Henscheid vs. Merkel

Manchmal werden Träume wahr. Jeden Tag, den ich in den letzten Wochen an den unvermeidlichen Grinsgesichtern, Arschüberschriften, und Spülmittelslogans ...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

… hoch­mü­tig bis semi­spas­tisch vor­bei­fla­niert bin, dabei die groß­zü­gi­ge Wahl hat­te zwi­schen fünf ver­schie­de­nen lin­ken Par­tei­en und der CDU,  habe ich min­des­tens um einen Tho­mas Bern­hard oder Léon Bloy von Innen oder Außen gebe­ten und gebe­tet, damit das Unaus­sprech­li­che beim rech­ten Namen genannt werde.

Immer noch von der Grün­ei­ter­bil­dung benom­men, lang­sam aber wie­der zu Kräf­ten kom­mend, schlug ich heu­te die JF auf und fand zu mei­ner gren­zen­lo­sen freu­di­gen Über­ra­schung einen gerech­ten, nüch­ter­nen und aus­ge­wo­ge­nen Text von Eck­hard Hen­scheid, des­sen Sudel­blät­ter und Erle­dig­te Fäl­le ich wei­land wie Opi­um inha­liert habe.

Etwas der­art Lang­wei­li­ges, Über­flüs­si­ges, Erwart­ba­res, Dünn­pfif­fi­ges, Doo­fes, zäh nur sich selbst Genü­gen­des wie die nun bal­di­ge Bun­des­tags­wahl 2009 sowie ihr Wahl­kampf ist mir bis­her noch nie zuge­mu­tet worden.

Der Rest des Tex­tes ist eine Stak­ka­to­hom­mage an Ange­la Mur­kel, die mir aus der tiefs­ten See­le spricht.  Ich fühl­te mich nach all dem unsäg­li­chen, minus­be­seel­ten, heu­cheld­um­men Schmutz der letz­ten Wochen wie in ein woh­li­ges war­mes Bad gleiten.

Ich rede hier vor allem von der tag­ein tag­aus schmer­zen­den, quä­len­den, pei­ni­gen­den Zumu­tung, ja Got­tes­stra­fe typi­scher und über­ty­pi­scher Mer­kel­scher Sät­ze seit ca. 2000 und dann vor allem seit 2005: Sät­ze, die, ganz gleich, ob sie nun mehr ihrer eige­nen Sprach­he­mi­sphä­re oder der ihrer (eben­falls hosen­an­zugs­ge­wap­pel­ten) Büro­che­fin Frau Bau­mann ent­kreucht sind, zum Auf­heu­len sind, zum Davon­lau­fen, zur Lan­des­flucht animieren. (…)

Nach einer ent­spre­chen­den Blü­ten­le­se, die ich hier mal eben außen vor lasse:

Die Pla­ti­tü­di­dät sol­cher Sät­ze in Serie reicht einer ganz neu­ar­ti­gen “Bana­li­tät des Bösen” (Han­nah Are­ndt) die schwei­ßi­ge Hand seit­lich der schwitz­fle­cken­feuch­ten Hosen­an­zugs­ja­cke. Der bestür­zen­de Stumpf­sinn, die behäm­mer­te und zugleich behäm­mern­de, die uns am Ende rich­tig zuschüt­ten­de Imper­ti­nenz, die der einst­mals mit­tel­deut­sche See­len­knö­del im Hosen­an­zug täg­lich, ja wer weiß (und ich wäre nicht ger­ne nahe dabei) stünd­lich pro­du­ziert und aus­schüt­tet: Er über­ragt inzwi­schen längst die oft­mals ja sogar kunst­vol­le Nich­tig­keit der Rede ihres Lehr­meis­ters Hel­mut Kohl oder aber auch die Komik eines komi­schen Selbst­läu­fers, des­sen Banau­si­tät bis hin zur Debi­li­tät aber ja ohne­hin mehr eine sich selbst­zeu­gen­de Legen­de war.

Die­se Logor­rhoe geht noch zwei lan­ge won­ne­vol­le Spal­ten wei­ter, und ich emp­feh­le jedem Mer­kel­ge­schä­dig­ten die Lek­tü­re. Ich möch­te ergän­zen, daß es nicht bloß die Spra­che allein ist, die das “Lebe­we­sen namens Mer­kel” (Hen­scheid) zum bis­he­ri­gen per­so­nel­len Tief­punkt in der poli­ti­schen Geschich­te Bun­des­re­pu­blik macht. Der Wider­wil­le, der sich hier in jedem halb­wegs gesun­den Men­schen aus­brei­tet, ist viel ele­men­ta­rer, reicht tief ins Instinkt­haf­te, unmit­tel­bar Phy­sio­gno­mi­sche hin­ein. Die natio­na­le Infan­ti­li­sie­rung und Ver­tan­tung von oben hat in Mer­kel ihr voll­ende­tes, alle­go­ri­sches Ant­litz gefun­den. Die­se Frau kann gar nicht anders aus­se­hen, als sie es eh schon tut.

Die trieb­haf­te Stil­si­cher­heit, mit der sie traum­wand­le­risch die­se ihrer Phy­sio­gno­mie gemä­ße Rol­le aus­füllt, ist ver­blüf­fend.  Die Frau, die sich an der Sei­te von Vera Lengs­feld im Tit­ten­prä­sen­tier-Dekoll­tee (“Wir haben mehr zu bie­ten”) pla­ka­tie­ren ließ (als Regierungsoberhaupt!),
+ ist die­sel­be, die sich für den Schü­ler­wett­be­werb “361 Grad Tole­ranz” als betu­li­che Mär­chen­tan­te her­gibt (“Trägt in der Klas­se jemand Kopf­tuch oder Kip­pa (sic!), und wird des­halb anders behan­delt? Wer­den Mit­schü­ler und Mit­schü­le­rin­nen gehän­selt, weil sie anders aus­se­hen? Stel­len wir uns vor, wie man sich fühlt, wenn man aus­ge­grenzt wird und stän­dig Sti­che­lei­en und Gemein­hei­ten ertra­gen muß.”),
+ ist die­sel­be, die sich neu­lich in Dan­zig, unge­fragt die Schuldund­schamstolz­rol­le über­erfül­lend, für die Tril­lio­nen Opfer des ers­ten bis fünf­ten Welt­kriegs ent­schul­digt hat (gibt es eigent­lich eine Chan­ce, ihr all das anzuhängen??).

Zwi­schen die­sen chro­no­lo­gisch nah bei­ein­an­der­lie­gen­den Moment­auf­nah­men besteht ein pro­fun­der inne­rer Zusam­men­hang. Aber das haben wir Rech­ten ja immer schon gewußt.

Indes­sen bewun­de­re ich, daß sich Hen­scheid nach 40 und mehr Jah­ren sei­ne Schimpf­kraft immer noch rela­tiv unge­trübt erhal­ten hat.  Ich für mei­nen Teil bin schon jetzt ganz lethar­gisch. Ganz Ame­ri­ka hat sich damals über die “Bus­hisms” lus­tig gemacht, aber Mer­kel kommt tag­täg­lich davon.  Ist das etwa gerecht? Deutsch­land befin­det sich, scheints, schon längst im post­de­mo­kra­ti­schen “Jetz’ is aa scho wuascht”-Stadium, um es auf Wie­ne­risch zu sagen. Oder eben in einer Infantilisierungs‑, Vertantungs‑, und Ver­dum­mungs­psy­cho­se, in der “die da unten” tat­säch­lich das genaue Eben­bild “der da oben” sind. (Bra­vo, das woll­ten wir doch immer so haben, in der Demokratie.)

Anders kann ich mir nicht erklä­ren, war­um ein Pla­kat mit Gre­gor Gysis sei­fi­ger Berufs­dem­ago­gen-Visa­ge und dem kri­mi­nell dumm­dreis­ten Ver­spre­chen “Reich­tum für Alle” nicht mas­sen­wei­se Tour­et­te­syn­drom und empör­te Spon­tan­aus­schrei­tun­gen gegen die LINKE her­vor­ruft. Das Zähe, Erwart­ba­re, Lang­wei­li­ge, Doo­fe sitzt eben per se doch am län­ge­ren Ast. Es setzt sich auf die Dau­er allein wegen sei­ner schie­ren Per­sis­tenz durch.  Dazu kommt der wehr­kraft­zer­set­zen­de Mana­ger- und Mar­ga­ri­ne­wer­bungs-Opti­mis­mus der Wahl­pla­ka­te, des­sen demo­ra­li­sie­ren­de, depres­siv­ma­chen­de Wir­kung jede Wider­stands­kraft zum Erlah­men bringt.

All das erin­nert mich an die­se Geschich­te mit dem kochen­den Was­ser und dem Frosch: wenn man den Frosch ins kochen­de Was­ser wirft, dann bleibt er nicht drin­nen wie der Hum­mer, son­dern springt auf­grund des Hit­ze­schocks her­aus. Wenn man den Frosch aller­dings ins kal­te Was­ser gibt, und das dann ganz lang­sam erhitzt, bleibt das sich pro­gres­siv akkli­ma­ti­sie­ren­de Tier angeb­lich ruhig drin­nen, bis es leben­dig gekocht wird. So ist das mit den Deut­schen heu­te auch. Seit Jahr­zehn­ten weichgekocht.

Irgend­wo ahnt man noch dumpf das Böse und die Kanail­le und die Lüge, aber irgend­wann tut’s auch nicht mehr weh, und das ist ja die Haupt­sa­che, nicht? Frei nach Gómez Dávila:

“Der Mensch gewöhnt sich mit ent­setz­li­cher Leich­tig­keit an die abso­lu­te Häß­lich­keit und das rei­ne Böse. Eine Höl­le ohne Qua­len ver­wan­delt sich leicht in einen etwas hei­ßen Urlaubsort.”

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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