Verhaltensforschung und Politik

pdf der Druckfassung aus Sezession 28 / Februar 2009

von Karlheinz Weißmann

Wer in den siebziger Jahren ein westdeutsches Gymnasium besuchte, erinnert sich noch an die Schärfe der politischen Diskussionen im Unterricht.

Ob Deutsch oder Gemein­schafts­kun­de, Reli­gi­on oder Geschich­te, es ging immer ums Prin­zi­pi­el­le: die Über­le­gen­heit oder Unter­le­gen­heit der DDR im »Sys­tem­ver­gleich«, Recht oder Unrecht des RAF-Ter­rors, der »Berufs­ver­bo­te« für Kom­mu­nis­ten, der mili­tä­ri­schen Ver­tei­di­gung, des Kapi­ta­lis­mus oder des Leis­tungs­sports. Man leb­te in ideo­lo­gisch gela­de­ner Atmo­sphä­re, und die Aus­ein­an­der­set­zun­gen wur­den mit Vehe­menz geführt, weil die Betei­lig­ten über­zeugt waren, daß es sich um Exis­tenz­fra­gen han­de­le, eigent­lich um die Ent­schei­dung zwi­schen Gut und Böse. Ein Grund für die Inten­si­tät der Mei­nungs­kämp­fe war auch die Stär­ke der geg­ne­ri­schen Lager, der Lin­ken einer­seits, die in Fol­ge von 68 Auf­trieb erhal­ten hat­te, der Bür­ger­li­chen ande­rer­seits, die aus immer noch gefes­tig­ten Posi­tio­nen foch­ten. Kei­ne der bei­den Par­tei­en ver­ließ sich nur auf die Mann­stär­ke, es ging immer auch um argu­men­ta­ti­ve Zurüs­tung, und damals – im Gegen­satz zu heu­te – glaub­ten die Bür­ger­li­chen an die Bedeu­tung von Welt­an­schau­ung und dar­an, einen Vor­sprung auf die­sem Feld zu haben. Der »Suk­kurs aus der Wis­sen­schaft« (Armin Moh­ler) spiel­te eine wich­ti­ge Rol­le, die ätzen­de Kri­tik von Sozio­lo­gen wie Arnold Geh­len, Hel­mut Schelsky, Hel­mut Schoeck oder Ernst Topitsch und Staats­recht­lern wie Ernst Forst­hoff an den uto­pi­schen Erwar­tun­gen der Lin­ken etwa, die kaum etwas übri­gließ von der Hoff­nung auf all­ge­mei­ne Eman­zi­pa­ti­on, Selbst­be­stim­mung, freie Lie­be und huma­ni­tä­ren Sozia­lis­mus, samt Land­kom­mu­nen und selbst­ver­wal­te­ten Industriebetrieben.

Zu den Vor­ga­ben die­ses »neo­kon­ser­va­ti­ven« Den­kens gehör­te eine skep­ti­sche Anthro­po­lo­gie, die aus der Tra­di­ti­on hin­rei­chend zu begrün den war, aber – im Fal­le Geh­lens etwa – auch auf neue Erkennt­nis­se der Natur­wis­sen­schaf­ten zurück­griff. Die boten vor allem im Hin­blick auf die Intel­li­genz- und die Ver­hal­tens­for­schung Argu­men­te, die die Lin­ke, die sich soviel auf ihre Ratio­na­li­tät und ihre Auf­ge­klärt­heit zugu­te hielt, in Bedräng­nis brin­gen muß­ten. In Deutsch­land hat man zwar die For­schun­gen des Ame­ri­ka­ners Arthur Jen­sen zu Leis­tungs- und IQ-Unter­schie­den schwar­zer und wei­ßer Schul­kin­der nur zurück­hal­tend auf­ge­nom­men, aber das Buch von Hans J. Eysen­ck mit dem pro­gram­ma­ti­schen Titel Die Ungleich­heit der Men­schen ent­wi­ckel­te sich zum Best­sel­ler, obwohl oder gera­de weil man hier eine radi­ka­le Anti­the­se zum neu­en Ega­li­ta­ris­mus fand. Ähn­li­ches galt für die Arbei­ten des Außen­sei­ters Robert Ardrey, der mit sei­nen all­ge­mein­ver­ständ­li­chen Dar­stel­lun­gen zu den natür­li­chen Ursa­chen von Ter­ri­to­ri­a­li­tät, Kol­lek­ti­vi­tät und Aggres­si­vi­tät des Men­schen ganz ent­schei­dend zur Popu­la­ri­sie­rung ver­hal­tens­bio­lo­gi­scher Erkennt­nis­se bei­getra­gen hat.

Die Vor­stel­lung, daß die Men­schen wesent­lich ungleich sind und wesent­lich durch das Unver­füg­ba­re – ihr bio­lo­gi­sches Erbe – bestimmt wer­den, muß­te einer »rech­ten« Posi­ti­on nüt­zen. Die Rich­tung der Rezep­ti­on war aller­dings nicht von vorn­her­ein fest­ge­legt. Als Der Spie­gel im Dezem­ber 1965 eine Titel­aus­ga­be »Ver­hal­tens­for­schung: Der Mensch und sei­ne Instink­te« brach­te, hat­te das jeden­falls eher mit dem Geist des Posi­ti­vis­mus und der Moder­ni­tät zu tun, mit dem Bemü­hen, reli­giö­se Vor­be­hal­te gegen­über dem Tie­ri­schen im Men­schen abzu­schlei­fen oder der Lächer­lich­keit preis­zu­ge­ben. Im Kern ging es um die Behaup­tung, daß homo sapi­ens nach­hal­tig durch instink­ti­ve oder instinkt­ar­ti­ge Ver­hal­tens­wei­sen deter­mi­niert sei, daß es inso­fern kei­nen qua­li­ta­ti­ven Unter­schied zum Tier gebe und die Vor­stel­lung von einem »Geist­we­sen«, das sich mit Hil­fe sei­nes »frei­en Wil­lens« von allen natur­haf­ten Bin­dun­gen eman­zi­pie­ren kön­ne, obwohl in der abend­län­di­schen Tra­di­ti­on so tief ver­an­kert, als abwe­gig betrach­tet wer­den müs­se. Man wies auch auf das Stre­ben der Ver­hal­tens­for­schung nach einer Syn­the­se hin, die ein neu­es Men­schen­bild schaf­fen und dem Poli­ti­ker umfas­sen­de Sys­tem­steue­rung ermög­li­chen soll­te, so daß er »… mit sei­nen geg­ne­ri­schen Berufs­kol­le­gen in gleich­sam still­schwei­gen­der Über­ein­kunft die­se agi­le, schwe­len­de und explo­si­ve Mas­se Mensch plan­mä­ßig lenkt; der hier ablei­tet, dort befrie­digt, viel­leicht sogar klei­ne Krie­ge und Revo­lu­tio­nen in Gang setzt oder dul­det, um gro­ße zu ver­hin­dern« (Erich von Holst).
Der­ar­ti­ge Gedan­ken­spie­le ent­spra­chen dem kyber­ne­ti­schen Zeit­geist der sech­zi­ger Jah­re und hat­ten kaum mit kon­kre­ter Par­tei­nah­me zu tun. Die Poli­ti­sie­rung der Ver­hal­tens­for­schung kam auch nicht auf direk­tem, son­dern auf indi­rek­tem Weg zustan­de, als eine Art Reak­ti­on auf den Wan­del der gesell­schaft­li­chen Leit­ideen. Der Vor­gang ist an den Stel­lung­nah­men des Grün­der­va­ters der Etho­lo­gie, Kon­rad Lorenz, beson­ders deut­lich ables­bar. Lorenz hat­te sich zwar nie­mals nur an die Fach­welt gewandt, son­dern mit Büchern wie Er rede­te mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen (1949) und So kam der Mensch auf den Hund (1950) und schließ­lich Das soge­nann­te Böse (1963) ein brei­tes Publi­kum ange­spro­chen. Aber die meis­ten sei­ner Aus­sa­gen waren unver­fäng­lich. Das änder­te sich dras­tisch nach Erschei­nen sei­nes »Haupt­werks«, das 1973 mit dem Titel Die Rück­sei­te des Spie­gels. Ver­such einer Natur­ge­schich­te des mensch­li­chen Erken­nens her­aus­kam, und der Ver­öf­fent­li­chung einer schar­fen Pole­mik, die Die acht Tod­sün­den der zivi­li­sier­ten Mensch­heit behandelte.
Lorenz Rede von der »Domes­ti­ka­ti­on« des Men­schen wirk­te eben­so auf­rei­zend wie sei­ne The­se, daß die moder­ne Indus­trie­ge­sell­schaft eine »Invo­lu­ti­on« durch­lau­fe, das heißt nicht dem Gesetz des »Fort­schritts«, son­dern dem des »Ver­falls«, auch und gera­de des gene­ti­schen Ver­falls, unter­lie­ge, da der Mensch ein zivi­li­sa­to­ri­sches Niveau erreicht habe, das den Druck der Selek­ti­on voll­stän­dig aus­schal­te. Als eigent­li­che Gefahr betrach­te­te die lin­ke Intel­li­genz aber die Schaf­fung eines theo­re­ti­schen Ansat­zes, der als wis­sen­schaft­li­che Basis der Gegen­re­vo­lu­ti­on die­nen konn­te. Denn wenn die Grund­an­nah­men der Etho­lo­gie zutra­fen und akzep­tiert wur­den, stan­den alle Para­dig­men, die man gera­de durch­ge­setzt hat­te, in Fra­ge: die Idee, daß der Mensch als »wei­ßes Blatt« auf die Welt kom­me, wes­halb alle Men­schen gleich sei­en, jeden­falls kei­ne natür­li­che Ver­schie­den­heit nach Geschlech­tern oder Ras­sen bestehe, die Annah­me einer durch­gän­gi­gen Ver­nunft­be­ga­bung und all­mäch­ti­gen Sozia­li­sie­rung, die im bes­ten Fall zur Schaf­fung eines »neu­en Men­schen« in einer neu­en, sozia­lis­ti­schen Gesell­schaft füh­ren wer­de, und die The­se, daß die eige­ne, die »zwei­te Auf­klä­rung« einen Mono­pol­an­spruch auf Ratio­na­li­tät erhe­ben konnte.

Umge­kehrt hoff­te die intel­lek­tu­el­le Rech­te, daß die »Ein­sicht in die Inva­ri­an­ten und in die kon­sti­tu­ti­ven Deprava­ti­ons­ge­fah­ren der mensch­li­chen Natur, von der Lorenz’ Kul­tur- und Gesell­schafts­kri­tik aus­geht, … die Chan­ce« eröff­ne­te, »ein rea­lis­tisch-anthro­po­lo­gi­sches Ent­frem­dungs­theo­rem zu for­mu­lie­ren: Zwi­schen der Scyl­la der Sank­tio­nie­rung eines jeden, belie­bi­gen, poli­ti­schen, sozia­len, kul­tu­rel­len Sta­tus quo unter Beru­fung auf vor­geb­li­che ›Natur­kon­stan­ten‹ … und der Cha­ryb­dis einer empi­risch nicht aus­ge­wie­se­nen uto­pis­tisch-essen­tia­lis­ti­schen ›Ent­frem­dungs‹- Theo­rie hin­durch, kann aus den anthro­po­lo­gisch-etho­lo­gi­schen Befun­den eine Kon­zep­ti­on erar­bei­tet wer­den, die sich an his­to­risch rea­li­sier­ten und onto­ge­ne­tisch rea­li­sier­ba­ren opti­ma­len Mög­lich­kei­ten der mensch­li­chen Natur ori­en­tiert und deren Ver­lust, Ver­schüt­tung, Ver­feh­lung in der Gegen­wart als Ent­frem­dung zu erfas­sen und dar­zu­stel­len ver­mag.« (Hein­rich Meier)
Ange­sichts die­ser Lage war es kein Zufall, daß die Ver­stri­ckung von Lorenz in den Natio­nal­so­zia­lis­mus erst nach­träg­lich gegen ihn und die Ver­hal­tens­for­schung ins Feld geführt wur­de. In ers­ter Linie ging es um die poli­ti­sche Bedeu­tung der Etho­lo­gie, deren »gro­ße Popu­la­ri­tät« man als das ent­schei­den­de Pro­blem betrach­te­te, die »Wis­sen­schafts­gläu­big­keit« der unkri­ti­schen Mas­se im all­ge­mei­nen und die Metho­de des »Tier­ver­gleichs« (Wolf­gang Schmid­bau­er) im beson­de­ren. Die­se Front­stel­lung ergab sich zwangs­läu­fig, weil die herr­schen­den intel­lek­tu­el­len Moden – der Mar­xis­mus, die Psy­cho­ana­ly­se, der Struk­tu­ra­lis­mus – in dem Punkt zusam­men­lie­fen, daß sie die natur­haf­te Sei­te des Men­schen, eigent­lich die Mög­lich­keit einer Anthro­po­lo­gie über­haupt, bestrit­ten, sofern die­se von Inva­ri­an­ten aus­geht. Denn wenn »Anthro­po­lo­gie … dar­an fest­hält, gewis­ser­ma­ßen ›onto­lo­gisch‹ zu ver­fah­ren, näm­lich nur das Wie­der­keh­ren­de, das Immer­glei­che, das Zugrun­de­lie­gen­de an Mensch und Men­schen­werk zum Gegen­stand zu machen, wird sie unkri­tisch und führt am Ende gar zu einer Dog­ma­tik mit poli­ti­schen Kon­se­quen­zen« (Jür­gen Haber­mas), will sagen: poli­ti­schen Kon­se­quen­zen, die der Lin­ken nicht recht sein konnten.
Die Lin­ke hat sich letzt­lich – trotz der dürf­ti­gen und feh­ler­haf­ten Begrün­dung ihrer Posi­ti­on – durch­ge­setzt, was ein klu­ger Beob­ach­ter der Ent­wick­lung, Die­ter E. Zim­mer, schlicht auf die Attrak­ti­vi­tät ihres »sozio­psycho- kul­tur­po­li­ti­schen Gemein­ver­ständ­nis­ses« zurück­führ­te. Die Ein­schät­zung war umso bemer­kens­wer­ter, als sich Zim­mer ursprüng­lich selbst der Lin­ken zurech­ne­te, bevor er als Wis­sen­schafts­jour­na­list über die »ers­te Natur« des Men­schen zu arbei­ten begann. Dabei wur­de ihm klar, daß die Vor­wür­fe gegen die »Bio­lo­gis­ten« oder »Nati­vis­ten« nicht nur feh­len­de Sach­kennt­nis präg­te, son­dern auch ein kal­ku­lier­tes Miß­ver­ste­hen dahin­ter­stand. Zim­mer schrieb zwi­schen 1978 und 1982 eine Rei­he gro­ßer »Dos­siers« für die Zeit, in denen er mit allen Lieb­lings­vor­stel­lun­gen der lin­ken Intel­li­genz abrech­ne­te: der Idee prin­zi­pi­el­ler Gleich­heit der Geschlech­ter, der Milieu­theo­rie, der Mög­lich­keit die Mensch­heit zu pazi­fi­zie­ren oder sie in einem sozia­lis­ti­schen Welt­staat zusam­men­zu­füh­ren, der Trag­fä­hig­keit der Psy­cho­ana­ly­se oder den Ver­hei­ßun­gen anti­au­to­ri­tä­rer Pädagogik.

Bedenkt man den Erschei­nungs­ort der »Dos­siers«, kann man sich des Ein­drucks nicht erweh­ren, daß die Zeit Zim­mer als eine Art Hof­nar­ren betrach­te­te, der unge­straft Wahr­hei­ten aus­spre­chen durf­te, die man ansons­ten ver­barg oder leug­ne­te. Als er zu Beginn der acht­zi­ger Jah­re zuneh­mend unter poli­ti­schen Druck geriet und der Faschis­mus-Vor­wurf schär­fer for­mu­liert wur­de, ver­such­te er noch für eine Wei­le an der Vor­stel­lung fest­zu­hal­ten, daß man den Geg­ner ein­fach bes­ser infor­mie­ren müs­se. Soll­te sich die Lin­ke, so Zim­mer in Ver­tei­di­gung eige­ner Sache, den neu­en Erkennt­nis­sen über die Bio­lo­gie des Men­schen ver­schlie­ßen, wer­de sie letzt­lich »ins Abseits gera­ten. Sie wird ein­fach nicht mehr rea­li­täts­fä­hig sein.« Daß die­se Erwar­tung trog, hat­te mit Zim­mers gutem Glau­ben zu tun, daß die Lin­ke guten Glau­bens sei. Es spricht aber mehr für die gegen­tei­li­ge Annah­me oder doch dafür, daß die Lin­ke ihr Selbst ver­ständ­nis als Men­schen­for­mer« (Otto Koe­nig) nicht beschä­di­gen woll­te durch die Annah­me bio­lo­gi­scher Prä­dis­po­si­tio­nen und sich dabei der Unter­stüt­zung all jener sicher war, die aus ande­ren Moti­ven auf die moder­nen Sozi­al­tech­no­lo­gien zur Steue­rung der Gesell­schaft setzten.
Das erklärt, war­um das »Anthro­po­lo­gie­ver­bot« (Odo Mar­quard) im Lau­fe der acht­zi­ger Jah­re eta­bliert und mit immer neu­en Sank­ti­ons­dro­hun­gen ver­se­hen wer­den konn­te, die bis heu­te wir­ken und jede sach­ge­rech­te Aus­ein­an­der­set­zung um die Natur des Men­schen ver­hin­dern. Das erklärt auch, war­um der Ver­such eines Horst Stern, die Öko­lo­gie- Debat­te um Argu­men­te aus der Ver­hal­tens­for­schung zu ergän­zen, ohne Reso­nanz blieb, und war­um Eibl-Eibes­feldt im Zusam­men­hang mit der Dis­kus­si­on um die »mul­ti­kul­tu­rel­le Gesell­schaft« noch ein­mal gehört, aber dann kon­se­quent igno­riert wur­de, gera­de weil der Hin­weis auf die Natür­lich­keit von Xeno­pho­bie oder die Pro­ble­me der »Pferch­ungs­dich­te« jede Dul­dung von Mas­sen­ein­wan­de­rung als unent­schuld­ba­ren Leicht­sinn ent­larv­te. Und das erklärt wei­ter, war­um es in Deutsch­land kei­ne ernst­zu­neh­men­de Beschäf­ti­gung mit der bell cur­ve gege­ben hat (die das Ende der Debat­te über Erbe oder Umwelt­ein­fluß bei der Intel­li­genz hät­te bedeu­ten kön­nen) und schließ­lich, war­um die Bücher eines Frank Sal­ter (der poli­ti­sche Schlüs­sel­fra­gen aus etho­lo­gi­scher Sicht ana­ly­siert) hier kei­nen Ver­lag finden.
Dem wider­spricht auf den ers­ten Blick, daß ein gewis­ser Natu­ra­lis­mus längst Platz gegrif­fen hat: Wir haben uns an die Idee gewöhnt, daß unser Erb­gut Gesund­heit, Lebens­dau­er und Todes­art bestimmt und daß man die Gefahr »gene­ti­scher Dis­kri­mi­nie­rung« im Blick behal­ten muß, oder daß jede Frau ihre per­sön­li­che Bio­po­li­tik trei­ben darf, wenn es um die Abtrei­bung ihres unge­bo­re­nen Kin­des geht. Bezugs­punkt hat aber stets die Mensch­heit in toto oder der ein­zel­ne zu sein, soweit es um die bio­lo­gi­sche Dimen­si­on unse­rer sozia­len Exis­tenz geht, ist ein wirk­sa­mes Tabu errich­tet. Daher auch die Ent­spannt­heit, mit der man hier­zu­lan­de auf die Sozio­bio­lo­gie reagiert hat, die ohne Zwei­fel wesent­lich natu­ra­lis­ti­scher argu­men­tiert als die Ver­hal­tens­for­schung, aber wegen ihrer Fixie­rung auf die Indi­vi­du­en (»das ego­is­ti­sche Gen«) einer­seits und die Spe­zi­es ande­rer­seits, unter Aus­schal­tung der Zwi­schen­grö­ßen (»Art­erhal­tung«) und wegen ihrer neo­dar­wi­nis­ti­schen Ten­denz unge­fähr­lich erschien, bes­ten­falls geeig­net, den Kapi­ta­lis­mus zu recht­fer­ti­gen, aber ohne pro­ble­ma­ti­sche, weil kon­ser­va­ti­ve Ten­denz der Argumentation.
Die ist der Ver­hal­tens­for­schung inhä­rent. In einem Inter­view, das er 1974 Alain de Benoist gege­ben hat, nahm Lorenz aus­drück­lich und posi­tiv auf die »Welt­of­fen­heit« und not­wen­di­ge Ori­en­tie­rung des Men­schen an der Kul­tur Bezug. Er kon­sta­tier­te nicht nur aus­drück­lich die Über­ein­stim­mung mit Geh­len (der oft fälsch­lich als sein Anti­po­de genannt wird), son­dern beton­te auch die Fra­gi­li­tät der Kul­tur, die unter dem Druck von Selek­ti­ons­pro­zes­sen wesent­lich schlech­ter stand­hal­te als die natur­haf­ten Grö­ßen. Da aber nur die Kul­tur die »Unsterb­lich­keit des Geis­tes« ver­bür­ge, müs­se man die Gegen­wart pes­si­mis­tisch betrach­ten, weil die »Neo­phi­lie« – die Sucht nach dem Neu­en – alles beherr­sche: »Damit das gene­ti­sche Erbe wei­ter­ge­ge­ben wird, bedarf es einer gewis­sen Rigi­di­tät des Genoms. Gibt es in einer Art zu vie­le Muta­tio­nen, führt das zur Ent­ste­hung von Mons­tren. Gibt es nicht genü­gend Muta­tio­nen, erhält man leben­de Fos­si­li­en, wie etwa … das Igu­a­n­o­don. Das ist das­sel­be im Fall der Kul­tur. Wie auf dem Gebiet der Gene­tik gibt es eine Wech­sel­wir­kung zwi­schen den erhal­ten­den Fak­to­ren, der Unver­än­der­bar­keit, und den ver­än­dern­den Fak­to­ren. In jeder Kul­tur hängt die Lebens­fä­hig­keit vom Gleich­ge­wicht zwi­schen die­sen bei­den Arten von Fak­to­ren ab …«

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