel selbst rui­nier­ten. Auch die Wikin­ger auf Grön­land waren nicht in der Lage, auf die Ver­schlech­te­rung des Kli­mas zu reagie­ren und von der öko­lo­gisch ange­paß­ten Lebens­wei­se der Inu­it (Eski­mo) zu ler­nen. Sie bezahl­ten das Fest­hal­ten an ihrer Lebens­wei­se als euro­päi­sche Getrei­de- und Rin­der­bau­ern mit dem Unter­gang. Den Bei­spie­len für geschei­ter­te Gesell­schaf­ten stellt Dia­mond posi­ti­ve Bei­spie­le ent­ge­gen. So erkann­ten die Bewoh­ner der Süd­see­insel Tik­o­pia die zer­stö­re­ri­sche Wir­kung des aus ihrer ursprüng­li­chen Hei­mat mit­ge­brach­ten Schweins und ret­te­ten mit sei­ner Abschaf­fung die Lebens­grund­la­ge ihrer Insel. Auf ähn­li­che Wei­se gelang es im Japan der Toku­ga­wa-Zeit, die Ent­wal­dung und das Bevöl­ke­rungs­wachs­tum zu stop­pen. Dort ent­wi­ckel­te man eine nach­hal­ti­ge Forstwirtschaft.
Was aber befä­higt Gesell­schaf­ten dazu, sich zu einer nach­hal­ti­gen, die eige­nen Lebens­grund­la­gen scho­nen­den Wirt­schafts­wei­se durch­zu­rin­gen, und was läßt sie an die­ser Auf­ga­be schei­tern? Dia­mond sieht den ent­schei­den­den Fak­tor in der Fähig­keit von Gesell­schaf­ten, zen­tra­le Wer­te zu über­den­ken und sich nöti­gen­falls von nicht mehr funk­tio­na­len Wer­ten zu tren­nen. Fatal wird es zudem, wenn Ober­schich­ten sich von der Gesamt­ge­sell­schaft abschot­ten und nur noch ihre eige­nen Inter­es­sen ver­fol­gen. Damit erkau­fen sie sich nur das Pri­vi­leg, als letz­te zu hun­gern und zu ster­ben. Dia­mond beschränkt sich nicht auf his­to­ri­sche Bei­spie­le. Zum Bei­spiel erklärt er plau­si­bel, wie der Völ­ker­mord von Ruan­da mit dem dor­ti­gen Bevöl­ke­rungs­wachs­tum zusam­men­hängt. Er sieht in dem Aus­maß der öko­lo­gi­schen Belas­tung und des Bevöl­ke­rungs­drucks die bes­ten Vor­her­sa­ge­kri­te­ri­en für den Zusam­men­bruch von Gesell­schaf­ten, Bür­ger­krie­ge und Völ­ker­mord. Heu­te besteht erst­mals die Gefahr eines welt­wei­ten Zusam­men­bruchs. Bevöl­ke­rungs­wachs­tum und Umwelt­zer­stö­rung sind „Zeit­bom­ben, deren Zün­der auf weni­ger als 50 Jah­re ein­ge­stellt sind“. Selbst wenn die größ­ten Kata­stro­phen auf die Ent­wick­lungs­län­der begrenzt blei­ben soll­ten, erwar­ten den Wes­ten doch ein Rück­gang sei­nes Lebens­stan­dards, chro­ni­scher Ter­ro­ris­mus, Krie­ge und Krankheitsepidemien.
Jared Dia­mond hat zwei­fel­los ein wich­ti­ges Buch geschrie­ben. An der Schlüs­sig­keit sei­ner Argu­men­ta­ti­on kann mei­nes Erach­tens kein Zwei­fel bestehen. Auch dürf­te das von ihm ent­wor­fe­ne Zukunfts­sze­na­rio kaum zu pes­si­mis­tisch sein. Eine gewis­se poli­tisch kor­rek­te Ein­sei­tig­keit ist den­noch nicht zu ver­ken­nen. So unter­schätzt Dia­mond die Gefah­ren, die sich aus den gerin­gen Gebur­ten­ra­ten der Indus­trie­län­der und der gleich­zei­ti­gen Mas­sen­ein­wan­de­rung erge­ben, völ­lig. Und zu den von ihm als güns­ti­ge Bedin­gun­gen nach­hal­ti­gen Wirt­schaf­tens genann­ten Fak­to­ren gehö­ren auch zwei, die er dann in sei­nem Resü­mee nicht mehr her­vor­hebt. Das sind die Kon­ti­nui­tät einer Gesell­schaft – man muß damit rech­nen kön­nen, daß einst die Kin­der die Früch­te der eige­nen Arbeit ern­ten dür­fen – und ihre eth­ni­sche und kul­tu­rel­le Homo­ge­ni­tät. Bei­des sind Fak­to­ren, die unter den Bedin­gun­gen der Glo­ba­li­sie­rung zuneh­mend verlorengehen.

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