Kampf gegen den Terror

pdf der Druckfassung aus Sezession 8 / Januar 2005

sez_nr_8von Martin van Creveld

Am 18. Dezember 2004 hielt der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld den im folgenden abgedruckten Vortrag im Rahmen des 8. Berliner Kollegs des Instituts für Staatspolitik.Wenn wir die letzten fast sechzig Jahre betrachten, dann sehen wir, daß diese Zeit voll ist von terroristischen Bewegungen und ihrer Bekämpfung. Wir sehen dies und müssen feststellen, daß beinahe jeder Antiterrorkampf gescheitert ist. Fast alle, die dem Terrorismus entgegentraten, haben versagt; wir sehen ein Versagen nach dem andern in unaufhörlicher Reihenfolge. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Briten es gegen die Juden in Palästina versucht. Es ist nicht gelungen. Dann haben die Franzosen es in Indochina und in Algerien versucht, es ist nicht gelungen. Dann haben die Niederländer es in Ostindien versucht, es ist nicht gelungen. Dann haben die Amerikaner es in Vietnam versucht, und die haben auch versagt. Dann kamen die Sowjets in Afghanistan, die Inder in Ceylon, die Südafrikaner in Namibia, die Israelis in den besetzten Gebieten: Alle haben versagt, und versagen noch weiter. Wir müssen nur auf die täglich scheiternden amerikanischen Anstrengungen im Irak schauen.
Kurz: Die ganze Geschichte des Antiterrorkampfs seit 1945 ist eine Geschichte des Versagens, und dies, obwohl jeder Versuch unternommen wurde, um zum Erfolg zu gelangen. Der Blick in die Geschichte zeigt, daß die Verantwortlichen wirklich alles versucht haben. Die meisten waren dabei gar nicht weichherzig (obwohl es auch dafür Beispiele gibt) und setzten alle verfügbaren Mittel ein. Die Franzosen beispielsweise hatten auf dem Höhepunkt des Indochinakriegs vierhunderttausend Mann vor Ort, darunter Fremdenlegionäre, die nicht viel Federlesen machten.
Und die Amerikaner haben auf Vietnam sechs Millionen Tonnen TNT abgeworfen, also fast dreimal so viel wie auf Deutschland und Japan zusammen im Zweiten Weltkrieg. Und die Sowjets? Sie haben in Afghanistan angeblich eine Million Menschen umgebracht und fünf Millionen andere zum Fliehen bewogen. Und doch haben weder die Franzosen, noch die Amerikaner oder die Russen den Terrorismus besiegen können. Gemessen an ihrem hochgesteckten Ziel haben sie alle versagt. Und wir müssen feststellen: Im Antiterrorkampf ist irgend etwas ganz und gar schiefgegangen.
Es gibt über dieses Thema eine gewaltige Literatur. Das Problem ist nur, daß die meisten der Bücher von den Verlierern geschrieben worden sind. Manchmal handelt es sich einfach um einen Rechtfertigungsbericht. Wenn dann also einer, der versagt hat im Antiterrorkampf, über seine Niederlage schreibt, wird meist nicht deutlich, woran es letztendlich lag. Deutlich wird nur, daß der Verfasser selbst nicht schuld war. Er hat für seinen Teil seine Arbeit gut gemacht; aber gegen die Umstände kam er nicht an, oder die historische Gesamtsituation ließ ihn nicht zum Zuge kommen. Und deshalb ging der Kampf verloren.
Ein Musterbeispiel dafür ist ein englischer Offizier namens Frank Kitson. Kitson war im letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges schon englischer Offizier und blieb nach dem Krieg in der Armee. Dort hat er eine steile Karriere gemacht. Zuerst ging er nach Palästina, um ein erstes Mal im Antiterrorkampf zu versagen, natürlich nicht persönlich, sondern als Teil der hunderttausend Mann starken Kriegsmaschinerie. Kitson wurde nach Malaysia versetzt, dort versagte er ein zweites Mal, dann in Kenia, danach in Zypern. Zuletzt stand er in Aden: Auch dort versagte er im Antiterrorkampf. Aber mittlerweile war er General, und die Belohnung für seine Leistung war die Ernennung zum Befehlshaber des Stabskollegs in Camberley: Kitson sollte zukünftig anderen beibringen können, wie man versagt.

Ohne Polemik: Kitson war wohl ein sehr fähiger Offizier, aber er und die Armee, der er angehörte, haben keinen einzigen ihrer Aufträge im Antiterrorkampf erfüllt, sie haben keinen dieser Kämpfe gewonnen. Aber ein Buch hat er geschrieben, seine Rechtfertigung: Es heißt Low Intensity War. Ich möchte an dieser Stelle sehr deutlich werden: So geht es nicht. Es ist höchste Zeit, alle stümperhaften Versuche aufzugeben, keine Ausflüchte mehr zu suchen und die Frage zu stellen, warum seit Jahrzehnten im Antiterrorkampf versagt wird, quer durch alle Regionen, Nationen, Bündnisse. Es ist höchste Zeit für diese Frage, weil wir alle wissen, daß die Tore nach Europa gerade für Terroristen sperrangelweit offenstanden und –stehen. Der Anschlag in Madrid am 11. März 2004 hat gezeigt, was dieser Krieg für Europa bedeuten kann. Und dieser Krieg ist schon längst der wichtigste Krieg weltweit, und für Europa steht er bevor. Die Zeit drängt und die Frage lautet: Wie siegt man in solch einem Krieg?
Zu einer Antwort gelangt man, wenn man die lange Reihe der Verlierer und Versager einfach links liegen läßt und sich dagegen fragt, was die wenigen Sieger richtig gemacht haben. Es mag überraschend klingen, aber es gibt tatsächlich einige Sieger im Antiterrorkampf, eine Handvoll vielleicht. Ich greife zwei Beispiele heraus, sie sind exemplarisch und sehr lehrreich.
Das erste Beispiel ist der britische Antiterrorkrieg in Nordirland. Eigentlich waren es dreißig Feldzüge in den dreißig Jahren des britischen Engagements. Wer denkt, daß dies ein kleiner, ungefährlicher Konflikt gewesen sei, liegt falsch. Der Ursprung des Konflikts reicht nicht weniger als 800 Jahre zurück, bis in die Zeit des englischen Königs Heinrich II., und von da an bis heute dauert seine blutige Geschichte. Hier ist kein Raum, um diese Geschichte zu erzählen, aber eines kann man sagen: Dieser Kampf ist hart und erbittert geführt worden, so grausam und kompromißlos wie terroristische und bürgerkriegsähnliche Konflikte nun einmal sind.
Nach einer relativ ruhigen Zeit brach im Sommer 1969 der Terror in Nordirland wieder offen aus. Das waren keine kleinen Bosheiten mehr, es handelte sich um eine großangelegte Offensive, die nicht abebbte. Im Jahr 1972 detonierten eintausend Bomben, also drei am Tag, und die Situation eskalierte im Juli, als es zum „Blutigen Sonntag“ kam. Katholiken, Protestanten, die Polizei, die Armee, einfach alle durcheinander, lieferten sich eine Straßenschlacht, an deren Ende fünfzehn Tote und Hunderte Verwundete zu Buche schlugen. Häuser wurden niedergebrannt, Barrikaden errichtet, Jagd auf einzelne Angehörige der anderen Seite gemacht, kurz: Aus den Unruhen und den einzelnen terroristischen Akten wurde ein richtiger Krieg, der sich immer mehr ausweitete.
Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Briten in Nordirland alles falsch gemacht, die Ergebnisse lassen keinen anderen Schluß zu. Aber unter dem Eindruck der Eskalation änderten sie ihre Strategie, und im Nachhinein kann man sagen: Seitdem haben sie alles richtig gemacht. Worin bestand diese neue Strategie?
Die Briten entschlossen sich, von nun an selbst im Antiterrorkampf die Gesetze zu achten, äußerste Zurückhaltung zu üben, die Bevölkerung zu schützen, sich nie provozieren zu lassen, nie die Fassung zu verlieren, die Disziplin aufzugeben und Repressalien anzudrohen oder anzuwenden. All dies gelang den britischen Soldaten, und es setzt ein Maß an Professionalität voraus, das mich stets wieder verblüfft, wenn ich darüber nachdenke: Was für ein Übermaß an Disziplin!

Ich kann zu dieser Haltung eine schöne Anekdote beitragen: Ende 1988 war ich am Staatskolleg in Camberley zu Gast und kehrte eines Abends aus London zurück. Der Nebel war so dicht, daß ich wirklich nichts mehr sah, und ich wanderte durch das Gelände des Kollegs, das sehr weitläufig angelegt ist. Nach kurzer Zeit hatte ich die Orientierung vollständig verloren und kam mir vor wie in einem Märchen der Gebrüder Grimm. Ich war mir sicher, daß ich mein Bett nicht mehr finden würde. Plötzlich sah ich ein Licht, ich ging darauf zu und klingelte an der Tür. Die Tür öffnete sich, und heraus schaute der kommandierende General des Kollegs, General Paddy Waters. Er stand vor mir in weißen Socken, lud mich ein und baute etwas zu trinken und zu essen auf.
Dann zeigte mir General Waters alle acht Bücher, in denen er gleichzeitig las, und er erzählte, daß er der nächste Befehlshaber der britischen Streitkräfte in Nordirland sein werde. Die Leute dort, sagte er, schlagen einander seit achthundert Jahren tot, und er habe keine Chance, das in seiner Amtzeit zu verhindern. Was er tun könne und auch tun werde, sei, dafür zu sorgen, daß unter seinem Kommando so wenig Menschen wie möglich umkämen, ganz gleich ob Katholiken, Protestanten, Soldaten oder Terroristen.
Ich traute meinen Ohren kaum, denn damals war bei uns in Israel die erste Intifada ausgebrochen, und Verteidigungsminister Yitzhalk hatte befohlen, den Palästinensern Arme und Beine zu brechen. Das Leben von Terroristen hochzuschätzen und zu schonen, war für mich ein völlig neuer Gedanke. Aber so verfuhren die Briten in Nordirland. Natürlich gab es Ausnahmen, natürlich waren einzelne Soldaten oder Führer überfordert und verstießen gegen die Regeln, mehr noch: lebten ihren Haß aus, folterten, der Film „Im Namen des Vaters“ ist ein schreckliches Zeugnis dieser Exzesse; aber schon die Tatsache, daß also Beweise erdacht und erlogen werden mußten, spricht bereits für die Briten und ihre Strategie, die eben im großen und ganzen aufging. Die meisten anderen Armeen haben im Antiterrorkampf die Gegner einfach niedergeknüppelt oder erschossen, und was heißt „haben“: Sie tun es ja immer noch.
Die Briten aber haben kein einziges Mal in dreißig Jahren schwere Waffen – Panzer, Hubschrauber oder Kampfflugzeuge – eingesetzt. Das schwerste Fahrzeug, das sie benutzten, war ein mehr oder weniger gepanzerter Landrover. Kein einziges Mal haben die Briten eine Kollektivstrafe verhängt, nie haben sie Elektrizität und Wasser für ganze Bezirke gesperrt, eine Methode, die wir in Israel täglich in den besetzten Gebieten anwenden, um irgend jemanden gefügig zu machen. Die Briten haben nie auf Demonstranten geschossen, nie deren Häuser zerstört, auch nicht angesichts der denkbar größten Provokation.
Sie wahrten selbst dann die Disziplin, als der Onkel der Königin, Lord Louis Mountbatten, mit seiner Yacht in die Luft gesprengt wurde, oder als in dem Hotel in Brighton, in dem Margret Thatcher sprechen sollte, einige Stunden vor der Rede ein Sprengsatz detonierte. Das Hotel war völlig zerstört, ich habe Fotos davon gesehen. Auch als eine Kabinettssitzung unter John Major mit Granaten aus einem Mörser angegriffen wurde, widerstand das britische Militär der Versuchung, endlich einmal voll zurückzuschlagen. Dieser Strategie liegt eigentlich ein Plan zugrunde, den ich damals noch gar nicht verstand.
Ich begriff dies erst vor etwa neun Jahren, als ich in Genf mit einem britischen Oberst zu Abend aß. Wir sprachen wie immer über Nordirland, ich habe mit vielen britischen Offizieren darüber geredet, und er sagte ungefähr folgendes: Alle diese Aufstände, weltweit, oder fast alle jedenfalls, hätten gemeinsam, daß stets von den sogenannten Terroristen mehr umgekommen seien als von den Soldaten, die gegen sie antraten. In Vietnam war das Verhältnis letztendlich fünfzig zu eins, auf einen toten Amerikaner kamen fünfzig Einheimische. Im Irak – also während des ersten Angriffs der USA – ergab die Bilanz sogar ein Verhältnis von hundert zu eins: Einhundert sogenannte irakische „Aufständische“ oder „Terroristen“ kommen auf jeden toten amerikanischen Soldaten.

Beim britischen Einsatz in Nordirland, so der Oberst weiter, liege der Fall anders: Bisher seien dort dreitausend Menschen gestorben, von diesen waren eintausendsiebenhundert Zivilisten, die als Unbeteiligte bei Attentaten oder unter anderen Umständen umgekommen seien. Wenn man nun die Zivilisten beiseite lasse, blieben eintausenddreihundert Tote übrig. Hiervon seien eintausend britische Soldaten und nur dreihundert Terroristen, und dies sei der Grund für die erfolgreiche Arbeit in Nordirland.
Ich verstand diese Strategie: Mit aller Macht sollte verhindert werden, daß den britischen Soldaten kriminelles Verhalten zu Recht vorgeworfen werden könnte. Kriminelle Methoden, der Tod unbeteiligter Zivilisten, Hinterhältigkeit und Brutalität sollten nur den Terroristen, nie den Soldaten zugerechnet werden können. Letztlich ging es darum, der Propaganda der Terroristen keine Bilder, keine Geschichten zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig aber war die Botschaft des britischen Militärs eindeutig: Wir sind nicht demoralisiert, wir sind so kampfbereit wie vor dreißig Jahren, und die Terroristen wissen dies.
Und diese Strategie ist der Grund dafür, daß der Aufstand in Nordirland langsam, aber sicher ausstirbt. Es kommen keine neuen Leute dazu, die jungen Männer bleiben aus, weil sie sehr gut verstehen, daß gegen eine solche Armee der Terrorkampf nicht gewonnen werden kann. Das Durchhaltevermögen der Briten scheint unbegrenzt zu sein. Das ist alles, das ist die simple Botschaft, ein für die Ordnungsmacht harter und gefährlicher Weg. Denn dafür braucht man vorzügliche Truppen, ausgestattet mit einer vorzüglichen Disziplin, vorzüglicher Zurückhaltung, einer geradezu eisernen Haltung, und das können nicht viele, wir Israelis sicherlich nicht, und ob die Deutschen dazu in der Lage wären, bleibt abzuwarten.
Wie handelt man aber, wenn man solch ein vorzügliches Instrument, solche Soldaten nicht hat, oder wenn der Aufstand selbst so mächtig ist, daß die eigenen Opfer zu groß wären? Die Antwort auf diese Frage gibt Beispiel zwei, das Beispiel Assads, des Präsidenten von Syrien. 1982 brach in Syrien beinahe ein Bürgerkrieg aus, denn Assad war ein arabischer Sozialist, und die Ulama, die islamistischen Prediger, waren ganz und gar gegen ihn eingestellt. Und wie gefährlich diese Prediger durch ihre Predigten wirken können, das wird mittlerweile sogar in Deutschland diskutiert. Damals in Syrien waren das für Assad wirklich gefährliche Leute, zumal er in den Augen dieser Priester nur ein Alevite war. Die Aleviten aber sind nur eine kleine Gemeinde, und manche sagen, sie seien gar keine Moslems. Der Aufstand, der tatsächlich losbrach, war also für Assad persönlich und für sein Regime sowie für sein Land lebensgefährlich und schon so weit gediehen, daß die syrischen Beamten und ihre Familien sich verstecken mußten, um nicht das Ziel terroristischer Akte zu werden.
Es sah so aus, als kämen die Aufständischen tatsächlich zum Zuge. Assad selbst und seine Verbündeten wären in diesem Fall der Rache ihrer Feinde ausgesetzt gewesen, sie hätten dies mit Sicherheit nicht überlebt. Also handelte Assad, kalt, schnell und rücksichtslos. Denn ein so vorzügliches Instrument wie die britische Armee besaß er nicht. Außerdem war die Zeit knapp, und Informationen über die Bewegung der Aufständischen flossen nur spärlich. So befahl Assad, insgeheim, zwölftausend Soldaten um die Hauptstadt der Aufstands, Hama, zu konzentrieren; das bedeutete eine ganze Division mit schwerer Artillerie. Als alles bereit war, schickte er kleine Einheiten auf Patrouille durch die Stadt, um die Aufständischen zu reizen und sie aus ihren Löchern zu locken.

Und dann tat Assad, was man tun sollte, wenn man sich einmal für diesen Weg entschieden hat: Er ließ in drei Tagen schätzungsweise dreißigtausend Menschen niedermetzeln, Männer, Frauen und Kinder. Die große Moschee von Hama, ein berühmtes Kulturdenkmal, ließ er dem Erdboden gleichmachen. Ich sprach vor einigen Jahren mit einem amerikanischen Journalisten, der Hama besucht hatte. Er erzählte mir, daß die Bewohner von Hama bis heute ein Grauen packe, wenn sie dort vorbeigehen, wo einmal ihre Moschee stand.
Wie tut man so etwas? Wie geht man vor, wenn man sich zu so einer schrecklichen Tat entschlossen hat? Es gibt dafür eine kurze Liste, die Grundsätze, die sie enthält, stammen nicht von mir, schon Machiavelli hat sie formuliert. In der Politik, vor allem dann, wenn es um den Staat geht, ist es wohl manchmal notwendig, sehr grausam zu sein. Wer den Mut dazu nicht aufbringt, kann Disneyland regieren, mehr nicht. Nach welchen Prinzipien also hat Assad operiert?

(1) Tref­fe alle Vor­be­rei­tun­gen ins­ge­heim, der Schlag muß aus hei­te­rem Him­mel kom­men und den Geg­ner plötz­lich tref­fen. Ver­ra­te den Plan nicht, ver­tu­sche ihn, wenn nötig, lüge, um zu täu­schen und um alles geheimzuhalten.
(2) Schla­ge hart zu, so hart, daß kein zwei­ter Schlag nötig wird. Wenn du zwei­mal zuschla­gen mußt, hast du schon ver­lo­ren. Ein­mal muß rei­chen, bring lie­ber ein paar Geg­ner zuviel als zuwe­nig um.
(3) Die Schlacht darf sich nicht über Tage und Wochen hin­zie­hen. Schla­ge also so schnell wie mög­lich, es kann nicht schnell genug gehen.
(4) Mach es öffent­lich, ver­su­che nicht, es zu ver­tu­schen und zu ver­ber­gen und zu ent­schul­di­gen. Das ist der Stol­per­stein: Wer so getö­tet hat wie Assad, der kann im Nach­hin­ein nicht sagen, ihn dau­er­ten die armen Kin­der, die armen Frau­en, das gan­ze ver­gos­se­ne Blut und die zer­stör­ten Moscheen und Hei­lig­tü­mer oben­drein. So eine nach­ge­scho­be­ne Weich­her­zig­keit ist das dümms­te und gefähr­lichs­te, was man tun kann. Die Bot­schaft muß anders lau­ten: Ich habe dies ange­ord­net und aus­ge­rich­tet, weil es not­wen­dig war, und wenn es noch ein­mal not­wen­dig wird, dann wer­de ich es noch­mals tun.
(5) Zuletzt: Laß die­se Greu­el einen ande­ren erle­di­gen. Wenn er schei­tert, ver­sto­ße ihn und ver­su­che etwas anderes.

Wel­ches sind nun die Kri­te­ri­en, nach denen Assads Tat beur­teilt wird? Assad ist an der Macht geblie­ben und nach acht­zehn Regie­rungs­jah­ren in sei­nem Bett gestor­ben. Dies kann man anfüh­ren, wenn man fragt, ob sein Tun erfolg­reich war. Und noch 1998 besuch­te US-Prä­si­dent Bill Clin­ton Damas­kus, um mit Assad zusam­men­zu­tref­fen und poli­ti­sche Fra­gen zu erör­tern. Dies nun kann man anfüh­ren, um über das mora­li­sche Gedächt­nis der Welt zu räso­nie­ren. Wohl war in den Wochen nach dem Mas­sa­ker der Unmensch Assad in aller Mun­de; auf lan­ge Sicht aber scheint ihm sei­ne Tat nicht gescha­det zu haben, und sei­nem Land, Syri­en, anschei­nend auch nicht. Ihm ist ja auch ein Bür­ger­krieg, die­ser Schre­cken ohne Ende, erspart geblie­ben, weil sei­ne poli­ti­sche Füh­rung ein Ende mit Schre­cken wählte.

Wie es aus­ge­hen kann, wenn man nicht den Mut hat, ent­we­der dem bri­ti­schen oder dem syri­schen Kurs kon­se­quent zu fol­gen, kann man die­ser Tage an den Ame­ri­ka­nern im Irak stu­die­ren, vor allem dann, wenn man die Stadt Fal­lud­scha betrach­tet. Ursprüng­lich dach­ten die Ame­ri­ka­ner wohl, Falud­scha sei eine über ihre „Befrei­er“ glück­li­che Stadt: Wer so lan­ge und so grau­sam von Sad­dam Hus­sein unter­drückt wor­den sei, der wür­de wohl ger­ne den ame­ri­ka­ni­schen Freun­den zu Hil­fe eilen.
Dazu ist es nicht gekom­men. Der Ter­ro­ris­mus von Fal­lud­scha aus setz­te gleich nach dem gro­ßen ame­ri­ka­ni­schen Sieg ein. Mona­te­lang haben die Ame­ri­ka­ner mit den ört­li­chen Füh­rern ver­han­delt. Und natür­lich haben sie den end­lo­sen Ver­spre­chun­gen geglaubt, obwohl eine nach der ande­ren gebro­chen wur­de. Im April 2004 war es dann soweit: Die Ame­ri­ka­ner ent­schie­den sich, Fal­lud­scha anzu­grei­fen. Sie haben das erst ein­mal wochen­lang erzählt und dabei lamen­tiert, wie schwer ihnen die­ser Ent­schluß gefal­len sei. Dann tra­ten sie an, mit einer Bri­ga­de, die zwar etwas aus­rich­te­te, aber längst kei­nen durch­schla­gen­den Erfolg ver­bu­chen konnte.
Nach ihrem klei­nen Angriff haben die Ame­ri­ka­ner geklagt, ver­han­delt, ein zer­mürb­tes Gesicht gezeigt und wie­der geklagt. Und dann haben sie laut nach­ge­dacht und wie­der über­all her­umer­zählt, daß sie die Stadt Fal­lud­scha nun ein zwei­tes Mal angrei­fen wür­den. Nach die­sem gan­zen Pala­ver war eines klar: In Fal­lud­scha wür­den sich nur noch die Ter­ro­ris­ten auf­hal­ten, die nicht ent­kom­men woll­ten. Und unter den­je­ni­gen, die lie­ber ent­kom­men woll­ten, wür­de sich natür­lich auch der gesuch­te und berüch­tig­te Abu Mass­ab al Sar­ka­wi befin­den. So ging der Schlag ins Lee­re, und dies konn­te sich jeder aus­rech­nen, noch bevor die Ame­ri­ka­ner ihn führten.
Im Novem­ber war es dann soweit, die Ame­ri­ka­ner grif­fen an und zer­stör­ten Fal­lud­scha, obwohl es kaum Wider­stand gab: Die weni­gen Ver­tei­di­ger hat­ten kei­ne schwe­ren Waf­fen, nur Maschi­nen­ge­weh­re. Aber die Ame­ri­ka­ner setz­ten alles ein, was ihnen zur Ver­fü­gung stand, und so ist Fal­lud­scha heu­te für nichts und wie­der nichts eine Rui­ne. Kaum war die­se Tat getan, kaum war die Stadt zer­stört, tra­ten die Ame­ri­ka­ner vor die Pres­se und klopf­ten sich an die Brust. Es täte ihnen leid, schreck­lich leid, man wür­de die Stadt so schnell wie mög­lich wie­der auf­bau­en und jed­we­de huma­ni­tä­re Hil­fe leis­ten. Aber selbst die­ses jäm­mer­li­che Ver­spre­chen wur­de sofort gebro­chen, denn am 6. Dezem­ber fie­len wie­der Bom­ben auf Falludscha.
Was sol­len die Ira­ker den­ken von sol­chen „Befrei­ern“, was sol­len die eige­nen Sol­da­ten den­ken von einer sol­chen Füh­rung? Bereits jetzt kann man Auf­lö­sungs­er­schei­nun­gen im ame­ri­ka­ni­schen Heer beob­ach­ten, Zei­chen, die aus der End­pha­se des Viet­nam­kriegs bekannt sind. Weil jede Bege­ben­heit, die über die Medi­en bekannt wird, für fünf­zig oder hun­dert ähn­lich gela­ger­te Fäl­le steht, kann man das Aus­maß der Zer­set­zung nur schät­zen. Zu ret­ten ist hier jeden­falls nicht mehr viel.
Man kann mit eini­gem Recht sagen, daß auch der ame­ri­ka­ni­sche Ver­such der Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung im Irak an man­geln­dem Mut schei­tert. Ich habe zwei Wege der Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung skiz­ziert. Die meis­ten Regie­run­gen oder Besat­zungs­mäch­te haben den Kampf gegen den Ter­ror ver­lo­ren, weil sie nicht den Mut auf­brach­ten, sich für die eine oder ande­re Mög­lich­keit zu ent­schei­den und die­se Ent­schei­dung auch in die Tat umzusetzen.
Bei­de Wege erfor­dern enor­men Mut, enor­me See­len­kraft, jeder auf sei­ne Art und der bri­ti­sche viel­leicht noch mehr als der syri­sche. Denn die Burg der Ter­ro­ris­ten zu stür­men, ist ein Vaban­que-Spiel; wie die bri­ti­schen Sol­da­ten jedoch dis­zi­pli­niert, geset­zes­treu, fried­lie­bend zu sein, bedeu­tet, alle mög­li­chen Pro­vo­ka­tio­nen Jahr um Jahr hin­zu­neh­men und sei­ne eiser­ne Selbst­be­herr­schung nicht zu ver­lie­ren. Die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit derer, die einen Anti­ter­ror­kampf zu füh­ren hat, bringt den Mut weder für die bru­ta­le noch für die lang­wie­ri­ge Metho­de auf. Die­se Mutund Rat­lo­sig­keit ist der Grund dafür, daß sie hin- und her­schwan­ken zwi­schen bei­den Wegen und alles unglück­lich ver­mi­schen. Fal­lud­scha war unser Bei­spiel für die­sen Schlingerkurs.
Ich weiß nun nicht, was hier in Euro­pa und in Deutsch­land pas­sie­ren wird. Aber wenn es hier in fünf oder zehn oder zwan­zig Jah­ren einen Bür­ger­krieg geben soll­te, ent­lang der eth­ni­schen Bruch­li­ni­en bei­spiels­wei­se: dann liegt es dar­an, daß man sich auch hier nicht recht­zei­tig für den einen oder den ande­ren Weg der erfolg­rei­chen Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung ent­schie­den hat.

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