Eurabien

pdf der Druckfassung aus Sezession 11 / Oktober 2005

sez_nr_11von Wiggo Mann

Im April letzten Jahres veröffentlichte das New York Times Magazine einen längeren geopolitischen Essay über die Zukunft Europas von Niall Ferguson. Ferguson mahnte Amerika, sich auf ein in Zukunft viel vitaleres Europa einzustellen, welches sich gerade neu erfinde, indem es seine demographische Leere mit muslimischen Immigranten auffülle und eine dazu passende politische Vision entwickle. Dieses Gebilde würde weder christlich noch abendländisch sein und seine politischen Zentren in Ankara und Jerusalem ausbilden.

„Eura­bia?“ – Fer­gu­son ver­sah den Titel sei­nes Essays noch mit einem Fra­ge­zei­chen. Tat­säch­lich ist die insti­tu­tio­nel­le Gene­se die­ses geo­po­li­ti­schen Groß­rau­mes aber bereits weit fort­ge­schrit­ten. Seit über drei­ßig Jah­ren exis­tiert auf EU-Ebe­ne die „Par­la­men­ta­ri­sche Ver­ei­ni­gung für euro-ara­bi­sche Koope­ra­ti­on“ (PAEAC), die einen gigan­ti­schen wirt­schafts- und kul­tur­po­li­ti­schen Kom­plex diri­giert, der unter dem Logo Euro-ara­bi­scher Dia­log (EAD) fir­miert. Die­ser Ver­ei­ni­gung gehö­ren EU-Par­la­men­ta­ri­er aus allen eta­blier­ten euro­päi­schen Par­tei­en an, die höchst erfolg­rei­che Lob­by­ar­beit auch auf natio­na­ler Ebe­ne betrei­ben (Bat Ye’or: Eura­bia: The Euro-Arab Axis, Madi­son 2005). Es besteht ein inzwi­schen weit­ver­zweig­tes Netz­werk ver­schie­de­ner Orga­ni­sa­tio­nen, die maß­geb­lich mit der Auf­recht­erhal­tung der mus­li­mi­schen Mas­sen­im­mi­gra­ti­on nach Euro­pa sowie der men­ta­len Vor­be­rei­tung der ein­hei­mi­schen Euro­pä­er auf ein Leben mit (oder bes­ser: unter) den isla­mi­schen Land­neh­mern beschäf­tigt sind. Ihr Ein­fluß auf Uni­ver­si­tä­ten, Kir­chen, Poli­ti­ker und Medi­en aller Cou­leur ist enorm, umge­kehrt gibt es so gut wie gar kei­ne kri­ti­sche Bericht­erstat­tung über die Machen­schaf­ten und die insti­tu­tio­nel­le Ver­an­ke­rung der „Eura­bier“ in den euro­päi­schen Natio­nen. Man ist fast aus­schließ­lich auf die Ver­öf­fent­li­chun­gen der ein­schlä­gi­gen Arbei­ten von Bat Ye’or ange­wie­sen, eine jüdisch-ägyp­ti­sche Sozi­al­wis­sen­schaft­le­rin, die bezeich­nen­der­wei­se in der aka­de­mi­schen Dis­kus­si­on euro­päi­scher Uni­ver­si­tä­ten nicht vor­kommt. Eini­ge ihrer The­sen sind aller­dings jüngst von Oria­na Fall­a­ci in Die Kraft der Ver­nunft popu­la­ri­siert wor­den. (Oria­na Fall­a­ci: Die Kraft der Ver­nunft, Ber­lin 2005). Daß die Fall­a­ci vor kur­zem als ers­te Ita­lie­ne­rin über­haupt von Papst Bene­dikt XVI. zu einer Audi­enz emp­fan­gen wur­de, kann ange­sichts des beträcht­li­chen Ein­flus­ses, den der EAD auch in der katho­li­schen Kir­che hat, immer­hin als ein klei­nes Hoff­nungs­zei­chen gewer­tet werden.
Alles begann mit dem fran­zö­si­schen Gaul­lis­mus. Nach der Unab­hän­gig­keit Alge­ri­ens reif­te unter de Gaul­le der Plan eines fran­ko-ara­bi­schen Blocks als Gegen­ge­wicht zur ame­ri­ka­nisch- israe­li­schen Alli­anz – nebst infor­mel­ler fran­zö­si­scher Kon­troll­macht über die ehe­ma­li­gen Kolo­nien. Im Zuge der Ölkri­se 1973 gelang es den Fran­zo­sen, auch Öster­reich und Deutsch­land und in der Fol­ge die übri­gen EWG-Staa­ten auf sei­ne geo­po­li­ti­sche Linie ein­zu­schwö­ren. Es scheint, als wäre es mehr der fran­zö­si­schen Diplo­ma­tie als der (tat­säch­lich rela­tiv stump­fen) ara­bi­schen „Öl-Waf­fe“ zu ver­dan­ken, daß die neun dama­li­gen EWG-Län­der am 6. Novem­ber 1973 in Brüs­sel „Eura­bi­en“ aus der Tau­fe hoben. In ers­ter Linie ging es um die Über­nah­me außen­po­li­ti­scher For­de­run­gen der Ara­ber gegen­über Isra­el und um die Aner­ken­nung der Paläs­ti­nen­ser und ihrer Rech­te als eigen­stän­di­ges Volk.

Dafür wur­den die Euro­pä­er bald mit der Wie­der­an­he­bung der Öllie­fe­run­gen belohnt. Die in die­ser Situa­ti­on not­wen­dig gewor­de­ne enge­re außen­po­li­ti­sche Abstim­mung unter den euro­päi­schen Staa­ten wirk­te als nicht zu unter­schät­zen­der Sti­mu­lus auf den euro­päi­schen Inte­gra­ti­ons­pro­zeß. Am Hori­zont zeich­ne­te sich damals bereits die euro­päi­sche Alter­na­ti­ve zur west­li­chen Super­macht USA ab. Aller­dings hat­te der nun ein­set­zen­de EAD auch gra­vie­ren­de innen­po­li­ti­sche Fol­gen für die betei­lig­ten euro­päi­schen Natio­nen. Die neu­ge­grün­de­te Zeit­schrift Eura­bia ver­öf­fent­lich­te in ihrer Juli-Aus­ga­be von 1975 einen Grund­satz­ar­ti­kel des bel­gi­schen PEAECMit­glie­des Tilj Declerq, in dem die drei Säu­len skiz­ziert wur­den, auf denen die Koope­ra­ti­on in Zukunft auf­bau­en soll­te: 1. die euro­päi­sche Unter­stüt­zung der ara­bi­schen Israel­po­li­tik sowie der Paläs­ti­nen­si­schen Auto­no­mie­be­hör­de (PLO) als Bedin­gung für wirt­schaft­li­che Koope­ra­ti­on und Roh­stoff­lie­fe­run­gen, 2. die Bereit­stel­lung mus­li­mi­scher man­power durch for­cier­te Immi­gra­ti­on nach Euro­pa, 3. die Schaf­fung eines für Ara­ber güns­ti­gen Kli­mas in der öffent­li­chen Mei­nung Euro­pas durch ent­spre­chen­de medi­en­po­li­ti­sche Maß­nah­men. Der Deal lief also fak­tisch dar­auf hin­aus, Euro­pas See­le tat­säch­lich zu ver­kau­fen: kein Blut für Öl, aber Isla­mi­sie­rung für Öl und geo­po­li­ti­schen Einfluß.
Seit­dem hat sich der EAD rapi­de ent­wi­ckelt. Wich­ti­ge Sta­tio­nen zur über­grei­fen­den Koor­di­nie­rung der euro-ara­bi­schen Kul­tur­po­li­tik waren zwei Sym­po­si­en, eines in Vene­dig 1977, bei dem „Mit­tel und For­men der Koope­ra­ti­on für die Aus­brei­tung des Wis­sens über die ara­bi­sche Sprach- und Lite­ra­tur-Zivi­li­sa­ti­on“ geplant wur­den, und eines in Ham­burg 1983, bei der Hans-Diet­rich Gen­scher eine ser­vi­le Eröff­nungs­re­de hielt, und bei der es um Maß­nah­men zur Aus­wei­tung der sozia­len und kul­tu­rel­len Rech­te der ein­wan­dern­den mus­li­mi­schen Arbei­ter und Intel­lek­tu­el­len ging. Seit Mit­te der eun­zi­ger Jah­re inten­si­vier­te sich der EAD noch­mals signi­fi­kant. Auf der Euro-Medi­ter­ra­ne­an Con­fe­rence im Novem­ber 1995 in Bar­ce­lo­na wur­de das MED­A­Pro­gramm (Euro-Medi­ter­ra­ne­an Part­ner­ship Pro­gram) beschlos­sen, das ins­ge­samt rund zehn Mil­li­ar­den Euro pro Jahr­fünft in mus­li­mi­sche Län­der pumpt. Ein Euro­pean Insti­tu­te for Rese­arch on Medi­ter­ra­ne­an and Euro-Arab Coope­ra­ti­on (MEDEA) wirkt mit sei­nen natio­na­len Zweig­stel­len als wich­ti­ger Mei­nungs­ma­cher auf die Medi­en. In Gra­na­da wur­de eine Euro-Arab Busi­ness Manage­ment School gegrün­det, als Vor­läu­fer einer geplan­ten Uni­ver­si­tät. Die­se und eine Men­ge ande­rer eura­bi­scher Insti­tu­tio­nen und Netz­wer­ke haben die men­ta­le Dis­po­si­ti­on der euro­päi­schen Bevöl­ke­rung seit den sieb­zi­ger Jah­ren nach­hal­tig verändert.
Bat Ye’or beschreibt die recht­li­che, sozi­al­öko­no­mi­sche und men­ta­le Situa­ti­on nicht­mus­li­mi­scher Bevöl­ke­rungs­tei­le in isla­mi­schen Staa­ten mit dem Neo­lo­gis­mus „Dhim­mi­tude“, abge­lei­tet vom ara­bi­schen Wort Dhim­mi (Schutzbefohlener/ Tri­but­pflich­ti­ger). Seit Jah­ren legt sie wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en zur drei­zehn­hun­dert­jäh­ri­gen (Leidens-)Geschichte der von isla­mi­schen Erobe­rern unter­wor­fe­nen Völ­ker auf drei Kon­ti­nen­ten vor (Bat Ye’or: Der Nie­der­gang des ori­en­ta­li­schen Chris­ten­tums unter dem Islam, Mün­chen 2002). Die­se Stu­di­en sind geeig­net, sämt­li­che Mythen der eura­bi­schen Mei­nungs­lob­by nach­hal­tig zu zer­stö­ren, und das ist auch ihr Zweck (Bat Ye’or: Islam and Dhim­mi­tude. Whe­re Civi­li­sa­ti­ons col­l­i­de, Madi­son 2002). Nur lei­der wer­den sie in Euro­pas aka­de­mi­schem Milieu kaum rezi­piert. Die Ideo­lo­ge­me des Palaes­ti­nen­sia­nism, der angeb­li­chen mul­ti­kul­tu­rel­len Idyl­le von „Al-Anda­lus“, der isla­mi­schen Ursprün­ge der euro­päi­schen Zivi­li­sa­ti­on, Edward Saids Kri­tik am „Ori­en­ta­lism“ und ande­re frag­wür­di­ge Vor­stel­lun­gen beherr­schen fast unge­bro­chen die euro­päi­schen Lehr­stüh­le. Euro­pas Eli­ten wer­den auf die­se Wei­se kon­ti­nu­ier­lich zur Akzep­tanz mus­li­mi­scher Ansprü­che erzo­gen – in einer Art von vor­aus­ei­len­der psy­cho­lo­gi­scher „Dhim­mi­tude“. Geo­po­li­ti­sche Hybris und der Pri­mat öko­no­mi­schen Gewinn­stre­bens haben das Abend­land auf eine abschüs­si­ge Bahn gelenkt. Wohin die Rei­se geht, kann man an den Res­ten der Kop­ten, Arme­ni­er, Liba­ne­sen und ande­rer einst blü­hen­der ori­en­ta­li­scher Völ­ker studieren.

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