Tarantino in Berlin

Letzte Woche hatte Quentin Tarantinos neues Spektakel "Inglourious Basterds" Deutschland-Premiere in Berlin.  Laut einem Bericht der Welt gab es begeisterten Beifall für Tarantino, Brad Pitt und seine versammelten deutschen collabos, darunter Christoph Waltz, Till Schweiger, Daniel Brühl und August Diehl.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Die begeis­ter­te Auf­nah­me ist zwar nicht gera­de über­ra­schend, hin­ter­läßt aber doch einen selt­sa­men Nach­ge­schmack, wenn man bedenkt, daß Taran­ti­nos Film von einer jüdi­schen Kil­ler­trup­pe han­delt, die im besetz­ten Frank­reich aus dem Hin­ter­halt deut­sche Sol­da­ten (also “Nazis”, was im Film alter­nie­rend mit “ger­mans” ver­wen­det wird) abschlach­tet, ver­stüm­melt und skal­piert, um die Wehr­macht zu demo­ra­li­sie­ren. Eli Roth, einer der mit­wir­ken­den Schau­spie­ler und Regis­seur des ultra­sa­dis­ti­schen Mach­werks “Hos­tel” sprach gar von einer lust­vol­len jüdi­schen Rachefan­ta­sie,  und nann­te den Film lau­nig “kos­her porn” (“kosche­rer Porno”).

Der seit Anfang des Jah­res im Netz kur­sie­ren­de Trai­ler erweck­te den Ein­druck einer Neu­auf­la­ge von “Das dre­cki­ge Dut­zend”: ein Action­spek­ta­kel mehr, in dem kuh­le Amis die bösen Krauts rei­hen­wei­se kil­len. Das guckt man auch im Deutsch­land des Jah­res 2009 ger­ne und weit­ge­hend ohne Wider­spruch. Über­spitzt: die Enkel der Unter­wor­fe­nen mamp­fen belus­tigt ihr Pop­corn, wäh­rend ihre Groß­vä­ter auf der Lein­wand als schur­ki­sche Schieß­bu­den­fi­gu­ren vor­ge­führt und rei­hen­wei­se abge­murkst wer­den, wie einst die India­ner von John Wayne.

Die Main­stream­pres­se hat die­sen Aspekt mit kei­nem Wort in Fra­ge gestellt. Spä­tes­tens seit Lee Mar­vin & Co hat auch der deut­sche Michel gelernt, der­glei­chen mit Lust zu schlu­cken, hand­le es sich um Trash wie “India­na Jones” oder um die “erns­te­re” Vari­an­te a la “Der Sol­dat James Ryan”.  Die affek­ti­ve Dis­so­zi­ie­rung der Deut­schen von sich selbst hat sich nicht zuletzt dank Hol­ly­wood so tief ver­an­kern kön­nen. Das war nicht immer so: noch in den Fünf­zi­ger Jah­ren war die Iden­ti­fi­ka­ti­on des Publi­kums mit der Gene­ra­ti­on des Welt­kriegs sehr stark. Anfang der Sech­zi­ger ver­schwan­den die Land­ser-Fil­me all­mäh­lich aus den Kinos, und wur­den durch US-Pro­duk­te ersetzt, die auch qua­li­ta­tiv viel bes­ser waren.

In den Kom­men­tar­spal­ten der gro­ßen Inter­net­por­ta­le kann man indes­sen nach­le­sen, daß ein Film wie “Ing­lou­rious Bas­ter­ds” vie­le Deut­sche doch noch zu schmer­zen ver­mag. Die Stim­mung ist emo­tio­nal, gereizt, und es hagelt wech­sel­sei­ti­ge Belei­di­gun­gen der Dis­kus­si­ons­teil­neh­mer. Das Aus­maß der feh­len­den his­to­ri­schen Bil­dung springt dabei eben­so ins Auge, wie die Hef­tig­keit der Affek­te. An den bis dato 25 Leser­sei­ten unter dem Pre­mie­ren­be­richt der Welt, kann man able­sen, wie Geschichts­po­li­tik und emo­tio­na­ler Haus­halt nach­hal­tig inein­an­der­spie­len, und das auf brei­ter Basis.  Die Fra­ge etwa nach der Allein­kriegs­schuld Deutsch­lands greift durch­aus in das Leben und Selbst­ver­ständ­nis des Ein­zel­nen hin­ein, mal mehr, mal weni­ger stark – und sum­miert sich zur kol­lek­ti­ven see­li­schen Ver­fas­sung eines gan­zen Volkes.

Es macht mir Hoff­nung bezüg­lich der Abwehr­kräf­te des deut­schen Michels, daß der Tenor der Kom­men­ta­re über­wie­gend nega­tiv, zum Teil rich­tig­ge­hend ange­wi­dert ist:  wären die hin­ge­schlach­te­ten und skal­pier­ten Sol­da­ten kei­ne Deut­schen und kei­ne “Nazis”, dann wür­de man den Film zu Recht als “men­schen­ver­ach­ten­des” Mach­werk einstufen.

Ich möch­te hier etwas Was­ser in den Wein gie­ßen. Selbst habe ich den Film noch nicht gese­hen, ken­ne aber das Dreh­buch, das seit Mona­ten im Netz kur­siert, und ver­mu­te, daß der Blog­ger des Rhei­ni­schen Mer­kur ins Schwar­ze getrof­fen hat:

… Quen­tin Taran­ti­nos mit viel „Ger­man Money“ pro­du­zier­ter Film ist weder beson­ders blut­rüns­tig noch jene cine­as­ti­sche Offen­ba­rung, die man durch die Vor­be­richt­erstat­tung erwartete.

Der Film ist eine Gro­tes­ke, ange­sie­delt irgend­wo zwi­schen „Der gro­ße Dika­tor“ und „The Sear­chers“, mit zahl­lo­sen film­his­to­ri­schen Anlei­hen von „Metro­po­lis“ über Leni Rie­fen­stahl bis zum Spa­get­thi-Wes­tern und einem über­ra­gen­den Chris­toph Waltz als SS-Gene­ral Hans Landa, dem der Film auf den Leib geschrie­ben scheint. (…)

Mit der rea­len His­to­rie hat nicht nur das Ende nichts zu tun; jede ein­zel­ne Ein­stel­lung trägt qua­si den unsicht­ba­ren Stem­pel „Vor­sicht, Film!“…

Das ent­spricht ziem­lich genau mei­nem Ein­druck von dem Dreh­buch. Weit ent­fernt davon, alle Deut­schen zu dif­fa­mie­ren, bewe­gen sich die meis­ten Figu­ren des Films in einer italowes­tern­ar­ti­gen Grau­zo­ne: wäh­rend sich etwa unter den “Bas­ter­ds” wasch­ech­te Psy­cho­pa­then und Gal­gen­vö­gel fin­den, ist Dani­el Brühl als jun­ger deut­scher Offi­zier, der im Stil Audie Mur­phys zum Kriegs(film)helden wird, über wei­te Stre­cken durch­aus sym­pa­thisch gezeich­net. Und vie­le Kri­ti­ker beto­nen, wie sehr Chris­toph Waltz als kul­ti­viert-dia­bo­li­scher Schur­ke allen ande­ren die Schau stiehlt.  Schwar­zer Humor und zahl­lo­se cine­as­ti­sche Anspie­lun­gen beto­nen das Künst­li­che, den “Camp”-Charakter des Films, des­sen refe­ren­zi­el­ler Kos­mos sich weni­ger aus der Geschich­te selbst als den tau­sen­den Fil­men ablei­tet, die sie geplün­dert haben.  Da sind die “Nazis” als Schur­ken auch nichts wei­ter als eine Gen­re-Kon­ven­ti­on, mit der Taran­ti­no iro­nisch spielt.  Der “geschichts­po­li­ti­scher Aspekt” von “Bas­ter­ds” soll­te also wohl nicht über­schätzt werden.

Dafür spricht auch die pro­vo­ka­ti­ve Unbe­küm­mert­heit, mit der Taran­ti­no anläß­lich der Deutsch­land-Pre­mie­re von “Bas­ter­ds” von Leni Rie­fen­stahl (“die bes­te Regis­seu­rin die jemals leb­te”) schwärm­te und sogar ein gutes Wort für die Film­pro­duk­ti­on der NS-Zeit fand:

Taran­ti­no schätzt auch vie­le der unter Goeb­bels’ Auf­sicht pro­du­zier­ten deut­schen Spiel­fil­me: “Wenn man sich nur die deut­schen Fil­me bis 1945 ansieht, merkt man kaum, dass Krieg herrschte.”

Es sei kei­nes­wegs so, dass die meis­ten der mehr als 800 Strei­fen, die in jenen Jah­ren gedreht wor­den sei­en, Pro­pa­gan­da­wer­ke wie “Der ewi­ge Jude” oder “Jud Süß” gewe­sen seien.

Es habe auch vie­le Komö­di­en, Ope­ret­ten, Lie­bes­ge­schich­ten und Melo­dra­men gege­ben. “Eini­ge die­ser Fil­me waren ziem­lich gut”, sag­te Tarantino.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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