Kleine Mädchen können sehr sexy sein

Es eignet dem Wesen aller Gleichheitsutopien, Grenzen zu sprengen und vermeintlich feste (eben: abgrenzende) Kategorien zu hinterfragen.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Etwa: Was ist schon „männ­lich“, was „weib­lich“? Was „eigen“, was „fremd“? Was schön und was häß­lich? Die Gren­zen zwi­schen all die­sen (als über­kom­men emp­fun­de­nen) Polen sind lang schon morsch. Auch zwi­schen Alt & Jung wei­chen die Trenn­li­ni­en auf. Belieb­tes Mot­to: „Man ist so alt, wie man sich fühlt.”

Neil Post­man hat schon vor lan­ger Zeit kon­sta­tiert, daß das Schwin­den der Kind­heit und die Infan­ti­li­sie­rung der Alten Hand in Hand gehen. Sexu­ell kon­no­tiert ist die­ser Sach­be­stand für gewöhn­lich nicht. Aller­dings ist auch das nicht neu. Schon Dani­el Cohn-Ben­dit hat­te ja in sei­nen Kin­der­la­den-Hosen­latz-Erin­ne­run­gen sinn­ge­mäß fest­ge­stellt, daß die­se jun­gen Mäd­chen aus der Kita ganz schön raf­fi­niert vor­ge­hen können.

Ob die­ser Kind­frau­en­hype nun wie­der aktu­ell ist? Indiz Nr. 1 wäre die Cau­sa Pol­an­ski. Laut FAZ ist zwar in den USA in den letz­ten Wochen die brei­te Front der Free–Polanski-Rufer zusam­men­ge­bro­chen. Aber ich erin­ner mich noch gut an den Spott der ver­sam­mel­ten Mann­schaft des Ahri­man-Ver­lags-Stan­des auf der Buch­mes­se, der mich des­halb traf, weil ich die dort aus­lie­gen­de Pro-Pol­an­ski-Peti­ti­on nicht unter­schrei­ben woll­te. Man erklär­te mir, daß doch wohl bei­de – Pol­an­ski und sein 13jähriges Lust­ob­jekt – an der „Num­mer“ gro­ßen Spaß hat­ten. Nur äußerst prü­de Zeit­ge­nos­sen wür­den leug­nen, daß auch jun­ge Mäd­chen gern mal „von hin­ten ver­wöhnt“ wer­den wollten.

Indiz Nr. 2 war der neue Film des von mit sonst ziem­lich geschätz­ten Regis­seurs Mathi­as Glas­ner, „This is love“. Den sah ich letz­te Woche, das Kino ver­ließ ich schlecht gelaunt bzw. mit leich­ter Übel­keit. Es ging – stark ver­kürzt – um einen sen­si­blen älte­ren Typen, der sich in eine elf- oder zwölf­jäh­ri­ge Viet­na­me­sin ver­knallt. War­um auch immer, es wird an kei­ner Stel­le klar. Klar ist nur, daß es dem Kind auch nach Ver­las­sen des Bor­dells in Sai­gon nur dar­um geht, reiz­voll zu sein und Män­nern „Gutes“ zu tun. In aller Unschuld – schlimm ist nur, wenn rohe Gewalt mit im Spiel ist – und„Liebe“ hat sie wesent­lich ein Ziel: den „gelieb­ten“ Euro­pä­er zu befrie­di­gen. Nicht geis­tig, klar. Ein höl­li­scher Film mit extrem unkla­rer Botschaft.

Und nun, mein Indiz Nr. 3, wird uns die gla­mou­rö­se, maga­zin­ar­ti­ge Bei­la­ge Z- Die schö­nen Sei­ten (die sowohl der NZZ als auch der FAZ bei­gege­ben ist und auch deren redak­tio­nel­ler Ver­ant­wor­tung unter­liegt) prä­sen­tiert von einem Kind­chen mit las­ziv halb­ge­öff­ne­ten Lip­pen, das in gül­de­nem Mini­ge­wand und auf High Heels (mit sexy Schnür­bän­dern bis ans Knie) posiert, sie­he Bild­chen. Wie alt ist das Mäd­chen? Neun, schätz­te ich und schätz­ten auch die, denen ich das Heft zeig­te. Im Heft­in­nern sehen wir „Anne Sophie M.“ auch in ande­rer Auf­ma­chung, etwa dras­tisch geschminkt und knall­rot auf noch höhe­ren Stö­ckeln oder noch knap­per beklei­det (und in Stie­feln) auf einem plüsche­nen Reh­böck­chen „rei­tend“. Naja, eine mei­ner Töch­ter mein­te: „Die ist mal min­des­tens elf“. Es kann gut sein, daß das Model (Recher­chen nutz­ten wenig) in Wahr­heit 39 ist. Hier, in der Wer­be­welt, zählt der Schein, und der sagt: Kind. Im Ver­gleich jeden­falls kam die gute Twig­gy als rei­fe Erwach­se­ne rüber. Darf ich mich , von rechts gese­hen, dar­über auf­re­gen? Daß ein Kind oder Schein­kind der­art in Sze­ne gesetzt wird?

Über jenen Nacke­dei-Kalen­der eines Göt­tin­ger Gym­na­si­ums (Abi macht sexy, klar) haben sich ja alle gefreut, im Stadt­par­la­ment fast par­tei­en­über­grei­fend („aus­ge­zeich­ne­ter Geschäfts­sinn“: der FDP-Mensch). Nur die Links­par­tei fand’s blöd, weil „frau­en­ver­ach­tend“. Gut: Dort nun haben sich soge­nann­te Erwach­se­ne ent­blößt, die auch als sol­che zu erken­nen waren. Wenn ich nun den Klein­mä­del­se­xy­kult als absto­ßend und ver­ach­tens­wert emp­fin­de und gleich­zei­tig hun­dert­pro­zen­tig weder links noch femi­nis­tisch bin? Ist das inso­fern auch eine Grenzverletzung?

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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