Mehr Sein als Schein? Militärische Elite

pdf der Druckfassung aus Sezession 30 / Juni 2009

von Jörg Soldan

»In der Tierzucht, besonders in der Schafzucht, auch bei der Pflanzenzüchtung sind Eliten diejenigen Individuen, die dem Züchtungsziel am besten entsprechen«, belehrt uns Meyers Großes Konversations-Lexikon in seiner Jubiläumsausgabe von 1906. Man spreche in diesem Sinne auch von »Eliteherden«. Doch weiß dieses Lexikon aus dem Kaiserreich unter dem Lexem »Elite«, dem französischen Wort für »Auswahl«, von solchen gezüchteten Eliteherden kulturell geformte Elitetruppen zu unterscheiden: Diese bezeichne man so, weil sie »infolge ausgesuchten Ersatzes, besserer Bewaffnung, Ausbildung, Kriegserfahrung etc. eine vor den übrigen Truppen bevorzugte Stellung einnehmen.« Als frühes historisches Beispiel nennt das Lexikon die Prätorianer, die Leibgarde der römischen Kaiser, in der jüngeren Geschichte kann unter anderem auf Napoleon Bonapartes berühmte Garde verwiesen werden, die bekanntlich stirbt, aber sich nicht ergibt: Der französische Führer, Konsul und Kaiser hatte von 1804 an mit Elitetruppen »im Sinne einer Kerntruppe als Schlachtenreserve « operiert. Aufgrund des Kriteriums eines »ausgewählten Rekrutenersatzes « ist am Ende aber auch noch von militärischer Elite in einem »weiteren Sinne« die Rede.

Die­ses kodi­fi­zier­te Wis­sen aus einer Zeit, in der das Mili­tär nicht nur in Deutsch­land als wich­ti­ges Ele­ment der Gesell­schaft aner­kannt war und Rang­un­ter­schie­de als selbst­ver­ständ­lich vor­aus­ge­setzt wur­den, ist his­to­risch gese­hen bereits sehr dif­fe­ren­ziert und über­dies auf­schluß­reich für die sys­te­ma­ti­sche Über­le­gung, was über­haupt als Wesen einer mili­tä­ri­schen Eli­te erfaßt wer­den kann.
Die Gar­den der Herr­scher hat­ten neben ihrer Schutz­funk­ti­on als Leib­wa­che immer auch reprä­sen­ta­ti­ve Auf­ga­ben als Aus­weis der Stär­ke und des sou­ve­rä­nen Selbst­be­wußt­seins: Von den Hetai­roi des Make­do­ni­ers Alex­an­der bis hin zum preu­ßi­schen Gar­de­korps im kai­ser­li­chen Deutsch­land ver­stan­den es die »Vor­nehms­ten« als ihre Pflicht und ihr beson­de­res Anrecht, in der Gar­de zu die­nen, unmit­tel­bar am Zen­trum der Macht als jener Teil der­sel­ben, der sie an den Zugän­gen sicht­bar ver­kör­per­te. Die Gar­de konn­te damit sozio­lo­gisch eine »Eli­te«, eine gesell­schaft­li­che Aus­le­se abbil­den, aber auch den ein­fa­chen Sol­da­ten aus nie­de­ren Schich­ten durch sei­ne Funk­ti­on aus der All­ge­mein­heit her­aus­he­ben und gleich­sam adeln. In der wei­te­ren geschicht­li­chen Ent­fal­tung hängt es von der jewei­li­gen Lage ab, wie die Funk­tio­nen sol­cher Gar­den zu gewich­ten sind – in län­ge­ren Frie­dens­zei­ten kann sich der Schwer­punkt zur Reprä­sen­ta­ti­on ver­la­gern, so daß der äuße­re Ein­druck, etwa das »Gar­de­maß« der Sol­da­ten, die Uni­form und das Zere­mo­ni­ell wich­ti­ger erschei­nen als die rea­le Kampf­kraft der betref­fen­den Ein­heit. Der Gedan­ke einer Aus­wahl geeig­ne­ter oder gar im Wort­sinn her­aus­ra­gen­der Indi­vi­du­en bleibt dann zwar erhal­ten, ist aber funk­tio­nal auf die reprä­sen­ta­ti­ve Erschei­nung aus­ge­rich­tet. Ver­bän­de wie das vor­wie­gend aus Wehr­pflich­ti­gen bestehen­de Wach­re­gi­ment »Fried­rich Engels« der Natio­na­len Volks­ar­mee in der DDR oder das Wach­ba­tail­lon beim Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung in der BRD sind daher zwar nicht mit preu­ßi­schen Gar­de­korps gleich­zu­set­zen, behal­ten in ihrer Erschei­nung und sicht­ba­ren Nähe zur Macht aber doch Züge sol­cher sei­ner­zeit zwei­fels­oh­ne eli­tä­ren Truppenteile.

Der­lei vor­wie­gend zu Reprä­sen­ta­ti­ons­auf­ga­ben ver­wen­de­te Ver­bän­de wer­den heu­te kaum noch als Eli­te­trup­pen bezeich­net, weil sich die­ser Begriff spä­tes­tens seit dem Zwei­ten Welt­krieg auf eine spe­zi­fi­sche Funk­tio­na­li­tät im Kriegs­ein­satz ver­engt hat. Mit der »Leib­stan­dar­te Adolf Hit­ler« der SS kam zwar das Modell der Prä­to­ria­ner wie auch die Dop­pel­funk­ti­on als Reprä­sen­ta­ti­ons- und Kampf­trup­pe noch ein­mal zum Tra­gen, der Begriff der Eli­te­trup­pe aber wan­del­te sich all­mäh­lich zu einem Syn­onym für Ein­hei­ten und Ver­bän­de mit beson­de­ren Ver­wen­dun­gen: Im Begriff der »Spe­zi­al­ein­hei­ten« schwingt heu­te stets die Vor­stel­lung von einer Eli­te mit. Dar­aus erklärt sich die gro­tes­ke Tat­sa­che, daß sich in den jugo­sla­wi­schen Sezes­si­ons­krie­gen der 1990er Jah­re zahl­lo­se mehr oder weni­ger orga­ni­sier­te Ein­hei­ten und para­mi­li­tä­ri­sche Grup­pie­run­gen aller Feld­post­num­mern mit der Selbst­kenn­zeich­nung als »Spe­ci­jal­na Jedi­ni­ca« schmück­ten, in der Hoff­nung, damit einen eli­tä­ren Sta­tus zu erlan­gen. Die­ser Logik der »Spe­zi­al­ein­hei­ten« als Eli­te­trup­pen folgt bei­spiel­haft auch Ter­ry Whites Unter­su­chung über die Auf­stel­lung von Eli­te­ver­bän­den: Er führt aus­ge­spro­che­ne Spe­zi­al­ver­bän­de wie den bri­ti­schen und aus­tra­li­schen Spe­cial Air Ser­vice (SAS), die U.S. Spe­cial Forces und die Navy Seals, die sagen­um­wo­be­ne sowje­tisch-rus­si­sche Vojs­ka Special’nogo Naz­naće­ni­ja (»Spez­nas «) zusam­men mit Trup­pen­gat­tun­gen wie den bri­ti­schen Paras, den israe­li­schen Fall­schirm­jä­gern und gan­zen Teil­streit­kräf­ten wie dem U.S. Mari­ne Corps und ver­gißt auch nicht, die Légion Etran­gè­re mit ihrem kom­pli­zier­ten Sta­tus in der fran­zö­si­schen Armee den Eli­te­trup­pen zuzu­ord­nen – auch sie schei­nen auf den ers­ten Blick in den jewei­li­gen Armee­ge­fü­gen etwas »Spe­zi­el­les« an sich zu haben.
Was zunächst an die­ser typi­schen Auf­zäh­lung und Zusam­men­fas­sung auf­fällt, ist die Tat­sa­che, daß es sich um vor­wie­gend infan­te­ris­tisch ori­en­tier­te Ver­bän­de han­delt, auch wenn sie aus der Luft oder von der See her ange­lan­det wer­den. Die­se noch heu­te fest­zu­stel­len­de Fixie­rung auf die Kamp­fes­wei­se der Infan­te­rie im Gefecht der ver­bun­de­nen Waf­fen ist aus der His­to­rie zu erklä­ren; selbst­ver­ständ­lich aber gibt es in den moder­nen, hoch­tech­ni­sier­ten Streit­kräf­ten nicht erst seit dem Zwei­ten Welt­krieg Vor­stel­lun­gen von eli­tä­ren Trup­pen­tei­len bei allen Teil­streit­kräf­ten, denkt man heu­te etwa an die U‑Bootbesatzungen oder Kampf­schwim­mer bei der Mari­ne, an die Jagd­ver­bän­de der Luft­waf­fe oder die anglo­ame­ri­ka­ni­schen Bom­ber­flot­ten im Zwei­ten Weltkrieg.
Einen objek­ti­ven gemein­sa­men Nen­ner soge­nann­ter Eli­te­trup­pen bil­det zwei­fel­los die selek­ti­ve Rekru­tie­rungs­pra­xis in Ver­bin­dung mit einer gründ­li­chen und har­ten Aus­bil­dung der aus­ge­wähl­ten Sol­da­ten. Den genann­ten Spe­zi­al­ver­bän­den, Trup­pen­gat­tun­gen und Teil­streit­kräf­ten, denen in ande­ren Kom­pi­la­tio­nen je nach Aus­rich­tung und Her­kunft der Autoren wei­te­re his­to­ri­sche und aktu­el­le Bei­spie­le hin­zu­ge­fügt wer­den, ist eigen­tüm­lich, daß sie unter Bedin­gun­gen ope­rie­ren, die extre­mer schei­nen als der kon­ven­tio­nel­le Krieg ohne Atom­waf­fen mit ver­hält­nis­mä­ßig kla­ren Gefechts­feld­struk­tu­ren. Spe­zi­al­ver­bän­de wie die U.S. Spe­cial Forces sind vor­ge­se­hen für uncon­ven­tio­nal war­fa­re, eine spe­zi­el­le Krieg­füh­rung, die sich aus den Erfah­run­gen des ideo­lo­gisch unter­füt­ter­ten Klein­kriegs ent­wi­ckel­te, den Gue­ril­la-Tak­ti­ken im Krieg der Viet­minh gegen die fran­zö­si­schen Kolo­ni­al­herrn und der Viet­cong gegen die US-Ame­ri­ka­ner, sich aber auch auf die Erfah­run­gen der Bri­ten in deren Kolo­ni­al­krie­gen stüt­zen konnte.

Die Per­so­nal­aus­wahl und Aus­bil­dung sol­cher Spe­zi­al­ein­hei­ten, zu denen in der heu­ti­gen Bun­des­wehr auch das Kom­man­do Spe­zi­al­kräf­te (KSK) in Calw gehört, ist ganz auf län­ge­re, auf sich gestell­te Ope­ra­tio­nen ver­hält­nis­mä­ßig klei­ner Trup­pen­tei­le »hin­ter den feind­li­chen Lini­en« aus­ge­rich­tet. Es leuch­tet sofort ein, daß damit für die Per­so­nal­aus­wahl ein Pro­fil vor­ge­ge­ben ist, wel­ches hohe Anfor­de­run­gen an die gesund­heit­li­che Eig­nung, die kör­per­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit, an Intel­li­genz und Cha­rak­ter glei­cher­ma­ßen stellt.
Bei­spiel­haft for­der­te auch das Hand­buch für Fall­schirm­jä­ger der NVA neben »hohem poli­ti­schem Bewußt­sein« im ideo­lo­gi­schen Krieg selbst­ver­ständ­lich »ein Höchst­maß an theo­re­ti­schem sowie prak­ti­schem mili­tä­ri­schem Wis­sen und Kön­nen«. Weil eine Fall­schirm­jä­ger­grup­pe »im rück­wär­ti­gen Gebiet des Geg­ners stän­dig von über­le­ge­nen Kräf­ten und Mit­teln des Geg­ners umge­ben und bedroht« sei, kom­me es dar­auf an, »daß der Fall­schirm­jä­ger mit viel List und Fin­dig­keit mutig, initia­tiv­reich und ent­schlos­sen sei­ne Kampf­auf­ga­ben erfüllt«. Wil­lens­stär­ke, Kühn­heit, Kalt­blü­tig­keit, Zuver­läs­sig­keit und Kame­rad­schaft sol­len ihn aus­zeich­nen: »Der unge­wöhn­li­chen Här­te und den hohen phy­si­schen und psy­chi­schen Belas­tun­gen beim Ein­satz im rück­wär­ti­gen Gebiet des Geg­ners muß er gewach­sen sein. Das setzt natür­lich ein regel­mä­ßi­ges, sys­te­ma­ti­sches und täg­li­ches Aus­dau­er- und Kraft­trai­ning vor­aus.« Die Ver­fah­ren der Per­so­nal­aus­wahl und Aus­bil­dung sind daher bei sol­chen Trup­pen in den unter­schied­lichs­ten Län­dern grund­sätz­lich ähnlich.
Ein der­ar­ti­ges Ras­ter der Per­so­nal­aus­wahl wird aber nicht nur bei kom­man­do­ähn­li­chen Ein­hei­ten in Anschlag gebracht, son­dern eben­so in Trup­pen­gat­tun­gen wie den israe­li­schen Fall­schirm­jä­gern, den im Hoch­ge­bir­ge ope­rie­ren­den Ein­hei­ten der Gebirgs­jä­ger oder den ame­ri­ka­ni­schen Mari­ne­infan­te­ris­ten, die durch­aus im Rah­men übli­cher kon­ven­tio­nel­ler infan­te­ris­ti­scher Sze­na­ri­en kämp­fen müs­sen; es ist bezüg­lich der phy­si­schen und psy­cho­lo­gi­schen Kampf­taug­lich­keit fei­ner als bei den meis­ten ande­ren ver­gleich­ba­ren infan­te­ris­ti­schen und ähn­li­chen Trup­pen­tei­len, was nicht zuletzt wie­der durch die Ein­satz­grund­sät­ze und poten­ti­el­len Ver­wen­dun­gen bedingt ist – die Begrif­fe der »Feu­er­wehr«, der schnel­len Ein­greif­trup­pe oder der Reser­ve gegen durch­ge­bro­che­nen Feind sind hier ein­schlä­gig. In der arbeits­tei­li­gen Armee­or­ga­ni­sa­ti­on gilt frei­lich, daß die Spe­zia­li­sie­rung der Trup­pen­gat­tun­gen höchst unter­schied­lich ist und daher nicht nur etwa die als »Eli­te« aner­kann­ten Kom­man­dos oder auch die Jet­pi­lo­ten, son­dern eben­so bei­spiels­wei­se Spe­zia­lis­ten der Elek­tro­ni­schen Kampf­füh­rung eige­nen, durch­aus rigi­den Aus­wahl­kri­te­ri­en ent­spre­chen müs­sen. In die­ses Feld gehört über­dies, daß auch bei der Aus­wahl des Füh­rungs­per­so­nals Pro­ze­du­ren grei­fen – für den Offi­ziers­nach­wuchs der Bun­des­wehr etwa in einem mehr­tä­gi­gen Ver­fah­ren in einer »Offi­zier­be­wer­ber­prüf­zen­tra­le« (OPZ) –, mit denen die Spreu vom Wei­zen getrennt wer­den soll.
Die fest­ge­füg­te Vor­stel­lung von klar abgrenz­ba­ren Eli­te­trup­pen muß also rela­ti­viert und dyna­mi­siert wer­den. Es wäre frei­lich unsin­nig, Qua­li­täts­un­ter­schie­de zwi­schen ein­zel­nen Trup­pen­gat­tun­gen, Ver­bän­den oder Ein­hei­ten abzu­strei­ten; ana­ly­tisch eben­so pro­ble­ma­tisch ist es indes­sen, auf insti­tu­tio­na­li­sier­ten Eli­ten zu bestehen, wie es etwa die der­zei­ti­ge Uni­ver­si­täts­po­li­tik vor­führt: Als Eli­te erscheint dann nur, wor­auf das Eti­kett »Eli­te« prangt – hier droht die Arro­ganz der Hät­schel­kin­der, der schö­ne Schein. Das Kon­zept der »Eli­te« soll­te sys­te­ma­tisch viel­mehr unter drei Aspek­ten dis­ku­tiert wer­den: Ers­tens hat man es als eine objek­ti­ve Qua­li­täts­be­zeich­nung zu fas­sen, die auf­grund bewert­ba­rer Leis­tun­gen gemäß einem nach­voll­zieh­ba­ren Maß­stab zu tref­fen ist: Wann und wodurch wird eine Ein­heit sub­stan­ti­ell zu einer dau­er­haft über­durch­schnitt­li­chen Trup­pe? Zwei­tens wäre die Kenn­zeich­nung eines Ver­bands als Eli­te durch Außen­ste­hen­de zu ana­ly­sie­ren: Wovon hängt es neben der objek­ti­ven Leis­tung ab, daß ein Trup­pen­teil als Eli­te­ein­heit gilt? Und drit­tens müß­te gefragt wer­den, wann und wie eine Trup­pe sich selbst als Eli­te ver­steht: Grün­det dies auf ihrer objek­ti­ven Leis­tungs­fä­hig­keit, und wirkt sich das eli­tä­re Selbst­bild wie­der­um dar­auf aus?

Die Fra­ge, was bestimm­te Ein­hei­ten und Ver­bän­de bes­ser sein läßt als ande­re, ist in der Mili­tär­wis­sen­schaft der meis­ten Län­der immer wie­der Gegen­stand der Unter­su­chung gewor­den. So gelang­te eine Stu­die an der Naval Post­gra­dua­te School im kali­for­ni­schen Mon­terey Mit­te der 1980er Jah­re zum Ergeb­nis, es sei­en in den her­aus­ra­gen­den Batail­lo­nen acht »Säu­len« ding­fest zu machen, auf denen ihre Leis­tungs­fä­hig­keit beru­he: Füh­rung durch Vor­bild, ernst­fall­ori­en­tier­te Aus­rich­tung auf Gefechts­taug­lich­keit, Dele­ga­ti­on von Ver­ant­wor­tung, star­ke Kol­lek­tiv­i­den­ti­tät in der Trup­pe, groß­ge­schrie­be­ne Für­sor­ge, Dis­zi­plin und hohe all­täg­li­che Stan­dards, geleb­te Kame­rad­schaft und Koope­ra­ti­on sowie eben nach­hal­tig gute Leis­tun­gen über einen lan­gen Zeit­raum. Sicher ist dem noch hin­zu­zu­fü­gen, daß eine bes­se­re Aus­rüs­tung die Per­for­manz wei­ter ver­bes­sert, auch die Kriegs­er­fah­rung der Trup­pe oder wenigs­tens eines Teils ihres Stamm­per­so­nals spielt eine wesent­li­che Rol­le. Eine ent­schei­den­de Vor­aus­set­zung für den exzel­len­ten Zustand eines Ver­bands liegt natür­lich in der Qua­li­tät der Aus­bil­dung, die wie­der­um von der Qua­li­tät des Füh­rungs­per­so­nals abhängt. Beißt sich damit die Kat­ze in den Schwanz? Auf­fäl­lig ist, daß die empi­risch ermit­tel­ten Befun­de der ame­ri­ka­ni­schen Stu­die sich mit der Ana­ly­se des deut­schen Artil­le­rie­of­fi­ziers Elmar Din­ter deck­ten, der 1982 der Fra­ge nach­ge­gan­gen war, wie es im Krieg zu »Hel­den­tum«, aber auch zu Feig­heit kom­men kann. Ihm ging es also aus einer trup­pen­psy­cho­lo­gi­schen Per­spek­ti­ve um eine ähn­li­che Fra­ge wie den Ame­ri­ka­nern, denn der tra­di­tio­nel­le Begriff des Hel­den­tums steht ja für her­aus­ra­gen­des Ver­hal­ten, das von einer Eli­te habi­tu­ell und nach­hal­tig erwar­tet wird. Hier mün­den die drei erwähn­ten Aspek­te der Ana­ly­se des Eli­te­ver­ständ­nis­ses in einen zen­tra­len Fak­tor, den Din­ter in der Grup­pen­ko­hä­si­on bestimm­te. Ein­hei­ten mit einer star­ken kol­lek­ti­ven Iden­ti­tät sind, das fach­li­che Kön­nen immer vor­aus­ge­setzt, in der Lage, auch extre­me Situa­tio­nen zu meis­tern. Die Ame­ri­ka­ner ver­su­chen schon seit lan­gem, die­ser Ein­sicht unter ande­rem mit dem Bud­dy-Sys­tem gerecht zu wer­den und ins­be­son­de­re die klei­ne Kampf­ge­mein­schaft als Keim­zel­le der Ein­hei­ten zu stär­ken – in der Aus­bil­dung wird der Trupp als Kol­lek­tiv­we­sen behan­delt, er wird vom Gang auf die Toi­let­te über die Mahl­zeit bis zum Kampf­ein­satz auf Gedeih und Ver­derb anein­an­der­ge­bun­den. Auch auf der Ebe­ne der Ein­hei­ten wird dort seit Dez­en­ni­en alles getan, um die Grup­pen­ko­hä­si­on zu för­dern, mit je eige­nem Kampf­schrei, Wim­peln, inten­si­ver Tra­di­ti­ons­pfle­ge und der­glei­chen mehr.
Für unse­re Begrif­fe wirkt eine sol­che pla­ka­tiv nach außen getra­ge­ne Grup­pen­iden­ti­tät bis­wei­len über­stei­gert; damit soll die Inten­ti­on der­ar­ti­ger Bemü­hun­gen jedoch kei­nes­falls abge­wer­tet wer­den. »Korps­geist, Kame­rad­schaft, Kön­nen« hieß einst ein Leit­satz in der deut­schen Infan­te­rie, und er bringt mit jenem gewis­sen Under­state­ment, das wirk­lich gute Trup­pen aus­zeich­net und in beson­de­rem Maße etwa an den vor­züg­li­chen bri­ti­schen Paras auf­fällt, zum Aus­druck, was die »Kern­trup­pen« aller Zei­ten aus­macht. Es sind im Grun­de alte Weis­hei­ten, denn schon Fried­rich der Gro­ße hielt in sei­nem Poli­ti­schen Tes­ta­ment von 1768 fest: »Das bes­te, was man den Sol­da­ten bei­brin­gen kann, ist Korps­geist; das heißt, sie sol­len ihr Regi­ment höher­stel­len als alle ande­ren Trup­pen der Welt.« Der Kern aus sol­chen Trup­pen ist hart, er bleibt übrig und weicht auch nicht, wenn der Rest weg­ge­schmol­zen ist.

Robus­tio­res nann­ten die Römer daher ihre her­aus­ra­gen­den Kämp­fer, von robur, dem latei­ni­schen Wort für Eichen­holz aus­ge­hend. »Wir Fall­schirm­jä­ger sind geschnitzt aus har­tem Eichen­holz / Wir sind auf unsern wei­ßen Schirm und unsern Adler stolz«, sang so auch die­se sei­ner­zeit neu­ar­ti­ge Trup­pe, die auf­grund ihrer objek­ti­ven mili­tä­ri­schen Leis­tun­gen im Zwei­ten Welt­krieg von der Fach­his­to­rie in brei­ter Über­ein­stim­mung zu den Eli­te­trup­pen gezählt wird. An ihrem Bei­spiel zeig­te sich auch, daß das Selbst­ver­ständ­nis als Eli­te­trup­pe mit der Ein­schät­zung durch »kon­kur­rie­ren­de« Ver­bän­de und objek­ti­ver Leis­tung kor­re­lie­ren kann und ent­spre­chen­de Rück­kop­pe­lungs­ef­fek­te zu erken­nen waren. Zwar konn­te sich der jun­ge Ver­band in sei­nen ers­ten Jah­ren nicht auf eine län­ge­re Tra­di­ti­on stüt­zen, doch ver­füg­te er mit dem obli­ga­to­ri­schen Fall­schirm­sprung über einen zugleich modern-funk­tio­na­len und archai­schen Initia­ti­ons­ri­tus, der eine star­ke Grup­pen­ko­hä­si­on fast garan­tiert. Das Prin­zip der Frei­wil­lig­keit, eine gute Aus­le­se und die for­dern­de Aus­bil­dung muß­ten in Ver­bin­dung mit die­sem Korps­geist zu ent­spre­chen­den Leis­tun­gen füh­ren. Nach Eben Ema­el war der Ruf aus der Luft eta­bliert, und ein sol­cher Ruf wie­der­um ver­pflich­te­te, sich auch am Boden etwa in Mon­te Cas­si­no dem Leis­tungs­druck in ganz ande­rer Lage beson­ders gewach­sen zu zeigen.
Was an die­sem Bei­spiel und ande­ren in zuge­spitz­ter Form zu sehen ist, gilt frei­lich prin­zi­pi­ell für alle Trup­pen­gat­tun­gen und Ein­hei­ten: Der Sta­tus einer Eli­te in der Trup­pe ist ein dyna­mi­scher Fak­tor und kei­nes­wegs auf aus­ge­wie­se­ne Spe­zi­al­ein­hei­ten beschränkt, son­dern auch in der Ver­sor­gungs­trup­pe oder der Instand­set­zung denk­bar und daher als Aus­bil­dungs­ziel über­all zu for­dern. Eine Aus­wahl von »Indi­vi­du­en, die dem Züch­tungs­ziel am bes­ten ent­spre­chen«, tech­ni­sches Kön­nen und gute Aus­rüs­tung allein machen dabei noch kei­ne Eli­te­trup­pe. Es ist der Esprit de corps, der aus einer poten­ti­el­len Kampf­kraft den stets hohen Gefechtso­der Ein­satz­wert in wech­seln­den Lagen hervorbringt.

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