Potsdam Center for Transatlantic Security on Military Affairs

pdf der Druckfassung aus Sezession 1 / April 2003

von Manuel Ochsenreiter

„Studieren, wo andere Urlaub machen“, mit diesem Motto wirbt die Universität Potsdam.

Der ehe­ma­li­ge Bun­des­mi­nis­ter für Ver­tei­di­gung, Rudolf Schar­ping, fand den Slo­gan so ori­gi­nell, daß er damit sei­ne Rede anläß­lich der Eröff­nung des Pots­dam Cen­ter for Trans­at­lan­tic Secu­ri­ty on Mili­ta­ry Affairs (TSMA) würz­te. Und im Urlaub befan­den sich wohl auch die meis­ten Stu­den­ten, als das TSMA am 4. März 2002 eröff­ne­te, denn es war mit­ten in den Semes­ter­fe­ri­en. Die Stu­den­ten der Uni­ver­si­tät wur­den nicht ein­mal infor­miert. Statt mit dem sonst übli­chen aka­de­mi­schen Pomp begann die Ein­rich­tung ihre Tätig­keit eher dis­kret, gera­de mal eini­ge klei­ne Zei­tungs­mel­dun­gen gaben die Grün­dung bekannt.

Kei­ne stu­den­ti­schen Abord­nun­gen, kei­ne groß ange­leg­te Fei­er­lich­keit, statt­des­sen eine inter­es­san­te Mischung von hoch­ran­gi­gen Per­sön­lich­kei­ten aus Poli­tik, Mili­tär und Rüs­tungs­wirt­schaft. Grün­dungs­schirm­herr der Stif­tung war Schar­ping, der in sei­ner erwähn­ten Rede aus­drück­lich sei­ne „beson­de­re Genug­tu­ung“ bekun­de­te. Schar­ping teilt sich das Pro­tek­to­rat übri­gens mit dem frü­he­ren US-ame­ri­ka­ni­schen Außen­mi­nis­ter Hen­ry Kissinger.

Außer Schar­ping wohn­te noch der bran­den­bur­gi­sche Innen­mi­nis­ter und CDU-Lan­des­chef Jörg Schön­bohm der Zere­mo­nie bei. Wei­ter spra­chen bei der Ver­an­stal­tung der Chair­man des Defen­se Secu­ri­ty Board des US-Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums und ehe­ma­li­ge Stell­ver­tre­ten­de US-Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Bill Schnei­der sowie der Prä­si­dent der Uni­ver­si­tät Pots­dam, Wolf­gang Losch­el­der. Als Grün­der und Direk­to­ren des neu­en TSMA tra­ten die „Indus­trie­ma­na­ge­rin und Zeit­his­to­ri­ke­rin“ Mar­ga­ri­ta Mathio­pou­los und Man­fred Gör­tema­ker, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te an der Uni­ver­si­tät Pots­dam, auf. Mathio­pou­los wur­de ter­min­ge­recht nur drei Wochen vor die­ser Ver­an­stal­tung zur Hono­rar­pro­fes­so­rin für Inter­na­tio­na­le Sicher­heits­po­li­tik ernannt.

Wo die Bezugs­punk­te des Insti­tuts zukünf­tig lie­gen soll­ten, stell­te Schar­ping bereits in den ers­ten Sät­zen sei­ner Rede klar. Noch vor der pflicht­schul­di­gen Erwäh­nung der „Höhen und Tie­fen der preu­ßisch­deut­schen Geschich­te“ fabu­lier­te Schar­ping über das „gut­ge­wähl­te Datum“ der Eröff­nung: Denn genau 213 Jah­re zuvor, am 4. März 1789, sei der ame­ri­ka­ni­sche Kon­greß das ers­te Mal zusam­men­ge­tre­ten, um Geor­ge Washing­ton zum ers­ten US-Prä­si­den­ten zu wäh­len. Es folg­te in Schar­pings Rede der obli­ga­to­ri­sche Bezug auf das „… Band der gemein­sa­men Wer­te und Prin­zi­pi­en, das mitt­ler­wei­le die Staa­ten, die Insti­tu­tio­nen und die Men­schen der ›Atlan­tic Com­mu­ni­ty‹“ umfas­se, und auf Ber­lin als „Sym­bol für die trans­at­lan­ti­sche Part­ner­schaft schlechthin“.

In einer Pres­se­mel­dung zur Insti­tuts­er­öff­nung wur­den des­sen Zie­le knapp zusam­men­ge­faßt: Das TSMA wol­le „… einen Bei­trag dazu leis­ten, die stra­te­gi­schen Inter­es­sen der Atlan­ti­schen Gemein­schaft im 21. Jahr­hun­dert zu umrei­ßen und die Prio­ri­tä­ten der deut­schen, euro­päi­schen und ame­ri­ka­ni­schen Sicher­heits­po­li­tik neu zu defi­nie­ren“, das Insti­tut wer­de Pro­jek­te „… zur deut­schen Sicher­heits- und Ver­tei­di­gungs­po­li­tik im euro­päi­schen und trans­at­lan­ti­schen Rah­men, zur neu­en Rol­le der Nato, zur Stär­kung der euro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­fä­hig­keit, zur För­de­rung der euro­pä­isch-ame­ri­ka­ni­schen Sicher­heits­part­ner­schaft, zur Prä­ven­ti­on der Wei­ter­ver­brei­tung von Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen, zu trans­na­tio­na­len Risi­ken und Anti-Ter­ror­stra­te­gien, zu rus­si­schen und asia­ti­schen Sicher­heits- und Mili­tär­in­ter­es­sen“ ver­fol­gen. Als letz­tes Pro­jekt wird die För­de­rung der „Koope­ra­ti­on zwi­schen Rüs­tungs­in­dus­trie und Regie­run­gen“ genannt.

Für die­ses Pro­jekt scheint die Grün­de­rin und Direk­to­rin Mar­ga­ri­ta Mathio­pou­los bes­tens geeig­net. Bereits im Alter von zwan­zig Jah­ren war Mar­ga­ri­ta Mathio­pou­los 1977 als weib­li­cher Pres­se­at­ta­ché der grie­chisch-zyprio­ti­schen Bot­schaft in Bonn beschäf­tigt. Einer brei­te­ren Öffent­lich­keit wur­de sie aber erst durch ihren Kon­takt zu dem dama­li­gen SPD-Vor­sit­zen­den Wil­ly Brandt bekannt. Der altern­de Sozi­al­de­mo­krat woll­te die gera­de drei­ßig­jäh­ri­ge Mathio­pou­los zur Pres­se­spre­che­rin sei­ner Par­tei machen. Brandt kann­te bereits ihren Vater, Basil Mathio­pou­los, dem er „… wäh­rend der grie­chi­schen Jun­ta-Zeit wahr­schein­lich das Leben geret­tet“ habe, wenn man der Dar­stel­lung von Mathio­pou­los folgt.

Aller­dings paß­te Brandts Kan­di­da­tin kaum in das Ras­ter sozi­al­de­mo­kra­ti­scher Per­so­nal­po­li­tik. Die Par­tei­lo­se war Sti­pen­dia­tin der FDP-nahen Fried­rich Nau­mann Stif­tung und zu allem Über­fluß mit dem CDU-Mann Fried­bert Pflü­ger ver­lobt, damals noch Pres­se­spre­cher des Bun­des­prä­si­den­ten Weiz­sä­cker. Für die SPD war das alles zuviel, und die Par­tei oppo­nier­te so hef­tig gegen Brandts Ent­schei­dung, daß der sei­nen Schütz­ling fal­len las­sen muß­te und nach hef­ti­gen inter­nen Debat­ten sogar von sei­nem Amt als Par­tei­vor­sit­zen­der zurücktrat.

Daß Mathio­pou­los schon damals „… vom Ame­ri­ka­ni­schen Traum und der Atlan­ti­schen Alli­anz“ beseelt war, dürf­te ihre Aus­sich­ten auf den pres­ti­ge­träch­ti­gen Pos­ten bei der SPD auch nicht unbe­dingt ver­bes­sert haben; bereits war sie bei Karl Diet­rich Bra­cher mit einer Arbeit über „Geschich­te und Fort­schritt im Den­ken Ame­ri­kas: Ein euro­pä­isch-ame­ri­ka­ni­scher Ver­gleich“ pro­mo­viert worden.

Nach dem geschei­ter­ten Anlauf in der Poli­tik über­nahm Mathio­pou­los zwi­schen 1992 und 1997 die Funk­ti­on einer Pres­se­spre­che­rin der NordLB, danach heu­er­te sie beim Rüs­tungs­kon­zern Bri­tish Aero­space an. Dort war sie für die Pla­nung der Kon­zern­ge­schäf­te in Nord­ame­ri­ka und Euro­pa ver­ant­wort­lich. 1995 über­nahm sie zudem eine Hono­rar­pro­fes­sur für US-Außen­po­li­tik und Inter­na­tio­na­le Poli­tik an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Braun­schweig. Seit Som­mer 2001 ist sie Geschäfts­füh­ren­de Gesell­schaf­te­rin des EAG Euro­pean Advi­so­ry. Bei der EAG Euro­pean Advi­sis­o­ry Group han­delt es sich um eine GmbH, die unter ande­rem vom ehe­ma­li­gen Vor­sit­zen­den des Nato-Mili­tär­aus­schus­ses, Gene­ral Klaus Nau­mann geführt wird.

DEAG ver­steht sich als bera­ten­des Schar­nier und Ver­mitt­lung zwi­schen Politik‑, Wirt­schaft- und Rüs­tungs­un­ter­neh­men. Zur reich­hal­ti­gen Ange­bots­pa­let­te des EAG-Kon­zerns gehö­ren die Anfer­ti­gung poli­ti­scher und stra­te­gi­scher Ana­lys­sen, Kon­flikt­for­schung, Anti-Ter­ror-Stra­te­gien, soge­nann­te „Ver­tei­di­gungs­di­plo­ma­tie“ sowie die Beein­flus­sung poli­ti­scher und öko­no­mi­scher Ent­schei­dungs­pro­zes­se. Damit, so die EAG in ihrer Selbst­dar­stel­lung, fül­le sie eine wich­ti­ge Markt­ni­sche aus und wapp­ne Eli­ten aus Poli­tik und Wirt­schaft für das 21. Jahr­hun­dert. Neben Mathio­pou­los und Nau­mann arbei­ten auch noch der Unga­ri­sche Bot­schaf­ter Ist­van Gyar­ma­ti sowie Bill Schnei­der, dem Vor­sit­zen­den des „Defen­se Sci­ence Board of the US-Depart­ment of Defen­se“ eines Kon­zerns, der sei­ner­seits enge Ver­bin­dun­gen mit dem TSMA-Insti­tut ein­ge­hen sollte.

Dar­über amtiert sie als Vize­prä­si­den­tin der Deutsch-Atlan­ti­schen Gesell­schaft und ist Mit­glied der Stu­di­en­grup­pe für „stra­te­gi­sche Fra­gen“ der Deut­schen Gesell­schaft für Aus­wär­ti­ge Poli­tik. Sogar eine eige­ne, nach ihr benann­te Stif­tung hat sie bereits ins Leben geru­fen. Sekun­diert wird sie auch dort von ihrem Mann, dem mitt­ler­wei­le zum Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten und Mit­glied des Par­tei­vor­stands der CDU auf­ge­stie­ge­nen Pflü­ger. Die Stif­tung beschäf­tigt sich „mit der Lösung reli­giö­ser und kul­tu­rel­ler Kon­flik­te“ und mit „der Bewah­rung libe­ra­ler Struk­tu­ren im Zeit­al­ter der Globalisierung“.

2002 trat die par­tei­lo­se Mathio­pou­los öffent­lich­keits­wirk­sam in die FDP ein („die ein­zi­gen wirk­li­chen Moder­ni­sie­rer Deutsch­lands“), was den regie­ren­den Sozi­al­de­mo­kra­ten nur mäßig gefal­len haben dürf­te. Die­ser Umstand, so heißt es gerüch­te­wei­se aus dem Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um, habe zur aktu­el­len Finanz­mi­se­re des TSMA-Insti­tuts bei­getra­gen. Denn  finan­ziert wird die „unab­hän­gi­ge aka­de­mi­sche Ein­rich­tung“ mit Hil­fe von „pri­va­ten und öffent­li­chen Mit­teln aus Deutsch­land und den USA“. Dabei belau­fen sich die jähr­li­chen Kos­ten nach Aus­kunft der Welt auf 3 Mil­lio­nen Euro.

Bereits eini­ge Mona­te nach der TSMA-Grün­dung gab es ers­te Pro­ble­me. Schar­ping soll noch als Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter eine Anschub­fi­nan­zie­rung von 250.000 Euro zuge­sagt haben. Über die­se Zusa­ge gibt es aller­dings kei­ne schrift­li­che Ver­ein­ba­rung, und so fühlt sich das Minis­te­ri­um nicht gebun­den. Der FDP-Ein­tritt der Grün­de­rin und Direk­to­rin Mathio­pou­los war wohl das fal­sche Signal an die poten­ti­el­len Geld­ge­ber mit SPD-Par­tei­buch. Kri­ti­siert wur­de das unter ande­rem laut­stark vom neu­en Par­tei­freund, dem FDP-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Wer­ner Hoyer, der die Beschnei­dung als „gera­de­zu klein­ka­riert“ bezeichnete.

Bleibt schließ­lich die Fra­ge, was das TSMA eigent­lich mit der Uni­ver­si­tät zu tun hat? Das weiß selbst Mit­grün­der Gör­tema­ker nicht genau zu sagen. Ihm zufol­ge ist einer der Berüh­rungs­punk­te TSMA-Uni­ver­si­tät, daß bei­de Grün­dungs­di­rek­to­ren zugleich Ange­hö­ri­ge der Uni­ver­si­tät sei­en. Zum ande­ren sol­le die Pro­fes­sur für Mili­tär­ge­schich­te in die Insti­tuts­ar­beit ein­be­zo­gen wer­den. Die­ser „in Deutsch­land ein­zig­ar­ti­ge Lehr­stuhl“ (Schar­ping) wird von der Bun­des­wehr finan­ziert und hat nicht zuletzt jene pazi­fis­ti­schen Refle­xe aus­ge­löst, die sich auch gegen das TSMA-Insti­tut richten.

Dabei ist die Vor­stel­lung einer deut­schen mili­tä­ri­schen Denk­fa­brik im Her­zen des längst ver­gan­ge­nen Preu­ßen ganz absurd. Des­sen Ziel­set­zung hat gera­de nichts zu tun mit einem neu­en deut­schen Groß­macht­stre­ben. Das TSMA wird, sofern es sei­ne zukünf­ti­ge Finan­zie­rung erlaubt, als eine Art Filia­le der ame­ri­ka­ni­schen Rüs­tungs­lob­by fun­gie­ren. Dar­an ändert auch die für pas­sio­nier­te Kriegs­geg­ner beun­ru­hi­gen­de neue Bal­lung mili­tä­ri­scher Ein­rich­tun­gen in der bran­den­bur­gi­schen Lan­des­haupt­stadt (Ein­satz­füh­rungs­kom­man­do, Mili­tär­ge­schicht­li­ches For­schungs­amt und jetzt eben TSMA) gar nichts.

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