Die Ursprünge des Faschismus

pdf der Druckfassung aus Sezession 3 / Oktober 2003

sez_nr_3von Eberhard Straub

Ortega y Gasset beobachtete nach dem Ersten Weltkrieg eine allgemeine desmoralización, einen Mangel an Selbstvertrauen, in Europa. Die Neuzeit oder die sogenannte Moderne, die Epoche der europäischen Hegemonie über den Rest der Welt, war im Ersten Weltkrieg an ihr Ende gelangt. Für den Spanier lag darin nichts Überraschendes. 1898 mußte Spanien nach einem kurzen Krieg die Philippinischen Inseln und Puerto Rico an die USA abtreten sowie Kuba in eine von den USA kontrollierte Unabhängigkeit entlassen. Spanien verlor die letzten Überbleibsel seines Reiches. Zum ersten Mal wurde eine europäische Macht gleichsam aus der Welt verdrängt. Bezeichnenderweise gerade die Macht, die das Tor zur Moderne aufgestoßen und als erste die gesamte Welt untereinander in Beziehung gesetzt, die vielen Welten zu einer verbunden hatte. Europa mußte sich zwanzig Jahre später an einen Bedeutungsverlust gewöhnen, der den Spaniern mittlerweile längst vertraut war, ohne daß sie dieser Umstand allerdings beruhigt hätte.

Die auf­ge­reg­ten Euro­pä­er, die nach 1918 mit Speng­ler vom Unter­gang des Abend­lan­des raun­ten, erin­ner­te Orte­ga y Gas­set 1930 dar­an, daß es genug ner­vö­se Geis­ter gege­ben habe, die seit dem letz­ten Drit­tel des 19. Jahr­hun­derts an der Zukunft Euro­pas zwei­fel­ten oder gar ver­zwei­fel­ten, unge­ach­tet des beson­de­ren spa­ni­schen Fal­les. Unter dem Ein­druck des rus­si­schen Impe­ri­ums und der all­mäh­lich zu einer Welt­macht auf­stei­gen­den USA, im Zusam­men­hang der beschleu­nig­ten wirt­schaft­li­chen Mon­dia­li­sie­rung gab es immer wie­der trau­ri­ge, bedenk­li­che Euro­pä­er. Sie fürch­te­ten, daß die Euro­pä­er, ein­ge­klemmt zwi­schen die bei­den Gigan­ten, als­bald nur noch eines gesi­chert besä­ßen: die Erin­ne­rung an das, was sie ein­mal gewe­sen waren. Den Abstieg als Gefahr vor Augen gab gera­de die Erin­ne­rung Anlaß, sich die Gegen­wart zu verbittern.
Den des­il­lu­sio­nier­ten Spa­ni­ern wur­de nach dem Ver­lust Ame­ri­kas um 1820 ihre gesam­te Geschich­te seit der Ent­de­ckung Ame­ri­kas frag­wür­dig. Doch eben­so frag­wür­dig kamen ihnen die sieg­rei­chen Ideen und die für sie wer­ben­de Zivi­li­sa­ti­on des ame­ri­can way of life vor. In der Demo­kra­tie sahen die­se Ent­täusch­ten die Herr­schaft der min­de­ren Wer­te, im Par­la­men­ta­ris­mus ein Sys­tem zur Ver­fes­ti­gung all­ge­mei­ner Kor­rup­ti­on. Das König­tum hat­te sich, wie es hieß, als unfä­hig erwie­sen, der Nati­on zu über­zeu­gen­der Gestalt zu ver­hel­fen. Die Bot­schaft demo­kra­tisch bestimm­ter Huma­ni­tät der US-Ame­ri­ka­ner galt ihnen nur als Vor­wand für irra­tio­na­le Pro­duk­ti­on und aus­ufern­den Kon­sum, wor­in sich die ame­ri­ka­nisch-kapi­ta­lis­ti­sche Zivi­li­sa­ti­on erschöp­fe. Laßt uns also auf einen Füh­rer war­ten, der die Gesell­schaft erneu­ert, ihr mit sitt­li­chem Ernst ein Rück­grat ver­schafft und sie zu einem anspruchs­vol­len Leben mit­reißt, der die gro­ßen Lei­den­schaf­ten erweckt und allen ein opfer­wür­di­ges Ziel weist!
Von sol­chen Vor­stel­lung war der jun­ge Orte­ga y Gas­set geprägt. Ein tra­gi­sches Lebens­ge­fühl soll­te aus der läh­men­den Mit­tel­mä­ßig­keit her­aus­füh­ren, der heroi­sche Geist des Don Qui­jo­te alle durch­drin­gen. Eine Eneue­rung, eine rege­nera­ción im Anschluß an Don Qui­jo­te schien der Auf­for­de­rung: Bre­chen wir auf, Bar­ba­ri­sches zu tun, nicht zu wider­spre­chen. Wer das Leben ver­ach­tet, gewinnt es. Es lebe der Tod. Denn erst muß alles Ver­we­sen­de, Ver­fau­len­de abge­stor­ben sein oder besei­tigt wer­den, damit sich end­lich neu­es Leben über dem Schutt der Ver­gan­gen­hei­ten ent­fal­ten kön­ne. Nir­gend­wo in der alten Welt wur­de um 1890 mit sol­cher Schär­fe mit dem eige­nen Unter­gang zugleich der des Abend­lan­des ver­kün­digt, und es wur­den Medi­ka­men­te zur Gene­sung vor­ge­schla­gen, mit denen das übri­ge Euro­pa nach 1918 experimentierte.

Die des­mo­ra­li­za­ción der Euro­pä­er, die Orte­ga y Gas­set 1930 im Auf­stand der Mas­sen beschäf­tig­te, äußer­te sich für ihn neben dem Macht­ver­lust vor allem in der inne­ren Unei­nig­keit, in der offen­kun­di­gen Unfä­hig­keit der Poli­ti­ker und Par­tei­en, ein gemein­sa­mes poli­ti­sches Leben zu orga­ni­sie­ren, der Gesell­schaft ein Lebens- und Arbeits­pro­gramm als ver­bind­li­che Auf­ga­be auf­er­le­gen zu wol­len oder zu kön­nen. Den Staat betrach­tet Orte­ga y Gas­set als bewe­gen­de Kraft, als Wil­len, der die neben­ein­an­der Leben­den dazu bringt, gemein­sam etwas zu machen. Ein gesell­schaft­li­ches Leben ohne Impe­ra­ti­ve, zum Han­deln trei­ben­de Impe­ra­ti­ve, muß­te sich sei­ner Ansicht nach in will­kür­li­chen Impro­vi­sa­tio­nen ver­wir­ren. Er hoff­te auf den Schrei, der den her­bei­ru­fe, der befeh­len kann, der Auf­ga­ben stellt, der den Mas­sen ihr Schick­sal weist und erläu­tert. Ent­dek­ken die füh­rer­lo­sen und unge­bär­di­gen Mas­sen end­lich ihre Pflicht, tätig an dem mit­zu­wir­ken, was alle angeht, dann wird sich auch die sozia­le Zer­ris­sen­heit erle­di­gen, weil alle Klas­sen zu einer gro­ßen Gemein­schaft ver­schmel­zen, die der poli­ti­sche Kör­per mit sei­ner inten­si­ven Leben­dig­keit veranschaulicht.
1930 woll­te Orte­ga y Gas­set in der Repu­blik den Füh­rer, den dyna­mi­schen Anre­ger zu Ernst, Gehor­sam und gemein­nüt­zi­ger Dienst­ver­pflich­tung erken­nen. Aber ihm waren auch ande­re Regie­rungs­for­men will­kom­men, wenn sie nur die Träg­heit und Span­nungs­lo­sig­keit über­wan­den und einem aris­to­kra­ti­schen Lebens­ent­wurf ver­pflich­ten­de Kraft ver­lie­hen, äußers­te Ansprü­che an sich selbst, wie Don Qui­jo­te, und nicht an die ande­ren zu stel­len. Orte­ga y Gas­sets Über­le­gun­gen zu dem Man­gel am Selbst­ver­trau­en und einer das authen­ti­sche Leben der Nati­on ver­wir­ken­de Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit der poli­ti­schen Füh­rer als „Mas­sen­men­schen“ sind nicht son­der­lich ori­gi­nell. Er faßt nur geist­reich Zwei­fel und Ängs­te zusam­men, die im fin de siè­cle über­all in Euro­pa bespro­chen wur­den. Unab­hän­gig von den Unge­wiß­hei­ten, wer in Zukunft noch Welt­macht blei­ben kön­ne oder wie eine euro­päi­sche Eini­gung zu errei­chen sei, um Euro­pa in der Welt sei­ne Stel­lung zu sichern, mach­ten sich trotz des offi­zi­el­len Fort­schritts­glau­bens: immer höher, immer wei­ter, immer schnel­ler Deka­denz­ängs­te oder Kul­tur­pes­si­mis­mus bemerk­bar. Im „jun­gen“, sieg­rei­chen, kraft­strot­zen­den Deutsch­land genau so wie im zwei­mal – 1815 und 1871 – besieg­ten, „ver­al­ten­den“ und über­rei­fen Frankreich.
Max Nord­au, ein in Paris leben­der deut­scher Jude aus Buda­pest, raff­te 1892 die unüber­sicht­li­chen Stim­mun­gen und Befürch­tun­gen in dem ein­präg­sa­men Schlag­wort zusam­men: Dégé­né­re­s­cence oder „Ent­ar­tung“. Mit den kon­ven­tio­nel­len Lügen der Kul­tur­men­schen hat­te die­ser unge­dul­di­ge Libe­ra­le 1883 die Euro­pä­er bekannt gemacht. In einer Welt, in der alles Lüge und unwahr ist, muß die Kunst, die sich im Wah­ren und Schö­nen offen­bart, unwei­ger­lich „ent­ar­ten“ und kann in ihrer Ent­ar­tung nur noch den mora­li­schen und unauf­halt­sa­men phy­si­schen Nie­der­gang der Euro­pä­er als „Luft­men­schen“ – ent­wur­zel­te Groß­städ­ter – ver­an­schau­li­chen. Nord­aus damals unge­mein erfolg­rei­che Ana­ly­se des euro­päi­schen Ver­falls erwei­ter­te poin­ten­si­cher die viel frü­he­re Beob­ach­tung von Richard Wag­ners Loge. Als die den kon­ven­tio­nel­len Lügen der Kul­tur­men­schen erle­ge­nen Göt­ter im „Rhein­gold“ nach dem Sicher­heit und Schutz ver­hei­ßen­den Wal­hall auf­bre­chen, bemerkt Loge, der Eigen­sin­ni­ge und Intel­lek­tu­el­le: „Ihrem Ende eilen sie zu, / die so stark im Bestehen sich wäh­nen“. Richard Wag­ner galt nicht umsonst neben Ibsen als der Tra­gö­de der bür­ger­li­chen Welt, die sich in ban­ger Erwar­tung ihrer Göt­ter­däm­me­rung am Ende aller Sicher­heit wähnte.

Wie in der ver­lö­schen­den Spät­an­ti­ke, beim Unter­gang Roms, lie­ßen sich den­noch köst­li­che Nuan­cen dem unab­wend­ba­ren Geschick abge­win­nen: etwa noch ein­mal am Ende all­mäh­li­chen Ver­falls gold­prun­kend ein Akro­sti­chon zu dich­ten, wäh­rend am Hori­zont die wei­ßen Bar­ba­ren auf­tau­chen. Die gro­ßen Dich­ter der Déca­dence – von Bau­de­lai­re bis Ver­lai­ne und hin zu Ste­fan Geor­ge – fan­den in ihrer „Spät­an­ti­ke“ zu neu­en Wor­ten und Klän­gen, die in raf­fi­nier­te, her­me­ti­sche „Aus­drucks­wel­ten“ hin­ein­führ­ten und das Treib­haus, den Sumpf oder die lagu­nen­feuch­te Schwü­le bür­ger­li­cher Zustän­de für Augen­bli­cke ver­ges­sen mach­ten. Die „schö­ne Déca­dence“ war frei­lich auch nur ein hilf­lo­ses Mit­tel ver­wor­re­ner Bür­ger­lich­keit, der Unsi­cher­heit einen Reiz abzu­ge­win­nen und das Dasein wenigs­tens ästhe­tisch recht­fer­ti­gen zu kön­nen. Die Déca­dents, Richard Wag­ner, den sie als ihren Gott fei­er­ten, und Nietz­sche, der abge­fal­le­ne Erz­engel des Meis­ters, der Luzi­fer ästhe­ti­scher Welt­be­zwin­gung, woll­ten aller­dings über das Schö­ne in die authen­ti­sche Welt lei­ten, auf geis­ti­ge Sub­stan­zen hin­len­ken, die kaum noch zu ahnen waren unter dem pom­pö­sen Zie­rat, mit dem die Bour­geoi­sie ihre Nich­tig­keit fei­er­lich umhüllte.
Wer immer die Welt ästhe­tisch recht­fer­tig­te und die Befrei­ung des Men­schen nicht zuletzt als Eman­zi­pa­ti­on vom schlech­ten, alles Edle ersti­cken­den Geschmack ver­stand, muß­te sich kon­se­quen­ter­wei­se gegen den häß­li­chen Bür­ger und sei­ne die Welt ent­zau­bern­den und ent­stel­len­den, häß­lich machen­den Absich­ten weh­ren. Der Bür­ger ist der Ego­ist, der nur sei­ne Geschäf­te kennt, sei­nen Erfolg dar­in sieht, ande­re zu über­vor­tei­len, um sel­ber nicht benach­tei­ligt zu wer­den. Der bür­ger­li­che Kapi­ta­list, der das Geld, des­sen Macht ihn umtreibt, end­lich über den gan­zen Glo­bus jagt, kennt nur eine Frei­heit: unge­hemmt mit den Geld­strö­men mit­flie­ßen zu kön­nen. Das Vater­land, die Nati­on, gebraucht er als fei­er­li­chen Vor­wand, sobald bei­des sei­nen Geschäf­ten nutzt. Ste­hen sie sei­nen Inter­es­sen im Wege, dann beschwört er als Kos­mo­po­lit die all­ge­mei­ne Mensch­lich­keit, die der Mensch­heit die­nen­de Handels‑, Wett­be­werbs- und Marktfreiheit.
Das Geld ist der all­ge­mei­ne Wert aller Din­ge. Es hat die Men­schen, die Ein­rich­tun­gen ihres Zusam­men­le­bens, die Natur, die Kul­tur ihres eige­nen Sin­nes beraubt und ver­wan­delt alles zu ver­wert­ba­rer und kon­su­mie­rend bewert­ba­rer Ware in den Zusam­men­hän­gen rein öko­no­mi­scher Zweck­mä­ßig­keit. In einer ver­äu­ßer­lich­ten Umwelt, in der der Mensch den Men­schen und die Natur nur als Frem­des und Befrem­den­des erlebt, muß unwei­ger­lich die Kunst gleich­sam sprach­los wer­den und sich der Jar­gons der Unter­hal­tungs­in­dus­trie bedie­nen, um die ent­frem­de­ten Kun­den oder Ver­brau­cher erfolg­reich abzu­len­ken und blen­dend zu amü­sie­ren. Das war die Sor­ge Wag­ners. Das war frü­her schon die Sor­ge Pierre-Joseph Proudhons, sei­nes frei­heit­lich-anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Leh­rers. Das war die Sor­ge des jun­gen Karl Marx. Karl Marx hielt den Bür­ger für anti­so­zi­al wie den Juden. Der Bour­geois wie der Jude ver­mö­gen nichts Neu­es zu schaf­fen. Sie zie­hen die Welt­ver­hält­nis­se in den Bereich ihrer Betrieb­sam­keit zum Zwe­cke ego­is­ti­scher Gewinn­ma­xi­mie­rung. Dar­über erweist sich der Jude als kein beson­de­res, von der bür­ger­li­chen Gesell­schaft unter­schie­de­nes Glied. Viel­mehr ist er, wie Karl Marx lako­nisch bemerk­te, der typi­sche Aus­druck „von dem Juden­tum der bür­ger­li­chen Gesellschaft“.

Die kapi­ta­lis­tisch-bür­ger­li­che Gesell­schaft des unein­ge­schränk­ten Ego­is­mus zer­reißt alle gesel­li­gen Ban­de. Das sag­ten Fou­rier, Proudhon, die Sozia­lis­ten, das sag­te Karl Marx, das sag­ten Kon­ser­va­ti­ve oder Reak­tio­nä­re wie de Maist­re, Bonald oder Paul de Lag­ar­de und Lang­behn, der „Rem­brandt­deut­sche“. Die kapi­ta­lis­ti­sche Inter­na­tio­na­le ver­äu­ßer­licht alle sitt­li­chen, natür­li­chen oder künst­le­ri­schen Ver­hält­nis­se und Eigen­hei­ten. Um sei­ne „Mensch­heit“ zurück­zu­ge­win­nen, muß sich der Bour­geois zusam­men mit dem Juden von der kapi­ta­lis­ti­schen Gesin­nung und Pra­xis befrei­en. Bei­de müs­sen sich gemein­sam durch Ver­nich­tung ihrer Bür­ger­lich­keit zum Men­schen befrei­en. Der häß­li­che Bür­ger und der häß­li­che Jude als Die­ner des häß­li­chen Kapi­tals ver­schmol­zen für Sozi­al­äs­the­ten, zu denen Proudhon, Marx und Wag­ner gehör­ten, zu einer mög­lichst zu über­win­den­den Figur. Zu über­win­den durch ästhe­ti­sche Erzie­hung im Sin­ne Schil­lers, der zuerst die ent­setz­li­che Ent­frem­dung des Men­schen in der geist­lo­sen, mecha­ni­schen Welt staat­li­cher und kapi­ta­lis­ti­scher Rou­ti­ne beschrieb.
Die Ret­tung kann nur von der Kunst, von dem Künst­ler kom­men, der die Stim­men der Natur und der Göt­ter ver­steht und deren Bot­schaft zu über­set­zen ver­mag. Pierre-Joseph Proudhon hoff­te auf die­sen Künst­ler. Richard Wag­ner bean­spruch­te, der Ersehn­te zu sein. Für die meis­ten anti­bür­ger­li­chen, anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen und anti­jü­di­schen oder schon anti­se­mi­ti­schen Euro­pä­er war er der „Meis­ter“, der den Weg ins Freie wies, in eine „unbür­ger­li­che“ Welt der Schön­heit, in der jeder als „Voll­mensch“ zur „Lebens­to­ta­li­tät“ gelangt, sei­nem frei­en Instink­te folgt, die ihn in Über­ein­stim­mung mit der Regel­mä­ßig­keit einer wohl­pro­por­tio­nier­ten Ord­nung hal­ten, die kein jüdisch-christ­li­ches Erbe mit sei­ner Lebens­feind­lich­keit aus dem Gleich­ge­wicht zu brin­gen vermag.
Die Zukunft tritt erst in ihr Recht, sobald die schreck­li­che Ver­gan­gen­heit ver­nich­tet wor­den ist, also nach der Göt­ter­däm­me­rung. Nach der „schöp­fe­ri­schen Zer­stö­rung“ Brün­hil­des, die Wag­ners Freund Baku­nin wort­prun­kend fei­er­te. Denn neu­es Leben blüht nur aus Rui­nen. Und der Leben­de hat Recht, wor­an Schil­ler und sei­ne dank­ba­ren Leser Marx und Wag­ner, wie deren euro­päi­sche, schön­heits­trun­ke­ne Gefolg­schaf­ten, nicht zwei­fel­ten. „Schöp­fe­ri­sche Zer­stö­rung“ meint die Ver­nich­tung der bür­ger­li­chen Welt, der Welt der Lüge, der ideo­lo­gisch-his­to­ri­schen Kos­tü­mie­rung von Aus­beu­tung und von ihr ablen­ken­der Kunst- und Unter­hal­tungs­in­dus­trie. Der Libe­ra­lis­mus und der Par­la­men­ta­ris­mus sind unter sol­chen Vor­aus­set­zun­gen nur ein gro­ßer Vor­wand, um den bür­ger­li­chen Ego­is­mus zu kaschie­ren, der für sei­ne Vor­tei­le einer in sich unei­ni­gen Gesell­schaft bedarf, dar­um bemüht, die Bün­de­lung aller Kräf­te unbe­dingt zu ver­hin­dern und einen élan vital der Gesell­schaft zu ersti­cken, die sich als Volk erkennt und als Volks­ge­mein­schaft lebt und handelt.

Es waren Bür­ger, die sich ent­täuscht vom Bür­ger­tum abwand­ten, ver­mu­tend, daß der Libe­ra­lis­mus zu all den neu­en sozia­len Fra­gen, die sich durch die Indus­tria­li­sie­rung und deren Fol­gen auf­dräng­ten, kei­ne Ant­wort wüß­ten. Wer sich nicht zum Sozia­lis­mus bekehr­te, der kon­ser­va­ti­ven Kla­ge­ri­tua­le aber über­drüs­sig war, der beweg­te sich in einem Zwi­schen­raum, der weder rechts noch links lag und auf kei­nen Fall in der Mit­te. Der Natio­na­lis­mus bewahr­te sei­ne Anzie­hungs­kraft. Denn in jako­bi­ni­scher Tra­di­ti­on soll­te der irri­tie­ren­de Plu­ra­lis­mus in einer neu­en Ein­heit, einer natio­na­len volon­té géné­ra­le über­wun­den werden.
Die Nati­on ver­lieh aber auch dem Sozia­lis­mus eine wer­ben­de Über­zeu­gungs­kraft. Die Klas­sen­ge­gen­sät­ze kön­nen nur in der unter sich eini­gen Nati­on ver­söhnt wer­den, die zu einem Sozi­al­kör­per ver­schmilzt, zu einer Volks­ge­mein­schaft. Der Natio­na­lis­mus muß in die­ser sozi­al wer­den und den Sozia­lis­mus als natio­na­le Bewe­gung aner­ken­nen. Der Sozia­lis­mus wen­det sich gegen die Aus­beu­tung, gegen das inter­na­tio­na­le Kapi­tal, gegen die bür­ger­li­chen Plu­to­kra­ten, die Frem­de för­dern, sich frem­der Kapi­ta­li­en bedie­nen, und gegen die Inter­na­tio­na­le der Juden und Frei­mau­rer, der Ultra­mon­ta­nen und der Jesui­ten. Der Natio­na­le Sozia­lis­mus, ein „Erleb­nis“, das um 1890 in Frank­reich von Mau­rice Bar­rès am umfas­sends­ten erläu­tert wur­de, konn­te den Ver­füh­run­gen gar nicht ent­ge­hen, die der Ras­se­ge­dan­ke und eine poli­ti­sier­te Bio­lo­gie bereit­hiel­ten. Der anti­bür­ger­li­che Pro­test rich­te­te sich auch gegen die bür­ger­li­che Individualisierung.
Indi­vi­dua­li­sie­rung bewirkt, wie es hieß, Zer­split­te­rung, Ato­mi­sie­rung und Ent­frem­dung. Der Mensch muß wie­der ver­wur­zeln, fest in den Boden ein­drin­gen, aus dem er her­vor­ging. Sei­ne Frei­heit fin­det er, wenn er sich frei­wil­lig den kol­lek­ti­ven For­de­run­gen unter­wirft, die der Boden, das Blut, die Ahnen­er­be und Volks­tum uner­bitt­lich stel­len. Jeder kann sich aus sei­ner Ver­ein­ze­lung lösen und zurück zur ras­si­schen, volk­haf­ten Gemein­schaft fin­den, sich ganz der Nati­on anver­wan­deln und zu deren Aus­druck wer­den. Im Frank­reich um die Jahr­hun­dert­wen­de stellt sich nicht so sehr die Fra­ge, wer als Ras­sist argu­men­tier­te, son­dern wer sich über­haupt von ras­se­ge­schicht­li­chen Spe­ku­la­tio­nen frei­zu­hal­ten wuß­te. Sie sind auf jeden Fall mit anti­li­be­ra­len und anti­de­mo­kra­ti­schen Teden­zen ver­bun­den. Gobi­ne­aus Ver­such über die Ungleich­heit der Ras­sen ist vor allem ein lei­den­schaft­li­ches Pam­phlet gegen die Repu­blik und den demo­kra­ti­schen Gedan­ken. Der Anti­li­be­ra­lis­mus, der zum Den­ken in Ras­sen­ge­set­zen gehört, führt dann auch zum bio­lo­gisch begrün­de­ten Anti­se­mi­tis­mus, der den Juden als libe­ra­len Kapi­ta­lis­ten und Inter­na­tio­na­lis­ten aus der „Volks­ge­mein­schaft“ verwies.
Anti­li­be­ra­lis­mus, Anti­par­la­men­ta­ris­mus, Anti­ka­pi­ta­lis­mus, Anti­kle­ri­ka­lis­mus und Anti­se­mi­tis­mus, die alle zusam­men den anti­bür­ger­li­chen Affekt aus­ma­chen, blie­ben Stim­mun­gen, mäch­ti­ge, vor sich hin wuchern­de Stim­mun­gen, ohne je sys­te­ma­ti­siert wor­den zu sein. Sie bil­den den Boden, auf dem sich spä­ter der Faschis­mus und der Natio­nal­so­zia­lis­mus aus­brei­ten konn­ten. Ideen las­sen sich am bes­ten beob­ach­ten in Zei­ten, in denen sie nur als Ideen vor­ge­tra­gen wer­den und noch nicht zur Macht gelangt sind oder von Mäch­ti­gen zur Macht gemacht wur­den. Zeev Stern­hell unter­rich­tet über den euro­pä­schen „Faschis­mus“ an Hand fran­zö­si­scher Gedan­ken­ent­wick­lun­gen und einer fran­zö­si­schen des­mo­ra­li­za­ción seit 1890 und zugleich über die Bil­dung revo­lu­tio­nä­rer Abwehr­kräf­te, um eben zu einer neu­en natio­na­len Leben­dig­keit zu kommen.

Den gro­ßen Ver­nei­nun­gen ste­hen die gro­ßen Beja­hun­gen zur Sei­te: Ein neu­er Mensch, eins mit einer wahr­haf­ten natio­na­len Kul­tur, die ihn befreit von den lebens­feind­li­chen Mäch­ten tro­cke­ner Ratio­na­li­tät und Funk­ti­ons­tüch­tig­keit, die viel­mehr die Lei­den­schaf­ten wie­der in ihr Recht setzt, den Enthu­si­as­mus weckt, die Sin­ne reha­bi­li­tiert und alle in ein natio­na­les Leben hin­ein­zieht, das jedem zu einer gestei­ger­ten Exis­tenz ver­hilft, das Indi­vi­du­um hin­ter sich las­send, in sei­ner Per­son die Nati­on, deren mythi­sche Vita­li­tät, zu ver­kör­pern. Dies alles waren recht unbe­stimm­te Ver­spre­chen. Es waren Ver­spre­chen, die über­all in Euro­pa gemacht wur­den und die mit einer schwei­fen­den Phan­ta­sie erwei­tert und aus­ge­schmückt wer­den konn­ten. Dar­in lag ihre Anzie­hungs­kraft, in der Ver­hei­ßung eines „schö­ne­ren Lebens“, und in der Mög­lich­keit, mit die­sen Ideen „das Leben“ zu revo­lu­tio­nie­ren. Schließ­lich woll­ten alle anti­bür­ger­li­chen Kräf­te nur eines: die Revo­lu­ti­on, den Umsturz der bür­ger­li­chen Ord­nung, die sich als Unord­nung und will­kür­li­cher Zwang äußerte.
Nicht alle Kri­ti­ker des Par­la­men­ta­ris­mus um 1900 waren aller­dings unbür­ger­lich oder anti­bür­ger­lich. Die ein­fluß­reichs­ten und mäch­tigs­ten wünsch­ten auto­ri­tä­re Sys­te­me. Mit ihnen soll­te gera­de die bür­ger­li­che Libe­ra­li­tät als Frei­heit, Geschäf­te machen zu kön­nen, vor revo­lu­tio­nä­ren Anschlä­gen geschützt oder die Lee­re, die der Libe­ra­lis­mus erzeu­ge, durch vor­zugs­wei­se christ­ka­tho­li­sche Sinn­ge­bung möbliert wer­den. Der Bür­ger, aus Angst vor der Revo­lu­ti­on von unten, die sei­ne Kapi­ta­li­en bedroht, war ger­ne bereit, die Revo­lu­ti­on von oben hin­zu­neh­men, die nahm ihm viel­leicht sei­ne par­la­men­ta­ri­sche Mit­be­stim­mung, aber schütz­te den urbür­ger­li­chen Drang, dem des Gewinnstrebens.
Der Erfolg ist der Ruhm des klei­nen Man­nes, wie Aris­to­kra­ten spot­te­ten. Aber sie hat­ten ohne­hin nichts mehr zu sagen. Ein apo­ka­lyp­tisch gestimm­ter katho­li­scher Aris­to­krat und Spa­ni­er, Juan Dono­so Cor­tés, hat­te 1848 die Dik­ta­tur des Säbels gewünscht, um der Dik­ta­tur des Dol­ches zu ent­ge­hen. Er hat­te damit für die fol­gen­den hun­dert Jah­re der Bour­geoi­sie das Stich­wort gelie­fert. Sie fürch­te­te den Sozia­lis­mus, ver­ach­te­te den Säbel, war aber alle­mal erleich­tert, wenn ein Gene­ral, zuletzt nur noch ein effi­zi­en­ter Tromm­ler, für Ord­nung sorg­te, also für die Grund­la­gen bür­ger­li­cher, gewinn­träch­ti­ger Geschäftigkeit.
Der „star­ke Mann“, der natio­na­le Sozia­lis­mus, die Revo­lu­ti­on von oben, um die von unten zu ver­mei­den, bür­ger­li­che Ängs­te und anti­bür­ger­li­che Dyna­mik ver­knäul­ten sich unent­wirr­bar. Der Bür­ger hat­te nie den Mut, revo­lu­tio­när zu wer­den. Die Revo­lu­ti­on fürch­te­te er. Das war Sozia­lis­mus oder Kom­mu­nis­mus oder sonst etwas zutiefst unge­heu­er­li­ches und unchrist­li­ches. Wenn der Bür­ger sich ängs­tig­te, besann er sich in der Regel auf das katho­li­sche Chris­ten­tum, das er in sol­chen Stun­den wie ein stark alko­ho­li­sier­tes Köl­ner Beru­hi­gungs­mit­tel jedem ener­vier­ten Klas­sen­freund emp­fahl: Nie ist er so nötig, wie jetzt. Aber die dif­fu­sen, ver­ein­zel­ten Jugend­be­we­gun­gen gegen die bür­ger­li­che Erstar­rung woll­ten ja nicht nur die Nati­on den Bür­gern ent­rei­ßen und den Sozia­lis­mus den Kom­mu­nis­ten. Sie woll­ten vor allem die Revo­lu­ti­on für sich als Paro­le zurück­ge­win­nen. Bol­sche­wis­ten oder Kom­mu­nis­ten gal­ten den anti­bür­ger­li­chen Pro­test­lern jen­seits von rechts und links, jen­seits von all den bür­ger­lich-libe­ra­len Pos­tu­la­ten, nur als Bas­tar­de eines ohne­hin ver­we­sen­den Libe­ra­lis­mus. Sozia­lis­ten und Kom­mu­nis­ten kön­nen gar kei­ne rich­ti­gen Revo­lu­tio­nä­re sein, weil voll­kom­men befan­gen im libe­ra­len Mate­ria­lis­mus und der doch längst ent­zau­ber­ten Fortschrittsidee.

In Deutsch­land gab es nach 1918 Grup­pen, die sich als kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­tio­nä­re ver­stan­den. Die­se para­do­xe Wort­ver­knüp­fung gibt es in Ita­li­en, Spa­ni­en oder Frank­reich nicht. Aber eine anti­bür­ger­li­che, revo­lu­tio­nä­re Hal­tung gab es dort unter Katho­li­ken, schwei­fen­den Sozia­lis­ten, unzu­frie­de­nen Reak­tio­nä­ren, ent­täusch­ten Huma­nis­ten, die nach einem neu­en Staat, nach einer neu­en Gesell­schaft, nach neu­en Men­schen und neu­er Lebens­freu­de ver­lang­ten, nach Son­der­we­gen, die weder bür­ger­lich noch sozia­lis­tisch waren, also gar nichts mit den Ideen von 1789 zu tun hat­ten, dem libe­ra­len Plu­ra­lis­mus. Was wir gemein­hin Faschis­mus nen­nen, ist um 1900 als sug­ges­ti­ves Ideen­ge­we­be längst vor­han­den. Sug­ges­tiv für Intel­lek­tu­el­le, über­all in Euro­pa, weil den Vers Shake­speares bestä­ti­gend: Wir sind aus sol­chem Stoff, wie der zu Träu­men. In die­sen Faschis­mus, bevor er mäch­tig ins Leben trat, ließ sich vie­les hin­ein­träu­men, hin­ein­den­ken oder hineinlegen.
Der Faschis­mus hat­te schon sei­ne Epo­che, bevor er sich in sei­ner Epo­che nach dem Gro­ßen Krieg sehr auf­fäl­lig bemerk­bar machen konn­te. Die euro­päi­sche des­mo­ra­li­za­ción wur­de nach 1918 nur radi­ka­li­siert und inten­si­viert in Fort­set­zung von Ent­täu­schun­gen und Ent­zau­be­run­gen, die seit 1890 ein gemein­eu­ro­päi­sches Phä­no­men sind, wie Orte­ga y Gas­set 1930 bemerk­te. Zu einer Zeit, als Spa­ni­en in eine Repu­blik auf­brach, wäh­rend die übri­gen Euro­pä­er, vom Ver­sa­gen des Libe­ra­lis­mus vor, im und nach dem Krieg, nach anti­re­pu­bli­ka­ni­schen Lösun­gen such­ten. Was nicht heißt nach unde­mo­kra­ti­schen. Denn die gro­ßen anti­bür­ger­li­chen Bewe­gun­gen, der rus­si­sche Bol­sche­wis­mus, der ita­lie­ni­sche Faschis­mus und der deut­sche Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­stan­den sich doch als demo­kra­ti­sche Kräf­te, die Mas­sen an dem betei­li­gen, was alle angeht und aus den Mas­sen Füh­rer­per­sön­lich­kei­ten gewin­nen, die als Vor­den­ker und Vor­ar­bei­ter die unun­ter­bro­che­ne Revo­lu­tio­nie­rung, die schöp­fe­ri­sche Zer­stö­rung vorantreiben.
Die „kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on“ mach­te den Kom­mu­nis­ten ihr revo­lu­tio­nä­res Mono­pol strei­tig, aber auch den Faschis­ten oder Natio­nal­so­zia­lis­ten. Als anti­bür­ger­li­che Bewe­gung war sie den meis­ten Bür­gern nicht geheu­er. Sie war nie eine bewe­gen­de Kraft in den Wei­ma­rer „bür­ger­li­chen“ Zei­ten. Die Über­gän­ge zum Faschis­mus oder Natio­nal­so­zia­lis­mus sind zuwei­len unge­hemmt, was sie spä­ter um ihr Anse­hen brach­te. Aber es gibt den­noch Unter­schie­de. Wenn Fran­zo­sen ver­stört dar­auf reagie­ren, daß eini­ge ihrer geist­reichs­ten Intel­lek­tu­el­len den „Faschis­mus“ begrün­det hät­ten, haben sie Recht. Es gab kei­ne Faschis­ten vor den Faschis­ten. Es gab aller­dings Gedan­ken, die der Faschis­mus oder Natio­nal­so­zia­lis­mus auf­grei­fen und wei­ter ent­wi­ckeln konn­te. Es gab die vagen „kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­tio­nä­re“. Ihnen genüg­te oft ein „auto­ri­tä­res Regime“, das sich spä­ter in der Regel nur hal­ten konn­te, wenn es Faschis­ten und Natio­nal­so­zia­lis­ten, ohne­hin meist Min­der­hei­ten außer­halb Deutsch­lands und Ita­li­ens, kon­trol­lier­te und unter Umstän­den „liqui­dier­te“. Außer­halb von Ita­li­en und Deutsch­land waren die kon­ser­va­tiv-auto­ri­tä­ren Kräf­te, gestützt von einer Armee, meist Herr der „faschis­ti­scher Bedro­hung“. In Deutsch­land dau­er­te es eini­ge Jah­re, bis die Armee ent­mün­digt und gleich­ge­schal­tet wor­den war.

Sowohl in Ita­li­en wie in Deutsch­land glaub­ten anfäng­lich rech­te „Anti­fa­schis­ten“ stär­ker zu sein als ihr Geg­ner. Die „kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­tio­nä­re“ hat­ten sich schwer getäuscht, als sie den revo­lu­tio­nä­ren Jar­gon des anti­bür­ger­li­chen Natio­na­len Sozia­lis­mus, nach dem sie sel­ber streb­ten, wört­lich nahmen.
Der Anti­fa­schis­mus ist ein Kampf­be­griff der Kom­in­tern. Sie erklär­te jeden Geg­ner und Feind zum Faschis­ten. Die Sozi­al­de­mo­kra­ten wur­den zeit­wei­se als „Sozi­al­fa­schis­ten“ dis­kri­mi­niert. Der Geg­ner der Kom­mu­nis­ten waren die „Nazis“. Da heu­te der Anti­fa­schis­mus als Begriff genau­so ver­wandt wird, wie die Kom­in­tern es vor bald acht­zig Jah­ren nahe­leg­te, gehört es zu den extre­men poli­ti­schen Unkor­rekt­hei­ten den „Nazis­mus“ bei sei­nem wah­ren Namen zu nen­nen, dem Natio­nal­so­zia­lis­mus. Der hat eine über­ra­schen­de Ver­gan­gen­heit, über­ra­schend nur für dog­ma­ti­sche Sozia­lis­ten, die Revo­lu­ti­on und Sozia­lis­mus für ein lin­kes „Pro­jekt“ halten.
Die Welt war immer unüber­sicht­li­cher als es sich die Ideo­lo­gen erwar­te­ten, zumal seit dem Ende aller Sicher­hei­ten im fin de siè­cle. Der Natio­nal­so­zia­lis­mus ist längst besiegt, der Faschis­mus hat sich ohne­hin erle­digt und der Kom­mu­nis­mus ist tot. Ein paar sinn­lo­se Voka­beln wie „Nazi“ und „Faschist“ erin­nern an unter­ge­gan­ge­ne Wel­ten, die den­noch für die längst unbür­ger­li­chen Über­le­ben­den Irri­ta­tio­nen bereit­hal­ten. Sie woll­ten sozia­le Sicher­heit im natio­nal­staat­li­chen Rah­men. Sie woll­ten sich nicht wie Don Qui­jo­te auf das Wag­nis des Lebens ein­las­sen. Doch das Leben ist gefähr­lich, gera­de im libe­ral-ver­träum­ten Sozi­al­de­mo­kra­tis­mus eines sehr kor­rek­ten Anti­fa­schis­mus der „Bes­ser­ver­die­nen­den“, der allen „Sozi­al­schwa­chen“ emp­fiehlt, sich auf nichts zu ver­las­sen und froh­ge­mut der faschis­ti­schen Devi­se zu fol­gen: Lebe gefähr­lich, auf eige­ne Faust, ohne der post­fa­schis­ti­schen Soli­dar­ge­mein­schaft an Stel­le der Volks­ge­mein­schaft läs­tig zu fallen.

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